VwGH 18.11.1953, 1628/52
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Wr §57 Abs2 BauO Wr §58 Abs4 BauO Wr §59 Abs1 |
RS 1 | |
Normen | |
RS 2 | Die Behörde ist nicht berechtigt, durch einen auf § 76 Abs 1 AVG gestützten Bescheid die Partei zur Tragung der Kosten zu verpflichten, die ihr selbst nicht erwachsen sind. (Hier: Auftrag zur direkten Zahlung an einen von der Behörde bestellten Sachverständigen.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Ehrhart und die Räte Dr. Werner, Dr. Vejborny, Dr. Kaniak und Dr. Hrdlitzka als Richter, im Beisein des Ministerialoberkommissärs Dr. Hezina als Schriftführer, über die Beschwerde des Dipl. Kfm. RF und des EF, sowie der EL gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid des Wiener Magistrates - Abt. 64 im selbständigen Wirkungsbereich vom , Zl. 1454/52), betreffend Vorschreibung von Sachverständigenkosten, nach der am durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Friedrich Grohs, und des Vertreters der belangten Behörde, Obermagistratsrat Dr. FK, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner beschlossen, die Beschwerde, soweit sie von EL erhoben wurde, wegen Mangels der Berechtigung zur Beschwerdeführung zurückzuweisen.
Begründung
Die Beschwerdeführer RF und EF sind je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft E.Zl. nn der Katastralgemeinde X, Wien. Die beschwerdeführende Partei EL ist Rückstellungswerberin hinsichtlich dieser Liegenschaft. Im Zeitpunkte der Einbringung der Beschwerde war das Rückstellungsverfahren noch anhängig. Den Beschwerdeausführungen zufolge wurden die im Bauland gelegene verbaute Liegenschaft total durch Bomben beschädigt. Die Ruinen wurden gesprengt und abgetragen. Nachdem Versuche der Beschwerdeführer, den Baugrund wieder Bauzwecken zuzuführen, infolge Änderung der Flächenwidmung - Verkehrsfläche - gescheitert waren, begehrten die Beschwerdeführer von der Gemeinde Wien die Einlösung des Grundes. Mit Bescheid vom ordnete der Wiener Magistrat die Grundeinlösung durch die Stadt Wien gemäss § 58 Abs. 4 und § 59 Abs. 1 der Bauordnung für Wien an und setzte die Entschädigung fest. Mit dem weiteren Bescheid vom wurde die Vergütung des im Einlösungsverfahren gehörten Sachverständigen mit S 2.220,-- festgesetzt und die Beschwerdeführet als Liegenschaftseigentümer gemäss § 76 AVGverpflichtet, für die Vergütung „als Barauslagen“ aufzukommen. Der dagegen eingebrachte Berufung hat die Bauoberbehörde Folge gegeben. Hievon wurden die Beschwerdeführer mit der als „Berufungsbescheid“ bezeichneten Erledigung des Wiener Magistrates vom gleichen Tage verständigt. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird. Die inhaltliche Rechtswidrigkeit erblicken die Beschwerdeführer in der Anwendung der Bestimmung des § 76 AVG. Ihrer Meinung nach ergebe sich nun aus der im Einlösungsverfahrens nach Anschauung des Wiener Magistrates anwendbaren Bestimmung des § 57 Abs. 2 der BauO für Wien, dass die für die Erstellung des Sachverständigengutachtens entstandenen Kosten unter jede vermögensrechtlichen Nachteile fallen, die den Beschwerdeführern zu ersetzen seien.
Das Erkenntnis des Gerichtshofes stützt sich auf folgende Erwägungen:
Die belangte Behörde hat in ihrer Gegenschrift die Zurückweisung der Beschwerde beantragt, soweit sie von EL eingbracht wurde. Die genannte Beschwerdeführerin ist, wie sie in der Beschwerde selbst ausführt, Rückstellungswerberin hinsichtlich der in Rede stehenden Liegenschaft. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (vgl. z.B. Erkenntnis vom , Zl. 846/51) die Auffassung vertreten, dass eine Rückstellungswerberin im Verfahren vor den Verwaltungsgerichtshof nicht als Eigentümerin der Liegenschaft behandelt werden kann. Wer Eigentümer einer Liegenschaft ist, ergibt sich aus dem Grundbuch. Solange nicht ein Rückstellungserkenntnis ergangen und diesem zufolge das Eigentum im Grundbuch einverleibt ist, kann der Rückstellungswerber nicht die Stellung eines Eigentümers in Anspruch nehmen. Daraus ergibt sich, dass die genannte Beschwerdeführerin durch die gegenüber den im Grundbuch eingetragenen Eigentümern ergangene Verfügung nicht in ihren Rechten verletzt sein kann. Fehlt ihr aber aus diesem Grunde die Berechtigung zur Beschwerdeführung, dann war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (§ 34 VwGG).
Im übrigen hat der Gerichtshof über die Beschwerde, soweit sie von RF und EF erhoben wurde, erwogen:
Die belangte Behörde hat die Kosten, die aus der Honorierung der im Einlösungsverfahren herangezogenen nichtamtlichen Sachverständigen erwachsen werden, im angefochtenen Bescheid festgesetzt und zugleich die Beschwerdeführer verpflichtet, für diese Kosten unter dem Gesichtspunkte des Ersatzes von Barauslagen aufzukommen. Wenn die Behörde nichtamtliche Sachverständige bestellt, so sind die Kosten, die aus der Erstattung der Gutachten entstehen, Barauslagen im Sinne des § 76 AVG. Der Bericht des Verfassungsausschusses des Nationalrates bestätigt die Richtigkeit einer solchen Auslegung, führt er doch aus, dass unter Barauslagen die Aufwendungen zu vertehen sind, die für die Durchführung der einzelnen konkreten Amtshandlungen gemacht werden und über den sonstigen und allgemeinen Aufwand der Behörde hinausgehen. Als Beispiele für eine solche Aufwendung sind die Kosten für Gutachten, die nicht von Amtssachverständigen erstattet werden, genannt. Die belangte Behörde vermeint nun, dass die Beschwerdeführer für die den Sachverständigen zugesprochene Vergütung deshalb aufzukommen haben, weil § 76 AVG, vorbehaltlich anderweitiger, die Tragung von Amts wegen anordnender Verwaltungsvorschriften die Partei hiezu verpflichtet, welche um die Amtshandlung angesucht hat. Die Bauordnung enthalte keine Vorschrift über die Kosten der Sachverständigen. Um die Einlösung der Liegenschaft haben die Beschwerdeführer selbst angesucht. Die Beschwerdeführer halten dieser Auffassung entgegen, dass als Verwaltungsvorschrift § 57 Abs. 2 der BauO für Wien in Betracht komme. Dortselbst sei bestimmt, dass die bei einer Enteignung zu leistende Entschädigung den Ersatz aller dem Enteigneten und den an der enteigneten Liegenschaft dinglich Berechtigten durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteil zu umfassen habe. Dasselbe gelte, soweit in anderen Fällen für abzutretende Gründe Entschädigung zu leisten sei. Die Behörde habe durch die Umwidmung des Grundes, die in der praktischen Auswirkung einer Enteignung gleichkomme, zwangsläufig das Enteignungsverfahren ausgelöst und sei daher gemäss den Enteignungsbestimmungen der Bauordnung verhalten, alle daraus entstehenden Kosten zu tragen. Der Gerichtshof kann dieser Auffassung nicht beitreten. Richtig ist, dass die Bauordnung für Wien keine Bestimmungen darüber enthält, wie ein Verfahren wegen Grundeinlösung nach § 58 Abs. 4 und § 59 Abs. 1 durchzuführen ist. Wenn der Magistrat die Bestimmungen der Bauordnung über die Festsetzung der Entschädigung im Enteignungsfall sinngemäss angewendet hat, so kann aus dieser Vorgangsweise nicht abgeleitet werden, dass die Sachverständigenkosten von der Behörde zu tragen sind, weil die im Vermögen des Enteigneten eingetretenen Nachteile durch die Entschädigung ausgeglichen werden. Die Entschädigung ist nur ein öffentlich-rechtlicher Ausgleich für die Beschränkung oder Entziehung des Eigentums an einer Liegenschaft. Aus diesen Erwägungen folgt, dass die Bestimmung des § 57 Abs. 2 der Bauordnung nicht jenen Verwaltungsvorschriften gleichgesetzt werden kann, nach denen die der Behörde erwachsenen Barauslagen von Amts wegen zu tragen sind. Wenn die be. langte Behörde die Beschwerdeführer zum Ersatz der Barauslagen herangezogen hat, falls solche aus den Aufwendungen für die erstatteten Sachverständigengutachten entstanden sein sollten, so würde ein solches Vorgehen nicht rechtswidrig sein. Der Gerichtshof konnte sich auch der von den Beschwerdeführern geäusserten Ansicht, dass die Kosten des Einlösungsverfahrens von der Behörde im Hinblick auf die Bestimmung des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes zu tragen sind, nicht anschliessen. Der im Eisenbahnenteignungsgesetz vorgesehene Verwaltungsakt „Enteignung“ kann nicht auf die gleiche Stufe mit der in der Bauordnung vorgesehenen Grundeinlösung gestellt werden, weil die Interessenlage im Enteignungsfall eine andere ist. Durch die Verpflichtung zur Grundeinlösung soll nicht die Gebietskörperschaft, sondern der Grundeigentümer begünstigt werden. Dessen Verpflichtung zur Tragung der Sachverständigenkosten ergibt sich aus § 76 Abs. 1 AVG.
Der Gerichtshof ist aber der Auffassung, dass sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus einem anderen in der Beschwerde allerdings nicht geltend gemachten Grund ergibt. Barauslagen sind nämlich Aufwendungen, die der Behörde zunächst selbst erwachsen sind. Für diese Aufwendungen hat unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 AVG die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Der Ersatz der Barauslagen durch die Partei setzt aber voraus, dass die Barauslagen der Behörde bereits erwachsen sind, d.h. dass die Behörde bereits Aufwendungen gemacht, im Beschwerdefall, dass die Behörde bereits die den Sachverständigen zugesprochene Vergütung bezahlt hat. Eine solche Situation liegt aber nicht vor. Der erstinstanzliche, von der belangten Behörde aufrechterhaltene Bescheid vom sagt, dass die Vergütung des Sachverständigen festgesetzt wird, dass die Beschwerdeführer für diese Vergütung aufzukommen haben und dass sie aufgefordert werden, den im Bescheid angeführten Betrag unmittelbar an den Sachverständigen zu überweisen und den Nachweis der Bezahlung binnen Monatsfrist vorzulegen. Angesichts dieser Situation kann noch nicht davon gesprochen werden, dass der Behörde schon Barauslagen erwachsen sind; es kann daher auch ein Ersatz dieser Barauslagen durch die Beschwerdeführer nicht in Frage kommen. Die belangte Behörde hat die Bestimmung des § 76 Abs. 1 AVG nicht angewendet, um die Partei zum Ersatz der ihr selbst erwachsenen Barauslagen heranzuziehen, sondern um die Partei zu verpflichten, eine Vergütung an einen Sachverständigen für die Arbeitsleistung zu bezahlen, die ihm von der Behörde aufgetragen wurde. Eine solche Handhabe bietet aber die Bestimmung des § 76 Abs. 1 AVG nicht. Die Anwendung dieser Bestimmung auf einen Sachverhalt, der ihr nicht unterstellt werden kann, belastet die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid musste demgemäss nach § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufgehoben werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3201 A/1953 |
Schlagworte | Gebühren Kosten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1953:1952001628.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-55481