VwGH 30.05.1969, 1564/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Läßt sich den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht mit Sicherheit entnehmen, daß und mit welchem Inhalt ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, dann kann von der rechtswirksamen Erlassung eines mündlichen Bescheides nicht die Rede sein (Hinweis E , 1514/53, VwSlg 3617 A/1955). |
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RS 2 | Die Frage der Übereinstimmung zwischen einem mündlich erlassenen Bescheid und dem Inhalt der schriftlichen Ausfertigung dieses Bescheides kann nur aus der gemäß § 62 Abs 2 AVG 1950 vorgenommenen Beurkundung des Inhaltes des mündlich verkündeten Bescheides gelöst werden. |
Normen | |
RS 3 | Die Beurkundung eines mündlich verkündeten Bescheides dient dem Zwecke erkennen zu können, ob Schreibfehler und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten in die schriftliche Bescheidausfertigung aufgenommen worden sind, woraus sich die Befugnis der Behörde zur amtswegigen Berichtigung ergibt, auf die jedoch kein Rechtsanspruch besteht (Hinweis E , 0846/57, VwSlg 4472 A/1957). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strau und die Hofräte Penzinger, Dr. Knoll, Dr. Leibrecht und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Landesregierungskommissär Dr. Traxler, über die Beschwerde der prot. Fa. Dr. H. & H. in W, vertreten durch Dr. Peter Hierzenberger, Rechtsanwalt in Wien I, Reischachstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 34.498-G/68, betreffend Einfuhrbewilligung nach dem Marktordnungsgesetz, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Peter Hierzenberger, und des Vertreters der belangten Behörde, Dr. C H, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit öffentlicher Bekanntmachung vom (ergänzt durch eine öffentliche Bekanntmachung vom ) hatte der Getreideausgleichsfonds gemäß § 22 Abs. 3 des Marktordnungsgesetzes, BGBl. Nr. 276/1958, Fassung nach BGBl. Nr. 307/1966 (kurz: MOG), zur Anbotstellung für die Einfuhr von 20.000 metr. Tonnen Futtergerste aufgefordert. Die verlangte Qualität war wie folgt beschrieben worden: "Futtergerste, gesunde, handelsübliche Qualität, mit einem Hektolietergewicht von mindestens 60/62 kg, 4 % Besatz, außerdem bis 4 % Weizen/Roggen-Sprung toleriert, Feuchtigkeit: max. 15 1/2 %." Es war auch bekanntgegeben worden, daß für diese Einfuhr die "Allgemeinen Bestimmungen für öffentliche Bekanntmachungen des Getreideausgleichsfonds Zl. 10.230/64 vom " mit gewissen (hier nicht weiter interessierenden) Abänderungen Anwendung fänden. In diesen "Allgemeinen Bestimmungen" heißt es unter Pkt. 18: "Eine Aufzahlung für hl-Mehrgewicht oder Minderbesatz wird aus öffentlichen Mitteln nicht geleistet." Im Pkt. 5 (Absatz 7) heißt es: "Der Offertsteller bringt durch Abgabe seines Offertes zum Ausdruck, daß sein Angebot in voller Kenntnis der Bestimmungen und Auflagen erfolgt und er sich den entsprechenden Vorschriften unterwirft."
Die Beschwerdeführerin erstattete hiezu ein Anbot für 5.000 metr. Tonnen mit folgender Warenbezeichnung: "Futtergerste, gesunde, handelsübliche Qualität, Basis 60/62 kg, Mehrhektolitergewicht 1 : 1 zu bonifizieren, 4 % Besatz, bis 4 % Weizen/Roggen-Sprung toleriert, Feuchtigkeit: max. 15 1/2 %, aus allen Staaten der Welt, ausgenommen Algerien, Cypern, Griechenland, Irak, Marokko, Syrien und Tunesien." Gleichzeitig erklärte sie, dieses Offert in voller Kenntnis auch der "Allgemeinen Bestimmungen für öffentliche Bekanntmachungen" erstellt zu haben.
Nach Ausweis des vom Getreideausgleichsfonds anläßlich der Sitzung seines geschäftsführenden Ausschusses am aufgenommenen Protokolles (S. 4) wurde bei dieser Sitzung u. a. beschlossen, der Beschwerdeführerin "unter den Bestimmungen der Bekanntmachungen ... sowie unter Bezugnahme auf die … gelegten Offerte" die Einfuhrbewilligung für 5.000 t Futtergerste zu erteilen. Im weiteren Teil dieses Protokolles findet sich zu dieser Angelegenheit nur mehr der Satz: "Nachdem die aus dem 2. Teil des Protokoller über die heutige Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses ersichtlichen Bewilligungserteilungen, betreffend die Einfuhr von Futtergerste vorgenommen worden waren, weist Herr Komm. Rat Z erneut auf die Notwendigkeit der Erhöhung der Einfuhrkontingente für Futterhafer
hin und ersucht ... die Importmenge ... aufzustocken."
Mit dem schriftlichen Bescheid vom selben Tag erteilte der Getreideausgleichsfonds der Beschwerdeführerin bei Bezugnahme auf das von ihr eingereichte Offert gemäß § 22 Abs. 3 MOG die Einfuhrbewilligung für 5.000 metr. Tonnen Futtergerste. Die Bezeichnung der Ware und ihrer Beschaffenheit wurde dabei in gleicher Weise vorgenommen wie in der öffentlichen Bekanntmachung. Eine besondere Bezugnahme auf die Offertbedingung der Beschwerdeführerin "Mehrhektolitergewicht 1 : 1 zu bonifizieren" findet sich nicht. Besonders festgehalten wurde u. a., daß der Getreideausgleichsfonds die Ware nicht ankaufe.
Am richtete die Beschwerdeführerin an den Getreideausgleichsfonds ein Schreiben, worin sie bemängelte, daß die schriftliche Bescheidausfertigung - offensichtlich nur hinsichtlich der eben erwähnten Offertbedingung - mit dem mündlich verkündeten Bescheid nicht übereinstimme, weshalb eine entsprechende Ergänzung des schriftlichen Bescheides begehrt werde.
Der Getreideausgleichsfonds beantwortete dieses Begehren mit der Erledigung vom , in der er die geforderte Bescheidergänzung mit der Begründung ablehnte, daß der schriftlich erteilte dem mündlich verkündeten Bescheid entspreche. Außerdem werde darauf hingewiesen, daß laut Pkt. 10 (richtig: Pkt. 18) der "Allgemeinen Bestimmungen für öffentliche Bekanntmachungen" Aufzahlungen für ein Hektoliter-Mehrgewicht nicht geleistet würden. Die dagegen von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom abgewiesen, und zwar mit der Begründung, daß es sich bei der bekämpften Erledigung wohl um einen Bescheid handle, daß aber für die Frage seiner Rechtmäßigkeit allein in Betracht zu ziehen sei, daß nur jene Fassung des Bewilligungsbescheides entscheidend sei, in welcher er der Beschwerdeführerin zugekommen sei. Es stehe ihr kein Anspruch auf Abänderung des an sich gemäß § 52 Abs. 2 MOG einem Rechtsmittel nicht zugänglichen Bewilligungsbescheides zu.
Auch dagegen richtete sich eine Berufung der Beschwerdeführerin, in der sie geltend machte, daß der mündlich verkündete und der schriftlich ausgefertigte Bescheid eine Einheit darstellten und in ihrem Inhalt nicht voneinander abweichen dürften. Entscheidend müsse bei mündlich verkündeten Bescheiden deren Inhalt sein. Die belangte Behörde versagte diesem Rechtsmittel mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid den Erfolg. Sie vertrat die Rechtsmeinung, daß der Bewilligungsbescheid gemäß § 52 Abs. 3 MOG in Rechtskraft erwachsen sei, sodaß sich die Eingabe der Beschwerdeführerin vom als Antrag auf Abänderung des Bescheides darstelle, auf dessen meritorische Behandlung nach § 68 Abs. 7 AVG 1950 kein Anspruch bestehe. Der Getreideausgleichsfonds habe wohl mit seiner Erledigung im Sinne des § 18 Abs. 1 AVG 1950 nur die Gründe bekanntgeben wollen, aus welchen er keine Veranlassung zu einer Abänderung seines Bescheides ersehen habe. Außerdem könne kein Widerspruch mit dem Offert zustandegekommen sein, weil in den "Allgemeinen Bestimmungen" ausdrücklich festgelegt sei, daß eine Aufzahlung für ein Hektoliter-Mehrgewicht nicht geleistet werde.
Die Beschwerde legt diesem Berufungsbescheid Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Last. Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber erwogen:
Das Begehren der Beschwerdeführerin war darauf gerichtet, die schriftliche Ausfertigung des ihr angeblich zugekommenen mündlichen Bewilligungsbescheides im Sinne dieses Bescheides abzuändern. Das bedeutet also, daß nach Überzeugung der Beschwerdeführerin der Inhalt des mit dem Zeitpunkt der Verkündung ihr gegenüber in Rechtswirksamkeit getretenen Bescheides in der nachfolgenden schriftlichen Bescheidausfertigung keine völlig richtige Wiedergabe gefunden hatte. Das Instrument zur Herstellung der Übereinstimmung bieten für solche Fälle die Vorschriften des § 62 Abs. 2 und 4 AVG 1950. Nach der ersterwähnten Bestimmung muß der Inhalt und die Verkündung eines mündlichen Bescheides in Fällen der gegenständlichen Art - also außerhalb einer mündlichen Verhandlung - in einer besonderen Niederschrift beurkundet werden. Aus dieser Beurkundung hat die Behörde gemäß der zweitgenannten Gesetzesstelle zu entnehmen, ob Schreib- und Rechnungsfehler oder andere offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeiten in die schriftliche Bescheidausfertigung aufgenommen worden sind, woraus sich die Befugnis der Behörde zur amtswegigen Berichtigung ergibt. (Ein Rechtsanspruch auf Berichtigung besteht allerdings bei dieser Gesetzeslage nicht, worauf der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 4472/A, hingewiesen hat.) Entscheidend für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, ist mithin nicht die schriftliche Bescheidausfertigung, sondern jene Urkunde, die über den Bescheidinhalt und die Tatsache der Verkündung gemäß § 62 Abs. 2 AVG 1950 angefertigt wurde. Läßt sich aber den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht mit Sicherheit entnehmen, daß und mit welchem Inhalt ein mündlicher Bescheid erlassen wurde, dann kann von der rechtswirksamen Erlassung eines mündlichen Bescheides überhaupt nicht die Rede sein. Auf diese Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 3617/A, aufmerksam gemacht.
Prüft man den Beschwerdefall aus diesem Blickpunkt, so ergibt sich, daß das Protokoll über die Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses des Getreideausgleichsfonds vom bestenfalls nur einen Hinweis darauf bietet, daß eine mündliche
Bescheidverkündung stattgefunden hat (Inhalt: "... nachdem die aus
dem 2. Teil des Protokolles über die heutige Sitzung … ersichtlichen Bewilligungserteilungen betreffend die Einfuhr von Futtergerste vorgenommen worden waren, weist … "). Mehr ist daraus nicht zu entnehmen. Das bedeutet nach dem Vorgesagten, daß ein mündlicher Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden ist und daß daher auch die Frage seiner richtigen oder unrichtigen Darstellung im nachfolgenden schriftlichen Bescheid erst gar nicht zur Beantwortung stehen konnte. Das bedeutet weiters, daß es an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen wäre, sich bereits gegen den somit nur in Schriftform erlassenen Bewilligungsbescheid aus dem Titel seiner Rechtswidrigkeit mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu wenden, da ja ein ordentliches Rechtsmittel nicht zur Verfügung stand (§ 52 Abs. 3 MOG). Ihrem Begehren nach Berichtigung dieses schriftlichen Bescheides hingegen stand keinesfalls ein Rechtsanspruch zur Seite, ob nun davon ausgegangen wird, daß ein zu berichtigender Bescheid gar nicht erlassen worden war, oder davon, daß auf die Berichtigung eines Bescheides im Gesetze keinesfalls ein Rechtsanspruch eröffnet erscheint.
Richtigerweise wäre daher das Berichtigungsbegehren zurückzuweisen gewesen. Durch die Abweisung des Begehrens konnte gleichwohl eine Rechtsverletzung nicht bewirkt werden weil jede abschlägige Erledigung der Rechtslage entsprechen mußte.
Sofern in der Beschwerde bemerkt wird, daß es der Beschwerdeführerin verwehrt gewesen sei, den Vorteil aus einer Bonifizierung im Rahmen eines Verfahrens über die Höhe des Importausgleiches zu verfolgen, sei im übrigen bemerkt, daß es an ihr gelegen gewesen wäre, gemäß §§ 28 Abs. 6 und 15 Abs. 6 MOG die Verpflichtung des Getreideausgleichsfonds zur Erlassung eines Bescheides über die Höhe des zu leistenden Importausgleiches auszulösen. Es wäre also keineswegs, wie die Beschwerdeführerin meint, Sache der belangten Behörde, aus Anlaß der Frachtkostenabrechnung den Importausgleich selbständig zu bestimmen, weil dafür ihre Zuständigkeit nicht gegeben wäre.
Die Beschwerde mußte demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden. Antragsgemäß war die Beschwerdeführerin laut § 48 Abs. 2 lit. a, b und d VwGG 1965 sowie nach Art. I Z. 4 bis 6 der Verordnung BGBl. Nr. 4/1965 zur Zahlung von S 790,-- an den Bund zu verpflichten.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1968001564.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-55296