VwGH 17.12.1979, 1559/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | BauO Tir 1974 §3 Abs5; BauRallg impl; |
RS 1 | Der Baukonsens geht durch eine Abtragung - oder die Zerstörung durch einen Unglücksfall (zB: Brand) - nur dann unter wenn der umbaute Raum zur Gänze beseitigt ist und nur einzelne Teile, die nicht mehr raumbildend sind, für eine Wiederverwendung erhalten bleiben. |
Normen | BauO Tir 1974 §25 litb; BauRallg impl; |
RS 2 | Die Wiederinstandsetzung eines beschädigten Gebäudes ohne Vergrößerung des Bauvolumens ist, wenn nicht die Voraussetzungen nach § 3 Abs 5 oder 7 TBO für einen Neubau oder einen Umbau vorliegen, als Bauabänderung (§ 25 lit b TBO) zu werten. |
Normen | BauO Tir 1974 §7 Abs1; BauRallg impl; |
RS 3 | Bei bloßen Bauabänderungen (und diesen gleichzuhaltenden Wiederinstandsetzungen beschädigter Gebäude) tritt keine Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Bestände (§ 7 TBO) ein. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Straßmann, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Forster, über die Beschwerde des AD in X, vertreten durch Dr. Helmuth Peisser, Rechtsanwalt in Innsbruck, Templstraße 5b, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-550-412/3, betreffend eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sölden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 3.340,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden vom wurden A und DD, ersterer der nunmehrige Beschwerdeführer, gemäß § 49 der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 1/1901, in der damals geltenden Fassung, die Baubewilligung zu einem An- und Aufbau bei dem Hause Nr. 44 in X erteilt. In der Baubeschreibung hieß es: Das bestehende Wohnhaus wird so erweitert, daß es als Fremdenheim benützt werden kann. An der Westseite wird das Haus um 4 m verbreitert. An der Südseite wird auf dem vorhandenen Grund eine Sonnenterrasse in Natursteinmauerwerk mit einer Betonabdeckplatte errichtet und der darunter entstehende Raum als Keller verwendet. Der vorhandene Dachstuhl und die daran aufgehängte Obergeschoßdecke wird abgetragen und um ein Vollgeschoß erhöht. In den beiden Obergeschossen werden außerdem Holzbalkone angebracht, die von den Zimmern durch Wagner-Verbundtüren zugänglich sind. Im Dachboden werden später Privaträume mit Heraklithplatten ausgebaut. Im ebenerdigen Geschäftsraum werden die Schaufenster vergrößert. Weiters ist aus den vorgelegten Abänderungsplänen ersichtlich. In dieser Baubewilligung wurde eine Reihe von "baupolizeilichen Bedingungen" (gemeint offenbar: Auflagen) vorgeschrieben, darunter in Punkt 3.: "Die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände 4 m von der Nachbargrenze und 8 m vom nächsten Gebäude sind unbedingt einzuhalten. ..." Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Im Akt erliegt ein mit dem Genehmigungsvermerk versehener Bauplan, welcher folgende Kotierungen aufweist: Erdgeschoßfußboden: ± 0, lichte Höhe Erdgeschoß: 2,60, Deckenstärke zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß: 0,32 m, lichte Höhe des ersten Obergeschosses 2,40 m, Deckenstärke zwischen erstem und zweitem Obergeschoß:
0,32 m, lichte Höhe des zweiten Obergeschosses 2,40 m, Deckenstärke der Decke über dem zweiten Obergeschoß 0,30 m, lichte Höhe des Dachgeschosses bis zum höchsten Punkt: 2,55 m.
Am brachte der nunmehrige Beschwerdeführer ein Bauansuchen für "Instandsetzungsarbeiten nach Brandschaden und Anbau eines Abstellraumes" für die genannte Liegenschaft ein. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden vom wurde dem Beschwerdeführer die beantragte Baubewilligung gemäß § 31 Abs. 7 und 8 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, erteilt. In der Baubeschreibung ist ausgeführt: "Der Bauwerber beabsichtigt, das durch Brand in den oberen Stockwerken beschädigte Wohn- und Geschäftshaus (Gasthaus Y) X 44 wieder instandzusetzen. Dacheindeckung: Blechdach auf Pappe (Vollsch.), verbaute Fläche: lt. Bestand, neu 38 m2, Nutzfläche der Wohnungen lt. Bestand. Die näheren Einzelheiten sind dem Bauansuchen zu entnehmen". Im Bescheid wurde eine Reihe "baupolizeilicher Bedingungen" (gemeint offenbar: Auflagen) vorgeschrieben, darunter im Punkt 5: "Einzuhaltende Mindestabstände: nach Bestand." Im Verwaltungsakt findet sich ein mit dem Genehmigungsvermerk versehener Bauplan, welcher folgende Kotierungen ausweist: Lichte Höhe des ersten Obergeschosses: 2,55 m; lichte Höhe des zweiten Obergeschosses, 2,42 m; lichte Höhe des ausgebauten Teiles des Dachgeschosses: 2,40 m; lichte Höhe des Dachgeschosses (ausgebauter Teil und darüber liegender Spitzboden) 4,67 m bis zur höchsten Stelle (unterhalb des Dachfirstes). Die Deckenstärken betragen laut Plan (nicht kotiert): Decke vom Erdgeschoß zum ersten Obergeschoß: zirka 0,34 m; Decke zwischen erstem und zweitem Obergeschoß zirka 0,25 m; Decke zwischen zweitem Obergeschoß und Dachgeschoß: zirka 0,25 m.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 40 Abs. 2 der Tiroler Landesbauordnung, LGBl. Nr. 42/1974, die Fortsetzung der mit Bescheid vom genehmigten Arbeiten untersagt, weil die beidseitigen Mauerbänke um je 0,50 m und der First um 0,27 m zu hoch seien.
Am reichte der Beschwerdeführer neue Baupläne ein, welche dem ausgeführten Bestand entsprachen. Bei der Bauverhandlung vom wurde in der Verhandlungsschrift festgehalten: "Der im Rohbau ausgeführte Bau entspricht den mit Eingabe vom eingegebenen Plänen und weist damit eine gegenüber den genehmigten Plänen um 82 cm größere Höhe auf. Die Höhe des ursprünglichen Bestandes kann nicht mehr exakt ermittelt werden, doch entsteht auf Grund der Bilder des ursprünglichen Objektes und auf Grund der Aussagen, daß bereits vor dem Brand im Spitzboden Personalzimmer untergebracht waren, der Eindruck, daß der ursprüngliche Zustand bereits zirka 60 cm höher war als die Planung gemäß den mit Bescheid vom genehmigten Plänen. Der Beschwerdeführer führte dazu aus, es sei nur der Altbestand wiederhergestellt worden; eine größere Höhe gegenüber dem Bestand sei höchstens durch größere Holzstärken im Ausmaß von zirka 20 cm entstanden. Ein Aufmaß nach dem Brand sei einzig und allein durch den Zimmermeister P und die Feuerversicherung (E) durchgeführt worden. Nach der Bauverhandlungsschrift findet sich ein nichtunterfertigter Vermerk folgenden Inhaltes:
"Im Auftrag der Gemeinde wurde der Bau von der Firma T nachgemessen. Laut genehmigten Plänen wurde dabei eine Überschreitung der Höhe um 50 cm an der Traufe und zirka 80 cm am Giebel festgestellt." Der Bauplan weist folgende Kotierungen aus:
Lichte Höhe des ersten Obergeschosses: 2,55 m; lichte Höhe des zweiten Obergeschosses: 2,42 m, lichte Höhe des ausgebauten Teiles des Dachgeschosses: 2,34 m, lichte Höhe des Spitzbodens (Personalbodens): 2,90 m; Massivdecke und Isolierung zwischen dem ausgebauten Teil des Dachgeschosses und dem Spitzboden: 0,15 + 0,10 = 0,25 m. Aus den Plänen sind ferner folgende Deckenstärken ersichtlich: Decke zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß:
zirka 0,34 m, Decke zwischen ersten Obergeschoß und zweitem Obergeschoß: zirka 0,25 m; Decke zwischen zweitem Obergeschoß und Dachgeschoß (ausgebauter Teil): zirka 0,25 m; diese Werte sind in den Plänen nicht ziffernmäßig ausgewiesen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden vom wurde "das Ansuchen um Genehmigung von Abänderungsplänen für die mit Bescheid vom genehmigten Wiederaufbau- bzw. Instandsetzungsarbeiten nach Brandschaden am Haus Nr. 44 in X" ... "gemäß § 31 Abs. 4 TBO, LGBl. Nr. 42/1974, als unzulässig abgewiesen". Diesem Spruch ist folgender "Befund" vorangestellt: "Der im Rohbau ausgeführte Bau entspricht den mit Eingabe vom beigeschlossenen Plänen und weist damit eine gegenüber den genehmigten Plänen um 82 cm größere Höhe auf. Die Höhe des ursprünglichen Bestandes kann nicht mehr exakt ermittelt werden, doch entsteht auf Grund der Bilder des ursprünglichen Objektes und auf Grund der Aussagen, daß bereits vor dem Brand im Spitzboden Personalzimmer untergebracht waren, der Eindruck, daß der ursprüngliche Bestand 60 cm höher war als die Planung gemäß den mit Bescheid vom genehmigten Plänen." In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Genehmigung der Wiederaufbau- bzw. Instandsetzungsarbeiten nach dem Brandschaden könne nur im Umfang und Ausmaß der für den Bestand vorangegangenen Baugenehmigung und der dieser zugrunde gelegten Baupläne erfolgen, da es an den gesetzlichen Mindestabständen des Gebäudes zu den Nachbargrenzen nach der Tiroler Bauordnung fehle. Wenn der Bauwerber angebe, nur den Altbestand wiederhergestellt zu haben, so sei demgegenüber festzustellen, daß das vor dem Brand bereits bestandene Objekt auf Grund der vorliegenden Planunterlagen schon nicht plan- und bescheidgemäß ausgeführt worden sei. Da die gemäß § 7 der Tiroler Bauordnung vorgeschriebenen Mindestabstände des Altbestandes zu den Nachbargrenzen nicht gegeben seien, könne die Genehmigung der Abänderungspläne, die eine Erweiterung des Bauvolumens darstellten, nicht erfolgen.
Gegen diesen Bescheid berief der Beschwerdeführer. Dabei wurde unter anderem ausgeführt, die erste Einreichung nach dem Brand habe durch einen Maßirrtum eine um 0,82 m zu geringe Höhe aufgewiesen.
Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Sölden vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt. In der Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei unerheblich, ob die Gebäudehöhe in den Einreichplänen, welche dem Genehmigungsbescheid vom zugrunde gelegen seien, nur wegen eines Maßirrtums um 0,82 m zu niedrig gezeichnet worden sei. Im zitierten Genehmigungsbescheid sei die plan- und bescheidgemäße Ausführung der Arbeiten bedungen worden und dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Da schon der Altbestand die gesetzlichen Mindestabstände nicht einhalte, sei eine Erweiterung oder Höherzonung nicht statthaft gewesen. Gegenüber den mit Bescheid vom genehmigten Plänen trete jedoch nunmehr eine Erhöhung um 87 cm beim. First und um 50 cm bei den Mauerbänken ein. Aus den vorliegenden Photos über den Altbestand ergebe sich weiters, daß im Spitzboden gegen Süden und Norden nur je eine Kammer vorhanden gewesen sei, während jetzt nach dem Rohbaubestand gegen Süden und Norden je zwei Zimmer bzw. Räume vorgesehen seien, ebenso hätten sich im Altbestand im Süden und Norden des Spitzbodens nur je ein Fenster gegenüber nunmehr zwei Fenstern befunden. Die Abstandsbestimmungen nach § 4 der Tiroler Bauordnung müßten auch dann eingehalten werden, wenn die Nachbarn keine Einwendungen erheben.
Gegen den Berufungsbescheid erhob der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Vorstellung an die Aufsichtsbehörde. Er stützte sich darin im wesentlichen auf den Umstand, die der Genehmigung vom zugrunde liegenden Pläne hätten nur zufolge eines Irrtumes eine um 0,82 m zu geringe Gebäudehöhe ausgewiesen. Gegenüber dem Altbestand vor dem Brand trete keine Erhöhung ein. Die Vorstellung wurde in der Folge näher ausgeführt, wobei insbesondere geltend gemacht wurde: Das dem Genehmigungsbescheid vom zugrunde liegende Ansuchen habe sich auf die Wiederherstellung des durch Brandschaden zerstörten Teiles des Hauses bezogen. Auch der Spruch des Bescheides genehmige die Wiederherstellung des früheren Zustandes. Der Spruch beziehe sich nicht auf Pläne oder sonstige graphische Darstellungen. Die nunmehrigen Änderungspläne seien auf Grund der Baueinstellung über Empfehlung der Baubehörde eingereicht worden. Es handle sich lediglich um die Wiederherstellung eines durch Brandschaden teilweise in den beiden oberen Geschossen zerstörten Gebäudes. Die zu geringe Gebäudehöhe sei nicht der einzige Irrtum in den Einreichungsplänen, welche am genehmigt worden seien. Es seien darin auch Dachkapfer und andere bauliche Maßnahmen vorgesehen, die weder erstellt werden sollten noch erstellt worden seien, da richtigerweise im Baubewilligungsbescheid vom die Wiederherstellung des früheren Gebäudes genehmigt worden sei. Die nunmehrigen Änderungspläne entsprächen der tatsächlichen Bauausführung und diese wiederum dem Zustand vor dem Brand. Es handle sich daher nunmehr in Wahrheit nur um ein Berichtigungsverfahren im Sinne des § 62 AVG 1950. Es liege im übrigen kein Neubau sondern die Wiederherstellung eines durch Brandschaden zerstörten Altbestandes vor, wobei lediglich das Dachgeschoß und das darunter liegende Geschoß in ihrem alten Bestand erneuert würden. Bei Wiederherstellungen könnten aber, sofern die alten Bauausmaße erhalten blieben, geänderte Abstandsvorschriften nicht zur Anwendung kommen.
Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde die Vorstellung abgewiesen. In der Begründung wurde vorerst auf die Baubewilligung vom (richtig 1954) Bezug genommen und ausgeführt, daß der diesem Bescheid zugrunde liegende Plan ein Untergeschoß, zwei Geschosse und ein vollausgebautes Dachgeschoß aufweise. Mit Bescheid vom sei die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an dieser baulichen Anlage genehmigt und im Punkt 1 der "Bedingungen" festgelegt worden, daß die Arbeiten plan- und bescheidgemäß auszuführen seien, und im Punkt 5 werde bestimmt, daß die Mindestabstände "nach Bestand" einzuhalten seien. Dieser Bescheid sei rechtskräftig geworden. Das nunmehrige Abänderungsansuchen sehe laut Planunterlagen ein Untergeschoß, drei Geschosse und ein vollausgebautes Dachgeschoß vor. Bei diesem Vorhaben handle es sich um einen Neubau, da ein neues Gebäude errichtet werde, wobei Fundamente und Mauern dieses Gebäudes (nach Beseitigung des Dachgeschosses durch Brand) wieder verwendet würden (§ 3 Abs. 5 der Tiroler Bauordnung). Demnach liege hier ein Bauverfahren vor, das den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung unterliege (§ 56 Abs. 2 dieses Gesetzes). Die Anordnung von Gebäuden gegenüber den Nachbargrenzen werde durch die im Bebauungsplan festgelegte Bauweise bestimmt. Laut Verbauungsplan der Gemeinde Sölden sei für die gegenständliche Grundparzelle die offene Bauweise vorgesehen. Somit fänden gemäß § 56 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung die Abstandsbestimmungen dieses Verbauungsplanes Anwendung. Die Regelung dieses Bebauungsplanes in der offenen Bauweise sehe einen minimalen Grenzabstand von 4,00 m und einen Mindestgebäudeabstand von 8,00 m bei einer maximalen Traufenhöhe von 7 m vor. Infolge der geringen Größe des Bauplatzes könnten bei der geplanten baulichen Anlage diese Grenzabstände nicht erreicht werden. Nach Lage des Falles - es handle sich um einen Altbestand - dürften die Abstände zur Grundgrenze höchstens so gering sein, wie sie dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Sölden vom entsprächen, der sich seinerseits auf den rechtskräftigen Baubewilligungsbescheid vom stütze. Es müßten somit nur diejenigen Abstände zur Grundgrenze eingehalten werden, wie sie bis zum Brand im Jahre 1976 bestanden hätten, allerdings dies nur für den Fall, daß sich die Gebäudehöhe, wie sie im Bescheid vom festgelegt worden sei, nicht verändere. Durch den Hinweis auf den alten tatsächlichen Bestand sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Es komme nämlich auf den Rechtsbestand (laut Baubewilligungsbescheid vom : ein Untergeschoß, zwei Geschosse und ein vollausgebautes Dachgeschoß) und nicht auf den allfälligen Sachverhalt in der Natur bis zum Brand, Untergeschoß, drei Geschosse und vollausgebautes Dachgeschoß) an. Der Wortlaut des Bescheides vom lasse nicht die Auslegung zu, es sei damit eine allfällige bewilligungslose Bauführung für ein drittes Geschoß erteilt worden. Da die nunmehrigen Baupläne drei Geschosse statt, wie bisher, zwei Geschosse vorsähen, sei die Erteilung einer Baubewilligung mit Rücksicht auf die vorgegebenen Mindestabstände der Grundstücksgrenze unzulässig. Gleichzeitig wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Unterbrechung des Baubewilligungsverfahrens bis zur Entscheidung über ein einzubringendes abgeändertes Bauansuchen abgewiesen.
In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift unter Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird vorerst der Standpunkt vertreten, die belangte Behörde habe das vorliegende Bauansuchen zu Unrecht den Bestimmungen über Neubauten unterstellt, weil der Großteil des Altgebäudes in seinen äußeren Abmessungen erhalten geblieben sei, lediglich das Dachgeschoß durch Brand vernichtet worden sei und die bestehenden Umfassungsmauern für die Instandsetzung und Wiedererrichtung des teilweise zerstörten Gebäudes Verwendung gefunden hätten, ohne daß eine Änderung dieser Abmessungen des Gebäudes in den äußeren Umgrenzungen vorgenommen worden sei. Schon dieses Vorbringen führt im Ergebnis zum Erfolg der Beschwerde; dies aus folgenden Gründen:
Im Verfahren vor den Baubehörden erster und zweiter Instanz wurden keine Feststellungen darüber getroffen, in welchem Ausmaß das Gebäude durch den Brand zerstört wurde und inwieweit durch die Zerstörungen der umbaute Raum verlorenging. Das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Bauansuchen und die - allerdings kursorische - Darstellung des Geschehens in der Bauverhandlung deuteten darauf hin, daß lediglich Teile des umbauten Raumes durch den Brand verlorengingen. Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 5 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 42/1964, ist ein Neubau die Errichtung eines neuen Gebäudes, auch wenn nach Abtragung eines Gebäudes Teile dieses Gebäudes, wie Fundamente oder Mauern, wieder verwendet werden. Diese Definition deutet darauf hin, daß der Konsens eines Gebäudes durch die Abtragung - oder eine der Abtragung gleichzuhaltende Zerstörung durch einen Unglücksfall, wie etwa einen Brand - nur dann untergeht, wenn der umbaute Raum zur Gänze beseitigt ist und nur einzelne Teile, die nicht mehr raumbildend sind, für eine Wiederverwendung erhalten bleiben. Ein solcher Sachverhalt wurde aber weder von den in der Gemeindeebene tätigen Baubehörden noch von der belangten Behörde selbst festgestellt. Da die belangte Behörde die Nichtübereinstimmung des Bauansuchens mit der Rechtslage, und zwar durch Nichteinhaltung der im Bebauungsplan vorgesehenen Abstände daraus ableitete, daß ein Neubau vorliegt, für welchen die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung von 1974 Anwendung zu finden hätten, ohne daß entsprechende Feststellungen tatsächlicher Art vorgelegen wären, ist sie von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen und hat dadurch den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt.
Für den Standpunkt der belangten Behörde könnte auch nicht mit Erfolg ins Treffen geführt werden, daß die nunmehr geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Abstände auf den vorliegenden Baufall deswegen Anwendung fänden, weil es sich um eine Vergrößerung des Bauvolumens gegenüber der Instandsetzungsbewilligung vom handelte. Der Gerichtshof kann zwar auch der Meinung des Beschwerdeführers nicht beipflichten, daß die in den damals vorgelegten Bauplänen ausgewiesene Gebäudehöhe nicht Inhalt der baubehördlichen Bewilligung geworden wäre. Denn was den behaupteten Irrtum des Planverfassers anlangt, so hat ihn der Beschwerdeführer als Bauwerber, wenn er sich dieser Pläne bedient, zu vertreten. Im Bescheid ist aber, und zwar in den Punkten 1 und 2 der "baupolizeilichen Bedingungen", ausdrücklich auf den Plan Bezug genommen. Hingegen bezieht sich die Baubewilligung ausdrücklich auf die Durchführung von Instandsetzungsarbeiten nach Brandschaden. Eine solche Instandsetzungsbewilligung bedeutet nicht die unwiederbringliche Abänderung des ursprünglichen Baukonsenses, weil sie ja den Zweck einer Wiederherstellung des dem Konsens entsprechenden tatsächlichen Zustandes anstrebt; wird sie nicht ausgenützt, verliert sie nachträglich ihre Wirksamkeit (§ 35 TBO). Daher bleibt es dem Bauwerber unbenommen, für die Wiederinstandsetzung des Gebäudes ein weiteres, vom ursprünglichen Instandsetzungsvorhaben abweichendes Vorhaben zur baubehördlichen Bewilligung einzureichen, was allerdings, soll nicht ein Zuwiderhandeln gegen § 53 Abs. 1 lit. a der Tiroler Bauordnung vorliegen, vor der Bauausführung rechtskräftig bewilligt sein muß. Die Tiroler Bauordnung schließt aber auch die nachträgliche Bewilligung einer unbefugten Bauführung nicht aus, dies unbeschadet verwaltungstrafrechtlicher Folgen eines solchen Verhaltens. Die Baubehörden erster und zweiter Instanz hätten daher das Bauansuchen, welches letztlich zur Erlassung des nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides führte, nicht ohne weiteres als Ansuchen um neuerliche Abänderung des vermeintlich mit dem Bescheid vom abgeänderten Baukonsenses werten dürfen. Nur im letzteren Falle wäre wegen der Vergrößerung der Gebäudehöhe ein Aufbau im Sinne des § 3 Abs. 6 der Tiroler Bauordnung 1974 vorgelegen. Aus § 7 Abs. 1 und 5 dieses Gesetzes ergibt sich jedoch, daß bei einer bloßen Bauabänderung (§ 25 Abs. 6 TBO) - und einer solchen ist die Wiederinstandsetzung eines beschädigten Gebäudes ohne Vergrößerung des Bauvolumens, wenn nicht nach § 3 Abs. 5 oder Abs. 7 TBO die Voraussetzungen eines Neubaues oder eines Umbaues vorliegen, gleichzuhalten - die darin vorgesehenen Abstände nicht zwingend eingehalten werden müssen. Die Baubehörde zweiter Instanz hat nun eine Vergrößerung des Bauvolumens einerseits aus dem Instandsetzungsbewilligungsbescheid vom abgeleitet; daß dies nicht zutrifft, wurde bereits ausgeführt. Darüber hinaus wurde aber darauf verwiesen, daß nur die Wiederaufbau- und Instandsetzungsarbeiten im Ausmaß des vor dem Brand genehmigten Altbestandes bewilligt werden könnten, ohne daß entsprechende Feststellungen aus dem der Baubewilligung vom zugrunde gelegenen Plan getroffen worden wären. Sie leitete dabei die Überschreitung des Bauvolumens aus der Geschoßanzahl ab. Dem folgte auch die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides. Dieser Beurteilungsmaßstab ist jedoch unzutreffend. Sowohl die Tiroler Bauordnung von 1974 als auch der geltende Verbauungsplan legen nämlich eine in Metern bestimmte Gebäudehöhe fest. Bei einer solchen Regelung ist die Zahl der Geschosse für die Bemessung der Abstände - und nur darauf kommt es im vorliegenden Zusammenhang an - unerheblich, weil die Abstände ja der Wahrung eines bestimmten städtebaulichen Erscheinungsbildes und der Gewährleistung des Lichteinfalles dienen, was bei Festlegung einer in Metern bestimmten Gebäudehöhe von der Geschoßanzahl unabhängig ist. Es wäre daher richtigerweise die - nach den Grundsätzen des § 8 der Tiroler Bauordnung von 1974 zu beurteilende - Bauhöhe nach dem Bescheid vom der auf gleiche Art zu ermittelnden Bauhöhe nach den nunmehr vorliegenden Bauplänen gegenüberzustellen gewesen. Falls die nunmehr vorgesehene Bauhöhe die seinerzeit genehmigte nicht überschreitet, hätte eine Vergrößerung der Abstände nicht als Voraussetzung einer Baubewilligung gewertet werden dürfen. Auf den tatsächlichen Zustand vor dem Brand kommt es allerdings entgegen der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren gelegentlich vertretenen Auffassung nicht an, weil ein konsenslos hergestellter oder vom Konsens abweichender Zustand keine Rechte für ein künftiges Verfahren zu begründen vermag. Die belangte Behörde ist jedoch gleichfalls von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen und hat damit den Beschwerdeführer auch insoweit in seinen Rechten verletzt.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Damit ist es entbehrlich, auf das weitere, insbesondere das Verfahren betreffende Vorbringen in der Beschwerde und das darauf bezughabende Vorbringen in der Gegenschrift einzugehen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in der vorzitierten Fassung und die Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Das Mehrbegehren an Stempelgebühren war abzuweisen, weil für die drei Beschwerdeausführungen richtigerweise nur je S 70,-- und für die drei Beilagen nur je S 20,-- Bundesstempel beizubringen gewesen wären, jedoch nur die notwendigen Stempelgebühren zu ersetzen sind.
Wien, am
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Normen | BauO Tir 1974 §25 litb; BauO Tir 1974 §3 Abs5; BauO Tir 1974 §7 Abs1; BauRallg impl; |
Schlagworte | Baubewilligung BauRallg6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1977001559.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-55283