VwGH 25.05.1964, 1529/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Ein Zollbetrag, hinsichtlich dessen die Zollschuld rechtskräftig erlassen (nachgelassen) wurde, kann nicht mehr in die Bemessungsgrundlage der Ausgleichsteuer für die Einfuhr derselben Ware einbezogen werden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Porias, und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Klecatsky, Dr. Skorjanec und DDr. Brunner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Holler, über die Beschwerde der Firma S Aktiengesellschaft in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA X-2795/63, betreffend Ausgleichsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde für eine von der Beschwerdeführerin als Verfügungsberechtigte in das Zollgebiet eingeführte Kunstharzspritzmaschine mit elektrischem Motor und eine dazugehörige Pumpe mit elektrischem Motor ein Ausgleichsteuerbetrag in der Höhe von S 87.122,-- vorgeschrieben. Dieser Betrag wurde nach einem Satz von 5,25 v.H. der Ausgleichsteuerbemessungsgrundlage in der Höhe von S 1,659.462,-- berechnet, wobei diese Bemessungsgrundlage wie folgt angenommen wurde:
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Fakturierter Wert ab Werk | S 1 415 823,-- |
Zoll | S 229 104,-- |
Zoll | S 6 985,-- |
ausländische Fracht | S 7 550,-- |
S 1 659 462,-- | |
Der in dieser Rechnung eingesetzte Zollbetrag von S 229.104,--
war vom Zollamt Bad Vöslau bei Abfertigung der Ware im Hinblick auf die gemäß der Anmerkung 5 zum Kapitel 84 des Zolltarifes, BGBl. Nr. 74/1958, zu erwartende Zollbegünstigung gestundet, der restliche Zollbetrag von S 6.985,-- hingegen eingehoben worden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:
Strittig ist, ob der Zollbetrag von S 229.104,-- in die Ausgleichsteuerbemessungsgrundlage einzubeziehen war oder nicht. Die belangte Behörde ist der ersten, die Beschwerde der zweiten Meinung. Mit einem ohne Aufforderung erstatteten, vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 12 Abs. 4 VwGG 1952 und Art. 16 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes in das Verfahren einbezogenen Schriftsatz vom hat der Beschwerdeführer die Erledigung des Zollamtes Bad Vöslau vom , Zl. 1485/62, vorgelegt, die folgenden Wortlaut hat:
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"Stundungspost | 68/62/BV vom gelöscht. |
Zoll | S 229.104,-- |
ant. ASt | S --- |
Zus. | S 229.104,-- (in Worten: zweihundertneunundzwanzigtausendeinhu ndertvier) |
erlassen.
Der Zoll für die ggstdl. Ware (KHZ Spritzgußmaschine + Pumpe) wird im Namen des Bundesministeriums für Finanzen auf Grund der Anmerkung 5 zum Kapitel 84 des Zolltarifes 1958 in Verbindung mit dem Erlass des BmfF vom , Zahl 32.000 - 13/1961 antragsgemäss erlassen. Lt. Gutachten des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom Zahl 327.513 wird genannte Ware im Inland nicht erzeugt.
Gutachten abgeschrieben, erschöpft und der Verzollungsurschrift angeschlossen.
Erlassener Zollbetrag zollstatistisch gemeldet." Der Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde mit einer auf § 36 Abs. 8 VwGG 1952 gegründeten Verfügung vom aufgefordert, hiezu Stellung zu nehmen. In ihrer Stellungnahme hat die belangte Behörde den Bescheidcharakter der Erledigung des Zollamtes Bad Vöslau vom mit der Begründung bestritten, daß die Erledigung nicht die gemäß § 93 BAO vorgeschriebenen Formerfordernisse aufweise. In einer Berufungsvorentscheidung vom habe das Zollamt Bad Vöslau ausdrücklich nur "nachrichtlich bekanntgegeben", daß der Zoll "nachträglich erlassen wird". Der bescheidmäßige Erlaß des Zollbetrages von S 229.104,-- sei erst mit einem im Namen des Bundesministeriums für Finanzen erlassenen Bescheid des Zollamtes Bad Vöslau vom erfolgt. Der Verwaltungsgerichtshof vermochte indes der Behauptung der belangten Behörde, die wiedergegebene Erledigung des Zollamtes Bad Vöslau vom sei nicht als Bescheid anzusprechen, nicht zu folgen. Der Inhalt dieser Erledigung spricht eindeutig für ihren Bescheidcharakter. Das bestreitet auch die belangte Behörde nicht. Daß aber die Erledigung nicht den Formerfordernissen des § 93 BAO entspricht, mag eine Nachlässigkeit des Zollamtes darstellen, doch kann diese behördliche Nachlässigkeit einmal nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden und zum zweiten hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß formale Kriterien nach Art der dem Bescheid des Zollamtes vom fehlenden nur unwesentlich sind. In der von der belangten Behörde bezogenen Bestimmung des § 93 BAO werden folgende Formerfordernisse des Bescheides festgelegt:
1) Bescheidbezeichnung (§ 93 Abs. 2), 2) Spruch (§ 93 Abs. 2), 3) Begründung (§ 93 Abs. 3 lit. a), 4) Rechtsmittelbelehrung (§ 93 Abs. 3 lit. b). Daß das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid dann unwesentlich ist, wenn der rechtliche Charakter der Erledigung ihrem Inhalt nach als Bescheid feststeht, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 1390/A, und der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1787, ausgesprochen. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 2291/A, ist für den Bescheidcharakter einer behördlichen Willenserklärung in erster Linie maßgebend, ob sie einen die zur Entscheidung stehende Rechtssache bindend regelnden Spruch enthält, der in Rechtskraft erwachsen kann; mit diesem Wesensmerkmal steht und fällt jeder Bescheid im materiellen wie im verfahrensrechtlichen Sinn; demgegenüber sind die weiteren in den §§ 58 bis 60 AVG 1950 aufgezählten Erfordernisse der inneren Form eines Bescheides nicht so wesentlich, daß deren Mangel einem Bescheid, der einen der Rechtskraft fähigen Spruch enthält, die Rechtsnatur eines Bescheides zu entziehen vermöchte. Es sind aber die im § 93 BAO festgesetzten Formerfordernisse eines Bescheides auch im § 58 Abs. 1 AVG 1950 normiert. In der Regierungsvorlage der nachmaligen Bundesabgabenordnung, 228 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, IX. GP., heißt es ausdrücklich zu § 93: "Im § 93 sollen die Erfordernisse eines schriftlichen Bescheides in weitgehender Anlehnung an die Bestimmungen der §§ 58 bis 61 AVG umschrieben werden, wobei jedoch an den im Abgabenverfahren bewährten Bestimmungen über die Rechtsmittelbelehrung festgehalten werden soll." Somit erlangt für die Auslegung des § 93 BAO die bezeichnete Rechtsprechung zum Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 gleicherweise Bedeutung. Daß schließlich das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung für sich allein nicht einmal einen tauglichen Anfechtungsgrund bilden kann, ergibt sich aus § 93 Abs. 4 BAO, wonach bei Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt wird (vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 17.432/A, und vom , Slg. N. F. Nr. 164/A). Dazu kommt auch noch der von der belangten Behörde selbst erwähnte Umstand, daß in der Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Bad Vöslau vom folgendes ausdrücklich gesagt wurde: "Nachrichtlich wird bekanntgegeben: Der Zoll für die unter der genannten ERP abgefertigte Ware wird auf Grund nachträglicher Vorlage eines Gutachtens der Kommission beim Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau vom , Zl. 327.513, über die Nichterzeugung einer Kunstharzspritzgußmaschine im Inland im Namen des Bundesministeriums für Finanzen im Sinne der Anmerkung 5 zu Kapitel 84 in Verbindung mit Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom , Zl. 32.000/13/61, nachträglich erlassen. Die Stundungspost 68/62 vom wurde gelöscht." Es hieß hier also ausdrücklich, daß die "Stundungspost 68/62 vom gelöscht wurde." Diese Ausdrucksweise ließ keine andere Deutung zu, als daß der Erlaß des gestundeten Zollbetrages schon vollzogen war. Angesichts dieser Umstände könnte der Verwaltungsgerichtshof der Erledigung des Zollamtes Bad Vöslau vom nicht den Bescheidcharakter absprechen, ohne den auch von Behörden gegenüber den Parteien zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben grob zu verletzen. War aber die Erledigung des Zollamtes Bad Vöslau vom als bescheidmäßiger Erlaß des gestundeten Zollbetrages von S 229.104,-- zu werten, so folgt daraus für die weitere Behandlung der Beschwerde, daß im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eben der bezeichnete Zollbetrag rechtskräftig erlassen und daher von der Beschwerdeführerin von Rechts wegen nicht zu entrichten war.
Gemäß § 6 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz 1959, BGBl. Nr. 300/1958, wird die Ausgleichsteuer nach dem Erwerbspreis oder, wenn dieser nicht nachgewiesen werden kann oder nicht vorhanden ist, an dessen Stelle nach dem Wert der eingeführten Ware bemessen, Nach § 6 Abs. 3 UStG 1959 ist dem Erwerbspreis oder dem Wert auch der auf die Ware "tatsächlich entfallende Betrag an Zoll" hinzuzurechnen. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides entfiel "tatsächlich" der Zollbetrag von S 229.104,-- nicht auf die eingeführte Ware, weil er - wie eben dargetan - durch einen rechtskräftigen Bescheid erlassen war. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides geäußerte Auffassung, daß die Ausgleichsteuerbemessungsgrundlage nach dem ursprünglichen Zollbescheid unter Außerachtlassung des Bescheides vom zu berechnen gewesen sei, steht mit § 6 Abs. 3 UStG 1959 schon deshalb nicht im Einklang, weil in dieser Bestimmung nicht einfach von dem im Zollbescheid festgesetzten Zollbetrag, sondern von dem "tatsächlich" auf die Ware entfallenden Zollbetrag die Rede ist. Das Wort "tatsächlich" bleibt bei der Auslegung der belangten Behörde sinnlos. Wie der Verwaltungsgerichtshof aber in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 56/63, vom , Zl. 1211/61, und vom , Zl. 789/63) erkannt hat, ist es ein selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz, daß Rechtsvorschriften nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie inhaltslos werden.
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3086 F/1964 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963001529.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-55200