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VwGH 07.03.1977, 1631/76

VwGH 07.03.1977, 1631/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
KFG 1967 §45 Abs1;
KFG 1967 §45 Abs4;
RS 1
Werden Probefahrtkennzeichen für Fahrten benützt, die keine Probefahrten iSd § 45 Abs 1 KFG sind, so stellt dies eine Übertretung nach § 45 Abs 4, nicht aber nach § 45 Abs 1 2.Satz KFG dar (Hinweis E , 1629/72, E 1160/75).
Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §50 Abs1;
VStG §24;
RS 2
Dem Rechtsfreunde eines am Verfahren Beteiligten bzw Beschuldigten kommt bei der Zeugeneinvernahme im Verwaltungsverfahren (Strafverfahren) ein Fragerecht nicht zu.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0492/63 E VwSlg 6396 A/1964 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dolp und die Hofräte Dr. Schmelz, Dr. Großmann, Dr. Pichler und Dr. Drexler als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. WM in I, vertreten durch Dr. Ludwig H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol und der Tiroler Landesregierung vom , Zl. II b 2-V-1211/8-1976, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 und des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, insoweit der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 45 Abs. 1 KFG bestraft wurde.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Innsbruck sprach mit Straferkenntnis vom aus, der Beschwerdeführer habe am um 11.55 Uhr den Personenkraftwagen mit dem Probefahrtkennzeichen T in I, S-Gasse, in westlicher Richtung gelenkt und 1) die für das Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h wesentlich überschritten, 2) das Fahrzeug mit dem Probefahrtkennzeichen (gelenkt) und dadurch Verwaltungsübertretungen nach 1) § 20 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) und 2) § 45 Abs. 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) begangen. Gemäß 1) § 99 Abs. 3 lit. a StVO und 2) § 134 KFG werden gegen den Beschwerdeführer Geldstrafen von 1) S 600,-- (Ersatzarreststrafe 2 Tage) und 2) S 500,-- (Ersatzarreststrafe 2 Tage) verhängt. In der Begründung des Straferkenntnisses stützte sich die Behörde auf die Anzeige, die Angaben des Beschwerdeführers in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vom , die Stellungnahme des Meldungslegers, den Schriftsatz vom und die Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Behörde samt schriftlicher Stellungnahme, den neuerlichen Bericht des Meldungslegers vom , die Zeugenaussage des TB, sowie die abschließenden Angaben des Beschwerdeführers im Ermittlungsverfahren.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung, in der er das Straferkenntnis seinem ganzen Inhalte nach anfocht.

Das Amt der Tiroler Landesregierung wies mit dem Bescheid vom namens der Landesregierung hinsichtlich der Übertretung nach der Straßenverkehrsordnung und namens des Landeshauptmannes hinsichtlich der Übertretung nach dem Kraftfahrgesetz die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet ab. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß bezüglich des Tatbestandes nach § 20 Abs. 2 StVO die beiden Wachebeamten mit einem Dienstfahrzeug (dem Beschwerdeführer) nachgefahren seien und die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit auf dem im Fahrzeug befindlichen Tachometer abgelesen hätten. Daß der Tachometer nicht richtig angezeigt hätte, sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und es habe sich auch hiefür kein Anhaltepunkt ergeben. Beide Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, daß die Geschwindigkeit um ca. 20 km/h überschritten worden sei. Daraus gehe hervor, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bestrafung im Sinne des § 20 Abs. 2 StVO gegeben seien. Gründe, die die Annahme rechtfertigen würden, daß den Angaben der unter Eidespflicht stehenden Zeugen nicht richtig sein sollten, lägen nicht vor. Dasselbe gelte auch für die Tatsache, es sei einwandfrei erwiesen, daß das Blaulicht eingeschaltet gewesen und es unerklärlich sei, daß der Beschwerdeführer trotz der glaubwürdigen Zeugenaussagen die gegenteilige Ansicht vertrete. Was die mißbräuchliche Verwendung des Probefahrtkennzeichens betreffe, sei auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, welcher der Auffassung sei, daß Probefahrtkennzeichen nur zur Feststellung der Gebrauchs- und Leistungsfähigkeit, sowie zur Vorführung und Überführung im Rahmen eines Geschäftsbetriebes durchgeführt werden dürfen. Privatfahrten seien durch das Probefahrtkennzeichen nicht gedeckt. Fest stehe, daß der Beschwerdeführer das Fahrzeug nach Hause gelenkt und hier sogar in die Garage gestellt habe. Da es Mittagszeit gewesen sei, könne angenommen werden, daß er zum Zwecke des Mittagessens, also einer Privattätigkeit, nach Hause gefahren sei. Es sei im Anlaßfall ohne Belang, ob der Personenkraftwagen von den Polizeibeamten öfters gesehen worden sei, oder nicht. Es komme allein auf die gegenständliche Fahrt an, bei welcher einwandfrei die mißbräuchliche Verwendung festgestellt habe werden können. Aber selbst mit dem vom Beschwerdeführer behaupteten Kilometerstand von 20 bis 25 km sei es durchaus möglich, daß derselbe Personenkraftwagen schon öfters aufgefallen sei, vor allem dann, wenn nur kurze Strecken im Stadtbereich gefahren worden seien. Wie unglaubwürdig die Angaben des Beschwerdeführers jedoch seien, beweise die Tatsache, daß er offenbar im Fahrtenbuch falsche Angaben gemacht habe, da in diesem am unter der Rubrik "Einfahrt", womit nur die Betriebsstätte (=Ausgangspunkt) gemeint sein könne, 12.00 Uhr eingetragen sei, was jedoch allein schon den denkunmöglich sei, da zu diesem Zeitpunkt die Amtshandlung stattgefunden habe. Die Angaben des Beschwerdeführers erwiesen sich sohin als nicht richtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeausführungen richten sich gegen den angefochtenen Bescheid insoweit, als mit ihm die Berufung gegen den Schuldspruch im Straferkenntnis der Behörde erster Instanz wegen Übertretung des § 45 Abs. 1 KFG abgewiesen worden war.

Gemäß § 45 Abs. 1 KFG dürfen Probefahrten mit nicht zum Vorkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichen Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes und Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde angenommenen Sachverhalt. Er meint, das Parteiengehör und seine Verteidigungsrechte seien verletzt worden. Die Wahrheit könne nur dadurch gefunden werden, daß auch dem Beschuldigten und seinem Verteidiger ein Fragerecht gegenüber den Zeugen eingeräumt werde.

Der Beschwerdeführer vermochte aber keine Rechtsvorschrift anzuführen, und es gibt auch keine, die ein solches Fragerecht normiert (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 1641/67). Inwiefern der vom Beschwerdeführer behauptete Verfahrensmangel sogar dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip widersprechen soll, hat der Beschwerdeführer zu begründen unterlassen, sodaß darauf nicht weiter einzugehen war.

Daß das Parteiengehör im Verwaltungsstrafverfahren verletzt worden sei, vermochte der Beschwerdeführer jedenfalls nicht zu erweisen.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die "Probefahrt" zunächst zum Zwecke der Einnahme seines Mittagessens durchgeführt zu haben, meint aber, daß diese Fahrt deshalb berechtigt gewesen sei, weil er nach dem Mittagessen eine geschäftliche Verabredung gehabt habe, bei der einem Kaufinteressenten das Fahrzeug habe vorgeführt werden müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt keinesfalls die gelegentliche Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit, mit einer Probefahrt einen Nebenzweck zu verbinden, ohne daß der Charakter der Probefahrt verloren ginge. Dies wird dann der Fall sein, wenn anläßlich einer Probefahrt etwa eine Tankstelle zum Tanken aufgesucht oder die Probefahrt kurz unterbrochen wird, damit der Fahrzeuglenker z. B. ein Poststück in einen Briefkasten einwerfen oder er eine Toilette aufsuchen kann. Der Charakter einer Probefahrt besteht aber jedenfalls dann nicht, wenn der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der Probefahrt verloren geht. Ist ein solcher Zusammenhang nicht mehr gegeben, wird anzunehmen sein, daß der Hauptzweck "Probefahrt" mehr oder minder zugunsten des "Nebenzwecks" zurücktritt und daher die Fahrt nicht mehr als Probefahrt angesehen werden kann.

Auf den Beschwerdefall angewendet, bedeutet dies, daß der Beschwerdeführer mit dem fraglichen Fahrzeug nach seinen eigenen Worten in der Berufung gegen das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz "zunächst nach Hause zum Mittagessen" gefahren sei und dort den Personenkraftwagen laut seinem Einspruch vom in einer Garage abgestellt habe. Anschließend erst sollte das Fahrzeug dem Kunden vorgeführt werden.

Damit ist aber jedenfalls der erforderliche zeitliche und örtliche Zusammenhang zwischen den beiden Fahrten nicht mehr gegeben und die Fahrt nach Hause, die dem Beschwerdeführer angelastet worden war, keine Probefahrt mehr im Sinne des § 45 Abs. 1 zweiter Satz KFG. Wenn auch die in Rede stehende Fahrt keine Probefahrt im Sinne des § 45 Abs. 1 zweiter Satz KFG war, so stellt diese Gesetzesstelle dennoch keine Norm dar, die Gegenstand einer Verwaltungsübertretung sein könnte. Eine mißbräuchliche Verwendung von Probefahrtkennzeichen verstößt vielmehr gegen die Vorschrift des § 45 Abs. 4 zweiter Satz KFG, wonach Probefahrtkennzeichen nur für Probefahrten geführt werden dürfen. Jedenfalls konnte der Beschwerdeführer die Bestimmung des § 45 Abs. 1 KFG nicht übertreten haben.

Da die belangte Behörde sohin die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid im angefochtenen Umfange wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Über das Kostenbegehren wird gemäß § 59 Abs. 3 VwGG 1965 mit abgesondertem Beschluß entschieden werden.

Wien, am

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Normen
AVG §45 Abs2;
AVG §50 Abs1;
KFG 1967 §45 Abs1;
KFG 1967 §45 Abs4;
VStG §24;
Schlagworte
Beweise Fragerecht und Gegenüberstellung
Beweismittel Zeugenbeweis Gegenüberstellung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1977:1976001631.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-55490