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VwGH 03.02.1967, 1667/66

VwGH 03.02.1967, 1667/66

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Tatsachen und Beweise, die der Abgabepflichtige bereits im abgeschlossenen Verfahren geltend machen konnte, sind niemals "neu hervorgekommen", auch wenn er selbst sie erst in einem späteren Verfahren erstmalig verwertet.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde des Ing. JL in W, vertreten durch Dr. Hildegarde Krieger, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Martinstraße 83, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI- 2134/13/66, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Baumeister. Anlässlich des Jahresabschlusses vom schrieb er eine Geschäftsforderung im Restbetrage von S 37.851,80-- als uneinbringlich ab. Im Zuge einer Betriebsprüfung vertrat jedoch der Prüfer die Ansicht, dass die Forderungsabschreibung steuerlich nicht anerkannt werden könne, weil der Beschwerdeführer keinerlei Schritte unternommen habe, um die betreffende Forderung hereinzubringen. Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ einen entsprechend berichtigten Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid für 1959. Der Beschwerdeführer berief. Er führte dabei aus, dass der Kaufmann selbst eher in der Lage sein müsse als der Betriebsprüfer, die Einbringlichkeit seiner Forderungen richtig zu beurteilen. Er habe sich - wenn auch vergeblich - bemüht, den gegenständlichen Forderungsrest hereinzubekommen und habe die Forderung abgeschrieben, sobald er deren Uneinbringlichkeit erkennen musste.

Mit Schreiben vom forderte der Vorsitzende des Berufungssenates den Steuerberater des Beschwerdeführers auf, zur Klärung des Sachverhaltes bekannt zu geben, aus welchen Erwägungen der Beschwerdeführer den Forderungsabstrich vorgenommen habe. Hierauf teilte der Steuerberater des Beschwerdeführers dem Berufungssenat mit, dass der Schuldner des Beschwerdeführers die verrechneten Bauleistungen und deren Zeitaufwand persönlich kontrolliert und festgestellt habe, dass zu viel Arbeitsstunden in Rechnung gestellt worden seien. Der Beschwerdeführer hätte daher in einem Prozess gegenüber seinem Schuldner nachweisen müssen, dass nur die tatsächlichen Arbeitsstunden verrechnet worden seien, was er nicht hätte nachweisen können. Der Beschwerdeführer sei deshalb von einer Klage abgestanden, weil ein allenfalls noch einbringlicher Teilbetrag zu den Prozesskosten in keinem angemessenen Verhältnis gestanden wäre und er überdies durch die Prozessführung den Kunden für immer verloren hätte.

Es wurde hierauf eine mündliche Berufungsverhandlung für den anberaumt, zu welcher der Steuerberater des Beschwerdeführers geladen wurde. Dieser richtete jedoch an den Senat ein mit datiertes Schreibens in welchem er mitteilte, dass er an Grippe erkrankt sei und daher zur Verhandlung nicht erscheinen könne. Gleichzeitig gab er noch bekannt, dass nach der ihm erteilten Information der Transport von Material "auf einen umständlichen Weg verrechnet worden" sei, während er tatsächlich auf einem kürzeren Weg durchgeführt wurde. Da der Schuldner des Beschwerdeführers die Bauleistungen und deren Zeitaufwand persönlich kontrolliert hatte, habe er die Rechnung des Beschwerdeführers wegen des zu hoch verrechneten Zeitaufwandes beanstandet und sei begreiflicherweise auch nicht geneigt gewesen, sie in voller Höhe zu zahlen.

Dieses Schreiben gelangte allerdings erst am in die Hände des Referenten des Berufungssenates, der bereits am seine Entscheidung gefällt hatte. Er hatte die Berufung im wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen: Der Beschwerdeführer stelle dar, dass mehr Arbeitsstunden in Rechnung gestellt worden seien, als dem tatsächlichen Arbeitsaufwand entsprochen, habe. Der Schuldner H. habe nach den Feststellungen der Betriebsprüfung S 36.500,-- bezahlt. Die Fakturensumme betrage S 74.351,80. Nach der Darstellung des Beschwerdeführers müsse er sich mit dem von H. bezahlten Betrag zufrieden geben. Das würde aber bedeuten, dass der Beschwerdeführer um nahezu 100 % mehr Arbeitsstunden in Rechnung gestellt habe, als ihm beim gegenständlichen Bauvorhaben zugestanden sei. Dies erscheine aber dem Senat unglaubwürdig. Im übrigen sei auch nicht der geringste Versuch unternommen worden, die Forderung einzutreiben, weshalb nach Ansicht des Senates keine Veranlassung vorliege, die Forderung zur Gänze abzuschreiben.

Der Beschwerdeführer ließ diesen Bescheid unangefochten.

Anlässlich des Jahresabschlusses für 1961 unternahm er neuerlich den Versuch, den strittigen Forderungsrest abzuschreiben. Im Zuge der darauf folgenden Betriebsprüfung wurde jedoch auch diese Forderungsabschreibung vom Prüfer nicht anerkannt und das Finanzamt erließ auch diesmal einen entsprechend berichtigten Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid für 1961.

In der dagegen erhobenen Berufung vom stellte nunmehr der Beschwerdeführer ausführlich dar, dass es sich bei der betreffenden Forderung um die Verrechnung des Abtransportes von Schutt aus einem zweigeschossigen Tiefkeller in einem Hause der Wiener Innenstadt gehandelt habe. Der Kostenvoranschlag sei zunächst auf der Basis eines umständlichen Transportweges errechnet worden. Es habe sich jedoch dann die Möglichkeit ergeben, für den Transport einen Aufzug einzusetzen, was gegenüber dem ursprünglich in Aussicht genommenen Transportweg eine wesentliche Ersparnis bedeutet habe. Man habe zwar dem Kunden die Rechnung noch auf Grund des seinerzeitigen Kostenvoranschlages erstellt; es sei ihm jedoch die Kostenersparnis bekannt gewesen, weshalb er sich geweigert habe, die Rechnung in voller Höhe zu bezahlen. Tatsächlich sei die Rechnung um S 44.800,-- überhöht gewesen. Dennoch habe der Beschwerdeführer den Kunden noch dazu gebracht, neben der ursprünglichen Zahlung von S 30.000,-- in den Jahren 1958 und 1959 noch weitere S 6.500,-- zu zahlen, sodass schließlich nur noch ein Rest von S 37.851,50 offen blieb. Damit habe der Beschwerdeführer um rund S 7.000,-- mehr hereingebracht, als er in einem Prozesse bei einer strengen Beweisführung hätte erzielen können.

Der Berufungssenat gab auch diesmal mit Bescheid vom der Berufung hinsichtlich der strittigen Forderungsabschreibung keine Folge. Er begründete dies im wesentlichen damit, dass der Senat aus den nunmehr vorgelegten Fakturen des Beschwerdeführers die Erkenntnis gewonnen habe, dass die Fakturensumme im Vergleich zur erbrachten Leistung tatsächlich überhöht gewesen sei, sodass der Beschwerdeführer keine Aussicht gehabt habe, im Prozesswege gegen H. zu obsiegen. Diese Erkenntnis müsse jedoch der Beschwerdeführer selbst, dem der Sachverhalt eindeutig klar gewesen sei, bereits vor dem Jahre 1961 gewonnen haben, weshalb der Senat außer Stande sei, die Forderungsabschreibung im Jahre 1961 zuzulassen. Diese Folge habe sich jedoch der Beschwerdeführer selbst zuzuschreiben, weil er anlässlich der Entscheidung des Berufungssenates vom den Sachverhalt nicht völlig offen gelegt habe. Damals sei der Senat zu einer objektiv unrichtigen Schlussfolgerung gelangt, weil der Umstand, dass der Beschwerdeführer um nahezu 100 % mehr Arbeitsstunden in Rechnung gestellt habe, als ihm zugestanden sei, das Vorstellungsvermögen des Senates erheblich überschritten habe. Tatsächlich sei es aber eo gewesen, dass nach dem nunmehrigen Vorbringen des Beschwerdeführers das Auffinden eines Schachtes an der Baustelle den Transportweg des Schuttes verkürzt und Arbeitskräfte erspart habe. Dieser Sachverhalt sei jedoch dem Senat bei seiner Entscheidung vom unbekannt geblieben. Die Entscheidung sei aber, mag sie auch objektiv unrichtig sein, in Rechtskraft erwachsen. Für eine Forderungsabschreibung im Jahre 1961 verbleibe dagegen kein Raum.

Nunmehr überreichte der Beschwerdeführer am einen Antrag auf Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens für 1959, den er damit begründete, dass in der mündlichen Berufungsverhandlung vom neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen seien, die in dem mit der Berufungsentscheidung vom abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht hätten geltend gemacht werden können, die aber einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt, hätten.

Die belangte Behörde gab diesem Antrag mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer bereits am an den Berufungssenat eine Eingabe gerichtet habe, wonach der Transport des Materials auf einen umständlicheren Weg verrechnet worden sei, während er tatsächlich auf einem kürzeren Weg erfolgte. Diese Darstellung wäre für den entscheidenden Senat wohl die Aufklärung bezüglich der Arbeitsersparnis gewesen. Sie habe jedoch keine Berücksichtigung mehr gefunden, weil die Eingabe beider Abgabenbehörde zweiter Instanz zu spät eingelangt sei. Die für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 2 BAO vorgesehene Monatsfrist sei jedoch bei weitem überschritten, weil die vom Beschwerdeführer behauptete neue Tatsache spätestens, bereits am hervorgekommen sei.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen und Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist gemäß § 343 Abs. 2 BAO binnen Monatsfrist von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid erster Instanz erlassen hat.

Im gegenständlichen Falle musste das Wiederaufnahmebegehren des Beschwerdeführers schon daran scheitern, dass nach dem vorliegenden Sachverhalt keine Rede davon sein kann, dass im zweiten Berufungsverfahren Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, die im ersten Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Die beiden Verfahren unterscheiden sich lediglich darin voneinander, dass der Beschwerdeführer im ersten Verfahren trotz ausdrücklicher Aufforderung der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur sehr dürftige Angaben darüber machte, was ihn dazu veranlasst habe, die strittige Restforderung als uneinbringlich abzuschreiben, während er im zweiten Verfahren schon in der Berufungsschrift unter Verwertung seines seinerzeitigen Kostenvoranschlages und seiner Faktura die Beweggründe seines Vorgehens ausführlich darlegte. Das hätte er aber alles ebenso gut schon im ersten Verfahren tun können, da ihm bereits damals alle diese Tatsachen bekannt waren und er auch schon über alle Beweismittel (Kostenvoranschlag, Rechnungsunterlagen usw.) verfügte. Er kann daher nicht mit Recht behaupten, dass diese Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien, bzw. dass er sie nicht schon im ersten Verfahren hätte geltend machen können. Sollte ihm aber tatsächlich ohne sein Verschulden die Ergänzungs- und Beweisbedürftigkeit seines Vorbringens im ersten Verfahren nicht voll bewusst geworden sein, so hätte er spätestens mit der Zustellung der Berufungsentscheidung vom erkennen müssen, dass er unter Hinweis auf bisher unverschuldet nicht geltend gemachte Tatsachen und Beweise die Wiederaufnahme des Verfahrens binnen Monatsfrist erwirken müsse. Der erst am gestellte Wiederaufnahmeantrag war daher, selbst wenn er sich gegen allen Anschein auf einen tauglichen Wiederaufnahmegrund stützen könnte, jedenfalls verspätet.

Die vorliegende Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verwaltungsgerichtshofverfahrens gründet sich auf § 48 Abs. 2 VwGG 1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1967:1966001667.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-55595