VwGH 28.02.1978, 1568/76
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Erklärung einer Partei mit einem Bauvorhaben nicht einverstanden zu sein, solange nicht eine bestimmte rechtsgültige Vereinbarung vorliege (hier: Vertrag über Sicherungsmaßnahmen gegen Abrutschen eines Grundstückes) stellt keine Einwendung im Sinne des § 41 und § 42 AVG dar, weil damit nicht die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend gemacht wurden. D.h. dass die Partei keine Einwendungen erhoben hat und sie hinsichtlich eines verspäteten Vorbringens zufolge der Bestimmung des § 42 AVG als dem Bauvorhaben zustimmend anzusehen war. § 1 Abs 1 BauO f. Stmk 1968, LGBl 149, wonach Bauplätze einen trockenen und tragfähigen Grund aufzuweisen haben ..... sowie durch .... Hochwasser, Rutschungen udg. nicht gefährdet sein dürfen dienten ausschließlich dem öffentlichen Interesse zum Schutz des widmenden Grundstückes, nicht aber auch dem Interesse der Nachbarn. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rath und die Hofräte Dr. Strassmann, Dr. Griesmacher, DDr. Hauer und Dr. Würth als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberregierungsrat Dr. Antoniolli, über die Beschwerde der HH in W, vertreten durch Dr. Hans Exner, Rechtsanwalt in Judenburg, Friedhofgasse 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 3-338 He 20/3-1976, betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen in einem Widmungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1) GWS-Heimstätte - Gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen mbH in Graz, Steyrergasse 5, 2) Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 900,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragte die erstmitbeteiligte Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beim Bürgermeister der Stadtgemeinde X die Erteilung einer Widmungs- und Baubewilligung für die Errichtung von drei Wohnobjekten mit zusammen 32 Eigentumswohnungen auf dem Grundstück 22/1 der KG. X. Zu der für anberaumten mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerdeführerin als Nachbarin - ihr Grundstück 144/1 der KG. X befindet sich nördlich der zur Verbauung vorgesehenen Grundfläche und wird von dieser durch einen Weg (Grundstück 580/3) getrennt - unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Bei dieser Verhandlung stellte der bautechnische Amtssachverständige unter anderem fest, daß das Widmungsgrundstück Nr. 22/1 eine Fläche von 2910 m2 umfasse und hochwasser- und rutschungsfrei liege. Der Mindestabstand zum öffentlichen Weg an der Nordgrenze sei im Lageplan im Einvernehmen mit der Baubehörde durch eine Baugrenzlinie festgesetzt worden, die durch die beabsichtigte Situierung der Gebäude nicht überschritten werde. Durch diese Baugrenzlinie sei nordseitig der entsprechende Platz für die Wegverbreiterung und für Vorplätze vor den Eingängen geschaffen worden. Die Beschwerdeführerin gab folgende Erklärung ab: "Solange ich mit der Stadtgemeinde bzw. dem Bauwerber wegen der ausreichenden Sicherung meines Grundstückes Parz. 144/1, EZ. 560, KG. X, keine rechtsgültige Vereinbarung habe, bin ich nicht einverstanden." Zu diesen Ausführungen stellte der Vertreter der Erstmitbeteiligten fest, daß diese Einwendung mit dem Bauverfahren in keinem Zusammenhang stehe, da die Zufahrt zu den geplanten Häusern über die öffentliche Wegparzelle 580/3 erfolge. In der Verhandlungsschrift wurde noch festgestellt, daß zwischen den genannten Parteien hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Ansprüche keine Einigung erfolgt sei. Weiters wurde dort festgehalten, daß die Äußerung der Beschwerdeführerin keine Einwendungen subjektiver öffentlicher Art enthalte, weshalb die Beschwerdeführerin bezüglich dieses Vorbringens auf den Zivilrechtsweg zu verweisen sein werde.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde X vom wurde die angestrebte Widmungsbewilligung gemäß § 3 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1969 (richtig: 1968), LGBl. Nr. 149 (BO), unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt; unter anderem wurde der Erstmitbeteiligten auferlegt, im Bereich des Baugrundstückes den öffentlichen Weg, Grundstück 580/3, auf mindestens 6 m zu verbreitern und diesen Zufahrtsweg in seiner ganzen Breite von 6 m entlang des Baugrundstückes mit einer Frostkofferschüttung einwandfreier Ausführung zu versehen. Weiter heißt es im Spruch des Bescheides:
"Über die vorgebrachten Einwendungen wird wie folgt entschieden: Die von Frau HH getroffene Feststellung, daß sie, solange mit der Stadtgemeinde X oder dem Bauwerber wegen der ausreichenden Sicherung des Grundstückes 144/1, KG. X, EZ. 650, keine rechtsgültige Vereinbarung getroffen ist, nicht einverstanden ist, steht mit dem gegenständlichen Widmungsverfahren in keinem Zusammenhang und geht ins Leere, da Einwendungen gegen das Verfahren selbst auf subjektiv öffentlichen Rechten basieren müßten, was bei der gegenständlichen Einwendung der Frau HH nicht der Fall ist.
Frau HH wird daher hinsichtlich des von ihr geltend gemachten Anspruches auf den Zivilrechtsweg verwiesen."
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe keine subjektiv-öffentlichen Rechte geltend gemacht.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor allem vor, unter ausreichender Sicherung ihres Grundstückes, das in einer Breite von 116 m steil zu dem öffentlichen Weggrundstück 580/3 abfalle, verstehe sie eine Sicherung gegen Erdrutsch durch eine Stützmauer. Eine solche wäre vom Bauwerber oder von der Stadtgemeinde X zu errichten (Verursacherprinzip). Die erhobenen Einwendungen dienten sowohl dem Interesse der Beschwerdeführerin als auch dem öffentlichen Interesse. Gerügt wurde weiters die Unterlassung eines Versuches der Herbeiführung einer gütlichen Einigung.
Auf Grund dieses Rechtsmittels ließ die Berufungsbehörde ein baugeologisches Gutachten über die Eignung des Grundstückes 22/1 für Bauzwecke erstellen. Der beauftragte Sachverständige kam zu dem Schluß, Gefahr von Hangbewegungen im Bereich der Böschung zwischen dem Gemeindefahrweg Grundstück 590/3 und dem Grundstück der Beschwerdeführerin seien nicht zu erwarten. Um die an sich übersteile Böschung hier zu sichern, sei es allerdings notwendig, dafür Sorge zu tragen, daß bei großen Niederschlägen das anfallende Wasser über das empfohlene Grabenformsteingerinne abgeführt werde. Irgendwelche Ausschwemmungen, die bei überdurchschnittlichen Niederschlägen auftreten könnten, würden sich hier nur örtlich auswirken und könnten nicht ursächlich mit der Errichtung der genannten Wohnhausanlage in Verbindung gebracht werden. Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht und sie äußerte sich dahin, daß das Gutachten als Privatgutachten der Erstmitbeteiligten anzusehen sei und ihr keine Gelegenheit gegeben worden sei, an den Sachverständigen Fragen zu stellen usw. Die Aussage, daß Hangbewegungen nicht zu erwarten seien, werde durch die Erfahrungen der Vergangenheit widerlegt.
In der Folge wurde der Beschwerdeführerin von Vertretern der Stadtgemeinde X die Errichtung eines niedrigen, ca. 30 cm hohen Betonmauerwerkes entlang des jetzigen Böschungsfußes als Vergleich angeboten. Diesen Vergleichsvorschlag lehnte die Beschwerdeführerin in einer Äußerung vom ab.
Mit Bescheid vom gab der Gemeinderat der Stadtgemeinde X der Berufung keine Folge, ergänzte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid durch Vorschreibung weiterer Auflagen. Die Berufungsbehörde vertrat unter anderem die Auffassung, auf Grund des eingeholten Gutachtens sei erwiesen, daß die Gefahr von Hangbewegungen im Bereich der Böschung nicht bestehe. Bei vorschriftsmäßiger Ausführung der Auflagen werde die Standfestigkeit der gesamten Umgebung positiv beeinflußt werden. Eine Beeinträchtigung der Liegenschaft der Beschwerdeführerin ergebe sich durch die geplante Bauführung nicht, vielmehr sei anzunehmen, daß infolge der Verbesserung der Standfestigkeit der gesamten Umgebung Vorteile für deren Liegenschaft eintreten würden.
Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Steiermärkische Landesregierung mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid mangels Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Die Aufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die in den Bestimmungen des § 1 Abs. 1 BO enthaltene Vorschrift, derzufolge Bauplätze durch Rutschungen nicht gefährdet sein dürften, nicht zu jenen zähle, aus denen dem Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte erwüchsen. Die betreffenden Vorschriften dienten nämlich dem Schutz des zu widmenden Grundstückes, nicht aber dem Schutz eines Grundstückes, von dem eine Rutschgefahr allenfalls ausgehen könnte.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die von ihr erhobenen Einwendungen nicht als öffentlich-rechtliche Einwendungen beurteilt worden seien und das eingeholte geologische Gutachten über Auftrag der Erstmitbeteiligten erstellt worden sei.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien erstatteten Gegenschriften und beantragten die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin als Nachbarin zur Verhandlung im erstinstanzlichen Verfahren unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 geladen. Sie hat an dieser Verhandlung teilgenommen und die in der Sachverhaltsdarstellung erwähnte Erklärung abgegeben. Eine solche Erklärung, mit einem Bauvorhaben nicht einverstanden zu sein, solange nicht eine bestimmte rechtsgültige Vereinbarung vorliege, stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Einwendung im Sinne der §§ 41 und 42 AVG 1950 dar, weil die Beschwerdeführerin damit nicht die Verletzung konkreter subjektiver Rechte geltend machte. Das bedeutet aber, daß rechtzeitig die Beschwerdeführerin keine Einwendungen erhoben hat und sie hinsichtlich eines verspäteten Vorbringens zufolge der Bestimmung des § 42 AVG 1950 als dem Bauvorhaben zustimmend anzusehen war. Diese Rechtsfolgen der Präklusion haben auch die Berufungsbehörde, die Vorstellungsbehörde und der Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. etwa Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 6246/A). Schon aus diesem Grund kann die Beschwerdeführerin mit ihrem Beschwerdevorbringen nicht durchdringen.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Zu sagen bleibt, daß die Beschwerdeführerin selbst dann, wenn sie ihre Befürchtungen betreffend eine Rutschgefahr für ihre Grundflächen als Einwendung erhoben hätte, damit nicht hätte durchdringen können, weil die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 BO, wonach Bauplätze einen trockenen und tragfähigen Boden aufzuweisen haben und sonnig sein sollen sowie durch Schnee- oder Steinlawinen, Hochwasser, Rutschungen udgl. nicht gefährdet sein dürfen, ausschließlich den öffentlichen Interessen zum Schutz des zu widmenden Grundstückes dienen, nicht aber auch dem Interesse der Nachbarn. Die belangte Behörde hat daher auch objektiv zu Recht festgestellt, daß die Beschwerdeführerin durch die erteilte Widmungsbewilligung in ihren subjektiven öffentlichen Rechten nicht verletzt wurde. Dies gilt auch für das Vorbringen hinsichtlich des Fehlens eines Vergleichsversuches (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2246/76).
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 542/1977.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 9496 A/1978 |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1978:1976001568.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-55311