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VwGH 07.12.1964, 1617/64

VwGH 07.12.1964, 1617/64

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
ErbStG §7 Abs1
RS 1
Als ein Stiefkind eines weiblichen Erblasses, das zur

Steuerklasse 1 gehört, ist auch ein außereheliches Kind des

Ehegatten der Erblasserein anzusehen, wenn dieser Ehegatte die

Vaterschaft zu dem Kind anerkannt hat.

*

E , 1617/64 #1 VwSlg 3195 F/1964;

Entscheidungstext

Beachte

y10663;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek, und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Mathis, Dr. Schmid und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde des A gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. GV 21-503/1-V-64, betreffend Erbschaftssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist der außereheliche Sohn des FP, der nach den Feststellungen der belangten Behörde auch die Vaterschaft zum Beschwerdeführer anerkannt hat. JP, die Gattin des FP, ist im März 1963 gestorben. Sie hatte mit zwei formgültigen Testamenten vom und vom ihren Ehegatten FP zum Alleinerben eingesetzt. In einem späteren von fremder Hand geschriebenen, aber eigenhändig, jedoch ohne Beisetzung von Zeugenunterschriften unterfertigten Testamente vom hatten FP und JP den Beschwerdeführer und seine Gattin als Alleinerben eingesetzt, „wenn wir beide mit dem Tod abgehen“. im Verlassenschaftsverfahren wurde vom Beschwerdeführer zur Kenntnis genommen, daß das letztgenannte Testament wegen Formmangels ungültig ist.

FP, der somit allein zur Erbschaft berufen war, hatte mit Notariatsakt vom seine Erbansprüche in der Verlassenschaft nach JP dem Beschwerdeführer schenkungsweise übertragen. Er hatte keine Erbserklärung abgegeben. Die Erbserklärung gab vielmehr der Beschwerdeführer ab, dem auch die Verlassenschaft eingeantwortet wurde. Zum Nachlaßvermögen gehörten Liegenschaftsanteile, für die das zuständige Finanzamt, weil auf den (Hauptfeststellungszeitpunkt) noch kein Einheitswert festgestellt worden war, Hilfswerte im Gesamtbetrage von S 151.500,-- angenommen hatte, ferner Hausrat im Werte von S 200,--. Schließlich war auch dem FP auf Grund eines von der Erblasserin abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrages ein Betrag von S 828,50 ausgezahlt worden. An Abzugsposten wurden insgesamt S 10.289,-- bei der Bemessung der Erbschafsteuer geltend gemacht und vom Finanzamt anerkannt.

Das Finanzamt schrieb dem Beschwerdeführer mit vorläufigem Steuerbescheid „für den Erwerb von Todes wegen im Verlaß nach JP“ von einer Bemessungsgrundlage von S 143.03950 nach Abzug eines Freibetrages von S 500,-- - 18 % Erbschaftssteuer in Betrage von S 15.655,40 (richtig wären S 25.655,40 gewesen) und gemäß § 8 Abs. 4 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 (BGBl. Nr. 141/1955, ErbStG) für die Erwerbung der Nachlaßliegenschaften einen 2 %igen Zuschlag in Höhe von S 3.030,-- vor, ferner S 30,-- Kanalumschreibgebühr, die jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde ist. Dabei hatte das Finanzamt einerseits auch den Erwerb der Versicherungssumme von S 828,50 als Erwerbung des Beschwerdeführers behandelt und außerdem infolge eines Rechenfehlers die Bemessungsgrundläge um S 800,-- erhöht.

Der Beschwerdeführer berief. Er bekämpfte nicht die Einbeziehung der Versicherungssumme in seinen steuerpflichtigen Erwerb, bemängelte aber den Rechenfehler, durch den die Bemessungsgrundlage um S 800,-- erhöht wurde. Im übrigen bekämpfte er die Bemessungsgrundlage nicht, wohl aber die Wahl des Steuersatzes. Als Stiefkind, wenn auch als außereheliches, der Erblasserin falle er in Steuerklasse I, nicht, wie das Finanzamt angenommen hatte, in Steuerklasse V. In einigen weiteren im Berufungsverfahren erstatteten Schriftsätzen legte er dar, daß auch die uneheliche Abstammung eine Schwägerschaft - und mit hin auch eine Stiefkindschaft - zum Ehegatten des außerehelichen Vaters begründe. Denn im Gegensatze zu den Vorschriften des deutschen bürgerlichen Rechtes sei nach österreichischem Recht das außereheliche Kind mit seinem Erzeuger verwandt, was auch von der österreichischen Rechtslehre anerkannt werde. Wenn die Kommentatoren des ehemals deutschen Erbschaftssteuergesetzes verneinten, daß ein außereheliches Kind des Ehegatten der Erblasserin in die Steuerklasse I falle, hätten sie vielleicht vom Standpunkte des deutschen Erbschaftssteuerrechtes und des deutschen bürgerlichen Rechtes aus recht. Für den österreichischen Rechtsbereich sei aber diese Rechtsansicht und seien mithin auch die Ausführungen von Dorazil in seinem Erläuterungswerke zum Erbschaftssteuergesetz 1955 auf S. 49 abzulehnen. Auch der ehemalige k. k. Verwaltungsgerichtshof habe in Fällen der Bemessung von Erbgebühren die außerehelichen Kinder des Ehemannes der Erblasserin als deren Stiefkinder behandelt.

Die Finanzlandesdirektion hat mit Berufungsentscheidung vom den vom Beschwerdeführer gerügten Rechenfehler in der Bemessungsgrundlage richtiggestellt, im übrigen aber die Berufung abgewiesen und gemäß § 289 Abs. 2 der Bundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) die Vorschreibung der Steuer auf den Betrag von insgesamt S 28.541,-- erhöht, weil dem Finanzamte bei der Anwendung des Steuersatzes von 18 % auf die Bemessungsgrundlage ein Rechenfehler zugunsten des Beschwerdeführers im Ausmaße von (damals) 10.000,-- unterlaufen war. In der Begründung zu ihrer Entscheidung berief sich die belangte Behörde auf die Erläuterungswerke zum deutschen und zum österreichischen Erbschaftssteuergesetz und darauf, daß die Rechtsstellung des außerehelichen Kindes gegenüber seinem Erzeuger auch nach österreichischem Recht eine schwächere sei als die eines ehelichen Kindes. So habe das außereheliche Kind kein gesetzliches Erbrecht und kein Pflichtteilsrecht nach seinem Vater, es trage auch nicht dessen Namen. Die Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes seien eng auszulegen und es sei auch auf die historische Entwicklung Rücksicht zu nehmen. Die vom Beschwerdeführer bezogenen Erkenntnisse des k. k. Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 1905 und 1906 seien nur für den Einzelfall. bindend gewesen, hätten den Rechtszustand nach dem Gebührengesetz 1850 betreffen und könnten nicht ohne weiteres auf Fälle angewendet werden, die unter das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 fallen. Außerdem habe der k. k. Verwaltungsgerichtshof in noch früherer Zeit eine gegenteilige Rechtsansicht vertreten.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, sondern nur seine Einreihung in die Steuerklasse V, statt wie er begehrt, in die Steuerklasse I. Die von ihm begehrte Anwendung der Steuerklasse I würde zu nachstehenden Ergebnissen führen: Es wäre einmal gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 lit. a ErbStG der Wert des Hausrates aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Die Bemessungsgrundlage wäre ferner gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 ErbStG um einen Freibetrag von S 10.000,-- (statt, wie geschehen, von S 500,--) zu kürzen. Schließlich wäre auf die verbleibende Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 des Gesetzes ein Steuersatz von nur 3 % (statt 18 %) anzuwenden.

Das Erbschaftssteuergesetz selbst enthält zwar keine nähere Umschreibung des Begriffes der Stiefkinder und auch in den übrigen auf die Erbschaftssteuer anzuwendenden Vorschriften findet sich keine Bestimmung dieses Begriffes. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach der Volksanschauung ist aber unter einem Stiefkind einer bestimmten Person ein Kind des Ehegatten dieser Person zu verstehen, das aber nicht aus einer Ehe mit dieser Person stammt. Es handelt sich somit um eine bestimmte Abart der Schwägerschaft, denn Schwägerschaft ist das Verhältnis einer bestimmten Person zu den Verwandten ihres Ehegatten. Nun mag es müssig erscheinen, darüber zu streiten, ob außereheliche Kinder durchwegs in allen rechtlichen Beziehungen als Verwandte ihrer Erzeuger und somit als Verschwägerte von deren Ehegatten anzusehen sind. Das österreichische bürgerliche. Recht räumt dem außerehelichen Kinde bestimmte, sonst gewöhnlich aus der Verwandtschaft fließende Rechtsstellungen gegenüber dem außerehelichen Vater ein, während es ihm andere vorenthält. Es ist daher nicht möglich, eine von vornherein für alle Fälle gültige Antwort auf die Frage zu geben, ob das außereheliche Kind mit seinem Erzeuger im Rechtssinne verwandt ist oder nicht. Vielmehr wird die Anwendbarkeit von Vorschriften, die an den Bestand der Verwandtschaft rechtliche Folgen knüpfen, auf die außerehelichen Kinder, wenn diese Vorschriften selbst keine Anordnungen über ihre Anwendung auf außereheliche Kinder treffen, in jedem einzelnen Falle mit Rücksicht auf den Zweck der betreffenden Vorschrift, allenfalls auch auf den Sprachgebrauch ihrer Entstehungszeit geprüft werden müssen (so Wentzel-Plessel, Klang‘s Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Auflage, I. Band, 2, Halbband, S. 176). In dieser Hinsicht ist nun zu beachten, daß das geltende Erbschaftssteuerrecht uneheliche Kinder in dieselbe Steuerklasse einreiht wie eheliche, beim Erwerbe vom Vater allerdings nur dann, wenn dieser die Vaterschaft anerkannt hat. Eine ähnliche Regelung hat auch das frühere österreichische Erbgebührenrecht im Punkt 3 der gemeinsamen Anmerkungen zu den Tarifen der Erb- und Schenkungsgebühren (TP. 106 A und B des Allgemeinen Gebührentarife 1925, BGBl. Nr. 208/1925, die ihrerseits auf gleichlautende ältere Vorschriften, zum Teil auf Allerhöchste Entschließungen zurückgehet) enthalten und dabei nicht einmal die Anerkennung der Vaterschaft durch den außerehelichen Vater zur Bedingung für die Anwendung eines begünstigten Steuersatzes gemacht. Weiter ist zu beachten, daß bei Erlassung letztwilliger Verfügungen in der Übung des Rechtsverkehres außereheliche Kinder des Ehemannes vielfach ebenso berücksichtigt werden wie solche der Ehefrau. Aus diesen Erwägungen kann der Auffassung der belangten Behörde, daß die außerehelichen Kinder des Ehegatten der Erblasserin, denen von dieser etwas zugewendet wird, nicht als Stiefkinder im Sinne des § 7 Abs. 1 ErbStG 1955 gelten sollen, nicht in vollem Umfange beigepflichtet werden. Der Standpunkt der belangten Behörde kann vielmehr im Hinblick auf § 7 Abs. 1 I Z. 2 lit. c ErbStG 1955 nur für solche Fälle anerkannt werden, in denen der Ehegatte der Erblasserin die Vaterschaft zu seinem außerehelichen Kinde nicht anerkannt hat. Im vorliegenden Fall ist aber unbestritten, daß der Witwer der Erblasserin die Vaterschaft zum Beschwerdeführer anerkannt hatte. Auch der ehemalige k. k. Verwaltungsgerichtshof hat für den Geltungsbereich der seinerzeitigen österreichischen Gebührenvorschriften in einer Reihe von Entscheidungen, namentlich in dem ausführlich begründeten Erkenntnisse Slg. Nr. 3855(F)/1905, dargelegt, daß auch außereheliche Kinder des anderen Ehegatten gebührenrechtlich als Stiefkinder zu behandeln seien, und zwar gleichgültig, ob der andere Eheteil die außereheliche Mutter oder der außereheliche Vater des Kindes ist. Diesen Erwägungen gegenüber kann der Hinweis der belangten Behörde auf die im Schrifttume vertretenen Ansichten, die zum großen Teil auf die andersartigen Regelungen des deutschen bürgerlichen Rechtes abgestellt sind, nicht ausschlaggebend sein. Aus all diesen Erwägungen mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ErbStG §7 Abs1
Sammlungsnummer
VwSlg 3195 F/1964
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1964:1964001617.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-55449