VwGH 20.06.1969, 1645/67
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die B-VG Nov 1962 hat grundsätzlich auf das AVG 1950 - abgesehen von § 68 - keine solche Auswirkung gehabt, die dahin gedeutet werden müßte, daß das AVG 1950 als auch für die Landesvollziehung (Art 15 B-VG) zufolge Art 11 B-VG verbindliche Verfahrensvorschrift untergegangen wäre. Es ist daher als weitergeltend anzusehen (Hinweis E , B 31/67). |
Normen | |
RS 2 | Durch Art 119a Abs 9 (Parteistellung der Gemeinde im aufsichtsbehördlichen Verfahren und Beschwerderecht an VwGH und VfGH) und Art 119a Abs 3 letzter Halbsatz B-VG, wonach das Aufsichtsrecht von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben ist, ist der Gemeinde verwehrt, durch ihre Organe im Rahmen des Vorstellungsverfahrens aus welchen Gründen und in welcher Form immer als Behörde zu entscheiden. |
Normen | |
RS 3 | In allen Angelegenheiten des Aufsichtsrechtes über die Gemeinden im Sinne des Art 119a B-VG sind - ohne Rücksicht darauf, wo die Anträge auf Handhabung des Aufsichtsrechtes einzubringen sind - ausschließlich die staatlichen Verwaltungsbehörden zuständig, sowohl über die "Vorstellung" als auch über allfällige damit im Zusammenhang stehende verfahrensrechtliche Vorfragen, wie etwa Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Wiederaufnahme des (Vorstellungsverfahrens) Verfahrens etc, zu entscheiden. |
Normen | |
RS 4 | Aus der Tatsache, daß gemäß § 77 Abs 2 lit a erster Satz des Salzburger Stadtrechtes 1966 eine Vorstellung auch beim Magistrat eingebracht werden kann ergibt sich keine Zuständigkeit der Bauberufungskommission der Stadt Salzburg, aus Anlaß einer Vorstellung darüber zu entscheiden, ob dem gleichzeitig eingebrachten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Vorstellungsfrist - aus welchem Grunde immer - stattgegeben wird oder nicht. Zur Entscheidung über einen solchen Antrag ist ausschließlich die Salzburger Landesregierung zuständig. Der Stadtgemeinde Salzburg kommt auch im Verfahren über die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Vorstellungsfrist nur Parteistellung, allenfalls das Recht, gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung Beschwerde an den VwGH oder VfGH zu erheben, zu. |
Normen | |
RS 5 | Im Vorstellungsverfahren kommen der Gemeinde keinerlei Hoheitsrechte zu; sie ist nur Partei, mit allen sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen. |
Normen | |
RS 6 | Ausführungen zur Entscheidungszuständigkeit über verfahrensrechtliche Fragen (Wiederaufnahme, Wiedereinsetzung) in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde und im Vorstellungsverfahren, sowie zu den sich in diesem Zusammenhang für die Gemeinde aus Art 119a Abs 9 B-VG ergebenden Möglichkeiten. |
Normen | AVG §68 Abs1; B-VGNov betreffend Gemeindewesen 1962; |
RS 7 | |
Norm | |
RS 8 | Die Vorstellungsbehörde ist verpflichtet, jede Rechtswidrigkeit, gleichgültig ob sie geltend gemacht worden ist oder nicht, sofern damit in Rechte eines Vorstellungswerbers eingegriffen wird, aufzugreifen. |
Normen | B-VG Art119a Abs5; Statut Salzburg 1966 §77 Abs2 lita; |
RS 9 | Ausführungen zum Ausdruck "begründeter Antrag" im Zusammenhang mit der Erhebung einer Vorstellung. |
Norm | |
RS 10 | Eine unzulässige oder verspätete Vorstellung ist zurückzuweisen. |
Normen | B-VG Art140 Abs1; VwGG §41 Abs1; |
RS 11 | Der VwGH hat im Zuge einer Bescheidbeschwerde auch zu prüfen, ob gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes (Gesetzmäßigkeit einer Verordnung) Bedenken bestehen, die ihn verpflichten, einen Gesetzesaufhebungsantrag beim VfGH zu stellen. |
Norm | VwGG §41 Abs1; |
RS 12 | Der VwGH hat als Vorfrage zu beurteilen, welche gesetzliche Bestimmungen als dem Rechtsbestande angehörend oder als derogiert anzusehen sind. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Leibrecht und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskommissär Dr. Macho, über die Beschwerde des R und der JW, beide in S, vertreten durch Dr. Grete Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, Ringstraße 36, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. I-3678/1967 (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Salzburg), betreffend Abweisung einer Vorstellung gegen einen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG 1950 gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Vorstellung (gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom ) abweisenden Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 1.078,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Das Haus Salzburg, X-gasse 15, steht im Stockwerkseigentum, wobei ein Stockwerk den Beschwerdeführern, zwei andere hingegen anderen Personen gehören. Auf Antrag einer der beiden übrigen Hauseigentümer hat der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg mit Bescheid vom gemäß § 102 Abs. 1 der Salzburger Stadtbauordnung den drei Haus(Stockwerks)eigentümern einen baupolizeilichen Auftrag zur Vornahme umfangreicher Instandsetzungsarbeiten erteilt. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde. Der Bescheid enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:
"Gegen diesen Bescheid ist eine Berufung unzulässig (gemäß § 53 Abs. 2 Salzburger Stadtrecht 1966)." Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern zu Handen ihres, für dieses Verfahren bevollmächtigten Vertreters Oberlandesgerichtsrat ER per Adresse:
"Kreisgericht - nn Y" laut Rückschein am zugestellt. Mit dem am zur Post gegebenen und auf Grund des § 77 Abs. 2 lit. a Salzburger Stadtrecht 1966 beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg eingebrachten Schriftsatz erhoben die Beschwerdeführer gegen den Berufungsbescheid der Bauberufungskommission vom Vorstellung (Art. 119 a Abs. 5 B-VG bzw. § 77 Salzburger Stadtrecht 1966) verbunden mit dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die versäumte Frist zur Erhebung der Vorstellung unter Zitierung des § 71 Abs. 1 lit. b AVG. Gleichzeitig begehrten sie, dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung begründeten die Beschwerdeführer damit, dass die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid der Bauberufungskommission vom unvollständig und irreführend gewesen sei. Es habe der Hinweis auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Vorstellung an die Landesregierung sowie darauf gefehlt, dass diese Vorstellung innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides einzubringen sei.
Die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg gab mit Bescheid vom sowohl dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 lit. b AVG 1950 gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Vorstellung gegen den Bescheid der Bauberufungskommission vom als auch dem Antrag, dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge. Ihre Zuständigkeit, hierüber zu entscheiden, begründete die Bauberufungskommission damit, dass gemäß § 71 Abs. 4 AVG zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung i. S. des § 71 Abs. 1 lit. b AVG die Behörde berufen sei, die die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt habe. Die Begründung enthielt aber auch Ausführungen darüber, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Unkenntnis der Rechtslage - Möglichkeit der Einbringung einer Vorstellung - mit Rücksicht darauf, dass diese in allen Bundesländern vorgesehen sei, als nicht entschuldbar angesehen werden könne. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung an die Salzburger Landesregierung, in der sie die Nichtbewilligung der Wiedereinsetzung bekämpften. Die Salzburger Landesregierung gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom , Zl. I-3678 -1967, der Vorstellung gemäß § 77 des Salzburger Stadtrechtes 1966 keine Folge. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass auf Grund dieser Entscheidung der Antrag, der Vorstellung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden sei. In der Begründung des Bescheides hat sich die Salzburger Landesregierung nur mit den von den Beschwerdeführern geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen auseinander gesetzt, nicht aber mit der Frage der Zuständigkeit der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg, über diesen Antrag zu entscheiden. Diese wurde vielmehr für gegeben angesehen und lediglich bemerkt, dass nach Ansicht der Aufsichtsbehörde der Antrag richtigerweise zurückzuweisen gewesen wäre, da bei den Beschwerdeführern die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 AVG (Frist für die Antragstellung auf Wiedereinsetzung) nicht gegeben gewesen sei. Damit, dass die Bauberufungskommission jedoch eine Sachentscheidung gefällt habe, hätten die Vorstellungswerber in keinem Recht verletzt werden können. Die Landesregierung nahm ferner auch zur geltend gemacht Unkenntnis der Rechtslage Stellung, indem sie darauf verwies, dass sich nach gehöriger Kundmachung des Gesetzes - damit war die Kundmachung des Salzburger Stadtrechtes 1966 gemeint - niemand damit entschuldigen könne, dass ihm dasselbe nicht bekannt gewesen sei (§ 2 ABGB).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde, in der jedoch lediglich die Bestätigung des die Wiedereinsetzung nicht bewilligenden Bescheides der Bauberufungskommission als rechtswidrig bekämpft, nicht jedoch die Frage der Zuständigkeit der Bauberufungskommission aufgerollt wird.
Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Obgleich die Beschwerdeführer die Frage der Zuständigkeit der in dem dem angefochtenen Bescheid vorangegangenen Verwaltungsverfahren eingeschrittenen Behörde in ihrer Beschwerde nicht aufgegriffen haben, ist der angefochtene Bescheid ungeachtet dessen vom Verwaltungsgerichtshof, zufolge § 41 Abs. 1 VwGG 1965 von Amts wegen auch in dieser Hinsicht auf seine Gesetzmäßigkeit zu prüfen (vgl. hiezu das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1885/66, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird). Es ist daher zunächst zu untersuchen, welche Bedeutung der am in Kraft getretenen Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 über den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden grundsätzlich zukommt und welche Auswirkungen sie auf das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950, dessen § 71 Rechtsgrundlage des sowohl von der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg abgewiesenen Wiedereinsetzungsantrages bzw. des hierüber ergangenen Vorstellungsbescheides der Salzburger Landesregierung war, hatte.
Verfassungsgesetzliche Grundlage für die Kompetenz des Bundes, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 mit bindender Wirkung auch für die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern (Art. II Abs. 2, A Z. 1 EGVG), für die Organe der Städte mit eigenem Statut (Art. II Abs. 2, A Z. 2 EGVG) und für die Organe der Gemeinden (Art. II Abs. 2, B Z. 26 EGVG) zu erlassen, mit der Rechtsfolge, dass - sofern dies nicht ausdrücklich für zulässig erklärt wird - der Landesgesetzgeber nach Art. 15 B-VG keine hievon abweichenden Bestimmungen erlassen darf, ist Art. 11 Abs. 2 B-VG. Diese Kompetenz des Bundes ist aber nach dem Wortlaut des Art. 11 Abs. 2 B-VG nur dann gegeben, wenn ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird (Bedarfskompetenz). Der Bestimmung liegt der Gedanke zu Grunde, dass der jeweils zur Regelung eines Sachgebietes zuständige Gesetzgeber auch zur Regelung des Verfahrens auf diesem Gebiete berufen ist und dass, soweit eben der Bund das Verwaltungsverfahren nicht einheitlich durch Bundesgesetz regelt, den Ländern die Regelung der Angelegenheiten auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht obliegt, in denen ihnen die Gesetzgebung zusteht. Was nun die konkrete, vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidende Rechtsfrage anlangt, so muss vor allem klargestellt werden, ob nach Inkrafttreten der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde den Gemeindeorganen im Rahmen des aufsichtsbehördlichen Verfahrens nach Art. 119 a Abs. 5 B-VG irgendwelche Zuständigkeiten verblieben sind oder ob ihnen etwa durch besondere bundes- oder landesgesetzliche Bestimmungen die Befugnis neu eingeräumt werden kann, Akte der Hoheitsverwaltung zu setzen. Prüft man zunächst die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 nach einem anderen Gesichtspunkt, so zeigt sich, dass diese klare und eindeutige Bestimmungen darüber enthält, wann eine Gemeinde als Träger von Hoheitsrechten und damit ihre Organe als Behörden im Sinne der Bundesverfassung auftreten und wann und in welchem Bereich die Gemeinde als Partei zu gelten hat.
Allein damit, dass die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 bestimmt, dass die Gemeinde in einem bestimmten Bereich "Partei" ist und ihr in dieser Parteieigenschaft ansonsten keinerlei Hoheitsrechte zuweist, ergibt sich, dass einer Gemeinde in diesem Bereich auch keinerlei Hoheitsrechte zustehen können. Die Hoheitsrechte der Gemeinde in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches sind - sieht man von allen mit dem vorliegenden Beschwerdefall nicht unmittelbar im Zusammenhang stehenden Befugnissen ab - in Art. 118 Abs. 4 B-VG bestimmt: "Die Gemeinde hat die Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes in eigener Verantwortung frei von Weisungen und - vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 119 a Abs. 5 - unter Ausschluss eines Rechtsmittels an Verwaltungsorgane außerhalb der Gemeinde zu besorgen. Dem Bund und dem Land kommt gegenüber der Gemeinde bei Besorgung ihres eigenen Wirkungsbereiches ein Aufsichtsrecht (Artikel 119 a) zu." Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das ordentliche Verwaltungsverfahren in diesen Angelegenheiten letzten Endes beim Gemeinderat - dies geht aus Art. 117 B.-VG. hervor - sein Ende findet, dass es kein Rechtsmittel (im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes) an ein Verwaltungsorgan außerhalb der Gemeinde gibt und dass die Gemeinde diese Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze und Verordnungen des Bundes und der Länder in eigener Verantwortung und frei von Weisungen besorgt.
Den Parteien eines von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Bescheides räumt Art. 119 a Abs. 5 B-VG ein besonderes außerordentliches Rechtsmittel, das der Vorstellung an die staatliche, also außerhalb der Gemeinde stehende Verwaltungsbehörde ein, und zwar innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Erlassung des in letzter Instanz innerhalb der Gemeinde erlassenen Bescheides. Art. 119 a Abs. 9 B-VG bestimmt nun, dass die Gemeinde in diesem aufsichtsbehördlichen Verfahren "Parteistellung" hat und auch berechtigt ist, gegen eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof zu führen. Mit dieser letztgenannten Bestimmung hat der Bundes-Verfassungsgesetzgeber, der die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 erlassen hat, eindeutig festgelegt, dass im gesamten aufsichtsbehördlichen Verfahren - die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 enthält hiezu keinerlei Ausnahmebestimmung -, gleichgültig auf welche Weise es herbeigeführt worden ist, die Gemeinde nur die Stellung einer Partei und nicht die einer Behörde hat. Das wird auch noch dadurch außer jeden Zweifel gestellt, dass im letzten Halbsatz des Art. 119 a Abs. 3 B-VG bestimmt wurde, das Aufsichtsrecht sei, von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben. Die Folge davon ist, dass im "aufsichtsbehördlichen" Verfahren jeder Hoheitsakt, sei es nun die "Vorstellungsentscheidung" im Sinne des Art. 119 a Abs. 5-B-VG selbst oder ein anderer damit zusammenhängender verfahrensrechtlicher Bescheid welcher Art immer, nur von der Aufsichtsbehörde erlassen werden darf. Die Gemeinde, die in allen Angelegenheiten, die von der Aufsichtsbehörde zu erledigen sind, nur Parteistellung hat, darf bei sonstiger Unzuständigkeit hier keinen Hoheitsakt setzen. Dies ergibt sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes eindeutig aus der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 selbst. Dass eine Reihe von in Ausführung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 erlassenen Gemeindeordnungen und Städtestatuten nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes gerade diesem in dem Bundesverfassungsgesetz normierten Grundsatz nicht entsprechen, ist für die Beurteilung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 selbst ohne Bedeutung.
Von dieser Erkenntnis ausgehend, lassen sich auch die Fragen der Auswirkungen der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 auf das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 beantworten. Die folgenden Darlegungen werden zeigen, dass die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 weder das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz grundsätzlich abändern wollte, noch abgeändert hat - ausgenommen die nach § 68 AVG bisher geregelte Abänderung und Behebung von Bescheiden von Amts wegen (dieses Problem wird in der Folge gesondert behandelt werden). Die einzigen Auswirkungen, die scheinbar Abänderungen darstellen, ergeben sich aus der durch die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 bewirkten Änderung der Zuständigkeiten, der Beendigung des Instanzenzuges innerhalb der Gemeinde, der Ausschaltung der Gemeinde und ihrer Organe als Behörden in allen Angelegenheiten, die mit der Handhabung der Aufsicht durch die Aufsichtsbehörden zusammenhängen, durch die Einräumung der Parteistellung und der Abgrenzung der aufsichtsbehördlichen Befugnisse der staatlichen Behörden. Alle diese Fragen haben aber keinen grundsätzlichen Einfluss auf den Geltungsbereich des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 selbst gehabt. Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz ist daher aus diesem Grunde im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG als weitergeltend anzusehen (vgl. hiezu das von dem gleichen Grundgedanken getragene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 30, 31/67).
Daraus ergibt sich im Zusammenhang mit dem dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorliegenden Beschwerdefall unter Berücksichtigung des in Ausführung der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 erlassenen Salzburger Stadtrechtes 1966 folgendes:
Wie bereits ausgeführt, gilt zufolge Art. II Abs. 2 A Z. 2 und B Z. 26 EGVG das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 für die Städte mit eigenem Statut und für die Organe der Gemeinden uneingeschränkt. Das bedeutet, dass es von den Gemeindeorganen, mögen sie nun als Behörde erster Instanz (in der Regel Bürgermeister oder Magistrat) oder als Berufungsbehörde (Gemeindevorstand, Stadtrat, Stadtsenat oder Gemeinderat) einschreiten, uneingeschränkt anzuwenden ist. Das gleiche gilt für die im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz geregelten außerordentlichen Rechtsmittel (§§ 69 bis 72 AVG) und für die Abänderung und Behebung (Nichtigerklärung) von Bescheiden von Amts wegen (§ 68 AVG). Wenn dabei etwa ein zweistufiger Instanzenzug vorgesehen ist, die zweite Instanz aber nicht mit dem grundsätzlich nach dem Bundes-Verfassungsgesetz als oberstes Gemeindeorgan vorgesehenen Gemeinderat ident ist, so kommt dem Gemeinderat letztlich die Befugnis der "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde" nach § 68 AVG zu, bzw. ist der Gemeinderat die letzte Instanz, die mit einem Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann (§ 73 AVG). Waren vor der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 alle Behörden, angefangen vom Bürgermeister oder dem Magistrat, bis zur Landesregierung im staatlichen Vollzugsbereich der Länder - in Angelegenheiten, die in der Vollziehung Bundessache sind, hat es vordem keinen eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde gegeben -, zu einer auf der Bundesverfassung beruhenden und besonders durch die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes zum Ausdruck kommenden Einheit zusammengefasst, so hat nun die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 insbesondere durch Art. 118 Abs. 4 B-VG bewirkt, dass sich die Einheit in diesem Sinne nur mehr vom Bürgermeister oder Magistrat bis zum Gemeinderat erstreckt. Soweit vor der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 zwischen den Gemeindebehörden und den staatlichen Behörden durch das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz eine Verbindung bestanden hat - der "eigene Wirkungsbereich" der Gemeinden hat sich hier lediglich auf die Zuständigkeit, als Behörde der untersten Rechtsstufe zu entscheiden, beschränkt - wurde sie durch die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 getrennt, sodass es nunmehr zwei für sich völlig getrennte Anwendungsbereiche des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes gibt, und zwar einen innerhalb der Gemeinde und einen innerhalb der staatlichen Behörden. In den "AVG-Bereich" der staatlichen Behörden können nun - wie bereits ausgeführt die Gemeinden nicht mehr als Behörden einbezogen gelten, sondern nur mehr als "Partei" (Art. 119 a Abs. 9 B-VG) mit allen sich daraus zufolge § 8 AVG ergebenden rechtlichen Konsequenzen. Es kann bei keiner Tätigkeit der staatlichen Behörden im Gemeindeaufsichtsverfahren die Gemeinde behördliche Befugnisse ausüben. Dies gilt insbesondere im Rahmen des § 71 AVG.
§ 71 Abs. 4 AVG, der zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Behörde beruft, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Handlung angeordnet hat oder die die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat, gibt Gemeindebehörden behördliche Befugnisse nur so weit, als sich das Verwaltungsverfahren im Gemeindebereich abspielt. So ist etwa der Bürgermeister oder der Magistrat, bei dem eine Berufung gegen einen erstinstanzlichen Bescheid einzubringen ist, berufen, über die Wiedereinsetzung zu entscheiden, wenn die Berufungsfrist für eine Berufung an eine weitere Gemeindeinstanz versäumt wurde. Handelt es sich darum, dass die Wiedereinsetzung beantragt wird, weil eine mündliche Verhandlung versäumt wurde, so ist jene Behörde zuständig, die die mündliche Verhandlung angeordnet hat. Im Falle des Wiedereinsetzungsgrundes infolge einer irreführenden negativen Rechtsmittelbelehrung - dies kann nur mehr im Falle eines mehrstufigen Instanzenzuges in der Rechtsmittelbelehrung eines unterinstanzlichen Bescheides geschehen - ist zur Entscheidung die Gemeindebehörde erster Instanz zuständig. Infolge der durch die Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 bewirkten vollständigen Trennung der behördlichen Einheit, einerseits innerhalb des Gemeindebereiches und andererseits innerhalb des staatlichen Bereiches, muss daher auch im Falle der Geltendmachung eines Wiedereinsetzungsgrundes nach § 71 AVG streng auseinander gehalten werden, ob es sich darum handelt, dass eine Berufungsfrist versäumt worden ist (entweder wegen Unkenntnis der Rechtslage oder wegen falscher Rechtsmittelbelehrung) oder um die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung im Sinne des Art. 119 a Abs. 5 B-VG. Im letzteren Falle kann § 71 Abs. 4 AVG, wenn die Versäumung dieser Frist etwa dadurch bewirkt wurde, dass der letztinstanzliche Gemeindebescheid eine Rechtsmittelbelehrung enthielt, dass keine Vorstellung zulässig sei, oder eine irreführende, nicht anders beurteilt werden. Es kann im Vorstellungsverfahren nur die Aufsichtsbehörde entscheiden, ob sie einem Wiedereinsetzungsantrag wegen versäumter Vorstellungsfrist, aus welchem Grunde immer, stattgibt. Die Gemeinde, die nunmehr im aufsichtsbehördlichen Verfahren Parteistellung hat, hat prinzipiell einen subjektiven Rechtsanspruch darauf, dass in ihre Rechte auf den eigenen Wirkungsbereich - worunter wohl auch das Recht subsumiert werden muss, dass ein letztinstanzlicher Gemeindebescheid, gegen den keine zulässige Vorstellung erhoben wurde, in seinem Bestande nicht mehr berührt wird - nicht durch eine mit § 71 AVG nicht vereinbare Bewilligung der Wiedereinsetzung eingegriffen wird.
Glaubt eine Gemeinde, dass eine von der Vorstellungsbehörde solchermaßen bewilligte Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Vorstellungsfrist in ihre Rechte eingreift, dann steht ihr zufolge Art. 119 a Abs. 9 B-VG das Recht zu, dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Was nun die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG anlangt, so gelten hiefür die gleichen Grundsätze wie für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auch hier muss unterschieden werden, welches Verfahren wieder aufgenommen werden soll, das im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde abgeschlossene Verwaltungsverfahren oder das von der staatlichen Behörde abgeführte aufsichtsbehördliche Verfahren. Eine Vorstellungsbehörde kann nur die Wiederaufnahme eines Vorstellungsverfahrens bewilligen. Gibt es nun, wie im Lande Salzburg, nur eine einzige Vorstellungsbehörde (im Lande Oberösterreich gibt es z.B. auch im aufsichtsbehördlichen Verfahren einen zweistufigen Instanzenzug von der Bezirkshauptmannschaft zur Landesregierung), dann fallen "die Behörde, die den Bescheid erlassen hat" (§ 69 Abs. 2) als Einbringungsstelle und die zur Entscheidung nach § 69 Abs. 4 AVG berufene Behörde zusammen. § 70 Abs. 3 AVG kann hiebei keine Rolle spielen, doch ist auch hier im Hinblick auf Art. 119 a Abs. 9 B-VG denkbar, dass eine Gemeinde, wenn die Wiederaufnahme eines bereits abgeschlossenen Vorstellungsverfahrens bewilligt wird, dagegen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhebt. Nach denselben Gesichtspunkten müssen auch die Zuständigkeitsbestimmungen des § 71 Abs. 4 AVG ausgelegt werden. Gibt es nur eine einzige Aufsichtsbehörde, dann fallen dieser alle im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehenen Zuständigkeiten zu. Die Rechtslage ist hier keine andere, als sie bisher schon gegeben war, wenn etwa ein Bundesminister oder eine Landesregierung als erste Instanz bestimmt würde. (Der Vollständigkeit halber müsste auch zur Frage der Zuständigkeit zur Verhängung einer Ordnungsstrafe nach § 34 AVG wegen einer in einer nach Art. 119 a Abs. 5 B-VG eingebrachten Vorstellung Stellung genommen werden. Diese Frage wird aber vom Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Beschwerde Zl. 1683/67, die mit der gegenständlichen Beschwerde unmittelbar zusammenhängt, entschieden werden.)
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 in allen diesen Fragen mangels verfassungsgesetzlich geregelter Übergangsbestimmungen besondere Schwierigkeiten ergeben konnten und auch noch ergeben können, die es fast unmöglich erscheinen lassen, auch für den Übergang für alle auftauchenden Fragen von vornherein eine eindeutige Lösung zu finden. Die Schwierigkeit wird hier noch besonders dadurch erhöht, dass die verschiedenen Gemeindeordnungen und Städtestatute voneinander zum Teil sehr wesentlich abweichende Übergangsbestimmungen getroffen haben. In Anbetracht des Umstandes, dass ein solcher Fall aber im Gegenstande nicht vorliegt, kann von einer weiteren Erörterung der mit dem Übergang verbundenen Rechtsprobleme Abstand genommen werden.
Einen besonderen Fall stellt hingegen § 68 AVG dar. Die Besonderheit liegt darin, dass nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 hier eine andere Bedeutung zuzumessen ist als in Bezug auf die übrigen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes. Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, dass unabhängig von der Auslegung des Art. IV Abs. 4 EGVG, jedenfalls der Bundes-Verfassungsgesetzgeber im besonderen durch die Bestimmungen der Art. 118 Abs. 4, 119 a Abs. 1, 3, 5, 6 und 7 B-VG, aber auch durch den Gesamtinhalt der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 zu erkennen gegeben hat, dass eine allfällige Geltung des § 68 AVG im Verhältnis zwischen Gemeindeorganen bei Besorgung des eigenen Wirkungsbereiches und den staatlichen Behörden als Aufsichtsbehörden im Sinne von "sachlich in Betracht kommenden Oberbehörden" mit der Wirkung, dass ein Landesgesetzgeber keine von § 68 AVG abweichenden Bestimmungen treffen darf, nicht mehr möglich ist. Ist aber die Bedarfskompetenz des Bundes in Bezug auf § 68 AVG - in diesem eingeschränkten Rahmen - untergegangen, so ist es Sache der Landesgesetzgebung, im Rahmen der ihr nach Art. 115 Abs. 2 B-VG zustehenden Kompetenz auch eigene Bestimmungen über die Abänderung und Behebung von Bescheiden von Amts wegen zu erlassen, nur müssen alle diese Regelungen sowohl in der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 als auch in den übrigen Bestimmungen der Bundesverfassung, insbesondere in Art. 18 B-VG, ihre verfassungsgesetzliche Deckung finden. Wenn daher sowohl im Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz wie auch in verschiedenen Gemeindeordnungen und Städtestatuten im Rahmen der Regelungen der aufsichtsbehördlichen Befugnisse der staatlichen Behörden "§ 68 AVG" in verschiedenen Formulierungen und Modifikationen erwähnt wird, dann haben diese Zitierungen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht deklarative, sondern konstitutive Bedeutung und müssen als "Neueinführung" aufsichtsrechtlicher Befugnisse "nach Art des § 68 AVG" angesehen werden. Ohne jetzt auf nähere Details einzugehen, ist dazu vorläufig zu sagen, dass es sich dabei nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes um eine an und für sich verfassungsgesetzlich zulässige Kurzform der Zitierung des Inhaltes des § 68 AVG handelt. Ob und wie weit dies nun in jeder Gemeindeordnung bzw. in jedem Stadtstatut gelungen ist oder ob nicht ungeachtet des oben aufgestellten Grundsatzes allenfalls wegen einer zu großen Unbestimmtheit (Art. 18 B-VG) oder etwa eines Widerspruches mit der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962 Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit solcher Bestimmungen entstehen können, kann hier nicht erörtert werden. Der Verwaltungsgerichtshof kann auf diese Fragen aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens lediglich aufmerksam machen.
Ausgehend von diesen allgemeinen Erwägungen ist nun das Salzburger Stadtrecht 1966 zu untersuchen.
Die näheren Bestimmungen über alle mit der Vorstellung im Sinne des Art. 119 a Abs. 5 B-VG zusammenhängenden verfahrensrechtlichen Fragen enthält § 77 des Salzburger Stadtrechtes 1966. Von Bedeutung für den vorliegenden Beschwerdefall sind hier jedoch nur Abs. 2 lit. a, b und d.
Nach lit. a erster Satz ist die Vorstellung innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, mit einem begründeten Antrag versehen schriftlich oder telegraphisch beim Magistrat oder unmittelbar bei der Landesregierung einzubringen. Da es sich hier um die "Einbringung" der Vorstellung handelt, also um den Beginn des aufsichtsbehördlichen Verfahrens im Sinne der Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1962, ergibt sich einmal grundsätzlich, dass aus der Tatsache, dass als "Einbringungsstelle" auch der Magistrat angeführt worden ist, weder für diesen noch für ein sonstiges Gemeindeorgan, also auch nicht für die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg, irgendwelche Zuständigkeiten zur Vornahme behördlicher Akte normiert worden sind. Der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg hat eine bei ihm eingebrachte Vorstellung entgegenzunehmen und an die Landesregierung weiterzuleiten. Die Gemeinde ist nun in allen Fragen, die mit einer Vorstellung überhaupt zusammenhängen können - wie bereits eingehend dargelegt worden ist -, nur mehr Partei. Das muss auch dann gelten, wenn die Vorstellung etwa verspätet eingebracht worden ist und mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verbunden wurde, gleichgültig welcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht worden ist. Die Gemeinde hat lediglich kraft ihrer Parteistellung das Recht, bei Weiterleitung der Vorstellung dieser eine Stellungnahme ihrerseits anzuschließen, in der sie zur Vorstellung selbst oder zu dem geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund eine Äußerung abgeben kann. Im vorliegenden Beschwerdefall hat aber die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg diese Rechtslage verkannt und aus einer irrtümlichen Auslegung des § 71 Abs. 4 AVG selbst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden. Sie hat damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukam. Dies hätte nun die Salzburger Landesregierung erkennen müssen, als sie von den Beschwerdeführern mit einer weiteren Vorstellung gegen die Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages angerufen worden ist. Sie hätte den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg aufheben und selbst darüber entscheiden müssen, ob dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben wird oder nicht. Dass die Beschwerdeführer diese Rechtswidrigkeit nicht geltend gemacht haben, ist ohne jede Bedeutung, weil die Vorstellungsbehörde nach Art. 119 a Abs. 5 B-VG verpflichtet ist, jede Rechtswidrigkeit, gleichgültig ob sie geltend gemacht worden ist oder nicht, sofern damit in Rechte eines Vorstellungswerbers eingegriffen wird, aufzugreifen. Dem steht auch nicht entgegen, dass § 77 Abs. 2 lit. a Salzburger Stadtrecht von einem "begründeten Antrag" spricht. Damit kann nur zum Ausdruck gebracht worden sein, dass ein Vorstellungswerber sich nicht einfach damit begnügen darf, die Aufhebung des Gemeindebescheides zu verlangen, ohne zu begründen, warum seiner Meinung nach in seine Rechte eingegriffen worden ist. Eine andere Auslegung, dass etwa die Vorstellungsbehörde nur den Grund aufgreifen und untersuchen darf, den der Vorstellungswerber geltend gemacht hat, müsste die Fassung "begründeten Antrag", da sie dann gegenüber dem Wortlaut und der Bedeutung des Art. 119 a Abs. 5 B-VG eine Einschränkung bedeuten würde, als verfassungswidrig erscheinen lassen. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch der Ansicht, dass aus den Worten "begründeter Antrag" eine solche Einschränkung nicht abgeleitet werden kann.
In § 77 Abs. 2 lit. b Salzburger Stadtrecht 1966 wird bestimmt, dass unzulässige oder verspätete Vorstellungen von der Landesregierung zurückzuweisen sind. Diese Bestimmung hat, da bereits im § 77 Abs. 1 als Vorstellungsbehörde die Landesregierung bestimmt worden ist und sich die damit für sie ergebenden Verpflichtungen bzw. Zuständigkeiten aus Art. 119 a Abs. 5 B-VG von selbst ergeben, für sich gesehen keinen weiteren normativen Inhalt. Dass eine unzulässige oder verspätete Vorstellung - sofern nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird - wie jeder sonstige unzulässige oder verspätete Antrag zurückzuweisen ist, ergibt sich, wie eingehend dargelegt worden ist, bereits unmittelbar aus dem Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz.
Was nun § 77 Abs. 2 lit. d anlangt, so steht diese Bestimmung, wonach die Landesregierung dazu berufen ist, darüber zu entscheiden, ob einer Vorstellung aufschiebende Wirkung zukommt, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes - im Gegensatz zu anderen Gemeindeordnungen und Städtestatuten - mit dem vorher Gesagten voll im Einklang.
Der Verwaltungsgerichtshof ist sich dessen bewusst, dass über Fragen der Verfassungsmäßigkeit von Bundes- oder Landesgesetzen letzten Endes nur der Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art. 140 B-VG entscheiden kann. Allein es ist seine Pflicht, im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Art. 131 B-VG, wenn er über die Gesetzmäßigkeit von Bescheiden entscheidet, sich darüber klar zu werden, ob gegen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes Bedenken bestehen, die ihn nach Art. 140 B-VG verpflichten, einen Gesetzesaufhebungsantrag beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun ausführlich dargelegt, warum er aus Anlass der vorliegenden Beschwerde hinsichtlich der zur Anwendung kommenden landesgesetzlichen Bestimmungen keine Bedenken gegen deren Verfassungsmäßigkeit hegt. Es ist weiters, mangels einer dafür in der Bundesverfassung dem Verfassungsgerichtshof eingeräumten Kompetenz, Pflicht des Verwaltungsgerichtshofes, selbst als Vorfrage zu beurteilen, welche gesetzlichen Bestimmungen er als dem Rechtsbestande angehörend oder als derogiert ansieht.
Zusammenfassend ist nun zu dem angefochtenen Bescheid zu sagen, dass, als die Beschwerdeführer ihre Vorstellung verspätet, jedoch verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg einbrachten, darüber ausschließlich die Landesregierung als Vorstellungsbehörde zu entscheiden gehabt hätte. Die Gemeinde war lediglich berechtigt, aus Anlass der Vorlage dieses außerordentlichen Rechtsmittels an die Landesregierung ihrerseits eine Parteierklärung anzuschließen, in der sie sich sowohl mit den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen als auch mit den Gründen, die in der Vorstellung selbst vorgebracht wurden, auseinander setzen hätte können. Die Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg hat jedoch in Verkennung der Rechtslage über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand selbst entschieden und damit eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr auf Grund der durch die Bundesverfassung, aber auch durch das Salzburger Stadtrecht 1966 gegebenen Rechtslage nicht zukam. Dies hätte die Landesregierung, als sie dann mit einer weiteren Vorstellung gegen diese Entscheidung angerufen worden ist, erkennen, den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom wegen Unzuständigkeit aufheben und selbst darüber entscheiden müssen, ob für die von den Beschwerdeführern verspätet eingebrachte Vorstellung gegen den Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird oder nicht. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt, die Unzuständigkeit der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg nicht wahrgenommen, vielmehr die Vorstellung gegen deren Bescheid vom abgewiesen hat, erweist sich der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid aus diesem Grunde als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben. Bei dieser Rechtslage war es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 bzw. Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965. Der Antrag auf Zuerkennung der Portospesen war, da ein Ersatz derselben in § 48 VwGG 1965 nicht vorgesehen ist, gemäß § 58 leg. cit. abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §68 Abs1; AVG §69 Abs4; AVG §71 Abs4; AVG §8; B-VG Art11 Abs2; B-VG Art118 Abs4; B-VG Art119a Abs1; B-VG Art119a Abs3; B-VG Art119a Abs5; B-VG Art119a Abs9; B-VG Art140 Abs1; B-VG Art15; B-VGNov betreffend Gemeindewesen 1962; GdO Slbg 1965; Statut Salzburg 1966 §77 Abs2 lita Satz1; Statut Salzburg 1966 §77 Abs2 lita; VwGG §21 Abs1; VwGG §41 Abs1; |
Sammlungsnummer | VwSlg 7606 A/1969 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1967001645.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-55526