VwGH 28.01.1981, 1689/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Eine "Zusatzrente" gem den Satzungen des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer kann eine Gegenleistungsrente iS des § 29 Abs 1 EStG sein, wenn ihre Berechnungsgrundlage zum weitaus überwiegenden Teil, auf eine freiwillige Einmalzahlung zurückgeht. |
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RS 2 | Unter diesen Umständen zählt die Zusatzrente nicht zu den sozialversicherungsrechtlichen Pensionen "gleichartigen" Bezügen nach § 25 Abs 1 Z 3 EStG 1972, weil die Sozialversicherungsgesetze zwar das Institut der Höherversicherung kennen, nicht aber die Möglichkeit, durch weder der Höhe noch der zeitlichen Lagerung nach beschränkte freiwillige Leistungen die Berechnungsgrundlage der Pension auch noch unmittelbar vor Inanspruchnahme der Versicherungsleistung willkürlich nach den Wünschen des Einzahlenden zu gestalten (Bezugnahme insbesonders auf das E des ). |
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RS 3 | Durch § 22 Abs 1 Z 4 EStG 1972 idF der EStG-Novelle 1974 wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, Bezüge und Vorteile aus Versorgungseinrichtungen und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, denen KEIN PENSIONSCHARAKTER iS des § 25 Abs 1 Z 3 EStG 1972 zukommt, etwa einmalige oder andere, nicht in kurzen Zeitabständen regelmäßig wiederkehrende Leistungen, steuerlich zu erfassen (vgl E , 1311/76). Eine Zusatzrente aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer hat jedoch Pensionscharakter, wenn sie auch aus im Sozialversicherungsrecht wurzelnden Erwägungen nicht als den Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung "gleichartig" anzusehen ist. Stellt sich eine solche Zusatzrente dadurch, daß ihre Berechnungsgrundlage zum weitaus überwiegenden Teil auf einer freiwilligen Einmalzahlung beruht, als Gegenleistungsrente dar, steht daher auch nach der Rechtslage nach Inkrafttreten der EStG-Novelle 1974 ihrer Einordnung in § 29 Abs 1 EStG 1972 nichts im Wege. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Iro, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom , Zl. 63070/13/78, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1974, 1975 und 1976; Mitbeteiligter: Med. Rat Dr. OR, prakt. Arzt, in W, vertreten durch Dr. Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien I, Grünangergasse 6, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 3.200,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Der 1899 geborene Mitbeteiligte bezahlte im Dezember 1969 an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien einen Zusatzbetrag von S 610.097,48. Da er das 70. Lebensjahr überschritten hat, gebührt ihm nach den Satzungen dieses Wohlfahrtsfonds eine Zusatzleistung in der Altersversorgung (Individualrente), die jährlich S 176.666,-- ausmacht. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist unbestritten, daß der im Zeitpunkt der Zahlung des Mitbeteiligten kapitalisierte Wert dieser Rentenverpflichtung S 1,324.995,-- beträgt und daß die Summe der vom Mitbeteiligten bis zum Ende des Jahres 1976 aus dieser Individualrente vereinnahmten Beträge S 1,210.656,-- ausmacht.
Bereits bei der Ermittlung der Einkommensteuer des Mitbeteiligten für das Jahr 1973 kam es zu unterschiedlichen Auffassungen des Mitbeteiligten und der belangten Behörde darüber, ob die Individualrente den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 oder aber den sonstigen Einkünften nach § 29 Z. 1 EStG 1972 zuzuordnen sei.
Mit Erkenntnis vom , B 182/76, hat der Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf sein ebenfalls den Mitbeteiligten betreffendes Erkenntnis vom , Slg. 7018/1973, den Bescheid der belangten Behörde, mit dem die Individualrente für das Jahr 1973 den Einkünften des Mitbeteiligten aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet worden war, aufgehoben, weil der Mitbeteiligte dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden sei. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof dazu aus, bei der einmaligen Zahlung des Mitbeteiligten an den Wohlfahrtsfonds habe es sich um eine bloße Vermögensumschichtung gehandelt. Die vom Mitbeteiligten bezogene Zusatzleistung (Rente) sei daher zum weitaus überwiegenden Teil die Gegenleistung für eine private Leistung. Solche Gegenleistungen unterlägen, wenn sie in festen Beträgen entrichtet würden, nicht der Einkommensteuer. Den Bezug der Rente als Einkunft zu besteuern, hieße also, die Besteuerung an die Rentenform zu knüpfen. Dies wäre eine unsachliche Differenzierung und widerspräche somit dem Gleichheitsgebot. Durch § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 seien Leistungen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen nur soweit als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert, als sie den sozialversicherungsrechtlichen Pensionen „gleichartig“ seien. Im Falle des Mitbeteiligten handle es sich um einen wiederkehrenden Bezug, der als Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes (nämlich der Zahlung eines einmaligen Betrages von S 610.097,49) anzusehen sei. Eine Gleichartigkeit mit dem für die gesetzliche Sozialversicherung typischen Beitragssystem liege aber auch unter Bedachtnahme auf die im Sozialversicherungsrecht - atypischerweise - vorgesehenen Möglichkeiten der Höherversicherung nicht vor, die Individualrente des Mitbeteiligten falle daher nicht unter die Bestimmung des § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972. Es handle sich dabei vielmehr um eine Gegenleistung, die der Steuerpflicht nach § 29 Z. 1 EStG 1972 nur insoweit unterliege, als die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung übersteige. Dies entspreche dem Grundgedanken des Einkommensteuerrechtes, demzufolge eine steuerpflichtige Einnahme nur einmal besteuert werden und eine steuerpflichtige Ausgabe nur einmal geltend gemacht werden könne. Da die belangte Behörde den Bezug des Mitbeteiligten aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer als einen einer Pensionszahlung der gesetzlichen Sozialversicherung gleichartigen Bezug behandelt habe und somit jenen Teil des Bezuges, der nur eine Gegenleistung für eine private Leistung sei, zweimal besteuert habe, habe sie der zugrundegelegten Rechtsvorschrift einen Inhalt unterstellt, der bewirken würde, daß die Vorschrift dem Gleichheitsgebot widerspräche.
Auch in seinen Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1974 bis 1976 hat der Mitbeteiligte beantragt, die Individualrente im Ausmaß von jährlich S 176.666,-- nicht der Einkommensteuer zu unterziehen, weil sie als Gegenleistung für eine einmalige Zahlung anzusehen und daher im Sinne des § 29 Z. 1, 3. Satz EStG 1972 noch nicht steuerpflichtig sei.
Das Finanzamt schloß sich in seinen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1974 bis 1976 dieser Auffassung nicht an, behandelte die Individualrente im Sinne der ursprünglichen Rechtsansicht der belangten Behörde zur Gänze nach § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und legte die vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufungen ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung unter Hinweis auf das beim Verfassungsgerichtshof damals noch anhängige Verfahren zu B 182/76 der belangten Behörde vor.
Die belangte Behörde wartete das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes in diesem Verfahren ab und gab sodann mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Mitbeteiligten teilweise, und zwar insoweit Folge, als sie die Individualrente für die Jahre 1974 bis 1976 als noch nicht steuerpflichtig behandelte, weil die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung bis Ende 1976 noch nicht überstiegen habe. Allerdings sah sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides veranlaßt, von der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes mit Rücksicht auf die durch die Einkommensteuernovelle 1974, BGBl. Nr. 469/1974, geschaffene neue Rechtslage abzugehen. Infolge des durch diese Novelle neu geschaffenen § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 sei nämlich die Individualrente ab dem Jahre 1974 nicht mehr den sonstigen Einkünften nach § 29 Z. 1, sondern nunmehr den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen. Die Individualrente sei aber auch dann, wenn sie unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit subsumiert werde, erst steuerpflichtig, wenn die Summe der vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung in der Höhe von S 1,324.995,-- übersteige, was in den Streitjahren noch nicht der Fall gewesen sei. Die weiteren Ausführungen des angefochtenen Bescheides befassen sich mit der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Frage, aus welchen Gründen die Zahlung des Mitbeteiligten zur Erlangung der Individualrente nicht im Wege der Sonderausgaben Berücksichtigung finden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion (§ 292 BAO), in welcher der Beschwerdeführer vorerst ausführt, die strittige Individualrente sei entgegen der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Auffassung unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 zu subsumieren, weil sie als Teil der Altersversorgung den Pensionen der gesetzlichen Sozialversicherung entspreche. Folge man aber der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Rechtsansicht, dann treffe es zu, daß es sich infolge der neuen Rechtslage auf Grund der Einkommensteuergesetznovelle 1974 dabei um Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 handelt. Allerdings könne dann die Bestimmung des § 29 Z. 1, 3. Satz EStG 1972 nicht zur Anwendung kommen, weil wiederkehrende Bezüge nur unter diese Bestimmung fielen, soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 bis 6 EStG 1972 gehörten. Die Individualrente unterliege daher sofort und ohne Einschränkung der Einkommensteuer; eine dem § 29 Z. 1, 3. Satz entsprechende Stelle sei in den § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 nicht aufgenommen worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde erwogen:
Strittig ist ausschließlich die Frage, ob die Individualrente des Mitbeteiligten zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit nach § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 i.d.F. der Einkommensteuergesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 469, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 oder zu den sonstigen Einkünften nach § 29 Z. 1 EStG 1972 zu zählen ist.
Für die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Art. I Z. 21 der Einkommensteuergesetznovelle 1974, mit dem in § 22 Abs. 1 EStG 1972 eine neue Z. 4 eingefügt wurde, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 182/76, ausgeführt, warum seiner Auffassung nach die Individual-(Zusatz-)Rente des Mitbeteiligten nicht einer sozialversicherungsrechtlichen Pension gleichartig sei, und aus welchen Gründen die Einordnung der Rente des Mitbeteiligten in § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 dieser Gesetzesstelle einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen würde. Dieselbe Ansicht hat der Verfassungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall eines anderen Arztes im Erkenntnis vom , B 85/76, vertreten.
Beiden genannten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes lag die Sachverhaltsannahme zugrunde, daß die von den betroffenen Ärzten bezogenen Zusatzrenten zum weitaus überwiegenden Teil die Gegenleistung für die Leistungen von Einmalzahlungen seien. Unter Bedachtnahme auf den Inhalt der vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften, im Beschwerdefall anzuwendenden Beitragsordnung der Ärztekammer sowie der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung aus dem Jahre 1967 vermag sich der Verwaltungsgerichtshof der vom Verfassungsgerichtshof vertretenen Rechtsauffassung, Zusatzrenten der Ärztekammer seien nicht unter § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 einzuordnen und demnach nicht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern, nur unter dieser tatsächlichen Voraussetzung anzuschließen.
Die Beitragsordnung verpflichtete die der Kammer angehörenden Ärzte nämlich nicht nur zur Einzahlung eines zur Sicherstellung der betraglich fixierten Grundleistung bestimmten Fondsbeitrages, sondern es enthielt der den Ärzten vorgeschriebene (Pflicht-)Fondsbeitrag auch einen (ermäßigbaren) Anteil zur Sicherstellung der (variablen) Zusatzleistung. Neben diesen Pflichtbeiträgen zur Erlangung der Zusatzleistung stand es den Ärzten frei, jederzeit freiwillige Beiträge in betraglich unbeschränkter Höhe auf ihr „Individualkonto“ einzuzahlen und dadurch die Berechnungsgrundlage für die ihnen zu gewährende Zusatzleistung willkürlich anzuheben. Nach § 31 Abs. 3 der im Jahre 1969 in Kraft gestandenen Satzungen des Wohlfahrtsfonds betrug die Berechnungsgrundlage für diese Zusatzleistung, wenn sie mit Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch genommen wurde, 1 % der Gesamtsumme der im Zeitpunkt der Inanspruchnahme gutgebuchten Zusatzbeiträge, höchstens jedoch die 500-fache Grundleistung. Bei Inanspruchnahme vor dem 65. Lebensjahr (keinesfalls jedoch vor dem vollendeten 60. Lebensjahr) war dieser Prozentsatz um 0,1 % pro Jahr niedriger, bei Inanspruchnahme nach dem vollendeten 65. Lebensjahr für jedes weitere vollendete Lebensjahr, insgesamt jedoch für höchstens fünf solcher Lebensjahre, um 0,2 % höher. Im Falle des Mitbeteiligten belief sich dieser Prozentsatz demnach insgesamt auf 2 %.
Im Beschwerdefall wurden weder von der belangten Behörde noch vom Verfassungsgerichtshof Feststellungen dahin gehend getroffen oder gefordert, in welchem Maße die Berechnungsgrundlage für die Zusatzrente des Mitbeteiligten auf von diesem geleisteten (Pflicht-)Fondsbeiträgen einerseits und auf freiwilligen Zusatzleistungen andererseits beruhte. Aus den eingangs wiedergegebenen Zahlen ergibt sich jedoch unzweifelhaft, daß die Zusatzrente des Mitbeteiligten tatsächlich zum weitaus überwiegenden Teil auf der von ihm geleisteten Einmalzahlung von S 610.097,48 beruht, mit welcher der Mitbeteiligte von der ihm durch den Fonds eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, kurz vor Inanspruchnahme der Zusatzrente deren Höhe durch eine freiwillige Einmalzahlung in selbst errechnetem Ausmaß seinen Bedürfnissen anzupassen.
Ausgehend von diesem Sachverhalt ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, daß es sich bei der dem Mitbeteiligten vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer gewährten Zusatzrente um eine einer sozialversicherungsrechtlichen Pension nicht gleichartige Gegenleistungsrente handelt. Denn wenn auch die Sozialversicherungsgesetze durchwegs die Möglichkeit der Höherversicherung kennen, lassen sie doch keine der Höhe und auch der zeitlichen Lagerung nach nicht limitierte Einmalzahlungen zu, durch welche der Einzahlende auch noch unmittelbar vor Inanspruchnahme der Versicherungsleistung die Höhe der Berechnungsgrundlage nach seinen Wünschen gestalten kann.
Bei der geschilderten rechtlichen Konstruktion der (Pflicht-)Fondsbeiträge lassen sich aber durchaus auch Fälle von Zusatzrenten des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer denken, in denen für deren Ausmaß ausschließlich oder überwiegend diese Beiträge und nicht freiwillige Mehrzahlungen maßgebend sind, und die demnach nicht als Gegenleistungen für geleistete Wirtschaftsgüter wie im Beschwerdefall zu qualifizieren wären, sodaß gegen ihre Einordnung in § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes nicht zum Tragen kämen.
Im Beschwerdefall treten hiezu mit Rücksicht auf die Änderung der Rechtslage durch die Einkommensteuergesetznovelle 1974 noch die nachstehenden Erwägungen:
Nach § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung und gleichartige Bezüge aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen. Zählt man die hier strittige Individualrente nicht unter diese „gleichartigen Bezüge“ dann bereitete ihre Einordnung unter die sonstigen Einkünfte nach § 29 Z. 1 EStG 1972 bis zum Inkrafttreten der Einkommensteuergesetznovelle 1974 keine interpretatorische Schwierigkeit, zumal es sich dann unzweifelhaft um wiederkehrende Bezüge handelte, die nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 6 EStG 1972 gehörten.
Nach § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 in der Fassung dieser Novelle ist aber nunmehr im Gesetz normiert, daß Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 fallen, zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören. Seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung () muß daher, bevor eine Einordnung unter die nur subsidiär gegebenen sonstigen Einkünfte möglich ist, geprüft werden, ob nicht auch die Individualrente des Mitbeteiligten unter die Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu zählen ist, wie dies die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid angenommen hat. Dies würde allerdings zur Folge haben, daß dem neuen § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 eben jener gleichheitswidrige Inhalt gegeben würde, den der Verfassungsgerichtshof durch seine oben angeführte Judikatur zu § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 für diese Bestimmung verneint hat. Es ist daher zu prüfen, ob die derzeitige Gesetzeslage eine verfassungskonforme Auslegung ermöglicht (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit2, S. 438, angeführte Rechtsprechung, sowie die Ausführungen bei Stoll, Die Rentenbesteuerung3, S. 433 f).
Zutreffend zeigt allerdings der Beschwerdeführer auf, daß das Gesetz dafür nicht die von der belangten Behörde gewählte Handhabe bietet, die Regeln über die Steuerpflicht von Gegenleistungsrenten (§ 29 Z. 1 dritter Satz EStG 1972) auf andere Einkunftsarten anzuwenden. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher der im angefochtenen Bescheid - übrigens ohne jede Begründung - dazu vertretenen Auffassung nicht anzuschließen.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum neuen § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 (1201 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII, GP) geben als Begründung für diese Novellierung an, diese Bestimmung solle klarstellen, daß Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, denen kein Pensionscharakter im Sinne des § 25 Abs. 1 Z. 3 zukomme, als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erfaßt werden, soweit nicht die Befreiungsbestimmungen des § 3 Z. 3, 5 und 12 EStG 1972 Platz greifen. Pensionen sind ihrer Natur nach laufende Bezüge, die in erster Linie für den Unterhalt des Pensionsempfängers bestimmt sind und im Regelfall an die Stelle eines Aktiveinkommens treten. In diesem Sinne kommt auch einer Zusatzleistung im Rahmen der Altersversorgung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer, die laufend gewährt wird, „Pensionscharakter“ zu. Im Gegensatz dazu fehlt dieser Charakter etwa einmaligen, und anderen, nicht in kurzen Zeitabständen regelmäßig wiederkehrenden Leistungen der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern, deren Zuordnung zu einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG 1972, und damit deren Besteuerung erstmals durch die Novellierung des § 22 Abs. 1 möglich wurde (so bereits das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1311/76; ähnlich die von Stoll, aaO S. 433, dargestellte Auslegungsalternative).
Versteht man die vom Gesetzgeber gewünschte Klarstellung in diesem Sinne, dann wurden Gegenleistungsrenten wie die im Beschwerdefall strittige nicht in einer den Gleichheitsgrundsatz verletzenden Weise vom neuen § 22 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 erfaßt, weil ihr grundsätzlicher Pensionscharakter nicht dadurch ausgelöscht wurde, daß sie aus im Sozialversicherungsrecht wurzelnden Erwägungen nicht als den Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung „gleichartige“ Bezüge in § 25 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 eingeordnet werden können. An ihrer Einordbarkeit unter die wiederkehrenden Bezüge nach § 29 Z. 1 EStG 1972 hat die Einkommensteuergesetznovelle 1974 demnach nichts geändert.
Die Individualrente des Mitbeteiligten ist daher auch nach der neuen Rechtslage unter die sonstigen Einkünfte einzuordnen und unterliegt nach der Regel des dritten Satzes des § 29 Z. 1 EStG 1972 der Steuerpflicht demnach nur insoweit, als die Summe der vom Mitbeteiligten vereinnahmten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung des dafür hingegebenen Wirtschaftsgutes - hier der Zahlung eines Geldbetrages, vgl. dazu Hofstätter-Reichel, Kommentar III B, Tz. 2.1 zu § 29 - kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung übersteigt. Die belangte Behörde hat daher die Individualrente des Mitbeteiligten im angefochtenen Bescheid für die Streitjahre mit Recht von einer Besteuerung ausgenommen. Da die belangte Behörde somit - wenn auch mit einer unrichtigen Begründung - zu dem der Rechtslage entsprechenden Ergebnis gekommen ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen (vgl. dazu die bei Dolp, aaO S. 438, angeführte Judikatur).
Die Entscheidung über den Ersatz der Aufwendungen an den Mitbeteiligten gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 3 und 48 Abs. 3 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I C Z. 7 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542/1977. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5549 F/1981; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1981:1979001689.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-55651