VwGH 11.06.1979, 1768/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1972 §18 Abs2 Z3; |
RS 1 | Zu den nicht Wohnzwecken, sondern betrieblichen Zwecken dienenden Teilen der Gesamtnutzfläche zählen auch jene Räume, die objektiv für die Zimmervermietung im landläufigen Sinn bestimmt sind. Daß die Einkünfte aus der Zimmervermietung gewerbliche sein müssen, ist nicht erforderlich. |
Norm | EStG 1972 §18 Abs2 Z3; |
RS 2 | Ob Räume Wohnzwecken oder betrieblichen Zwecken dienen, richtet sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Errichtung des Hauses (siehe Vorerkenntnis vom , 2028/76, VwSlg 5128 F/1977). Wird das Gebäude erworben, ist letztlich jener Zustand maßgebend, in den der Erwerber des Gebäudes dieses im Anschluß an den Erwerb versetzt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Drexler und Dr. Pokorny als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des KW in M, vertreten durch Dr. Viktor Wolczik, Rechtsanwalt in Baden, Rathausgasse 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 5-1689/1/78, betreffend Sonderausgaben für 1976, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 2.912,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer machte für 1976 Sonderausgaben unter dem Titel des § 18 Abs. 1 Z. 3 lit. c EStG 1972 geltend, wobei die Darlehensrückzahlungen sich auf ein Eigenheim beziehen, das der Beschwerdeführer nach Fertigstellung durch die Voreigentümerin neben Zahlung eines Barpreises gegen Übernahme einer zur Errichtung des Objektes aufgenommenen Hypothek erworben hatte. Das Eigenheim hat eine Gesamtnutzfläche von rund 214 m2 weshalb das Finanzamt dem Antrag des Beschwerdeführers, die Darlehensrückzahlungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen, keine Folge gab.
In der gegen den abweisenden Bescheid erhobenen Berufung vom brachte der Beschwerdeführer vor, daß die beiden im Untergeschoß des Eigenheimes befindlichen Zimmer samt Nebenräumen vermietet würden und als Fremdenzimmer daher gewerblichen, nicht aber Wohnzwecken zu dienen bestimmt seien. Die Innenausstattung dieser Räume sei derzeit im Abschluß begriffen und die Aufnahme der gewerblichen Tätigkeit stehe unmittelbar bevor. Nach Abzug der Fläche der nicht für Wohnzwecke bestimmten Räume diene das Eigenheim zu mehr als zwei Drittel Wohnzwecken und die Höchstgrenze des § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 sei nicht überschritten. Im weiteren Verfahren brachte der Beschwerdeführer am vor, daß die strittigen Räume in den Monaten September bis November 1977 an eine Firma vermietet gewesen seien; im Jänner 1978 seien die "Fremdenzimmer" durch 28 Tage, im Februar 1978 durch 10 Tage vermietet gewesen. Diesbezüglich wurden Abgabenbescheide des Fremdenverkehrsverbandes H. über die Vorschreibung von Fremdenverkehrsabgabe vorgelegt. Auch im März 1978 seien Vermietungen erfolgt, doch sei die betreffende Lastschriftanzeige noch nicht eingelangt.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge.
Nach Wiedergabe der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften führte die belangte Behörde aus, der Antrag des Beschwerdeführers beziehe sich auf das Kalenderjahr 1976. Für dieses Jahr sei aus der Aktenlage nicht erkennbar, daß das Eigenheim zum Teil betrieblich genutzt werden sollte bzw. tatsächlich solcherart genutzt worden sei. Die Absicht, einige Räume zu vermieten, sei dem Finanzamt erst mit Berufung vom bekanntgegeben worden, die Vermietung der Räume selbst sei tatsächlich erst ab September 1977 erfolgt. Bei dieser Sachlage müsse die betriebliche Nutzung für die Beurteilung des im Jahre 1976 gegebenen Sachverhaltes außer Betracht bleiben, weh für diesen Zeitraum eine betriebliche Nutzung nicht in einer objektiv erkennbaren Weise zutage getreten sei und einer späteren Umwidmung von Räumen keine rückwirkende Bedeutung zukomme. In eventu stützte die belangte Behörde ihre abweisende Entscheidung darauf, daß der Beschwerdeführer kein für die Errichtung des Eigenheimes aufgenommenes Darlehen zurückgezahlt habe. In der von ihr erstatteten Gegenschrift räumt die belangte Behörde jedoch zutreffend ein, daß die Übernahme des Darlehens von der Verkäuferin (d. i. die "Errichterin" des Eigenheimes) durch den Beschwerdeführer die Anerkennung der vom Beschwerdeführer geleisteten Tilgungsbeträge nicht ausschließt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob es sich bei dem Haus des Beschwerdeführers um ein Eigenheim im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 3 EStG 1972 handelt. Im Sinne dieser Gesetzesstelle ist als Eigenheim ein Wohnhaus im Inland mit nicht mehr als zwei Wohnungen anzusehen, wenn mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche des Gebäudes Wohnzwecken dienen. Zur Gesamtnutzfläche gehören nicht Wandstärken, Treppen, offene Balkone und Terassen sowie Keller-, Dachboden- und sonstige Abstellräume, soweit sie nicht bewohnbar ausgestattet sind und auch nicht betrieblichen Zwecken dienen. Die Gesamtnutzfläche von begünstigtem Wohnraum darf 150 m2 nicht übersteigen, dieses Ausmaß erhöht sich um je 10 m2 für jedes Kind, für das dem Steuerpflichtigen ein Kinderabsetzbetrag gewährt wird oder gewährt worden ist (ursprüngliche, für das Streitjahr 1976 anzuwendende Fassung des Einkommensteuergesetzes 1972). Da der Wohnzweckendienende Teil mindestens zwei Drittel der Gesamtnutzfläche betragen muß, wird damit gleichzeitig das Gesamtnutzflächenausmaß um die Hälfte erhöht (vgl. Hofstätter-Reichel, Tz. 4. 1, und Schubert-Pokorny-Schuch, Anm. 79, jeweils zu § 18 Abs. 2 Z. 3). Bei der Beurteilung des rechtlichen Schicksals der beiden im Untergeschoß befindlichen Wohnräume ist im Beschwerdefall daher von Bedeutung, welchen Zwecken, und zwar objektiv betrachtet, sie zu dienen bestimmt sind. Dienen die Wohnzwecken des Beschwerdeführers oder seiner Familienangehörigen (wobei als diesen Zwecken dienend auch die Unterbringung von Privatgästen zu verstehen ist), so übersteigt im vorliegenden Fall die Wohnzwecken dienende Gesamtnutzfläche das gesetzliche Höchstausmaß. Dienen diese Räume jedoch nicht den Wohnzwecken des Beschwerdeführers, sondern etwa betrieblichen Zwecken, steht dem Beschwerdeführer die begehrte Begünstigung zu. Für die Beurteilung dieser Frage vertritt der Verwaltungsgerichtshof - im Gegensatz zu der von der belangten Behörde in der vorgelegten Gegenschrift vertretenen Meinung - die Rechtsansicht, daß als betriebliche Zwecke nicht nur mit einem Gewerbebetrieb oder der Ausübung einer selbständigen Arbeit zusammenhängende zu verstehen sind, sondern darunter auch andere berufliche Zwecke fallen, etwa die nachhaltige Vermietung, wie sie im landläufigen Zimmervermieten besteht. Die Frage, ob die vom Beschwerdeführer behauptete Vermietung eine gewerbliche Tätigkeit ist oder als bloßer Ausfluß der Vermögensnutzung dem Bereich der Vermietung und Verpachtung zuzuordnen ist, kann daher auf sich beruhen.
Nun sprach der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2028/76, Slg. Nr. 5128/F, aus, daß es "nicht darauf ankommt, ob und in welchem Ausmaß die Räume zu irgendeinem mehr oder weniger willkürlich gewählten Zeitpunkt tatsächlich zu Wohn- oder Betriebszwecken verwendet werden, sondern ausschließlich darauf, welche Bestimmung sie schon vom Zeitpunkt der Errichtung des Eigenheimes an gewidmet waren und für welche Bestimmung sie objektiv geeignet sind. Jede andere Auslegung dieser Frage würde zu unhaltbaren, weil voneinander in Ansehung der zuzuerkennenden Sonderausgaben für die Errichtung ein und desselben Eigenheimes von Jahr zu Jahr verschiedenen Ergebnissen führen, je nach dem, ob in dem betreffenden Jahr die Räume zu den Zwecken, zu denen sie vorgesehen sind, wirklich verwendet werden oder nicht".
Im Beschwerdefall wird nicht der durch die ursprüngliche Errichtung herbeigeführte Zustand maßgebend sein, sondern die Beschaffenheit, in die der Beschwerdeführer das Gebäude im Anschluß an den Erwerb versetzte. Nun behauptet der Beschwerdeführer, die gegenständlichen Zimmer seien 1976 überhaupt noch nicht zur Gänze fertiggestellt gewesen. Anderseits befindet sich in den Akten ein Bericht vom über die Beschaffenheit dieser Räume, mit dem sich die belangte Behörde nach der Aktenlage nicht weiter auseinandersetzte. Dies wäre aber notwendig gewesen, um Klarheit darüber zu schaffen, ob die strittigen Räume nach ihrer Beschaffenheit und Einrichtung typisch dafür bestimmt sind, der landläufigen entgeltlichen Zimmervermietung zu dienen. Träfe dies zu, so wäre der Beschwerdeführer unter Umständen im Recht. Zu beachten ist jedoch, daß bei der Art des Eigenheimes des Beschwerdeführers die Möglichkeit nicht auszuschließen ist, daß die gegenständlichen Räume tatsächlich dazu stimmt sind, Privatgäste des Beschwerdeführer bei gelegentlichen Besuchen zu beherbergen oder ihnen aus privaten (freundschaftlichen) Motiven einen unentgeltlichen Aufenthalt zu ermöglichen. Ob und welcher Beweiswert der Entrichtung von Fremdenverkehrsbeiträgen unter den noch festzustellenden Umständen zukommt, wird Sache der freien Beweiswürdigung durch die belangte Behörde sein.
Nach dem Gesagten ist die belangte Behörde in erster Linie von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen. Derzufolge sind die gebotenen Ermittlungen unterblieben. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/977. Der begehrte Verhandlungsaufwand war nicht zuzusprechen, weil eine mündliche Verhandlung mangels eines darauf gerichteten Antrages des Beschwerdeführers nicht stattgefunden hat. Umsatzsteuer war deswegen nicht zuzusprechen, weil dieser Aufwand mit dem Schriftsatzpauschale abgegolten ist. Stempelgebührenersatz wurde in dem Umfang zuerkannt, in dem Eingaben und Beilagen zur Verfolgung der rechtlichen Interessen vor dem Verwaltungsgerichtshof notwendig und Stempelmarken hiefür zu entrichten waren.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | EStG 1972 §18 Abs2 Z3; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1978001768.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-55872