VwGH 17.06.1970, 1769/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Inhaber freier Berufe können einen entgeltlich erworbenen "Praxiswert" im Wege der Absetzung für Abnutzung abschreiben. |
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RS 2 | Eine Teilwertabschreibung ist nur möglich, wenn der Gewinn nach § 4 Abs 1 EStG 1967 oder § 5 EStG 1967 ermittelt wird. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Dr. Kaupp, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde des HE in M, vertreten durch Dr. Anton Kummer, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, Hammerpark 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat 3, vom , Zl. B 284-I-67, betreffend Einkommensteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Steiermark) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Steuerberater in M. Er hatte mit vom seinerzeitigen Steuerberater H. T. in L dessen Kanzlei samt Klientel übernommen. Dafür mußte der Beschwerdeführer 10 % der Umsätze, die sich aus Leistungen für die übernommenen Klienten ergaben, fünf Jahre hindurch an H. T. abführen. Die Zahlungen in den Jahren 1958 bis 1962 betrugen insgesamt S 54.040,--. Dieser Betrag wurde vom Beschwerdeführer, der den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, als Anschaffungskosten der Kanzlei L im Anlageverzeichnis ausgewiesen. Der Beschwerdeführer nahm nur einmal, im Jahre 1959, von den Anschaffungskosten eine Absetzung für Abnutzung in Höhe von S 11.025,-- vor. Im Jahre 1964 wollte er zuerst den Restwert von S 43.015,-- absetzen, einigte sich aber dann mit dem Finanzamt dahin, daß ein Betrag von S 4.990,-- auf die nächsten fünf Jahre aufgeteilt zur Abschreibung gelangen sollte, während S 38.025,-- als Teilwertabschreibung behandelt wurden. Ende Juni 1965 war der Beschwerdeführer gezwungen, die Kanzlei in L an den Steuerberater E. H. abzugeben, weil gegen ihn selbst ein Disziplinarverfahren von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder anhängig gemacht worden war.
Im Juli und August 1966 wurde bei dem Beschwerdeführer in M durch das zuständige Finanzamt eine Betriebsprüfung vorgenommen. Geprüft wurden die Jahre 1963 bis 1965. Die Feststellungen der Betriebsprüfung führten zu einer Wiederaufnahme des Besteuerungsverfahrens für die Jahre 1963, 1964 und 1965. Gegen die im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen erstinstanzlichen Bescheide wurde Berufung erhoben. Darin wurde - neben einem anderen nicht mehr Gegenstand der Beschwerde bildenden Punkt - ausgeführt, das Finanzamt habe nunmehr für das Jahr 1964 einen Betrag von S 38.025,-- und für das Jahr 1965 einen Betrag von S 998,-- dem bisher veranlagten Gewinn zugerechnet. Diese Zurechnungsbeträge beträfen den Restbuchwert der Anschaffungskosten der seinerzeit von H. T. gekauften Steuerberatungskanzlei, welche in der Buchhaltung des Beschwerdeführers als „Betriebswert L“ aufscheine. Bei diesem immateriellen Wirtschaftsgut „Betriebswert L“ handle es sich um ein Wirtschaftsgut, welches unter die Bestimmung des § 6 Z. 2 EStG falle und nicht, wie das Finanzamt jetzt annehme, um ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, das der Abnutzung unterliege und daher nach der Bestimmung des § 6 Z. 1 EStG bewertet werden müsse. Die Begründung im Prüfungsbericht, daß in den Vorjahren unterlassene Abschreibungen im Sinne des § 7 EStG nicht nachgeholt werden können, sei unrichtig, weil im § 7 EStG die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung und nicht die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert geregelt sei. Der Meinung des Finanzamtes sei insoweit beizupflichten, als eine nachträgliche, auf fünf Jahre verteilte Abschreibung des Restwertes von S 4.990,-- nicht haltbar erscheine. Es sei der gesamte restliche „Firmenwert“ von S 43.015,-- abzuschreiben. Wäre das Finanzamt der Ansicht, daß die Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert im Jahre 1964 infolge der Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG nicht zulässig sei, dann würde der Restwert des Wirtschaftsgutes „Betriebswert L“ am (Veräußerungstag) mit einem Betrag von S 43.015,-- zu Buch stehen und wäre zu diesem Zeitpunkt als Veräußerungsverlust voll abzuschreiben.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung mit der Begründung ab, daß eine Klientel einer Wertminderung unterliege, aus welchem Grund auch die Abschreibbarkeit des Kanzleiwertes bei freien Berufen im Sinne der Entscheidung des Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1938, S. 995, gegeben sei. Der Wert der Klientel hätte daher in Form einer AfA abgeschrieben werden müssen. Der Beschwerdeführer beantragte hierauf die Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Im Antrag führte er aus, wenn das Finanzamt der Ansicht sei, daß es sich bei dem Firmenwert „Betriebswert L“ um ein abnutzbares Wirtschaftsgut handle, dann sei die Nutzungsdauer auf fünf Jahre viel zu kurz bemessen, weil der Beschwerdeführer einen Großteil der im Jahre 1958 erworbenen Klientel bis zur Übergabe im Jahre 1965 betreut und dann abgegeben habe. Es widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich das Finanzamt nunmehr nach der seinerzeitigen Nichtanerkennung der AfA der Klientel L auf den Standpunkt stelle, daß ein Firmenwert der AfA unterliege, welche nicht mehr nachgeholt werden könne.
In der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Berufungsverhandlung berief sich dieser auf ein Reichsfinanzhofurteil vom , RStBl. 1944, S 582, wonach eine AfA vom Praxiswert wohl zugelassen, aber nicht zwingend vorgeschrieben sei. Die Nutzungsdauer sei in diesem Urteil mit 10 Jahren typisiert worden. Ferner verwies er noch auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1678/67, in welchem die Zulässigkeit einer AfA vom Firmenwert verneint werde.
Die nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtene Berufungsentscheidung der belangten Behörde gab der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde hinsichtlich des den Gegenstand der Beschwerde bildenden Punktes im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer ermittle den Gewinn durch Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben, also nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahre 1959 habe er von dem ausgewiesenen „Betriebswert L“ eine Absetzung für Abnutzung in der Höhe von S 11.025,-- vorgenommen. In den Folgejahren sei nichts Derartiges ausgewiesen worden. Die begehrte Teilwertabschreibung für den Restbuchwert von S 43.015,-- sei jedoch schon deshalb nicht möglich, weil der Verwaltungsgerichtshof eine solche Abschreibung an die Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG knüpfe (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 630/56, und vom , Zl. 1347/56). Die Anschaffungskosten der Kanzlei in L (S 54.040,--) konnten auf drei bis fünf Jahre aufgeteilt und abgeschrieben werden,, denn „die Bindung der Klientel an den Übergeber“ könne nur auf eine Dauer von maximal fünf Jahren angenommen werden. Wenn der Beschwerdeführer die Möglichkeit, in den Jahren 1958 bis 1962 eine AfA zu beantragen, nicht genützt habe, so könne das durch eine Teilwertabschreibung im Jahre 1964 nicht ausgeglichen bzw. nachgeholt werden. Der Eventualantrag, der einen Veräußerungsverlust für 1965 begehre, gehe ins Leere, weil der richtige Buchwert mit Null anzusetzen sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Nach Lehre und Rechtsprechung ist der Praxiswert, der freien Berufe hinsichtlich der Möglichkeit einer AfA in der Regel anders zu behandeln als der Geschäftswert (Firmenwert) eines gewerblichen Unternehmens. Bei freiberuflich Tätigen wird der Wert einer Praxis weitgehend auf das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Inhaber und seiner Klientel gegründet sein. Mit dem Ausscheiden des Praxisinhabers wird das mit ihm begründete Vertrauensverhältnis aber allmählich enden und muß mit dem Nachfolger neu begründet werden. Deshalb wird auch eine AfA vom Praxiswert anerkannt. Auch im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kann der Teil als Betriebsausgabe abgesetzt werden, der der Absetzung für Abnutzung von dem Praxiswert entspricht (vgl. Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., S. 389, Littmann, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. S.631, Urteil des Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1938, S. 955, und des Bundesfinanzhofes vom , BStBl. 1958 III S.330). Der Beschwerdeführer kann daher mit dem Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1678/67, in welchem es darum ging, ob vom Geschäftswert eines Bauunternehmens eine Teilwertabschreibung vorzunehmen ist, nichts für sich gewinnen.
Der Beschwerdeführer ficht zunächst die Nichtanerkennung der Teilwertabschreibung des „Betriebswertes L“ an. Die belangte Behörde hat jedoch mit Recht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen, wonach eine solche Teilwertabschreibung nur bei Steuerpflichtigen möglich ist, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln (vgl. hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1613/F).
Der Beschwerdeführer begehrt in eventu unter Bezugnahme auf ein Urteil des ehemaligen Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1944, S. 582, die Nutzungsdauer des Betriebswertes L auf 10 Jahre zu verteilen. Die belangte Behörde hat dazu festgestellt, daß der Beschwerdeführer sich auf die Dauer von fünf Jahren verpflichtet hat, 10 % der Umsätze, die sich aus der übernommenen Klientel ergeben, an den Übergeber abzuführen. Sie zog daraus den Schluß, daß im vorliegenden Fall eine Bindung der Klientel an die übergebene Kanzlei nur auf eine Dauer von fünf Jahren angenommen werden könne. Diese Auffassung kann nicht als rechtsirrig angesehen werden. Denn wenn auch der ehemalige Reichsfinanzhof in einem Urteil eine Zehnjährige Nutzungsdauer des Praxiswertes angenommen hat, so unterliegt doch der Zeitraum, in welchem die Aufwendungen für einen Praxiswert abgeschrieben werden können, Schwankungen, die von Fall zu Fall verschieden sind. Der belangten Behörde konnte daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer übernommene Verpflichtung eine über die Dauer von fünf Jahren hinausgehende Bindung der Klientel nicht angenommen hat, zumal der Beschwerdeführer seine gegenteilige Behauptung nicht überzeugend begründen konnte. War es aber für den Beschwerdeführer möglich, die Anschaffungskosten des „Betriebswertes L“ im Wege der Absetzung für Abnutzung geltend zu machen, was er allerdings nur für das Jahr 1959 getan hat, dann war im maßgeblichen Zeitpunkt der „Betriebswert L“ mit Null anzusetzen, weil nicht beantragte AfA zwar nicht nachgeholt werden kann, aber bei Ermittlung des Restbuchwertes zu berücksichtigen ist. Damit müßte das Begehren nach Feststellung eines Veräußerungsverlustes ins Leere gehen.
Auf die Frage der richtigen Ermittlung der Höhe der AfA-Beträge erübrigte es sich einzugehen, weil deren nachträgliche Berücksichtigung nach der gegebenen Sachlage zur Gänze ausgeschlossen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof konnte nicht erkennen, daß eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege, weil der Sachverhalt ausreichend festgestellt wurde und keiner Ergänzung bedurfte. Der angefochtene Bescheid ist somit mit einer Rechtswidrigkeit nicht behaftet. Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 4105 F/1970 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1970:1968001769.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-55874