VwGH 24.01.1956, 1736/54
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Vom Verbot der reformatio in peius ist die Bemessung der Kosten des Strafverfahrens nicht betroffen. |
Normen | AVG §66 Abs4 impl; VStG §51 Abs4; |
RS 2 | Verhängt die 1. Instanz wegen zweier als erwiesen angenommenen Übertretungen lediglich eine Geldstrafe in der Höhe von S 5000,--, so kann die Berufungsbehörde, soferne sie nur eine Übertretung als erwiesen annimmt, nicht eine Strafe in der gleichen Höhe verhängen. Bestätigt sie aber den bekämpften Bescheid bezüglich der Schuld, so darf die Summe der beiden Strafen den Betrag von S 5000,-- nicht überschreiten. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Penzinger als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Hezina als Schriftführer, über die Beschwerde des LF in W gegen den Bescheid des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. V/1- 3530/4-1954, betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des Zugabengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs hatte den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis vom der Verwaltungsübertretung nach § 1 des Bundesgesetzes vom , BGBl. II Nr. 196, über das Verbot an Zugaben zu Waren und Leistungen (Zugabengesetz) schuldig erkannt, über ihn gemäß § 4 dieses Gesetzes eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzarreststrafe 3 Monate) verhängt und den als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlenden Betrag mit 100 S bestimmt. Die Behörde hatte als erwiesen angenommen, der Beschwerdeführer habe durch Plakate öffentlich angekündigt, daß jedermann am 1., 16. und kostenlos von L nach W, dem Standort des Geschäftsbetriebes des Beschwerdeführers, und zurück sowie am und jeden folgenden Samstag kostenlos von P nach W und zurück fahren könne, wenn der Betreffende im Warenhaus des Beschwerdeführers einkaufe, weiters, der Beschwerdeführer habe tatsächlich die beiden "Gratisfahrten" am durchgeführt. Dieses Straferkenntnis hatte das vom Beschwerdeführer mit Berufung angerufene Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom bestätigt. Diesen Bescheid hatte der Verwaltungsgerichtshof auf Grund der vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom , Zl. 2643/53, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde als Rechtsmittelinstanz den Beschwerdeführer der Übertretung nach § 1 Abs. 1 Zugabengesetz schuldig erkannt und über ihn gemäß § 4 des genannten Gesetzes eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzarreststrafe 2 Wochen) verhängt. Als erwiesen wurde angenommen, daß der Beschwerdeführer "durch den Anschlag von Plakaten, denen zufolge mittels eines von seinem in W bestehenden Warenhausunternehmens zur Verfügung gestellten Autobusses jedermann kostenlos am 1., 16. und von L und am sowie jeden folgenden Samstag von P nach W und zurück befördert wird, wenn er seine Einkäufe im Warenhaus LF (dessen Inhaber Genannter ist) tätigt, im geschäftlichen Verkehr neben Waren unentgeltliche Zugaben angekündigt" hatte. Überdies hat die belangte Behörde die Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens gemäß § 64 VStG mit 500 S neu bestimmt. Diesen Bescheid bekämpft der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof sowohl hinsichtlich des Ausspruches über die Schuld als auch über die Strafe und die Kosten des Strafverfahrens. Über die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
In Rücksicht auf den Ausspruch über die Schuld vermeint der Beschwerdeführer eine Verletzung des Verbotes der reformatio in peius mit der Behauptung begründen zu können, die belangte Behörde habe mit dem Bescheid vom den Schuldspruch der ersten Instanz hinsichtlich der Übertretung des Zugabengesetzes durch Gewährung von Zugaben bestätigt, hinsichtlich der Übertretung durch Ankündigung von Zugaben jedoch die Einstellung des Verfahrens verfügt. Aus der vermeintlichen Einstellung des Strafverfahrens wegen der Ankündigung von Zugaben leitet der Beschwerdeführer ab, daß er mit dem angefochtenen Bescheid zu Unrecht der Übertretung nach § 1 Abs. 1 Zugabengesetz, begangen durch Ankündigung von Zugaben schuldig erkannt worden sei. Diese Behauptung des Beschwerdeführers beruht auf einer aktenwidrigen Annahme verfahrensrechtlicher Vorgänge. Die belangte Behörde hat mit dem Bescheid vom das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt, somit den Spruch dieses Bescheides aufrecht erhalten, wonach der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden war, nicht nur kostenlose Fahrten gewährt, sondern auch angekündigt zu haben. Laut Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde allerdings die Zuwiderhandlung lediglich in der Gewährung der Transportleistung erblickt. Spruch und Begründung waren somit widerspruchsvoll. Dieser Widerspruch zwischen Spruch und Begründung hat auch zur Aufhebung des Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof geführt. Aber gerade der vom Verwaltungsgerichtshof aufgegriffene Mangel beweist die Aktenwidrigkeit des Beschwerdevorbringens, daß die belangte Behörde das Strafverfahren wegen der Übertretung des Zugabengesetzes durch Ankündigung von Zugaben eingestellt habe. Wäre der Gerichtshof von der Auffassung des Beschwerdeführers ausgegangen, dann hätte er den Widerspruch nicht aufdecken und die so festgestellte Rechtswidrigkeit zum Anlaß der Aufhebung des Bescheides vom machen können.
Im Hinblick auf den Ausspruch über die Schuld soll eine Verletzung des Parteiengehörs nach Meinung des Beschwerdeführers dadurch unterlaufen sein, daß ihm im erstinstanzlichen Verfahren keine Gelegenheit zur Rechtfertigung zu der ihm von der belangten Behörde zur Last gelegten Übertretung des Zugabengesetzes durch Gewährung einer Transportleistung gegeben worden sei. Allein der Gerichtshof kann davon absehen, sich mit diesem und dem weiteren, den Schuldspruch bekämpfenden Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, weil der angefochtene Bescheid hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes leidet, die mittlerweile eingetretene Verjährung (§ 31 Abs. 3 VStG) aber die Fällung eines an die Stelle des aufzuhebenden angefochtenen Bescheides tretenden Berufungsbescheides verhindert.
Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes liegt in dem in Rücksicht auf die Strafbemessung unterlaufenen Verstoß gegen das Verbot der reformatio in peius. Dieser Grundsatz bedeutet, daß ein ausschließlich zugunsten eines Beschuldigten ergriffenes Rechtsmittel niemals zu einer strengeren als im angefochtenen Bescheid verhängten Strafe führen dürfe. Im vorliegenden Falle hat die Behörde der ersten Rechtsstufe gegen das im § 22 VStG verankerte Kumulationsprinzip verstoßen und für die zwei als erwiesen angenommenen Übertretungen des Zugabengesetzes lediglich eine Geldstrafe von 5.000 S verhängt. Nun geht es allerdings nicht an, mit dem Beschwerdeführer diesen Ausspruch über die Strafe dahin zu verstehen, die Behörde habe für jede der beiden Übertretungen die Hälfte der festgesetzten Geldstrafe verhängen wollen, woraus er schließt, die belangte Behörde hätte für die Übertretung des Zugabengesetzes durch Ankündigung von Zugaben die Strafe höchstens mit der Hälfte der Strafsätze ausmessen dürfen. Wohl ist aber zu bedenken, daß dann, wenn die belangte Behörde den erstinstanzlichen Schuldspruch aufrecht erhalten hätte, sie für jede Übertretung die Strafe hätte festsetzen müssen, wobei die Summe dieser Strafen gemäß dem Verbot der reformatio in peius den Betrag von 5.000 S nicht hätte überschreiten dürfen. Daraus folgt aber, daß die Behörde weder für die eine noch für die andere Übertretung die Strafe mit 5.000 S hätte bemessen dürfen, weil sonst die Summe mehr als 5.000 S ergeben hätte. Hätte sie aber bei Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Schuldspruches die Strafe für keine der beiden Übertretungen mit 5.000 S festsetzen dürfen, dann folgt zwingend, daß auch nur für eine der beiden Übertretungen die Strafe mit 5.000 S nicht bestimmt werden durfte, ohne den Beschuldigten schlechter zu stellen als seine Lage nach dem erstinstanzlichen Straferkenntnis war. Im vorliegenden Falle hat die belangte Behörde wegen der Übertretung der Ankündigung einer unentgeltlichen Zugabe eine Geldstrafe von 5.000 S verhängt und somit gegen das Verbot der reformatio in peius verstoßen. Dieser Verstoß bedeutet eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes, die gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führt.
Anders verhält es sich mit der Erhöhung der Kosten des Strafverfahrens von S 100 auf S 500. Zu dieser Maßnahme war die belangte Behörde berechtigt, weil das Verbot der reformatio in peius in Rücksicht auf die Kosten nicht einzugreifen vermag. Die Kosten des Strafverfahrens sind nicht den Strafen selbst gleichzuhalten, mag auch die Gesamtwirkung im Falle der Erhöhung der Strafkosten für den Bestraften eine Verschärfung bedeuten. Im übrigen beruft sich die belangte Behörde zu Unrecht auf das Erkenntnis des Bundesgerichtshofes vom , Zl. A 207/34, weil dieses voraussetzt, daß der Täter von der Berufungsinstanz wegen einer anderen Tat verurteilt als ihm von der ersten Instanz zur Last gelegt wurde, war im Falle des Beschwerdeführers jedoch nicht zutrifft. Allerdings kann der Umstand, daß die belangte Behörde die Kosten des Strafverfahrens dem Gesetze gemäß bestimmt hat, die Beseitigung auch dieses Teiles des angefochtenen Bescheides nicht aufhalten. Denn Voraussetzung für die Einhebung eines Strafkostenbeitrages ist, daß die Strafamtshandlung zu einer Bestrafung des Beschuldigten geführt hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3951 A/1956 |
Schlagworte | Verbot der reformatio in peius Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1956:1954001736.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-55786