VwGH 18.09.1957, 1744/55
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Ausführungen hinsichtlich des Begriffes "Kinder" im Erbschaftssteuerverfahren (Hinweis auf E , 3506/53 VwSlg 1265 F/1955; E , 2749/54 VwSlg 1538 F/1956). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Ondraczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Porias, Dr. Schirmer und Dr. Eichler als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Dolp als Schriftführer, über die Beschwerde der minderjährigen EM, MM und CM in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VIII - 79 - 1955, betreffend Erbschaftsteuern, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Die drei Beschwerdeführerinnen sind die Enkelinnen nach der am verstorbenen AM. Ihnen ist von AM je ein Viertel einer Liegenschaft in Wien vermacht worden. Die gesamte Liegenschaft hat einen Einheitswert von 30.000 S. Gemäß Artikel I des Gesetzes BGBl. Nr. 108/1952 wurde der Bemessung der Erbschaftsteuern der zweifache Einheitswert der Liegenschaft zugrunde gelegt. Auf jede der drei Beschwerdeführerinnen entfiel somit ein steuerpflichtiger Anfall von 5.000 S (15.000 S abzüglich des Freibetrages von 10.000 S nach Artikel III Z. 13 des genannten Gesetzes). Von diesem Anfallswert wurde die Erbschaftsteuer bemessen und außerdem wurde jeder der drei Beschwerdeführerinnen nach § 10 Abs. 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der Fassung nach Artikel III Z. 10 des vorangeführten Gesetzes von dem Werte des vermachten Liegenschaftsanteiles (15.000 S) eine zusätzliche Steuer von 2 % vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerinnen beriefen und begehrten, die zusätzliche Steuer nach § 10 Abs. 5 ErbStG mit 1 % (statt 2 %) vorzuschreiben, weil sie als Enkelinnen, also als Abkömmlinge zu den "Kindern" im Sinne des § 42 ABGB gehörten. Die Finanzlandesdirektion wies die Berufung ab. Die besondere Auslegungsregel des § 42 ABGB gelte für das Erbschaftsteuerrecht nicht, da § 9 ErbStG ausdrücklich zwischen Kindern und Enkeln unterscheide. Wohl sei im § 10 Abs. 5 dieses Gesetzes der Begriff des Kindes nicht näher umschrieben, es könne aber nicht angenommen werden, daß er dort in einem anderen Sinne als im § 9 gebraucht werde.
Gegen diese Berufungsentscheidung haben die Beschwerdeführerinnen beim Verfassungsgerichtshof wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes Beschwerde erhoben, in der sie ihr Vorbringen im Berufungsverfahren wiederholten und näher ausführten. Sie brachten u. a. vor, daß der Standpunkt der belangten Behörde allerdings durch einen Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom , Zl. 92.800-11/52, gedeckt sei. Dieser Erlaß sei aber gesetzwidrig. Sie beantragten zugleich, der Verfassungsgerichtshof wolle diesen Erlaß auf seine Gesetzmäßigkeit überprüfen und ihn als gesetzwidrig aufheben. Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht nicht für verletzt erachten sollte, wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , B 43/55, den Antrag, den genannten Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen als gesetzwidrig aufzuheben, zurückgewiesen und die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, sie aber dem Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung, ob die Beschwerdeführerinnen durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind, abgetreten. Er hat u. a. ausgeführt, der erwähnte Erlaß sei nicht die einzige Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides. Dieser stütze sich vielmehr auf § 10 Abs. 5 ErbStG und es könne nur die Frage aufgeworfen werden, ob die belangte Behörde das Gesetz richtig ausgelegt habe. Es könne aber nicht behauptet werden, daß die von der belangten Behörde gewählte Auslegung überhaupt undenkbar sei. Bei dieser Rechtslage sei für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die Frage, ob der Erlaß das Gesetz richtig ausgelegt hat, nicht von Bedeutung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ihm vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde erwogen:
Die Grunderwerbsteuer- und Erbschaftsteuernovelle, BGBl. Nr. 108/1952, enthält u.a. drei Anordnungen, die wegen ihres inneren Zusammenhanges nicht voneinander unabhängig ausgelegt werden können. Durch ihren Artikel II Z. 7 wurde § 10 des Grunderwerbsteuergesetzes (vom , DRGBl. I S. 585, GrEStG) dahin geändert, daß die Grunderwerbsteuer auch dann vom Wert des Grundstückes zu berechnen ist, wenn ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück an einen Ehegatten, an einen Elternteil, ein Kind, ein Stiefkind, ein Wahlkind oder ein Schwiegerkind des Übergebers oder an ein vom Übergeber in Erziehung genommenes Kind zur weiteren Bewirtschaftung gegen Sicherung des Lebensunterhaltes des Übergebers überlassen wird. Durch Artikel II Z. 9 derselben Novelle wurde § 13 Abs. 1 GrEStG dahin geändert, daß die Steuer beim Erwerb von Grundstücken durch einen Ehegatten, einen Elternteil, ein Kind, ein Stiefkind, ein Wahlkind oder ein Schwiegerkind des Übergebers oder durch ein vom Übergeber in Erziehung genommenes Kind 2 %, bei Erwerben durch andere Personen 7 bzw. 8 %, vom Werte der Gegenleistung oder des Grundstückes beträgt. Schließlich hat Artikel III Z. 10 dieser Novelle den § 10 ErbStG geändert und ihm u.a. einen 5. Absatz angefügt, der lautet: "Der sich nach den Absätzen 1 bis 3 oder nach Abs. 4 ergebende Steuerbetrag erhöht sich bei Zuwendungen
a) an den Ehegatten, einen Elternteil, ein Kind, ein Stiefkind, ein Wahlkind oder ein Schwiegerkind des Zuwendenden oder an ein vom Zuwendenden in Erziehung genommenes Kind um 1 %, b) an andere Personen um 2 % des Wertes der durch die Zuwendung erworbenen Grundstücke." In allen drei genannten Stellen dieser Novelle ist also der von einer bestimmten Regelung betroffene Personenkreis mit genau den gleichen Worten umschrieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1265/F, mit eingehender Begründung dargelegt, daß unter den im Artikel II Z. 7 und 9 der Novelle BGBl. Nr. 108/1952 enthaltenen Worten "ein Kind" auch Enkelkinder zu verstehen sind und er hat in demselben Erkenntnis ausgeführt, daß er auf Ministerialerlässe, die nicht Bundesgesetzblatt veröffentlicht sind und die eine gegenteilige Auslegung enthalten, nicht Bedacht nehmen könne und daher auch keinen Anlaß habe, beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung derartiger Anlässe wegen Gesetzwidrigkeit zu beantragen. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird hingewiesen. Der Gerichtshof hält auch weiterhin an der in diesem Erkenntnis enthaltenen Rechtsauffassung fest. Er hat ferner in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2749/54, dargelegt, daß Artikel III Z. 10 derselben Novelle, der sich allerdings auf das Erbschaftsteuerrecht bezieht, einen Einbruch des Grunderwerbsteuerrechtes in Vorschriften des Erbschaftsteuerrechtes darstellt und nach denselben Regeln auszulegen ist wie die entsprechenden Vorschriften des Grunderwerbsteuerrechtes, daß somit der im Artikel III Z. 10 dieser Novelle umschreibene Personenkreis derselbe ist wieder im Artikel II Z. 7 und 9 dieser Novelle umschriebene. Auch an dieser Rechtsauffassung hält der Verwaltungsgerichtshof fest. Somit umfaß also auch der Begriff der "Kinder" in dem durch die Novelle BGBl. Nr. 108/1952 neu eingefügten 5. Absatz des § 10 ErbStG die Enkelkinder. Da die Beschwerdeführerinnen unbestrittenermaßen Enkelkinder der Erblasserin sind, konnte also auch im vorliegenden Falle die zusätzliche Erbschaftsteuer vom Werte der erworbenen Liegenschaftsanteile nicht nach § 10 Abs. 5 lit. b ErbStG mit 2 %, sondern durfte richtig nach lit. a dieser Gesetzesstelle nur mit 1 % bemessen werden. Da dies die belangte Behörde verkannt hat, mußte der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.
Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof konnten den Beschwerdeführerinnen aus den Gründen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Slg.Nr. 381/F, dargelegt hat, nicht zuerkannt werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1957:1955001744.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-55807