VwGH 09.07.1957, 1778/56
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Penzinger als Richter, im Beisein des Landesregierungskommissär Kinscher als Schriftführer, über die Beschwerde des Ing. KB in G gegen den Beschluß des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom (Bescheid des Magistrates Graz vom gleichen Tage, Zl. A 17 - 854/5 - 1956), betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen in einer Bausache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Am brachte die X Wohngemeinschaft in Z, mitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, ein Widmungs- und Bauansuchen betreffend die Errichtung von vier Mehrfamilien-Wohnhäusern auf der Liegenschaft Grundstücke XX und XX in EZ. XXX des Grundbuches der Kat. Gemeinde IV - Lend in Graz an der G Gasse, Ecke A Gasse, ein. Hierüber fand am eine kommissionelle Verhandlung statt, bei der der Beschwerdeführer nach der aufgenommenen Niederschrift die Erklärung abgab, gegen die Widmung und den Bau grundsätzlich keine Einwendung zu erheben. Als Grundlage dienen der bei der Augenscheinsverhandlung zwischen dem Vertreter der Bauwerberin und ihm abgeschlossene Kauf- und Tauschvertrag, über den die Verhandlungsschrift besagt, daß der Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen habe, vom öffentlich-rechtlichen Standpunkt bestehen gegen die Widmung und gegen das Bauvorhaben bei der Einhaltung der vorgesehenen Bedingung kein Einwand. Sollte er Einwendungen erheben, die privatrechtlicher Natur seien, so werde er hiemit auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Am langte beim Magistrat Graz ein Schreiben des Beschwerdeführers ein, in welchem er bekannt gab, er habe als Anrainer bei der Bauverhandlung vom dem Bauvorhaben zugestimmt und keine Einwendungen erhoben, und zwar auf Grund einer zwischen ihm und dem Bauwerber getroffenen provisorischen Vereinbarung; der Bauwerber sei von dieser Vereinbarung zurückgetreten. Der vorgesehene Tausch- und Kaufvertrag komme daher nicht zustande. Er erhebe nunmehr als Anrainer gegen das geplante Bauvorhaben in der eingereichten Form Einspruch, wenn nicht zumindest der nach dem neuen Verbauungsplan notwendige Abstand von der Grundgrenze seiner Liegenschaft nach Osten für eine sechsgeschoßige Verbauung eingehalten werde. Mit Beschluß des Stadtrates der Landeshauptstadt Graz vom wurde auf Grund des Ergebnisses des Augenscheines vom gemäß § 1 und § 13 der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz, LGBl. Nr. 20/1881, in Verbindung mit § 2 des Gesetzes vom , LGBl. Nr. 15, betreffend die Flächennutzungs- und Bebauungspläne im Lande Steiermark, die Widmungsbewilligung und die Bewilligung zur plan- und befundgemäßen Ausführung des Bauvorhabens unter den in der beiliegenden Verhandlungsschrift angeführten Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurde der vorn Beschwerdeführer als westlich angrenzendem Anrainer nach der Verhandlung erhobene schriftliche Einspruch abgewiesen und der Beschwerdeführer mit seinen privatrechtlichen Einwänden auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer Berufung ein. In dieser brachte er im wesentlichen vor, wenn auch die neuen Regulierungslinien für den in Betracht kommenden Komplex noch nicht gemeinderätlich beschlossen seien, so liege doch die Regulierungslinie und damit auch die Baulinie G Gasse und A Gasse schon seit. Jahren fest. Dadurch sei dem Beschwerdeführer das Recht erwachsen, an der Bau- bzw. Regulierungslinie zu bauen. Wenn die X Wohnbaugemeinschaft in Z direkt an der Grundgrenze ihrer Parzellen baue, werde es dem Beschwerdeführer unmöglich gedacht, den auf seiner Parzelle projektierten mehrgeschoßigen Wohnbau durchzuführen, weil der notwendige Abstand für zwei, sich gegenüberliegende mehrgeschoßige Wohnhausprojekte sowohl lichteinfallsmäßig als auch vom hygienischen Standpunkte nicht mehr gegeben sei. Die Aufführung eines mehrgeschoßigen Wohnhausprojektes mit dem dazu gehörigen Hofraum wäre jedoch zu erstellen gewesen, wenn das Projekt der Alpenländischen Wohnbaugemeinschaft den notwendigen Abstand von der Grundgrenze einhalten würde. Aus diesen Gründen habe der Beschwerdeführer gegen das Bauvorhaben bei der Bauverhandlung Einwendungen erhoben. Über-Anregung des Verhandlungsleiters sei es zwischen dem Beschwerdeführer und dem Vertreter der X Wohnbaugemeinschaft zu einer Vereinbarung gekommen, nach welcher sich der Beschwerdeführer bereit erklärt labe, einen Teil seiner Parzellen an der A Gasse an die-Bauwerberin zu verkaufen, wogegen die Bauwerberin dem Beschwerdeführer einen Teil ihrer Parzellen EZ. XXX verkaufen wollte. Auf Grund dieses Tausch- und Kaufvertrages, der als provisorische Vereinbarung abgeschlossen worden sei, weil die genauen Ausmaße noch vorGeometer festzusetzen Waren, habe der Beschwerdeführer nach Abschluß dieser Vereinbarung erklärt, keine Einwendung mehr gegen die Widmung und das Bauvorhaben zu erheben. Pflicht des Verhandlungsleiters wäre es gewesen, den Vergleich in die Verhandlungsschrift aufzunehmen „und zu protokollieren“. Wäre dies geschehen, so wäre die Alpenländische Wohnbaugemeinschaft verpflichtet, „diese Vereinbarung. bzw. diesen Vergleich als Grundlage der Baubewilligung“ zu erfüllen. Wäre die abgeschlossene Vereinbarung in die Verhandlungsschrift aufgenommen worden, so würde sie einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilden und es wäre nicht möglich gewesen, den Beschwerdeführer mit seinen Einwendungen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. In der Grazer Bauordnung seien keine ziffernmäßigen Abstände vorgeschrieben, dies sei vielmehr Sache des Ermessens der Baubehörde. Von diesem Ermessen könne nicht gesetzwidrig Gebrauch gemacht werden. In der Verhandlungsschrift vom21. Juli 1955 sei ein Mindestabstand von 4 m zur straßenseitigen Grundgrenze und 6m zu den nördlichen Nachbargrundgrenzen vorgesehen. Lediglich gegenüber der Grundfläche des Beschwerdeführers sei kein Seitenabstand vorgesehen. Der Beschwerdeführer bekämpfe daher den Bescheid insoferne, als über den zu seinem Grund einzuhaltenden Seitenabstand abgesprochen worden sei. Weiters bekämpfe er die Verweisung auf den Zivilrechtsweg. Von einer Präklusion könne nicht gesprochen werden, weil der Beschwerdeführer lediglich durch den Abschluß des Vergleiches abgehalten worden sei, auf seine Einwendungen zu beharren. Mit dem in Ausfertigung des Beschlusses des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom ergangenen Bescheid des Magistrates Graz, Baurechtsamt, vom gleichen Tage wurde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid wurde jedoch dahin abgeändert, daß der Satz „Mit seinen privatrechtlichen Einwendungen wird er (der Beschwerdeführer) auf den Zivilrechtsweg verwiesen“ zu entfallen habe. In der Begründung dieses Bescheides ist ausgeführt, aus der Verhandlungsschrift vom gehe hervor, daß der Beschwerdeführer gegen die geplante Widmung und das Bauvorhaben grundsätzlich keine Einwendungen erhoben habe. Daraus ergebe sich, daß der Beschwerdeführer mit seiner erst am vorgebrachten privatrechtlichen Einwendung präkludiert sei. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschwerdeführer sich bei der mündlichen Verhandlung vom Ergebnis des zustandegekommenen Übereinkommens habe leiten lassen, weil die Beweggründe, die ihn veranlaßt haben, dem Bauvorhaben zuzustimmen, für die Baubehörde nicht weiter von Belang seien. Wenn der Bauwerber seine privatrechtliche Vereinbarung nicht „zuhalte“, so könne sich der Beschwerdeführer mit dem Vertragspartner nach dem Zivilrecht auseinandersetzen. Aber selbst wenn der Beschwerdeführer nicht präkludiert wäre, würde sein Anspruch nur als privatrechtlicher aufgefaßt werden können. Bei dieser Sachlage könne auch von einem Verfahrensmangel durch Nichtprotokollierung der Vereinbarung nicht gesprochen werden.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Es wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Hiezu wird ausgeführt: Der angefochtene Bescheid stelle fest, daß bei der Augenscheinsverhandlung vom ein übereinkommen zustande gekommen sei. Auf Grund dieses Übereinkommens habe sich der Standort des Bauvorhabens verschoben. Es wäre Pflicht des Verhandlungsleiters bei Erteilung der Widmungsbewilligung und der Baubewilligung gewesen, festzustellen, wo eigentlich der Neubau zu stehen komme. Der Verhandlungsleiter habe versucht, einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen. Auf Grund dessen sei auch ein Kauf- und Tauschvertrag abgeschlossen worden. Dieser hätte in der Verhandlungsschrift genau aufgenommen werden müssen. Die Verpflichtung hiezu ergebe sich aus § 4 der Grazer Bauordnung. Wäre dies geschehen, so hätte sich ergeben, daß das Gebäude gegen den Grund des Beschwerdeführers vorrücke und daher neue Pläne vorgelegt werden müßten. Auf Grund des Übereinkommens habe der Beschwerdeführer seine Einwendungen gegen das Bauvorhaben fallen gelassen, da er der Meinung gewesen sei, daß die Baugenehmigung und die Widmung auf Grund des Übereinkommens erteilt werden würde. In dieser Mangelhaftigkeit des Verfahrens, nämlich in der Unterlassung der Protokollierung des Übereinkommens, sei auch die Rechtswidrigkeit des Inhaltes gelegen. Der angefochtene Bescheid sei rechtsirrig, wenn er meine, daß es sich bei dem Hinweis auf das Übereinkommen nur um die Geltendmachung von Beweggründen (Motiven) handle. Bei der Protokollierung des Vergleiches wäre die Behörde zu einem anderen, Bescheid gekommen. Durch seine Erklärung, daß das Übereinkommen nicht eingehalten werde, habe er zum Ausdruck gebracht, daß er sich mit dem. Bauvorhaben nicht einverstanden erklären könne. In der Verhandlungsschrift sei ein Mindestabstand von 4 m zur straßenseitigen Grundgrenze und von 6 m zu der nördlichen Nachbargrenze vorgesehen gewesen. lediglich gegen den Grund des Beschwerdeführers sei kein Abstand vorgesehen. Man könne das Ermessen hinsichtlich der Situierung des Gebäudes nicht einseitig auslegen. Es gehe nicht an, die Einwendungen als verspätet abzuweisen, denn entweder hätten seine Einwendungen wegen des Seitenabstandes behandelt oder das Verfahren unter Zugrundelegung der getroffenen Vereinbarung durchgeführt werden müssen. Über die Vereinbarung hätte im Verwaltungsverfahren entschieden werden müssen; daher sei sowohl die Verweisung dieser Einwendung auf den Zivilrechtsweg als auch die Aufhebung dieser Verweisung rechtswidrig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:.
Bezüglich der Verhandlung der vom Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom vorgebrachten Einwendung durch die belangte Behörde ist zunächst festzustellen, daß das Vorgehen der Behörde nicht dem Gesetz entspricht. Wenn die belangte Behörde im Gegensatz zur Behörde erster Instanz zur Erkenntnis gelangte, daß die Einwendung verspätet und daher zufolge der Vorschrift des § 42 AVG nicht mehr zu berücksichtigen sei, dann durfte die Einwendung nicht als unbegründet abgewiesen werden, sondern hätte als verspätet zurückgewiesen. werden müssen. Denn die Abweisung einer Einwendung ist eine Sachentscheidung. Eine solche setzt aber voraus, daß die Einwendung zeitgerecht und in einer dem Gesetz entsprechenden Form erhoben worden ist. Durch die Abweisung der Schriftlich vorgebrachten Einwendung ist aber der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt worden, wenn die Einwendung tatsächlich verspätet vorgebracht wurde und aus diesem Grunde zurückzuweisen gewesen wäre.
Gemäß § 44 Abs. 1 AVG ist über jede mündliche Verhandlung eine Verhandlungsschrift nach den Bestimmungen der §§ 14 und 15 AVG aufzunehmen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 AVG sind Verhandlungsschriften derart abzufassen, daß bei Weglassung alles nicht zur Sache Gehörigen der Verlauf und Inhalt der Verhandlung richtig und verständlich wiedergegeben wird. Die unterlassene Einhaltung dieser Vorschrift soll nach Meinung des Beschwerdeführers darin gelegen sein, daß die bei der Verhandlung vom zwischen ihm und dem Bauwerber getroffene Vereinbarung nicht festgehalten wurde. Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift des § 4 Abs. 1 der Bauordnung für die Landeshauptstadt Graz (Gesetz vom 7. September 1881, LGBl. Nr. 20 mit Änderungen), wonach, wenn von den Nachbarn gegen den Bau Einwendungen privatrechtlicher Natur vorgebracht werden, vorerst bei der Augenscheinskommission die gütliche Beilegung zu versuchen und, der Inhalt des Ausgleiches in einer rechtsgültigen Form in das Kommissionsprotokoll aufzunehmen ist. Er übersieht jedoch, daß diese Vorschrift nur dann anzuwenden ist, wenn gegen das Bauvorhaben privatrechtliche Einwendungen erhoben werden. Der Beschwerdeführer behauptet aber selbst nicht, daß seine Einwendungen gegen das Bauvorhaben privatrechtliche Einwendungen waren. Er hat vielmehr nach seinem eigenen Vorbringen die Unzulässigkeit der Bauführung in der Nichteinhaltung entsprechender Abstände von seiner Liegenschaft erblickt. Eine solche Einwendung ist eine öffentlich-rechtliche Einwendung, weil sie die Verletzung von Entfernungsvorschriften zum Inhalt hat.
Abgesehen davon ist der Beschwerdeführer darauf zu verweisen, daß er die Verhandlungsschrift in der von ihm beanstandeten Form vorbehaltslos unterfertigt hat. Da diese Verhandlungsschrift gemäß den Bestimmungen des § 14 AVG aufgenommen wurde, liefert sie zufolge § 15 AVG im Zusammenhalt mit § 44 Abs. 1 AVG über den Verlauf und den Gegenstand der Verhandlung vollen Beweis. Falls der Beschwerdeführer die Aufnahme der getroffenen Vereinbarung in die Verhandlungsschrift für notwendig erachtet hätte, hätte er bei der Verhandlung einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Der Beschwerdeführer befindet sich sohin in einer Situation, derzufolge er gegen das Bauvorhaben keine Einwendungen öffentlich-rechtlicher Art erhoben hat. Im übrigen wäre selbst dann, wenn die Verhandlungsschrift die vom Beschwerdeführer geraten Mängel nicht aufweisen würde, keine andere Rechtslage gegeben. In diesem Falle wäre nämlich aus der Verhandlungsschrift ersichtlich, daß der Beschwerdeführer ursprünglich gegen die Widmung und die Bauführung öffentlich-rechtliche Einwendungen erhoben, daß er jedoch diese Einwendungen auf Grund eines Vergleichsversuches des Verhandlungsleiters und des mit dem Bewilligungswerber abgeschlossenen Kauf- und Tauschübereinkommens nicht weiter aufrecht erhalten hatte. Auch in diesem Falle wäre durch die Verhandlungsschrift erwiesen, daß die mündliche Verhandlung mit einem anstandslosen Ergebnis abgeschlossen worden und kein öffentlich-rechtliches Hindernis der Erteilung der Widmungs- und Baubewilligung entgegengestanden ist.
Der Beschwerdeführer hat den Eintritt der Rechtsfolgen des § 42 AVG auch mit der Begründung bekämpft, er habe zwar gegen das Bauvorhaben zunächst Einwendungen erhoben, diese aber nur infolge der getroffenen Vereinbarung fallen gelassen. Im Hinblick auf das Nichtzustandekommen der zunächst nur provisorisch abgeschlossenen Vereinbarung sei die Rechtslage so anzusehen, als ob der Beschwerdeführer auf seinen Einwendungen beharrt hätte. Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die verfahrensrechtliche Einrichtung der mündlichen Verhandlung ist, wie die §§ 40 bis 44 AVG in ihrem Zusammenhalt zeigen, nicht allein dazu bestimmt, den objektiven Sachverhalt zu klären; sie soll auch durch Gegenüberstellung der am Verfahren Beteiligten die Erörterung der im Spiele stehenden Interessen fördern und im Sinne des § 43 Abs. 6 AVG nach Möglichkeit einen Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessenten herbeiführen helfen. Dieser Zweck könnte nicht erreicht werden, wenn die Parteien an ihre bei der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen nicht gebunden wären (vgl. den hg. Beschluß vom , Slg. N.F.Nr. 1104/A). Aus den Vorschriften des § 42 AVG ergibt sich nämlich, daß von der Behörde nur jene Einwendungen berücksichtigt werden dürfen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht wurden. Dies schließt aus-, daß sich ein Verhandlungsteilnehmer in irgendeiner Form vorbehält, später Einwendungen zu erheben. Nun ist erwiesen, daß der Beschwerdeführer (nachdem er möglicherweise vorher Einwendungen erhoben hat) schließlich erklärt hat, gegen die Widmung und das Bauvorhaben keine Einwendungen zu erheben. Welche Gründe ihn hiezu veranlaßt haben, ist für die rechtliche Wirkung dieser Erklärung ohne Bedeutung. Selbst wenn daher das Verhalten des Beschwerdeführers bei der mündlichen Verhandlung so auszulegen wäre, daß er sich die neuerliche Geltendmachung der bereits eingangs der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendungen vorbehalten habe, so würde der Beschwerdeführer daraus für sich nichts gewinnen können. Denn es steht fest, daß die fragliche Einwendung erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erhoben worden ist.
Die belangte Behörde war nun berechtigt, eine nach Schluß der mündlichen Verhandlung erhobene Einwendung als verspätet zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen des § 42 AVG gegeben waren. Zufolge der Vorschrift des § 41 Abs. 2 Satz 2 AVG tritt die Rechtsfolge des § 42 AVG nur dann ein, wenn die Ladung zur mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Hinweis auf diese Rechtsfolgen enthält. Ob diese formellen Voraussetzungen gegeben waren, kann den vorgelegten Verwaltungsakten nicht eindeutig entnommen werden. Bei der Ladung zur mündlichen Verhandlung hat sich die Baubehörde, erster Instanz nicht des Formulars 15 der Verwaltungsformularverordnung 1951 (BGBl. Nr. 219) bedient. Wahl ist der Ausschreibung zur mündlichen Verhandlung zu entnehmen, daß dieser eine einen „Hinweis“ enthaltende Beilage angeschlossen war. Welchen Wortlaut dieser Hinweis gehabt hat, ist jedoch nicht ersichtlich, da der Ausschreibung diese Beilage nicht angeschlossen ist. Allein bereite in dem erstinstanzlichen Bescheid ist ausgeführt, daß sich der Beschwerdeführer präkludiert habe, da er im Sinne des § 42 AVG weder vor noch während der Verhandlung einen Einspruch erheben habe. In der Berufung hat der Beschwerdeführer zwar den Eintritt der Rechtsfolgen des § 42 AVG bestritten, aber nicht mit der Begründung, daß die Ladung zur Verhandlung den Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG, nicht enthalten habe. Auch in der Beschwerde selbst hat der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht nichts vorgebracht. Die belangte Behörde ist von der Annahme ausgegangen, daß die Ladung zur mündlichen Verhandlung diesen Hinweis enthalten hat. Der Verwaltungsgerichtshof kann diese Sachverhaltsannahme nicht aktenwidrig finden. Zufolge der Vorschrift des § 41 Abs. 1 VwGG 1952 mußte der Gerichtshof bei seiner Entscheidung von diesem Sachverhalt ausgehen. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die in die Form einer Abweisung gekleidete Zurückweisung der Einwendung ebenfalls nicht rechtswidrig. Da sich die Beschwerde sohin in jeder Hinsicht als unbegründet erwies, mußte sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abgewiesen werden.
Wien, am
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1957:1956001778.X00 |
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Fundstelle(n):
BAAAF-55897