VwGH 03.02.1961, 1616/60
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
RS 1 | Bei Vertretertätigkeit mit Unternehmerwagnis liegt trotz Einbehaltung von Lohnsteuer und Krankenkassenbeiträgen kein Dienstverhältnis vor. Auch ein Spesenersatz in fester Höhe vermag das Unternehmerwagnis nicht in allen Fällen auszuschließen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Wasniczek als Vorsitzenden und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Klein als Schriftführer, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten in Klagenfurt gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. 24/7 - III - 1960, betreffend Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer 1957 und 1958 des WK in V, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte WK war in den Jahren 1957 und 1958 für die Firma AM auf Grund eines Vertrages vom und eines Zusatzvertrages vom gleichen Tage als Provisionsvertreter tätig. Außerdem stand er als selbständiger Gewerbetreibender mit der Firma RM und der Firma S in Geschäftsverbindung. Da das Finanzamt das in den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1957 und 1958 behauptete Angestelltenverhältnis nicht anerkannte, sondern die Provisionen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ansah, erhob der Mitbeteiligte Berufung. Der Berufungssenat hob die bekämpften Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuerbescheide für die genannten Jahre auf und verwies die Sache zur Ergänzung des Verfahrens gemäß § 48 des Abgabenrechtsmittelgesetzes, BGBl. Nr. 60/1949, (AbgRG) an das Finanzamt zurück. Im Hinblick auf die von der Firma M übernommene Verpflichtung, die vom Mitbeteiligten zu tragenden Kosten durch Leistung von Pauschbeträgen zu ersetzen, sei im vorliegenden Fall ein Unternehmerwagnis praktisch ausgeschaltet. Eine Entscheidung über die Berufungen sei aber nicht möglich gewesen. Der Mitbeteiligte vertrete mehrere Firmen, der Umsatz und Gewinn sei aber nicht entsprechend aufgeteilt bzw. ermangle es an Unterlagen, eine solche Aufteilung durchzuführen. Weiter seien verschiedene Betriebsausgaben und Erlösminderungen, die der Mitbeteiligte geltend gemacht habe, mangels aktenmäßiger Grundlagen unüberprüfbar.
Gegen diesen Bescheid hat der Präsident der Finanzlandesdirektion Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben. Er wendet sich gegen die Anerkennung eines Angestelltenverhältnisses des Mitbeteiligten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im angefochtenen Bescheid wird die Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt damit begründet, daß der Berufungskommission keine Unterlagen zur Verfügung standen, um die Umsätze und Gewinne, die der Mitbeteiligte erzielt, hat, nach den von ihm vertretenen Firmen aufzuteilen. Eine solche Aufteilung hat aber nur dann einen Sinn, wenn das Vertretungsverhältnis steuerrechtlich hinsichtlich der vertretenen Firmen verschieden zu beurteilen ist. Mithin war vorweg zu prüfen, ob der Mitbeteiligte für die Firma AM als selbständiger Provisionsreisender tätig war oder ob er zu ihr in einem Dienstverhältnis gestanden ist.
Der vom Mitbeteiligten vorgelegte Vertrag vom und die Ergänzung zu diesem vom gleichen Tag enthalten sowohl Merkmale eines Dienstverhältnisses als auch Merkmale einer selbständigen Tätigkeit als Provisionsvertreter. Es war daher zu untersuchen, welche Merkmale überwiegen, insbesondere ob und in welchem Umfang der Mitbeteiligte ein Unternehmerwagnis trägt. Hiebei war zu beachten, daß ein Unternehmerwagnis nicht allein hinsichtlich der Einnahmen, sondern auch bei den mit der Tätigkeit verbundenen Ausgaben gegeben sein kann.
Dem Mitbeteiligten wird laut Punkt 1) der Vereinbarung die Vertretung der Firma M für das Bundesland Kärnten, also für ein räumlich begrenztes Gebiet übertragen. Innerhalb dieses Gebietes steht es ihm jedoch frei, den Kundenstock durch Anwerbung weiterer Kunden zu ergänzen. Es ist also seinem persönlichen Fleiß und seiner Tüchtigkeit anheimgestellt, die Anzahl und den Umfang der Aufträge, für die er Provisionen erhält, zu vergrößern. Der Kreis der anzuwerbenden Kunden wird zwar im Punkt 2) des Abkommens dahin eingeschränkt, daß Wein- und Lebensmittelgroßhändler - von Ausnahmen abgesehen - unmittelbar von der Firma M beliefert werden. Doch ändert sich dadurch nichts an der Tatsache, daß der Mitbeteiligte in der Lage ist, den Erfolg seiner Tätigkeit nach Art eines selbständigen Unternehmers innerhalb des gegebenen Rahmens entscheidend zu beeinflussen. Daß er nur zu den in den Preislisten angegebenen Preisen abschließen darf, daß Preiserhöhungen und Preisnachlässe untersagt sind und daß sich die Firma die Bestätigung der Aufträge vorbehält, kann den Mitbeteiligten noch nicht zum Dienstnehmer machen. Übrigens ist es beim Abschluß von Lieferungsverträgen durch Provisionsvertreter gang und gäbe, daß sich die Lieferfirma die Preisgestaltung vorbehält, sodaß der Mitbeteiligte auf die Preiskalkulation keinen Einfluß nehmen kann. Seine Tätigkeit erschöpft sich vielmehr darin, Interessenten aufzusuchen und in geeigneter Weise zum Geschäftsabschluß zu bewegen. In dieser Hinsicht kann er seine geschäftlichen Fähigkeiten frei entfalten. Die Bestimmung des Punktes 3), die eine Überwachung der Tätigkeit des Mitbeteiligten vorsieht, dient einem ähnlichen Zweck wie die Vorschrift des Punktes 2), nämlich den Vertreter von sogenannten Luftgeschäften abzuhalten. Er soll zu einem regelmäßigen und intensiven Kundenbesuch angehalten werden. Denselben Zweck verfolgt auch die Bestimmung, daß die Firma berechtigt ist, dem Mitbeteiligten "eine Auflagen" zu erteilen, wenn der Umsatz infolge mangelhaften Kundenbesuches zurückgehen sollte.
Der Mitbeteiligte erhält nach Punkt 4) des Übereinkommens außer den dort vereinbarten Provisionen einen Autospesenersatz für den eigenen Wagen und eine Delkredere-Provision. Er muß aber laut Punkt 6) im Falle von Verlusten, die infolge der Zahlungsunfähigkeit von Kunden eintreten, die Hälfte des Verlustes tragen. Ein Lastkraftwagen und ein Fahrer für diesen wird ihm zwar von der Firma M zur Verfügung gestellt, für die Betriebs- und Erhaltungskosten muß er aber nach Punkt 2) der Zusatzvereinbarung selbst aufkommen. Ebenso treffen ihn die Kosten für die Reparaturen des Lastkraftwagens, die infolge unsachgemäßer Behandlung durch den Fahrer erforderlich werden. Der Mitbeteiligte hat auch im wesentlichen die Telephon-, Telegramm- und Portospesen laut Punkt 7) der Vereinbarung selbst zu tragen. Für die im Lager befindliche Ware haftet er bis zur Übernahme durch den Kunden. Aus all diesen Vertragsbestimmungen geht hervor, daß der Mitbeteiligte einen wesentlichen Teil der mit seiner Tätigkeit verbundenen Ausgaben zu tragen hat, deren Höhe er weitgehend beeinflussen kann, und daß er innerhalb des vorgezeichneten Vertragsrahmens von Weisungen der Firma M frei bleibt. Er trägt sowohl hinsichtlich der Einnahmen als auch hinsichtlich der Ausgaben ein, wenn auch etwas eingeschränktes Unternehmerwagnis. Insbesondere spricht auch die von ihm übernommene weitgehende Haftung in Konkursfällen und dgl. eindeutig gegen das Vorliegen eines bloßen Angestelltenverhältnisses. Wenn er laut Punkt 4) des Vertrages neben den vereinbarten Provisionen ein Urlaubsgeld erhält und sich laut Punkt 12) verpflichtet, den "Urlaub" nur im Einvernehmen mit der Firmenleitung anzutreten, so handelt es sich um Bestimmungen, denen im Gesamtbild der Vereinbarungen nur untergeordnete Bedeutung zukommt. Die wiederholte Erwähnung eines "Angestelltenverhältnisses" sowie die Bestimmung des Punktes 4), daß in den zugebilligten Entlohnungen auch "die Vergütung laut Kollektivvertrag" enthalten sei, vermag das vorliegende Vertragsverhältnis ebensowenig zu einem Dienstverhältnis zu machen wie die Vereinbarung unter Punkt 15), daß "eine Kündigung nach den Bestimmungen des Angestelltengesetzes und des Kollektivvertrages für Handelsangestellte" vorzunehmen ist. Bei der Einbehaltung von Lohnsteuer und Krankenkassenbeiträgen handelt es sich zwar um Tatbestände, die in der Regel auf ein Angestelltenverhältnis hinweisen. Wenn aber mit der entwickelten Tätigkeit ein Unternehmerwagnis verbunden ist, muß trotz Einbehaltung von Lohnsteuer und Krankenkassenbeiträgen ein Dienstverhältnis steuerrechtlich abgelehnt werden. Der Mitbeteiligte wird in Punkt 1) der Zusatzvereinbarung verpflichtet, eine Lager-, Gebinde- und Kundenkartei zu führen und das Büro des Lagers während bestimmter Tagesstunden mit einer verläßlichen Bürokraft, deren Entlohnung ihm danach nicht gesondert vergütet wird, besetzt zu halten. Auch bei diesen Bestimmungen handelt es sich nur um Verpflichtungen des Mitbeteiligten, die seiner weisungsfreien Planung keinen Abbruch tun. Für die Zustellung der Ware aus dem Lager erhält der Mitbeteiligte laut Punkt 4) der Zusatzvereinbarung eine Provision als Spesenersatz. Er hat daher auch in dieser Hinsicht die Möglichkeit, durch zweckmäßige Vorkehrungen Beträge einzusparen, trägt aber anderseits das Risiko, daß die tatsächlichen Spesen in der zugesicherten Vergütung keine Deckung finden. Überhaupt vermag ein Spesenersatz in fester Höhe das Unternehmerwagnis nicht auszuschließen, das der Mitbeteiligte auf Grund der gegenständlichen Vertragsbestimmung auf jeden Fall rechtlich zu tragen hat.
Mithin hat die belangte Behörde den Sachverhalt nicht richtig beurteilt, wenn sie im vorliegenden Fall ein Angestelltenverhältnis des Mitbeteiligten angenommen hat. Es bestand daher kein Anlaß, die in Rede, stehende Aufteilung der Umsätze und Gewinne nach den Auftraggebern des Mitbeteiligten zu fordern oder die geltend gemachten Ausgaben- und Erlösminderungen aufzugliedern. Da die von der belangten Behörde beschlossene Zurückverweisung an das Finanzamt einer sachlichen Grundlage entbehrt, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs.2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden. Es bleibt der belangten Behörde jedoch unbenommen, dem Finanzamt gemäß § 46 AbgRG aufzutragen, das Beweisverfahren hinsichtlich der in der Berufung geltend gemachten Betriebsausgabenposten zu ergänzen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1961:1960001616.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-55446