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VwGH 11.06.1981, 1737/79

VwGH 11.06.1981, 1737/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BauO Krnt 1969 §19 litc Z1 idF 1972/056;
BauO Krnt 1969 §46 Abs2 idF 1972/056;
BauO Krnt 1969 §9 Abs2 litd idF 1972/056;
RS 1
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Nichtigerklärung von Bescheiden einer Gemeindebehörde im Aufsichtswege wegen Nichtberücksichtigung von Versagungsgründen. (hier: entgegenstehenden Interessen an der Erhaltung des Landschaftsbildes)
Norm
BauO Krnt 1969 §10 Abs4 idF 1972/056;
RS 2
Die Äußerung des Bauanwaltes nach § 10 Abs 4 Krnt. BauO als rechtskundigen Bediensteten ist kein Sachverständigengutachten, also kein Beweismittel.
Norm
BauO Krnt 1969 §9 Abs2 litd idF 1972/056;
RS 3
Im Sinne des § 9 Abs 2 lit d Krtn BauO 1969 idF Nov 56/1972 bedeutet nicht jegliche von der optimalen ästhetischen Lösung abweichende Gestaltung eines Bauwerkes, daß dem Vorhaben Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes entgegenstehen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissär Dr. Forster, über die Beschwerde 1) des H und der W G in V, 2) des Dr. RC in S, 3) der Prof. LK in G, sämtliche vertreten durch Dr. Richard Kaan, Rechtsanwalt in Graz, Kalchberggasse 1, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 8 BauR 1-67/1/1979, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 8.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Verfahren über das von den Erstbeschwerdeführern als Bauwerbern mit Zustimmung des Zweit- und der Drittbeschwerdeführerin als Grundeigentümer eingebrachte Bauansuchen für einen Waschraum in der Länge und Breite von je 4,5 m, ausgestattet mit einem 9 Grad geneigten Pultdach, mit Blech gedeckt, auf dem Campingplatz, Grundstück Nr. 10/4, KG X, gab der Bauanwalt am folgende Stellungnahme ab: "Zu dem im Betreff bezeichneten Vorhaben werden Abweisungsgründe nach § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung geltend gemacht. Dazu wird ausgeführt: Wie aus den technischen Unterlagen ersichtlich ist, planen die Bauwerber auf Parzelle Nr. 10/4, KG X, die Errichtung von Waschräumen für den Campingplatz. Das Objekt hat ein Ausmaß von 4,5 m x 4,5 m und soll mit einem Pultdach, welches eine Neigung von 9 Grad aufweist, versehen werden. Als Dacheindeckung ist Blechmaterial vorgesehen. Die Parzelle, auf welcher das gegenständliche Objekt errichtet werden soll, ist eine Teilfläche des Campingplatzes, auf welchem bereits einige Objekte errichtet wurden. Diese Gebäude sind ausschließlich mit Satteldächern mit Dachneigung von ca. 15 bis 20 Grad versehen, wobei als Deckungsmaterial dunkelgraues Hartmaterial verwendet wurde. Zu dem Grundstück wird mitgeteilt, daß es überwiegend mit Bäumen und in geringem Ausmaß mit Sträuchern bestockt ist und das Gesamtbild als Waldfläche anzusehen ist. Nun soll durch das geplante Objekt ein Baukörper dem Gesamtkomplex zugefügt werden, der sich nicht nur durch seine Ausführung mit dem Pultdach, sondern auch durch das verwendete Dachdeckungsmaterial von den bestehenden Objekten unharmonisch abhebt und das optisch wahrnehmbare Erscheinungsbild der Landschaft äußerst nachteilig verändert. Diese nachteilige Veränderung wird durch die Verwendung von Blech als Dachdeckungsmaterial wesentlich verstärkt, da in die Waldfläche ein völlig fremder Körper eingebaut wird. Aus diesem Grund wäre dem geplanten Vorhaben die Genehmigung zu versagen. Der Versagungsgrund könnte jedoch zum Wegfall gebracht werden, wenn 1. das Objekt mit einem Satteldach, mit einer Dachneigung, welche den bestehenden Objekten angepaßt wird, und 2. die Baumaterialien für dieses Objekt jenen, welche für die bestehenden Objekte verwendet wurden, angeglichen wird."

Diese Ausführungen des Bauanwaltes wurden den Erstbeschwerdeführern bekanntgegeben. Der Behauptung der Erstbeschwerdeführer, der technische Sachverständige des Bauanwaltes habe nach nochmaliger Besprechung des Bauvorhabens erklärt, daß kein Einwand bestehe, trat der Sachverständige in einer Äußerung an den Bauanwalt entgegen, welcher davon den Bürgermeister verständigte.

Am wurde eine Bauverhandlung durchgeführt. Dabei wurde die Äußerung des Bauanwaltes erörtert. Weiters wurde die Vorschreibung einer entsprechenden Auflage angekündigt. Außerdem wurde von der Baubehörde festgestellt, daß die bestehenden Objekte, welche dem Campingplatz dienen, teilweise mit Satteldächern, V-Dach, versehen sind, das bestehende Objekt der Agrargemeinschaft L jedoch ein flaches Pultdach mit einer Attikaverkleidung von ca. 50 cm aufweise, ebenso auch die Pumpstation des AWV. Die Bauwerber ersuchten um Einholung einer neuerlichen Stellungnahme des Bauanwaltes und wiesen im wesentlichen darauf hin, daß das von ihnen geplante - und auch bereits errichtete - Objekt nicht das einzige Gebäude mit Pultdach wäre. Im Akt findet sich hierauf ein Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft Villach folgenden Inhaltes: "Die Gemeinde F hat im Gegenstand mit weiteren Anträgen vom und angeregt, das gegenständliche Bauvorhaben im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens (§ 9 und § 10 der Kärntner Bauordnung) einer nochmaligen Überprüfung zu unterziehen. Am wurde im Beisein des Bauanwaltes und des Leiters des Baubezirksamtes Villach sowie des Leiters der Bauabteilung der Gemeinde F, Herrn Ing. EG, das gegenständliche Objekt einer örtlichen Beurteilung unterzogen. Die Obgenannten sind im Zuge des Lokalaugenscheines zum selben Ergebnis gekommen, wie dies bereits in der Stellungnahme des Bauanwaltes vom zum Ausdruck gebracht wurde. Es bleibt daher der Versagungsgrund nach § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung, in übereinstimmender Aussage, nach wie vor aufrecht." Davon verständigte der Bauanwalt den Bürgermeister der Gemeinde F.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde die beantragte Baubewilligung gemäß §§ 12 und 13 der Kärntner Bauordnung unter mehreren Auflagen bewilligt, darunter folgende

Auflagen: "... 8.) Der Außenputz ist in heller Farbe zu halten .

... 10.) Das Gebäude ist mit einer 50 cm breiten Attikaverkleidung zu versehen . ..." Dieser Bescheid wurde auch dem Bauanwalt zugestellt.

Am gab der Bauanwalt dem Bürgermeister und den Parteien des Baubewilligungsverfahrens bekannt, daß gemäß § 46 Abs. 2 in Verbindung mit § 19 lit. c Z. 1 der Kärntner Bauordnung beabsichtigt sei, den gegenständlichen Baubewilligungsbescheid für nichtig zu erklären. Mit Schriftsatz vom erhoben die Beschwerdeführer gegen die Absicht der Bezirkshauptmannschaft Villach, den Baubewilligungsbescheid für nichtig zu erklären, folgende Einwände: 1) Es sei bedenklich, daß auf die in der Kärntner Bauordnung vorgesehene Weise in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde eingegriffen werden könne. 2) Das gegenständliche Gebäude sei auf Grund der erteilten Baubewilligung errichtet. Es passe sich einem näher gelegenen Gebäude, nämlich einem Gebäude des Abwasserverbandes, welches offenbar anstandslos genehmigt worden sei, an. Auch dieses verfüge über ein Pultdach, welches dunkel mit Blech eingedeckt sei. Es treffe daher nicht zu, wenn von einem "völlig fremden Baukörper" gesprochen werde. Das Dach und das Gebäude seien durchaus den dortigen Gegebenheiten angepaßt. Dies gelte umsomehr, als es sich hiebei um eine relativ kleine Bauausführung handle. Die Richtigkeit dieser Darstellung würde sich zwangslos durch eine örtliche Besichtigung ergeben.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom wurde der Baubewilligungsbescheid vom gemäß § 19 lit. c Z. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 2 lit. d sowie § 46 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung, LGBl. für Kärnten Nr. 48/1969, in der Fassung LGBl. Nr. 56/1972, wegen Vorliegens von Nichtigkeit aufgehoben. In der Begründung wurde neben der Darstellung des Verfahrensverlaufes die Äußerung des Bauanwaltes vom wörtlich zitiert. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführer wurde ausgeführt, daß im § 46 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung ausdrücklich die Aufhebung der mit Nichtigkeit bedrohten Bescheide aus dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde durch die Bezirkshauptmannschaft normiert sei. Im übrigen stehe den Parteien selbst eine Beurteilung über den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes nicht zu. Dagegen beriefen die Beschwerdeführer, und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung: Es treffe nicht zu, daß sich in der Umgebung ausschließlich Gebäude mit Satteldächern, Neigungswinkel 15 bis 20 Grad, mit dunkelgrauem Hartmaterial bedeckt, befänden. In einem weit geringeren Abstand zu den erwähnten Campinggebäuden befinde sich ein solches des Abwasserverbandes, das ebenfalls über ein Pultdach verfüge und dunkel mit Blech eingedeckt sei. Es könne daher nicht von einem völlig fremden Baukörper gesprochen werden. Das Dach und das Gebäude seien durchaus den dortigen Gegebenheiten angepaßt, dies umsomehr, als es sich um eine relativ kleine Bauausführung handle und ein Satteldach sogar dort eher "gewollt" ausschauen würde. Bezüglich des Baumateriales laßt sich aus den bisherigen Ausführungen der Behörde nicht klar entnehmen, was sie hinsichtlich der Baumaterialien beanstande und welche sie verwendet haben möchte. Im vorliegenden Falle handle es sich im übrigen ausschließlich um eine Geschmacksfrage, welche nicht Grundlage für eine Nichtigkeitsaufhebung bilden könne. Überhaupt würde durch den vorliegenden Bescheid in die Gemeindeautonomie eingegriffen. Schließlich aber sei nicht ersichtlich, warum für das Gebäude des Abwasserverbandes ein anderer Maßstab gelten solle als für das den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Gebäude.

Die belangte Behörde holte das Gutachten eines ihr zur Verfügung stehenden technischen Amtssachverständigen ein, welches am abgegeben wurde und lautete:

"Die Berufungswerber haben auf der Parzelle 10/4, KG X, ein Gebäude zur Unterbringung von Waschräumen im Ausmaß von 4,5 m x 4,5 m mit Pultdach errichtet. Die Dacheindeckung wurde in Blechmaterial vorgenommen. Die gegenständliche Parzelle ist eine Teilfläche des Campingplatzes, auf welchem bereits einige Objekte mit ausschließlich Satteldächern stehen. In ca. 300 m in Richtung Faakersee steht das Gebäude des Abwasserverbandes, dessen östlicher Anbau ein Pultdach mit Blecheindeckung aufweist. Ein Ortsaugenschein ergab, daß das Gebäude bereits steht. Das Pultdach mit seiner Form und der Blecheindeckung ist als störender Eingriff in die bestehende Landschaft anzusehen, da die umgebenden Objekte vorwiegend Satteldächer mit harter, dunkelgrauer Eindeckung aufweisen. Das Pultdach des Anbaues am Gebäude des Abwasserverbandes, auf das die Berufungswerber hinweisen, wird vom Unterfertigten als störend empfunden. Man soll schlechte Bauten nicht als Beispiele heranziehen oder wiederholen." Dieses Gutachten wurde den Beschwerdeführern nicht vorgehalten.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 abgewiesen. In der Begründung wurde nach einer Darstellung des Verfahrensverlaufes im wesentlichen ausgeführt: Die Bezirkshauptmannschaft Villach habe ihre Entscheidung im wesentlichen darauf gegründet, daß das Grundstück, auf welchem das gegenständliche Objekt errichtet werden solle, eine Teilfläche des Campingplatzes sei, auf welchem bereits einige Objekte errichtet worden seien. Diese Gebäude seien ausschließlich mit Satteldächern (Dachneigung ca. 15 bis 20 Grad) versehen, wobei als Deckungsmaterial dunkelgraues Hartmaterial verwendet worden sei. Das Grundstück sei überwiegend mit Bäumen und im geringen Ausmaß mit Sträuchern bestockt und im Gesamtbild als Waldfläche anzusehen. Nun solle durch das geplante Objekt ein Baukörper dem Gesamtkomplex zugefügt werden, der sich nicht nur durch seine Ausführung mit dem Pultdach, sondern auch durch das verwendete Dachdeckungsmaterial von den bestehenden Objekten unharmonisch abhebe und das optisch wahrnehmbare Erscheinungsbild der Landschaft äußerst nachteilig verändere. Diese nachteilige Veränderung werde durch die Verwendung von Blech als Dachdeckungsmaterial wesentlich verstärkt, da in die Waldfläche ein völlig fremder Körper eingebaut werde. Im Berufungsverfahren sei das Bauvorhaben einer neuerlichen Begutachtung unterzogen worden und es habe ein hochbautechnischer Sachverständiger des Amtes der Kärntner Landesregierung nach Durchführung eines Ortsaugenscheines dazu ausgeführt, daß das gegenständliche Gebäude mit Pultdach und Blecheindeckung bereits errichtet worden sei. Das Pultdach mit seiner Form und der Blecheindeckung müsse als störender Eingriff in die bestehende Landschaft angesehen werden, da die umgebenden Objekte vorwiegend Satteldächer mit harter dunkelgrauer Eindeckung aufwiesen. Das Pultdach des Anbaues am Gebäude des Abwasserverbandes, auf welches die Berufungswerber hingewiesen hätten, werde vom genannten Sachverständigen ebenfalls als störend empfunden; man solle schlechte Bauten nicht als Beispiele heranziehen oder wiederholen. Da somit der Sachverständige der angerufenen Behörde zum gleichen Ergebnis wie der Bauanwalt der Bezirkshauptmannschaft Villach gelangt sei, stehe fest, daß dem gegenständlichen Bauvorhaben die Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes entgegenstünden. Zufolge der Bestimmung des § 19 lit. c Z. 1 der Kärntner Bauordnung, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 56/1972, seien Baubewilligungsbescheide mit Nichtigkeit bedroht, wenn durch eine Verletzung des § 9 Abs. 2 lit. a bis g die Bestimmung des § 15 (Versagung) nicht eingehalten worden sei. Die Baubehörde erster Instanz habe den seitens des Bauanwaltes der Bezirkshauptmannschaft Villach geltend gemachten Versagungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung nicht beachtet und die Baubewilligung entgegen der Bestimmung des § 15 leg. cit. erteilt. Die im § 46 der Kärntner Bauordnung vorgesehene "Aufsicht" verletze nicht die Gemeindeautonomie. Die Aufhebung des Baubewilligungsbescheides sei daher gerechtfertigt und es erweise sich die Berufung somit als unbegründet.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird vorerst der Standpunkt vertreten, es entspreche nicht "der Verfassung und dem Recht", einen rechtskräftigen Bescheid einer Gemeinde trotz verfassungsrechtlich abgesicherter Gemeindeautonomie wegen einer Geschmacksfrage für nichtig zu erklären. Der vorliegende Baubewilligungsbescheid sei aufgehoben worden, weil "Interessen des Landschaftsbildes" entgegenstünden. Es handle sich dabei um ein verhältnismäßig kleines Gebäude und es stehe nur die Dachform zur Debatte, sodaß nicht in die Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes eingegriffen werde. Die andersartige Meinung der Aufsichtsbehörde in einer Geschmacksfrage könne zur Nichtigerklärung nicht hinreichen. Überhaupt ergebe sich dabei das Problem, inwiefern Rechtsbegriffe, deren Inhalt nicht bestimmt (und möglicherweise auch nicht bestimmbar) sei, Anlaß für Eingriffe in rechtskräftige Entscheidungen von Gemeindeorganen bilden könnten. Wenn das Prinzip der Gemeindeautonomie ein Gewicht haben solle, dürfe entweder die einfache gesetzliche Regelung diese nicht praktisch außer Wirksamkeit setzen, oder aber es seien jedenfalls, wie im gegenständlichen Fall, die einfachgesetzlichen Regelungen so einschränkend auszulegen, daß sie mit den Grundsätzen der Verfassung und deren Regelungen vereinbar seien. Weiters sei bei Aufhebungen wegen Nichtigkeit unter möglichster Schonung bestehender Rechte vorzugehen. Eine solche Schonung der Interessen könne eben nur dadurch erfolgen, daß die Behörde von einer Aufhebung des Bescheides absehe. Eine andere Auslegung würde die in den Verwaltungsverfahrensgesetzen vorgesehene formelle und materielle Rechtskraft praktisch außer Wirksamkeit setzen. Zu den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit zähle die Rechtssicherheit, welche durch einen solchen Vorgang verletzt werde. Hilfsweise wird in der Beschwerde angeregt, der Verwaltungsgerichtshof wolle beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des § 19 und des § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung gemäß Art. 140 des B-VG stellen, weil dadurch "in das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht des Eigentums und des Verfahrens vor dem gesetzlichen Richter (Zuständigkeit der Gemeinde und nicht der Aufsichtsbehörde) eingegriffen" werde.

Die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird damit begründet, daß der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige das Vorbringen der Beschwerdeführer, in unmittelbarer Nähe sei ein anderes Gebäude mit Pultdach, bestätigt habe, was die Auffassung der ersten Instanz widerlege. Im übrigen sei der Amtssachverständige aber eine Begründung dafür, warum er grundsätzlich ein Satteldach (gemeint offenbar: ein Pultdach) als "das Landschaftsbild beeinträchtigend" ansehe, schuldig geblieben. Das Gutachten sei den Beschwerdeführern auch nicht zur Kenntnis gebracht worden; andernfalls hätten sie ein Privatgutachten vorgelegt.

Soweit nun die Beschwerdeführer die Berechtigung der Landesverwaltung bezweifeln, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ergangene Bescheide in Handhabung des Aufsichtsrechtes für nichtig zu erklären, und insoweit die Verfassungsmäßigkeit des § 19 in Verbindung mit dem § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung in Frage stellen, zumindest aber eine einschränkende, verfassungskonforme Interpretation für notwendig erachten, kann ihnen der Gerichtshof aus folgenden Gründen nicht beipflichten: Wie in Art. 118 Abs. 4 vorletzter Satz des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ausdrücklich festgehalten ist, kommt dem Bund und dem Land gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Art. 119 a) zu. Art. 119 a Abs. 1 B-VG bestimmt nun, daß der Bund und das Land das Aufsichtsrecht über die Gemeinde dahin ausüben, daß diese bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches die Gesetze und Verordnungen nicht verletzt, insbesondere ihren Wirkungsbereich nicht überschreitet und die ihr gesetzlich obliegenden Aufgaben erfüllt. Art. 119 a Abs. 3 B-VG besagt: "Das Aufsichtsrecht und dessen gesetzliche Regelung stehen, insoweit als der eigene Wirkungsbereich der Gemeinde Angelegenheiten aus dem Bereich der Bundesvollziehung umfaßt, dem Bund, im übrigen den Ländern zu; das Aufsichtsrecht ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben." Wenngleich im Art. 119 a Abs. 5 B-VG ein Sonderfall der Handhabung des Aufsichtsrechtes, nämlich das Vorstellungsverfahren, besonders hervorgehoben ist, schließt dies nicht aus, daß die zuständige Gesetzgebung - in Angelegenheiten des Baurechtes also gemäß Art. 15 B-VG die Landesgesetzgebung andere Aufsichtsmittel vorsieht. Solche Aufsichtsmittel enthält die Kärntner Bauordnung durch die Einrichtung des Bauanwaltes (§ 10) und durch die Vorschriften über die Nichtigkeit (§ 19 in der Fassung der ersten Bauordnungsnovelle, LGBl. für Kärnten Nr. 56/1972) sowie die Aufsicht (§ 46 in der vorzitierten Fassung). So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. B 333/75, ausgesprochen, daß keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs. 2 lit. b und § 19 der Kärntner Bauordnung vorliegen. Worin die im Gesetz mit Nichtigkeit bedrohte Rechtswidrigkeit eines gemeindebehördlichen Bescheides besteht, ist vom Standpunkt der Verfassungsmäßigkeit aufsichtsbehördlicher Befugnisse nicht von Bedeutung. Der Landesgesetzgeber hat daher keine Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetzes verletzt, wenn er im § 15 der Kärntner Bauordnung festgelegte Versagungsgründe mit Nichtigkeit und dementsprechend mit der Aufhebung durch die Aufsichtsbehörde bedrohte, darunter auch eine Verletzung des § 9 Abs. 2 lit. d, welcher Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Schutzes des Ortsbildes zum Gegenstand hat. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht dazu bestimmt, entsprechend der Anregung der Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung der einschlägigen Gesetzesstelle nach Art. 140 B-VG beim Verfassungsgerichtshof zu stellen; er ist auch nicht der Auffassung, daß die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 lit. d, des § 15, des § 19 lit. c Z. 1 oder des § 46 Abs. 2 der Kärntner Bauordnung, wie dies die Beschwerdeführer vemeinen, aus Gründen der Verfassungskonformität dahin gehend einschränkend aufgelöst werden müßten, daß nur schwerwiegende Rechtswidrigkeiten die aufsichtsbehördliche Aufhebung einer Baubewilligung rechtfertigen könnten, worunter nach Auffassung der Beschwerdeführer "Geschmacksfragen" - also die Einbeziehung des Aussehens eines Gebäudes in die Beurteilung der Beeinträchtigung von Interessen des Landschaftsbildes nicht gezählt werden dürften. Der Gerichtshof ist allerdings auch der - auch von der belangten Behörde nicht ausdrücklich in Abrede gestellten - "Auffassung", daß im Sinne des § 9 Abs. 2 lit. d der Kärntner Bauordnung nicht jegliche von der optimalen ästhetischen Lösung abweichende Gestaltung eines Bauwerkes bereits bedeutet, daß dem Vorhaben Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes entgegenstehen. Ob dies der Fall ist, muß durch ein in Befund und Gutachten gegliedertes Sachverständigengutachten, welches die Einflüsse des Gebäudes auf das Landschaftsbild darlegt und die getroffenen Schlußfolgerungen eingehend begründet, erwiesen werden. Da auch die belangte Behörde grundsätzlich einen solchen Sachverständigenbeweis für erforderlich gehalten hat, liegt allerdings die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Mit der Verfahrensrüge sind die Beschwerdeführer aber aus folgenden Gründen im Recht:

Der Bauanwalt selbst ist gemäß § 10 Abs. 1 der Kärntner Bauordnung ein rechtskundiger Bediensteter. Zwar stehen ihm gemäß § 10 Abs. 2 dieses Gesetzes die Amtssachverständigen der Landesbehörden zur Verfügung und es gehört offenbar auch zu seinen Funktionen, Sachverständigenmeinungen zu koordinieren. Im vorliegenden Falle war der Äußerung des Bauanwaltes ein Gutachten des Baubezirksamtes der Bezirkshauptmannschaft Villach zugrunde gelegen. Dieses Gutachten wurde jedoch den Parteien des Baubewilligungsverfahrens nicht zur Kenntnis gebracht. Daran ändert nichts, daß die den Parteien vorgehaltene Äußerung des Bauanwaltes alle wesentlichen Teile des Gutachtens enthielt. Die Äußerung des Bauanwaltes selbst aber konnte, als nicht von einem technischen Sachverständigen stammend, nicht als Beweismittel für die Ermittlung des Sachverhaltes dienen. Die eingangs erwähnte gemeinsame Begehung durch den Bauanwalt, den Leiter des Baubezirksamtes Villach und den Leiter der Bauabteilung der Gemeinde F am hätte zwar die Grundlage einer Sachverhaltsfeststellung bilden können; das Ergebnis dieser Begehung wurde den Parteien des Verwaltungsverfahrens aber nicht vorgehalten. Die Bauwerber hatten auch keine besondere Veranlassung, in dieser Hinsicht Behauptungen aufzustellen oder Beweise zu beantragen, weil ihnen die beantragte Baubewilligung ohnehin, wenngleich unter Auflagen, erteilt wurde.

Die Bezirkshauptmannschaft Villach als Aufsichtsbehörde erster Instanz gab nun zwar den Bauwerbern die Absicht, die Baubewilligung für nichtig zu erklären, unter Hinweis auf die Stellungnahme des Bauanwaltes bekannt. Ein Beweismittel - nämlich ein Sachverständigengutachten - wurde jedoch in diesem Verfahren nicht eingeholt; dies ist erstmals im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde geschehen. Dieses Gutachten aber wurde den Beschwerdeführern entgegen § 45 Abs. 3 AVG 1950 nicht vorgehalten. Damit wurde die Verpflichtung zur Gewährung des rechtlichen Gehöres nach dieser Gesetzesstelle verletzt. Es kann den Beschwerdeführern nicht entgegengetreten werden, wenn sie in der Beschwerde behaupten, sie hätten, wäre ihnen das Gutachten vorgehalten worden, ein Gegengutachten vorgelegt. Somit kann nicht von der Hand gewiesen werden, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Überdies geht das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten nicht auf die Frage ein, welche Auswirkungen allenfalls die Befolgung der im Baubewilligungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen 8) (Außenputz in heller Farbe) und 10) (50 cm breite Attika-Verkleidung) auf die angenommene Störung des Landschaftsbildes hätten. Da die Bauwerber diese Auflagen unangefochten in Rechtskraft erwachsen ließen, kann bei der Frage, ob dem Bauvorhaben Interessen der Erhaltung des Landschaftsbildes entgegenstehen, nicht von dem ursprünglichen Bauvorhaben - welches ja bereits errichtet wurde -, sondern nur von dem durch die Auflage modifizierten Vorhaben ausgegangen werden. Es ist somit auch der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.

Der angefochtene Bescheid war deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1965, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976, aufzuheben.

Mit Rücksicht auf diesen Sachausgang konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 von der seitens der Beschwerdeführer beantragten Verhandlung abgesehen werden.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der vorzitierten Fassung und die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221; dabei konnte der angesprochene Ersatz für Bundesstempel auf der dritten Beschwerdeausfertigung nicht zuerkannt werden, weil gemäß § 24 Abs. 1 VwGG 1965 im vorliegenden Falle nur zwei Beschwerdeausfertigungen erforderlich waren.

Wien, am

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BauO Krnt 1969 §10 Abs4 idF 1972/056;
BauO Krnt 1969 §19 litc Z1 idF 1972/056;
BauO Krnt 1969 §46 Abs2 idF 1972/056;
BauO Krnt 1969 §9 Abs2 litd idF 1972/056;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1979001737.X00
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Fundstelle(n):
VAAAF-55792