VwGH 12.03.1959, 1735/57
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | WRG 1959 §12 Abs2 WRG 1959 §5 Abs2 idF 207/1969 WRG 1959 §9 Abs2 |
RS 1 | Steht dem Recht eines Quelleneigentümers zur Wasserbenützung ein vereinbartes Mitbenützungsrecht eines Dritten gegenüber, dann liegt der Fall einer durch besonderen Privatrechtstitel begründeten Beschränkung im Sinne des § 5 Abs. 2 vor. Die Änderung bzw. Neuerrichtung, der diese Quelle benutzenden Anlage bedarf, sofern ein Einfluß auf das Wasserbezugsrecht des Dritten geübt wird, einer wasserrechtlichen Bewilligung. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Guggenbichler und die Räte Dr. Borotha, Dr. Schimetschek, Penzinger und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Dolp als Schriftführer, über die Beschwerde des BB in R, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom , Zl. Wa - 372/I/1957, betreffend die Errichtung bzw. Abänderung einer Wasserversorgungsanlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am bei der Bezirkshauptmannschaft St. Veit a. d. Glan den Antrag, ihm die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer neuen Wasserbenutzungsanlage bzw. zur Änderung der bestehenden Anlage für die Trink- und Nutzwasserversorgung seines landwirtschaftlichen Betriebes zu erteilen. Die derzeitige Anlage bestehe aus einem Sammelbecken und einer Versorgungsleitung zum landwirtschaftlichen Betrieb. „An dieser Versorgungsleitung“ sei angeschlossen, und besitze das Wassernutzungsrecht der - im gegenwärtigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte - Landwirt FG, in R Nr. 1. Geplant sei die Fassung mehrerer auf Grund und Boden des Beschwerdeführers liegender Quellen sowie der Bau eines neuen Wasserbehälters. Die bereits bestehenden Leitungen sollten zum Teil in das Projekt einbezogen werden.
Bei der hierüber am abgeführten mündlichen Verhandlung wurde zunächst klargestellt, daß der Beschwerdeführer beabsichtigte, Betonrohrleitungen bis zum projektierten Sammelbehälter und von dort zu seinem Anwesen zu verlegen, wogegen das Wasser bisher über mehrere 100 m in einem offenen Gerinne abfloß. FG - im folgenden kurz als „Mitbeteiligter“ bezeichnet - erklärte, gegen das Bauvorhaben keine Einwendung zu erheben, falls sein bestehendes Wasserrecht gewahrt bleibe und er im Falle der Austrocknung des Wssserlaufes, der die bisherige gemeinsame Anlage speise, seinen Wasseranteil aus der neuen Leitung erhalte. Der Beschwerdeführer erklärte demgegenüber, auf sein Recht an der bestehenden gemeinsamen Wasserleitung unter der Voraussetzung zu verzichten, daß er nicht zur Instandhaltung dieser Leitung verpflichtet werde.
Mit Bescheid vom erteilte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit a. d. Glan dem Beschwerdeführer die von ihm beantragte wasserrechtliche Bewilligung u. a. mit der Auflage, daß der Mitbeteiligte berechtigt werde, an der ihm nächstgelegenen Stelle in der Weide an der neuen Wasserleitung einen Anschluß vorzunehmen und einen Absperrschieber mit einem Handrad in einem abdeckbaren Betonschacht anzubringen, Der Absperrschieber sei auf 1/3 des zufließenden Wassers einzustellen und zu plombieren. Dieser Schieber dürfe nur vom Bürgermeister der Gemeinde S geöffnet werden, wenn das offene Gerinne am dermalen bestehenden alten Sammelbehälter trocken sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Berufung, in der er ausführte, daß er nicht gesonnen sei, die Kosten für die ihm zugesprochene Anschlußanlage zu tragen. Die Errichtung dieser Anlage sei allein dem Beschwerdeführer aufzuerlegen.
Die belangte Behörde ergänzte das Ermittlungsverfahren durch eine an Ort und Stelle vorgenommene Erhebung der Wasserführungsverhältnisse. Dem unter Auswertung des Ergebnisses dieser örtlichen Erhebung am erstatteten gutächtlichen Berichte des Wasserbauamtes Klagenfurt ist zu entnehmen, daß vor der (bereits durchgeführten) Errichtung der neuen Wasserleitungsanlage der zur gemeinsamen Versorgung der Streitteile dienende Bach von mehreren Quellzuflüssen gespeist wurde, von denen einer auf der Parzelle 582 KG. S (der Parzelle des Beschwerdeführers) entspringt, während die anderen Zubringer in einer Entfernung von 200 m - 300 m bzw. von ca. 2 km entspringen. Die Schüttung der vom Beschwerdeführer genützten Quelle betrug (am Tage der Erhebung) 0,38 l/s, wovon 0,34 1/s durch den Überlauf wieder in den Bach zurückgeführt werden. Die Gesamtschüttung des Bachlaufes betrug 3,4 l/s. In Anbetracht der zahlreichen, den offenen Bachlauf noch speisenden Quellabflüsse erscheint nach dem Berichte des Wasserbauamtes vom technischen Gesichtspunkte aus eine Beeinträchtigung der bisherigen Wasserversorgung des Mitbeteiligten durch die Nutzung der einen Quelle des Beschwerdeführers nicht gegeben. Doch wäre der Beschwerdeführer zu verpflichten, ständig freilaufende Hähne in seinem Anwesen zu unterlassen, damit die Wasserversorgung des Mitbeteiligten auf jeden Fall gesichert sei.
Auf Grund dieses Sachverständigengutachtens erließ die belangte Behörde schließlich den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid, mit welchem der erstinstanzliche Bescheid dahin abgeändert wurde, daß dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, an der der „H“'weide nächstgelegenen Stelle der neuen Wasserleitung einen Anschluß vorzusehen. Sollte das offene Gerinne am bestehenden alten Sammelbehälter infolge der Entnahme durch die neue Wasserleitung trocken werden, sei der Eigentümer der „H“-Liegenschaft (die mitbeteiligte Partei) berechtigt, auf Kosten des Beschwerdeführers einen bis zu diesem offenen Gerinne führenden Anschluß herstellen zu lassen, der mit einem Absperrschieber mit einem Handrad in einem abdeckbaren Betonschacht zu versehen wäre; dieser Absperrschieber wäre auf ein Drittel des zufließenden Wassers einzustellen und zu plombieren.
Der gegen diesen Berufungsbescheid von EB eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde konnte aus nachstehenden Erwägungen ein Erfolg nicht versagt werden:
Unbestritten ist, daß die neue Wasserleitungsanlage des Beschwerdeführers aus einer auf seinem Grund und Boden entspringenden Quelle gespeist wird und daß anderseits dem Mitbeteiligten vereinbarungsgemäß das Recht zusteht, Wasser aus der früher gemeinsam genützten Wasserführungsanlage zu beziehen, die u. a. auch von der vorerwähnten Quelle durchflossen worden ist. Das Recht des Beschwerdeführers, diese ohne Zweifel als Privatgewässer zu beurteilende Quelle zu benutzen, unterliegt daher einer durch besonderen Privatrechtstitel begründeten Beschränkung im Sinne des § 3 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes (kurz „WRG“). Die Änderung bzw. Neuerrichtung der diese Quelle benützenden Anlage durch den Beschwerdeführer bedurfte somit gemäß § 9 Abs. 2 und § 12 Abs. 2 WRG, sofern hiedurch ein Einfluß auf das Wasserbezugsrecht des Mitbeteiligten geübt wurde, der Bewilligung durch die Wasserrechtsbehörde.
Die erstinstanzliche Entscheidung ist offensichtlich davon ausgegangen, daß eine derartige Einflußnahme auf das Wasserbezugsrecht des Mitbeteiligten unter der Voraussetzung anzunehmen sei, daß in Trockenzeiten die nunmehr vom Beschwerdeführer allein genutzte Quelle zur Versorgung des Mitbeteiligten mit herangezogen werden müsse. Dieser solle deshalb berechtigt sein, für den Fall von Trockenzeiten einen Anschluß an der neuen Wasserleitung vorzunehmen, der ihm den Zufluß von einem Drittel der dort verfügbaren Wassermenge sichere. Auch die bekämpfte Entscheidung geht von derselben Voraussetzung aus und begründet dies damit, daß der Mitbeteiligte befürchte, es könne infolge des Projektes des Beschwerdeführers das bisher der gemeinsamen Versorgung dienende Gerinne austrocknen. Nach fachlicher Ansicht sei mit dieser Möglichkeit nicht zu rechnen, weshalb nur die Möglichkeit des Anschlusses auf Kosten des Beschwerdeführers in Betracht zu ziehen gewesen sei.
Diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde bereits die Voraussetzungen für die Bewilligungspflicht nach § 9 Abs. 2 WRG nicht zureichend geprüft hat. Um Klarheit darüber zu schaffen, ob das Projekt des Beschwerdeführers die Nutzungsbefugnis des Mitbeteiligten berühre, mußte vor allem untersucht werden, welches Maß der Wasserbenutzung dem Letztgenannten bisher zukam, Danach war auf die Frage einzugehen, ob diese Wasserbenutzung durch das neue Wasserleitungsvorhaben eine Minderung erfahren werde. Diese Fragen erscheinen weder durch die Befürchtung des Mitbeteiligten beantwortet, in Trockenzeiten Wassernot zu leiden noch durch das Sachverständigengutachten vom , wonach eine Beeinträchtigung der bisherigen - mengenmäßig nicht erfaßten - Wasserversorgung des Mitbeteiligten nicht gegeben sei.
Erst nach einwandfreier Klärung dieser beiden Fragen konnte die belangte Behörde zur Feststellung gelangen, ob eine Beeinflussung des Wasserbezugsrechtes des Mitbeteiligten anzunehmen und deshalb eine Bewilligung nach § 9 Abs. 2 WRG überhaupt erforderlich sei. Bejahendenfalls hatte sie nach der Vorschrift des § 12 Abs. 1 WRG die auszusprechende Bewilligung mit Auflagen zu versehen, die geeignet und unerläßlich waren, um eine Beeinträchtigung des dem Mitbeteiligten zustehenden Wasserbezuges hintanzuhalten. Daß derartige Auflagen den Beschwerdeführer belasten müßten, erhellt auch daraus, daß es sich dabei um Maßnahmen handelt, die die Verletzung eines bestehenden Rechtes verhindern sollen und deshalb demjenigen auferlegt werden müssen, welcher ohne solche Vorsorge einer Rechtsverletzung schuldig würde.
Daß es Pflicht der belangt en Behörde gewesen wäre, dem Beschwerdeführer vor Fällung der Entscheidung Gelegenheit zu geben, zum Berufungsvorbringen des Mitbeteiligten und zu den Ergebnissen ihres Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen (§ 45 Abs. 3 AVG), sei nur nebenbei bemerkt. Der ihr unterlaufene entscheidende Verfahrensmangel liegt, wie bereits dargelegt wurde, schon in der unzureichenden Prüfung der Frage der Bewilligungspflicht des Vorhabens des Beschwerdeführers. Ergab sich, daß die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 WRG nicht vorlagen, dann erübrigte sich jedes weitere Eingehen auf den Fall, weil sich die Behörde auf eine diesbezügliche Feststellung zu beschränken hatte. Bestanden diese Voraussetzungen aber, dann und nur dann hatte die belangte Behörde auf die weitere Frage einzugehen, durch welche unerläßlichen Maßnahmen eine Beeinträchtigung der Rechte des Mitbeteiligten vermieden werde, und hatte das hiezu allenfalls notwendige ergänzende Ermittlungsverfahren durchzuführen.
Der angefochtene Bescheid mußte somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 und 3 VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Kostenanspruch des Mitbeteiligten war gemäß § 47 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen, weil er gemäß § 106 Abs. 1 WRG im vorausgegangenen Bewilligungsverfahren keinen Kostenanspruch gehabt hat oder im Falle des Obsiegens gehabt hätte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | WRG 1959 §12 Abs2 WRG 1959 §5 Abs2 idF 207/1969 WRG 1959 §9 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1959:1957001735.X01 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-55783