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VwGH 19.06.1980, 1532/78

VwGH 19.06.1980, 1532/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Wird bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, ohne daß die Abgabenbehörde ein Leistungsgebot erläßt, die Gebühr von einem der Gesamtschuldner entrichtet, steht dem Vertragspartner (Mitschuldner) kein Anspruch gegen die Abgabenbehörde auf Erlassung eines Gebührenbescheides zu.

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

AnwBl 1981/4, S 177;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Raschauer und die Hofräte Dr. Seiler, Dr. Grossmann, Dr. Schubert und Dr. Wetzel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der AW in S, vertreten durch den zur Verfahrenshilfe bestellten Rechtsanwalt Dr. Georg Grießer in Wien I, Wollzeile 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11-1070/3/78, betreffend Rechtsgebühr, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Georg Grießer, und des Vertreters der belangten Behörde, Oberrat Mag. CP, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 1.900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin hatte laut Kreditzusage vom bzw. Annahmeerklärung vom  mit der Sparkasse in X einen Kreditvertrag über einen Kontokorrentkredit in Höhe von S 110.000,-- mit einer Laufzeit "bis auf weiteres" abgeschlossen. Da dieser Kreditvertrag am noch bestanden hat, ist zufolge Art. II Abs. 2 der Gebührengesetz-Novelle 1976, BGBl. Nr. 668, die Gebührenpflicht für diesen Vertrag gemäß § 33 TP 19 Abs. 1 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267, in der Fassung der zitierten Novelle (GebG), eingetreten. Dementsprechend hat die Kreditgeberin, die Sparkasse in X, der das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien für die in ihrem Betrieb abzuschließenden Kredit- und Darlehensverträge eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 4 GebG erteilt hatte, die Gebühr für den gegenständlichen Kreditvertrag selbst berechnet und im Betrag von S 1.650,-- an das Finanzamt am überwiesen. Schon vorher hatte die Sparkasse den für den Kreditvertrag zu entrichtenden Gebührenbetrag dem Konto der Beschwerdeführerin angelastet.

Mit einem als "Einspruch" bezeichneten Schreiben vom hatte die Beschwerdeführerin beim Finanzamt den Antrag gestellt, ihr einen Bescheid über die Kreditgebühr zu erteilen, ihr die "überwiesene Kreditgebühr" zurückzuerstatten und "überhaupt die Aufhebung dieser Kreditgebühr" vorzunehmen.

Mit zwei Bescheiden vom wies das Finanzamt die Begehren nach Aufhebung der Kreditgebühr und Erstattung derselben als unbegründet ab und den Antrag auf Erlassung eines Gebührenbescheides als unzulässig zurück. Die Abweisung begründete die Abgabenbehörde erster Instanz im wesentlichen damit, daß kein Leistungsgebot zur Entrichtung einer Gebühr an die Beschwerdeführerin ergangen und überdies auch von der Beschwerdeführerin keine derartige Gebühr entrichtet worden sei. Es biete sich daher keine gesetzliche Handhabe zu einer Aufhebung eines Leistungsgebotes oder zur Rückzahlung eines von der Beschwerdeführerin entrichteten Betrages. Bezüglich der Zurückweisung führte die Abgabenbehörde aus, es könne weder aus den Vorschriften des Gebührengesetzes 1957 noch aus den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung ein Recht der Beschwerdeführerin auf Zustellung eines Abgabenbescheides abgeleitet werden.

In der gegen beide Bescheide erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sie für den streitgegenständlichen Kreditvertrag schon anläßlich seiner Errichtung eine Rechtsgebühr entrichtet habe. Die Beschwerdeführerin schulde daher dem Staat bzw. dem Finanzamt keine weitere Kreditvertragsgebühr.

Mit zwei Berufungsvorentscheidungen vom wies das Finanzamt beide Berufungen als unbegründet ab. Diese Berufungsvorentscheidungen gehören jedoch nicht mehr dem Rechtsbestand an, weil die Beschwerdeführerin den Antrag stellte, ihre Rechtsmittel der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Mit zwei Bescheiden vom wies die belangte Behörde die Berufungen der Beschwerdeführerin in Angelegenheit des Antrages auf Erlassung eines Bescheides und in Angelegenheit der Rückerstattung einer Kreditgebühr gleichfalls als unbegründet ab. In der Begründung des ersteren Bescheides wies die belangte Behörde zunächst darauf hin, das Finanzamt habe den im Schreiben der Beschwerdeführerin vom gestellten Antrag auf Erlassung eines Bescheides so verstanden, daß es einen Abgabenbescheid über eine Gebühr gemäß § 33 TP 19 GebG in Höhe des dem Konto der Beschwerdeführerin bei der Sparkasse angelasteten Betrages von S 1.650,-- erlassen solle. Bei diesem Betrag handle es sich jedoch offenbar um eine Forderung, die die Sparkasse gegenüber der Beschwerdeführerin geltend gemacht habe und nicht um eine Forderung der Abgabenbehörde an die Beschwerdeführerin. Es fehle daher sowohl an einem Anlaß als auch an jeglicher gesetzlichen Handhabe, einen Abgabenbescheid über den in Rede stehenden Betrag an die Beschwerdeführerin zu richten. Das Finanzamt habe daher den diesbezüglichen Antrag mit Recht zurückgewiesen.

Nur gegen diese Berufungsentscheidung vom , GZ. GA 11-1070/3/78, richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung erwogen:

Im vorliegenden Fall besteht zwischen den Parteien des Abgabenverfahrens kein Streit über jenen Sachverhalt, der die Beschwerdeführerin zu ihrem Antrag auf Erlassung eines Bescheides veranlaßt hat. Die Meinungen der Parteien divergieren lediglich in der Frage, ob dieser Sachverhalt die Beschwerdeführerin zu diesem Antrag berechtigt hat bzw. auf Grund welcher gesetzlichen Bestimmung die Abgabenbehörde im Beschwerdefall verpflichtet sein konnte, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erlassung eines Gebührenbescheides zu entsprechen. Zur Begründung ihres Anspruches auf Erlassung des von ihr geforderten Bescheides stützt sich die Beschwerdeführerin in ihrer schriftlichen Beschwerde auf die Bestimmungen der §§ 28, 30 und 31 GebG sowie der §§ 92 und 199 BAO. Ungeachtet der Möglichkeit, einem Gebührenschuldner die Selbstberechnung der Gebühr gemäß § 3 Abs. 4 GebG einzuräumen, seien gemäß § 28 GebG bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften beide Vertragsteile als Gesamtschuldner der Gebühr anzusehen. Demnach hätten auch beide am Rechtsgeschäft beteiligten Personen einen Anspruch auf Erteilung eines Abgabenbescheides. Überdies bestimme § 31 Abs. 2 GebG, daß alle am Rechtsgeschäft beteiligten Personen zur Gebührenanzeige verpflichtet seien und gemäß § 30 leg. cit. für die Gebühr haften. Aus § 92 Abs. 1 BAO im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 199 BAO leitet die Beschwerdeführerin schließlich ab, daß in jenen Fällen, in welchen mehrere Personen als Gesamtschuldner zur Entrichtung einer Abgabe verpflichtet sind, ein einheitlicher Abgabenbescheid erlassen werden könne. Daraus resultiere die Rechtsfolge, daß ein Anspruch der Parteien auf die Erlassung eines solchen Bescheides bestehe.

Dieser Ansicht der Beschwerdeführerin kann der Verwaltungsgerichtshof nicht beipflichten. Die Beschwerdeführerin übersieht nämlich, daß die von ihr zitierten Gesetzesbestimmungen nur in jenen Fällen zur Anwendung kommen können, in denen die Abgabenbehörde eine Gebühr zur Vorschreibung zu bringen hat. Im Beschwerdefall hat aber die Sparkasse, der Vertragspartner der Beschwerdeführerin, in ihrer Eigenschaft als Gebührenschuldner von dem ihr bescheidmäßig zuerkannten Recht Gebrauch gemacht, die Rechtsgeschäftsgebühr für den mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Kreditvertrag gemäß § 3 Abs. 4 GebG selbst zu berechnen und dem Finanzamt abzuführen. Bevor also noch die Abgabenbehörde von dem anzeigepflichtigen Tatbestand Kenntnis erlangt hat, war von der Sparkasse, also einem der Gebührenschuldner, die aufgelaufene Gebühr errechnet und in der Folge auch abgeführt worden, ohne daß die Abgabenbehörde ein Leistungsgebot erlassen mußte. Der belangten Behörde ist daher beizupflichten, wenn sie im Hinblick auf § 201 BAO die Meinung vertritt, daß im vorliegenden Fall ein Abgabenbescheid - und dieser auch nur gegen die Sparkasse - dann zu erlassen gewesen wäre, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet war, unterlassen hätte oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erwiesen hätte. Im konkreten Fall kommt es aber gar nicht so sehr darauf an, daß die Sparkasse auf Grund des ihr bescheidmäßig zuerkannten Rechtes, die Gebühr gemäß § 33 TP 19 GebG für den mit der Beschwerdeführerin abgeschlossenen Kreditvertrag gemäß § 3 Abs. 4 GebG selbst zu berechnen, diese Gebühr an das Finanzamt abgeführt hat, weil keine gesetzliche Vorschrift besteht, die die Abgabenbehörde verpflichten würde, bei Vorliegen eines Gesamtschuldverhältnisses nach Bezahlung der Schuld durch einen der Schuldner einen Gebührenbescheid gegen den Mitschuldner zu erlassen. Die hier allein rechtlich bedeutsame Frage, ob bei Vorliegen eines zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäftes der die Gebühr entrichtende Vertragspartner diese von seinem Vertragspartner ersetzt verlangen kann, ist nicht Gegenstand des Abgabenverfahrens, weil nicht auf Grund eines gegen die Beschwerdeführerin gerichteten Leistungsgebotes der Abgabenbehörde die Gebühr von der Sparkasse abgeführt worden ist. Die Sparkasse hat die Gebühr, ohne dazu von der Abgabenbehörde mittels Bescheid verhalten worden zu sein, entrichtet, weshalb über die für den Kreditvertrag entrichtete Gebühr kein der Rechtskraft fähiger Abspruch der Abgabenbehörde besteht. Über die Rechtsbeziehungen der Sparkasse und der Beschwerdeführerin, die privatrechtlicher Natur sind, können aber im Falle von Streitigkeiten nur die ordentlichen Gerichte entscheiden. Der vom Beschwerdevertreter in der mündlichen Verhandlung erwähnten Vorschrift des § 240 Abs. 3 BAO läßt sich der vorliegende Fall schon mangels eines entsprechenden Tatbestandes nicht unterstellen. Da sohin die von der Beschwerdeführerin zur Darlegung ihres Anspruches auf Erlassung eines Bescheides angezogenen Gesetzesbestimmungen mangels Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin durch die Abgabenbehörde im konkreten Fall nicht zur Anwendung kommen können, erübrigten sich weitere Erörterungen.

Da somit keine der von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen vorliegt und auch keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften festgestellt werden konnte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 316/1976 als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1978001532.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-55210