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VwGH 20.11.1964, 1671/63

VwGH 20.11.1964, 1671/63

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Die Auffassung, daß die Elektroinstallation in einem betrieblichen Neubau mit den Beleuchtungskörpern eine Sachgesamtheit bilde, und daß daher die Beleuchtungskörper nicht als ein gesondert von dem Gebäude abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut zu betrachten seien, stellt eine durch die allgemeine Verkehrsauffassung nicht gedeckte Ausdehnung des Begriffes "Sachgesamtheit" dar. ANMERKUNG: Im Beschwerdefall war strittig, ob die Beleuchtungskörper (jeder für sich genommen) als kurzlebige Wirtschaftsgüter betrachtet und im Anschaffungsjahr voll abgeschrieben werden konnten. HINWEIS: Das Erkenntnis führt weiter aus, daß mehrere Beleuchtungskörper, wenn sie derart zu einer Einheit zusammengefaßt sind, daß sie schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild im Raum als ein Ganzes angesehen werden, sehr wohl eine Sachgesamtheit bilden können.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasnizcek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Raschauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der Firma A in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, Berufungssenat, vom , Zl. 1798-2/1965, betreffend einheitliche Gewinnfeststellung für 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Offene Handelsgesellschaft, die einen Möbeleinzelhandel betreibt. Sie ist Eigentümerin eines größeren Lagerhauses von dem sie einen Gebäudetrakt in den Jahren 1958/1959 umbauen ließ. Die in diesem Zusammenhange für den Neubau angeschafften Beleuchtungskörper (Leuchten und Neonröhren), deren Wert im einzelnen S 1.200,-- nicht überstieg, wurden gemäß § 6a EStG als kurzlebige Wirtschaftsgüter angesehen und daher im Anschaffungsjahre voll als Betriebsausgabe abgesetzt.

Diese Vorgangsweise wurde im Zug einer Betriebsprüfung beanstandet, da der Prüfer die Ansicht vertrat, daß die gesamte Beleuchtungsanlage (Stromnetz und Beleuchtungskörper) als wirtschaftliche Einheit anzusehen und daher die Beleuchtungskörper bei der Erstausstattung für sich allein keiner gesonderten Bewertung und Absetzung fähig seien. Er nahm deshalb eine entsprechende Berichtigung der AfA vor. Das Finanzamt schloß sich der Auffassung des Prüfers an und erließ einen diesbezüglich berichtigten Gewinnfeststellungsbescheid für 1959.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Sie wies dabei darauf hin, daß es nach der Vorschrift des § 6a EStG keinen Unterschied machen könne, ob beispielsweise ein oder 20 Beleuchtungskörper zu je S 1.000,-- angeschafft würden. In beiden Fällen sei die Bestimmung des § 6a EStG für sämtliche Anschaffungen anwendbar.

Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheide keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß es nicht angehe, die Elektroinstallation in einem betrieblichen Zwecken dienenden Neubau als gesondert vom Gebäude abschreibungsfähige Wirtschaftsgut zu betrachten und dieses Wirtschaftsgut dann wieder in eine Anzahl sogenannter kurzlebiger Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Hiefür biete das Gesetz keinerlei Handhabe.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 6a EStG können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, wenn der Wert für das einzelne Anlagegut S 1.200,-- nicht übersteigt, im Jahre der Anschaffung oder Herstellung bei Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG voll als Betriebsausgaben abgesetzt werden; Wirtschaftsgüter, die aus Teilen bestehen, sind als Einheit aufzufassen, wenn sie nach ihrem wirtschaftlichen Zweck oder nach der Verkehrsauffassung eine Einheit bilden.

Durch den letzten Satz dieser Gesetzesbestimmung soll also verhindert werden, daß Wirtschaftsgüter, die eine Einheit darstellen, nur zwecks Ermöglichung eines Steuervorteiles „in Teile zerlegt“ werden. So ist es beispielsweise steuerlich unzulässig, eine einheitliche Garnitur, welche die wesentliche Einrichtung eines Zimmers bildet, in einzelne Möbel aufzuspalten, oder das einheitliche Gestühl eines Theaters in einzelne Sessel zu zerlegen. In diesen Fällen handelt es sich nach der Verkehrsauffassung um das Vorliegen einer sogenannten Sachgesamtheit, die als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen ist.

Der Gedanke der Sachgesamtheit darf jedoch nicht überspannt werden. Er ist dort am Platz, wo mehrere Sachen zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt sind, sodaß sie nach der Verkehrsauffassung als ein Ganzes betrachtet werden (vgl. auch § 302 ABGB). Es geht jedoch zu weit, alles, was in einer gewissen körperlichen Verbindung steht und einem gemeinsamen wirtschaftlichen Zweck dient, bereits als Sachgesamtheit ansehen zu wollen, obschon es sich dabei um mehrere selbständige Wirtschaftsgüter und keineswegs bloß um Teile eines einzigen Wirtschaftsgutes handelt. Wenn daher die belangte Behörde im angefochtenen Bescheide die Auffassung vertritt, daß es nicht angehe, „die Elektroinstallation in einem betrieblichen Neubau als gesondert vom Gebäude abschreibungsfähige Wirtschaftsgut zu betrachten“, dabei die Beleuchtungskörper mit inbegreift und ebenfalls nur nach der Benützungsdauer des Gebäudes abgeschrieben wissen will, so stellt dies eine durch die allgemeine Verkehrsauffassung nicht gedeckte Ausdehnung des Begriffes der Sachgesamtheit dar. Allerdings darf dieser Begriff andererseits auch nicht so eng verstanden werden, wie dies die Beschwerdeführerin tut, die eine Zusammenfassung mehrerer Beleuchtungskörper zu einer Sachgesamtheit offenbar unter allen Umständen ausschließen will. Denn es ist selbstverständlich ohne weiteres möglich, daß mehrere Beleuchtungskörper (Leuchten) derart zu einer Einheit zusammengefaßt sind, daß sie schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild im Raum nach der Verkehrsauffassung als ein Ganzes angesehen werden, zu dem die einzelnen Leuchten - wirtschaftlich betrachtet - bloß Teile darstellen.

Da sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung somit von einer unrichtigen Rechtsauffassung leiten ließ, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien,

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 3181 F/1964;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1964:1963001671.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-55607