Suchen Hilfe
VwGH 21.06.1977, 1566/76

VwGH 21.06.1977, 1566/76

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
RS 1
Ob eine Bildungseinrichtung iSd § 6 Z 11 UStG 1972 eine einer öffentlichen Schule vergleichbare Tätigkeit ausübt, ist an Hand des Lehrstoffes zu beurteilen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0559/75 E VwSlg 4968 F/1976 RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kadecka und die Hofräte Dr. Schima, Dr. Reichel, Dr. Seiler und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Rosenmayr über die Beschwerde der A N in W, vertreten durch Dr. Theodor Schwager, Rechtsanwalt in Wien I, Schottengasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6-1896/2/76, betreffend Umsatzsteuer 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.561,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der am verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin, Ing. Alfred N. (in der Folge als Abgabepflichtiger bezeichnet), hatte Kurse für bautechnische Fächer abgehalten, in denen Bewerber um eine Bau-, Maurer-, Zimmer- , Steinmetz- oder Brunnenmeisterberechtigung auf die entsprechende Baugewerbeprüfung im Sinne Baugewerbeprüfungsverordnung vom 27. Dezember 1893, RGBl. Nr. 195, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 134/1967, vorbereitet wurden. Für die aus dieser Tätigkeit erzielten Entgelte hatte der Abgabepflichtige in den Umsatzsteuervoranmeldungen und in der Umsatzsteuererklärung für 1973 die Befreiung von der Umsatzsteuer gemäß § 6 Z. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 223 (UStG 1972), in Anspruch genommen. Demgegenüber vertrat der Prüfer des zuständigen Finanzamtes anläßlich einer am abgeschlossenen Buch- und Betriebsprüfung die Auffassung, daß das Tatbestandsmerkmal der Ausübung einer den öffentlichen Schulen vergleichbaren Tätigkeit nicht erfüllt sei. Es gebe derzeit keine Schule, die den gleichen Unterrichtsstoff in der gleichen Art wie der Abgabepflichtige in ihrem Lehrplan habe. Ein Vergleich mit den Kursen des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft komme nicht in Betracht, weil es sich hiebei um keine Schule im Sinne des Schulorganisationsgesetzes BGBl. Nr. 242/1962 handle.

Das Finanzamt übernahm das Prüfungsergebnis hinsichtlich der Umsatzsteuer für 1973 in seinen mit Datum erlassenen, auf eine Zahllast von S 255.831,-- lautenden Bescheid. In der fristgerecht erhobenen Berufung und in einem ergänzenden Schriftsatz wurde neuerlich auf die Vergleichbarkeit der abgehaltenen Kurse mit jenen des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Bundeswirtschaftskammer hingewiesen und für den Fall der Nichtanerkennung dieser Argumentation vorgebracht, es könne nachgewiesen werden, daß die Höheren Technischen Lehranstalten sehr wohl einen vergleichbaren Lehrplan hatten.

Die belangte Behörde, der das Rechtsmittel zur Entscheidung vorgelegt worden war, ergänzte das Verfahren durch Beischaffung von vier Kursprospekten des Abgabepflichtigen vom April 1974. Weiters holte sie eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst ein, in der das genannte Ministerium unter ausdrücklichem Hinweis auf die Zuständigkeit der belangten Behörde zur abgabenrechtlichen Beurteilung des Falles die Rechtsansicht vertrat, daß mit dem vom Abgabepflichtigen erteilten Vorbereitungsunterricht eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit nicht ausgeübt werde. Die Vergleichbarkeit entscheide sich nicht nur an den Lehrinhalten, sondern an anderen wesentlichen Kriterien. Eine Vergleichbarkeit sowohl in didaktischer Hinsicht wie auch in den im § 2 des Schulorganisationsgesetzes genannten Aufgaben der Österreichischen Schule erscheine nicht gegeben, weil der gegenständliche Vorbereitungsunterricht lediglich Kenntnisse und Fertigkeiten ohne Bedachtnahme auf den erzieherischen Zweck (der gemäß § 2 des Schulorganisationsgesetzes bzw. auch gemäß § 2 des Privatschulgesetzes einer Schule immanent sei) vermitteln soll. Auch wäre eine Vergleichbarkeit der Abschlüsse bzw. der Schülerbeurteilung zu forderen. Diese erscheine im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom hat die belangte Behörde dem Rechtsmittel der Verlassenschaft nach dem Abgabepflichtigen nicht Folge gegeben und zur Begründung im Wesentlichen die wiedergegebene Äußerung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst herangezogen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die von der Beschwerdeführerin als Alleinerbin des Abgabepflichtigen erhobene Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß § 6 Z 11 UStG 1972 sind die Umsätze von privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen steuerfrei, soweit es sich um die Vermittlung von Kenntnissen allgemeinbildender oder berufsbildender Art oder der Berufsausübung dienenden Fertigkeiten handelt und nachgewiesen werden kann, daß eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten, allerdings erst nach dem angefochtenen Bescheid ergangenen Erkenntnis vom , Zl. 559/75, zur Auffassung gelangt, daß die Frage, ob eine private Schule oder eine andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung eine den öffentlichen Schulen vergleichbare Tätigkeit ausübt, nur anhand des Lehrstoffes zu entscheiden ist. Da es demnach nicht erforderlich ist, daß eine Vergleichbarkeit auch in didaktischer Hinsicht, in bezug auf die Schülerbeurteilung und in bezug auf das Vorliegen eines Erziehungszweckes besteht, die belangte Behörde aber ihre Entscheidung auf eben diese Gesichtspunkte gegründet hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden.

Im fortzusetzenden Verfahren wird der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu geben sein, den im § 6 Z. 11 UStG 1972 verlangten Nachweis zu erbringen. In diesem Zusammenhang sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift noch zu dem Hinweis veranlaßt, daß den Kursen des Abgabepflichtigen die Eigenschaft einer "berufsbildenden Einrichtung" nicht deshalb abgesprochen werden kann, weil die Teilnehmer eine bestimmte Berufsausbildung bereits hinter sich gebracht haben. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes schließt der erwähnte Begriff auch die Berufsfortbildung ein. Für den Bereich des Schulorganisationsgesetzes ergibt sich dies beispielsweise klar aus der zum Teil B, Abschnitt II (Berufsbildende mittlere Schulen) gehörigen Bestimmung des § 59 Abs. 1 dieses Gesetzes, die vorsieht, daß als Sonderformen der gewerblichen und technischen Fachschulen Lehrgänge und Kurse in der Dauer bis zu vier Jahren zur fachlichen Weiterbildung von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung eingerichtet werden können. Als solche Sonderformen erwähnt das Gesetz insbesondere Meisterschulen und Meisterklassen zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung und Werkmeisterschulen und Bauhandwerkerschulen zur Erweiterung der Fachbildung. Nichts spricht dafür, daß dem im § 6 Z. 11 UStG 1972 verwendeten Ausdruck "berufsbildend" eine engere Bedeutung beizumessen wäre. Hiezu sei auch erwähnt, daß der Verwaltungsgerichtshof in dem oben bezeichneten Erkenntnis nicht nur die vom damaligen Beschwerdeführer für Studierende abgehaltenen Rechtskurse, sondern auch dessen Vorbereitungskurse für Richteramts-, Rechtsanwalts- und Notariatsprüfungen als unter die Steuerbefreiung fallend beurteilt hat.

Da die Beschwerdeführerin obsiegende Partei im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 lit. a VwGG 1965 ist, waren ihr gemäß § 48 Abs. 1 lit. a und b des zitierten Gesetzes in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 4/1975 die Eingabengebühr von S 135,--, die Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (siehe § 28 Abs. 5 VwGG 1965) in Höhe von S 11,40, die Vollmachtsgebühr von S 15,-- und der Schriftsatzaufwand von S 2.400,- zusammen sohin S 2.561,40, als Aufwandersatz zuzuerkennen. Das Mehrbegehren war mangels Deckung im Gesetz abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1977:1976001566.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-55302