VwGH 14.02.1978, 1518/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Ausführungen zur Frage der Parteistellung (hier: Anrainer Kernkraftwerk Zwentendorf) Hinweis auf B v. , 709/61, VwSlg 5567 A/1961 und E vom , 429/73, VwSlg 8498 A/1973) |
Normen | BauO NÖ 1976 §118 Abs8; BauO NÖ 1976 §118 Abs9; BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2; |
RS 2 | Die Begriffe "Nachbar" und "Anrainer" sind so zu verstehen, daß als Anrainer nicht nur die unmittelbaren "Anrainer", mit denen eine gemeinsame Grenze (Rain) besteht, sondern die Nachbarn schlechthin Parteistellung genießen. "Nachbarschaft" in diesem Sinne geht so weit, als die schädlichen Einflüsse wirken können, die von dem betreffenden Bauvorhaben ausgehen. |
Norm | BauO NÖ 1976 §118 Abs8; |
RS 3 | Die Worte "berührt werden" in § 118 Abs 8 NÖ BauO sind als "verletzt werden" zu verstehen; es kommt auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung an. |
Normen | BauO NÖ 1976 §1 Abs2; BauO NÖ 1976 §118 Abs9; StrSchG 1969 §1; StrSchG 1969 §5; |
RS 4 | Der Umstand, daß eine in Vollziehung des StrahlenschutzG getroffene Maßnahme möglicherweise geeignet ist, von Sachen Gefahren abzuwehren, vermag die Parteistellung nach der NÖ BauO nicht zu berühren. |
Entscheidungstext
Beachte
Besprechung in:
ÖVA 1978/2, S 45;
Der Staatsbürger 1978/6, S 2/3, 22/23;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Hrdlicka, Dr. Straßmann, Dr. Draxler und Onder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weitzer, über die Beschwerde 1) des Prof. MF in S, 2) des LP in W und 3) des HP in P, sämtliche vertreten durch Dr. Ernst Zörnlaib, Rechtsanwalt in Wien XVIII, Cottagegasse 39, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/2-381/7-1977, betreffend Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 118 Abs. 8 der Bauordnung für Niederösterreich (mitbeteiligte Partei:
Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld Ges.m.b.H., vertreten durch Direktor FS in W), nach am durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Ernst Zörnlaib, des Vertreters der belangten Behörde, Oberregierungsrat Dr. GF, sowie des Vertreters der mitbeteiligten Partei, FS, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 7.170,-- (§ 53 Abs. 1 VwGG 1965) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der Beschwerdeführer wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom wies die Niederösterreichische Landesregierung als die gemäß § 116 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 im Zusammenhalt mit der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom , LGBl. 1090/1-0, zuständige Baubehörde zur Errichtung von Baulichkeiten durch das Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld GesmbH (GKT) die unter anderen auch von den Beschwerdeführern unter Bezugnahme auf den Inhalt der Bestimmungen des § 100 Abs. 4 Z. 4 und Z. 5 der NÖ Bauordnung gestellten Anträge auf Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung im Zusammenhang mit dem baubehördlichen Bewilligungsverfahren zur Errichtung von Baulichkeiten durch die Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld GesmbH (GKT) in Zwentendorf ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es hätten gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 alle Grundeigentümer im Bauverfahren als Anrainer Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, würden sie (durch ein Bauvorhaben) in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Es sei daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Beschwerdeführer als Grundeigentümer durch das vorerwähnte Bauvorhaben im Hinblick auf die räumliche Nähe ihrer Grundstücke zu diesem oder durch sonstige in den materiell-rechtlichen Vorschriften der Bauordnung für NÖ zu schützenden subjektivöffentlichen Anrainerrechten berührt würden. Wenn im Antrag ausgeführt werde, daß durch den Normalbetrieb des Kernkraftwerkes eine Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse im Sinne des § 100 Abs. 4 Z. 4 der NÖ Bauordnung durch radioaktive Emissionen zu erwarten sei und daher den Beschwerdeführern vor allem im Hinblick auf die räumliche Nähe der Lage ihrer Grundstücke zum Bauvorhaben die Parteistellung im Bauverfahren zukomme, könne sich die belangte Behörde als Baubehörde dieser Auffassung nicht anschließen, da es sich bei der behaupteten Beeinträchtigung durch radioaktive Abstrahlungen nicht um solche subjektiv-öffentliche Anrainerrechte handle, die in den Vorschriften der NÖ Bauordnung begründet und durch sie geschützt seien. Zur Wahrnehmung der Belange des Strahlenschutzes sei nach den Bestimmungen des Strahlenschutzgesetzes nicht die Baubehörde, sondern das Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz als Strahlenschutzbehörde zuständig. Im übrigen hätten die eingeholten Gutachten des technischen und des ärztlichen Sachverständigen ergeben, daß die widmungsgemäße Verwendung der Grundstücke der Beschwerdeführer durch das in Rede stehende Bauvorhaben nicht wesentlich erschwert würde. Im Hinblick darauf, daß zweifellos durch das Bauvorhaben subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer, die durch die Bestimmungen der Bauordnung für NÖ geschützt würden, nicht berührt würden, sei ihr Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung im Verfahren betreffend die Errichtung von Baulichkeiten durch die GKT in Zwentendorf abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung einer Verhandlung erwogen hat:
Nach dem Inhalt ihrer an die belangte Behörde gerichteten Anträge "auf Zuerkennung der Parteistellung gemäß § 118 der Bauordnung für NÖ und zwar im vollen Umfang des § 8 AVG" erachten sich die Beschwerdeführer "als Anrainer der wie immer gearteten Bauwerke bzw. Bauten, welche von der Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld Ges.m.b.H. (GKT) im Standort Zwentendorf zum Zwecke des Betriebes einer nach dem Strahlenschutzgesetz zu beurteilenden Anlage projektiert wurden und derzeit im Bau befindlich sind". Sie führen weiter aus, daß die geltende Bauordnung für NÖ die Bewilligung eines Bauvorhabens in den Bestimmungen des § 100 Abs. 4 Z. 5 u.a. versage, wenn das Bauvorhaben die sanitären Verhältnisse beeinträchtige, "oder aber gemäß lit. 4", wenn die Verwendung des Grundstückes dadurch wesentlich erschwert werde. Was die im Sinne des § 100 der BO normierte Beeinträchtigung der sanitären Verhältnisse anlange, könne als bereits allgemein bekannt vorausgesetzt werden, daß eine solche Beeinträchtigung mit den radioaktiven Emissionen des Kernkraftwerkes - und zwar nicht nur im Falle eines gestörten Betriebes oder gar im Katastrophenfalle - unvermeidbar verbunden sei, "sondern auch durch die Emissionen der mit dem Betriebe spezifisch verbundene Art, im 'Normalbetrieb' kontinuierlich anzunehmen seien".
Wenn die mitbeteiligte Partei meint, es sei den Beschwerdeführern im gegenständlichen Verwaltungsverfahren (Baubewilligungsverfahren) nicht die Berechtigung zur Antragstellung auf Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber zugekommen, ob sie Parteistellung hätten, ist ihr entgegenzuhalten, daß das Begehren auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über die Parteistellung oder auf Zuerkennung der Parteistellung - so lautete der Antrag - in einem bestimmten Verwaltungsverfahren an sich durchaus zulässig ist (siehe Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 5567/A, und die dort angeführte Literatur, vor allem aber das über eine Säumnisbeschwerde ergangene Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 8498/A, das eine allerdings negative Sachentscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung enthält). Es kann daher der Ansicht der mitbeteiligten Partei, es sei der diesbezügliche Antrag der Beschwerdeführer von der belangten Behörde als unzulässig zurückzuweisen und nur auf einen hier nicht gestellten Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides sachlich einzugehen gewesen (daher aber offenbar die Beschwerde als unbegründet abzuweisen), nicht gefolgt werden.
Obwohl die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid keinerlei Feststellungen darüber getroffen hat, wie weit die Liegenschaften der Beschwerdeführer von dem in Rede stehenden Bauvorhaben entfernt sind, hat die mitbeteiligte Partei in der Verhandlung auch noch vorgebracht, es seien die Liegenschaften der Beschwerdeführer vom Kernkraftwerk Tullnerfeld derartig weit entfernt, daß von den Beschwerdeführern nicht mehr von Anrainern im Sinne der NÖ Bauordnung gesprochen werden könne. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die Begriffe "Nachbar" und "Anrainer" angesichts der Bestimmungen der §§ 92 Abs. 1 Z. 2 (Bewilligungspflicht im Falle der möglichen Verletzung von Nachbarrechten) und 118 Abs. 8 und Abs. 9 so zu verstehen sind, daß als Anrainer im Sinne der Bestimmung des 118 Abs. 8 leg. cit. nicht nur die unmittelbaren Anrainer (mit denen eine gemeinsame Grenze/Rain/ besteht), sondern die Nachbarn schlechthin Parteistellung genießen. Nachbarschaft in diesem Sinne geht jedenfalls so weit, als die schädlichen Einflüsse, die von dem betreffenden Bauvorhaben ausgehen, wirken können. Auch "räumliche Nähe" (§ 118 Abs. 9 NÖ Bauordnung) erweist sich als flexibler Begriff, der nach der offenkundigen Zielsetzung des Gesetzes so weit reicht, wie jene schädliche Auswirkung, zu deren Abwehr eine konkrete Bestimmung in der NÖ Bauordnung enthalten ist.
Gemäß § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung genießen alle Grundstückseigentümer als Anrainer (in dem oben erläuterten erweiterten Sinn) Parteistellung gemäß § 8 AVG 1950, wenn sie in ihren subjektiven öffentlichen Rechten berührt werden. Die unterstrichenen Worte müssen im Sinne von "verletzt werden können", also so verstanden werden, daß es auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ankommt. Die Verletzung von Rechten kann nämlich nicht Voraussetzung der Parteistellung sein. Die Parteistellung dient ja hier gerade der Beteiligung an einem Verfahren, in dem unter anderem das Eintreten einer Rechtsverletzung geprüft wird. Es ist also verfehlt, den Mangel der Parteistellung, wie die belangte Behörde das getan hat, unter anderem damit zu begründen, daß die widmungsgemäße Verwendung der Grundstücke der Antragsteller durch das Bauvorhaben nicht wesentlich erschwert werde. Hierin liegt eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil erschlossen werden kann, daß die Worte "berührt werden" als "verletzt werden" verstanden wurden. (§ 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965).
Aus § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung erwachsen subjektive Rechte nur in Zusammenhang mit denjenigen konkreten Vorschriften, welche nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Anrainern dienen und die im Gesetz durch die Anführung der Gesichtspunkte, die hier in Betracht kommen (§ 118 Abs. 9 Z. 1 - 4), in einer nicht taxativen Aufzählung erläutert werden. Im gegebenen Zusammenhang kommen als konkrete Vorschriften § 62 Abs. 2 in Verbindung mit § 100 Abs. 4 Z. 5 der NÖ Bauordnung in Betracht.
Hiezu ist aber festzustellen, daß derjenige, der die Zuerkennung der Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren beansprucht, mangels entsprechender gesetzlicher Anordnung nicht in demselben Ausmaß zur Bestimmtheit bei der Darlegung seiner Rechte verpflichtet sein kann, als der dem Verfahren bereits beigezogene Nachbar, der konkrete Einwendungen zu erheben und sie im Rahmen der Mitwirkungspflicht am Verfahren zu begründen hat.
Die Beschwerdeführer haben ihren Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung auf § 100 Abs. 4 lit. 4 und 5 sowie auf § 118 der NÖ Bauordnung gestützt und damit begründet, daß sie als Anrainer durch das gegenständliche Bauvorhaben in ihren subjektivöffentlichen Rechten insoweit berührt würden, als diese Rechte in den Bestimmungen der NÖ Bauordnung begründet seien. Sie haben allerdings vor allem den Standpunkt vertreten, daß im Zusammenhang mit § 118 Abs. 9 Z. 3 leg. cit. (sanitäre Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung) die Beeinträchtigung durch die radioaktiven Emissionen des Kernkraftwerkes zu beachten seien. Die Beschwerdeführer gehen zwar davon aus, daß auch eine Bewilligung nach § 5 Abs. 1 des Strahlenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 227/1969, erforderlich sei, betonen jedoch, daß das Strahlenschutzgesetz für Gewerbebetriebe die Bewilligung nach der Gewerbeordnung vorsehe (§ 5 Abs. 2 leg. cit.); überdies bedürften Anlagen im Sinne des Abs. 1 des § 5 des Strahlenschutzgesetzes, die im Rahmen der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Luft- und Schiffsverkehrs sowie auf dem Gebiete des Post- und Telegraphenwesens betrieben werden sollen, sofern sie auf Grund der vorangeführten Rechtsvorschriften genehmigungspflichtig sind, keiner gesonderten Bewilligung nach dem Strahlenschutzgesetz; die auf den angeführten Gebieten nach den für diese maßgeblichen Rechtsvorschriften erteilten Genehmigungen gelten auch als Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 des Strahlenschutzgesetzes. Aus all dem wird von den Beschwerdeführern abgeleitet, daß dem Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz (und den anderen im Strahlenschutzgesetz für zuständig erklärten Behörden) keine "Monopolstellung" in Fragen des Strahlenschutzes zukomme und daß daher auch anzunehmen sei, daß die Baubehörde bei der Prüfung der sanitären Verhältnisse den Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Menschen vor Schäden durch ionisierende Strahlen zu bewerkstelligen hätte.
Gemäß § 1 Abs. 1 der NÖ Bauordnung gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes für bauliche Vorhaben aller Art ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck. Dementsprechend ist auch die Zuständigkeit der Baubehörde zur Erteilung der Baubewilligung für das gegenständliche Bauwerk an sich unbestritten. Im Abs. 2 desselben Paragraphen wird aber gesagt, daß durch dieses Gesetz weder die Zuständigkeiten des Bundes, noch jene Vorschriften berührt werden, wonach für ein bauliches Vorhaben eine andere Bewilligung zu erwirken ist. Das Strahlenschutzgesetz wurde, wie sich aus dessen § 1 und aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , K II-2/59, Slg. Nr. 3650, Kundmachung vom , BGBl. Nr. 47/1960, ergibt, auf Grund des Kompetenztatbestandes "Gesundheitswesen" erlassen. Der Rechtsatz des angeführten Erkenntnisses lautet: Der allgemeine Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gegen Schäden durch ionisierende Strahlen ist eine Angelegenheit, in der gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG (Gesundheitswesen) die Gesetzgebung und die Vollziehung dem Bund zusteht. Insoweit es sich um den hier umschriebenen Bereich handelt, ist der Verwaltungsgerichtshof angesichts des Abs. 2 des § 1 der NÖ Bauordnung (Argument: "Zuständigkeiten des Bundes") nicht der Meinung der Beschwerdeführer, daß sich unter dem Gesichtspunkt der sanitären Rücksichten eine Überschneidung in dem Sinn ergeben könnte, daß die Baubehörden konkurrierend mit den betreffenden Bundesbehörden zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen vor diesen Gefahren berufen wären. Es kann nämlich nicht gesagt werden, daß in der Baurechtskompetenz eine bestimmte Abart von Strahlengefahren für Leben und Gesundheit von Menschen enthalten sei, weshalb die Kompetenzfeststellung über den allgemeinen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen hier nicht eingreife. Wenn in der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdevertreter ausgeführt wurde, daß der Wortlaut des § 118 Abs. 9 Z. 3 der NÖ Bauordnung in Kenntnis des Strahlenschutzgesetzes vom Landesgesetzgeber formuliert worden sei, was für die eben erörterte Überschneidung spreche, so wird dabei § 1 Abs. 2 des Gesetzes außer acht gelassen. Anderseits ergibt sich aber schon aus den obigen Ausführungen, daß das Strahlenschutzgesetz im Hinblick auf den zugrunde liegenden Kompetenztatbestand nicht eine schlechthin alle Strahlenschutzfragen erfassende Regelung enthalten kann (vgl. hiezu die Ausführungen von Berthold Moser in "Das Strahlenschutzgesetz", Wien 1976, S. 17). Die belangte Behörde hat zur Frage ihrer Zuständigkeit zum Schutz von Sachen als Teilbereich des Strahlenschutzes (vgl. auch hiezu das eben angeführte Werk an der gleichen Stelle) keinerlei Ausführungen gemacht. In dieser Hinsicht ist die Begründung des angefochtenen Bescheides verfehlt, weil ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Kompetenztatbestand der gesamte Strahlenschutz als Einheit angesehen wurde. Die belangte Behörde wird in diesem Zusammenhang im fortgesetzten Verfahren zu beachten haben, daß durch die Kompetenzverteilungsvorschriften des Bundes-Verfassungsgesetzes eine Unterscheidung zwischen den Bereichen "Gesundheitswesen" (Personenschutz) und dem nicht zum "Gesundheitswesen" gehörigen Sachenschutz geboten ist und die Baubehörde zu einer eigenständigen Beurteilung der Parteistellung im Rahmen des letzteren Bereiches verpflichtet wird; der Umstand, daß eine in Vollziehung des Strahlenschutzgesetzes getroffene Maßnahme möglicherweise geeignet ist, von Sachen Gefahren abzuwehren, vermag daher die Parteistellung nach der NÖ Bauordnung nicht zu berühren. Die Beschwerdeführer haben ihren Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung - wie bereits erwähnt - unter anderem auf die Bestimmungen des § 100 Abs. 4 Z. 5 der NÖ Bauordnung gestützt und in der Verhandlung ausdrücklich auf den darin enthaltenen Brandschutz erwähnt. Daß das Begehren derjenigen, die Parteistellung in Anspruch nehmen, in der Verwaltungsebene nicht im besonderen Ausmaß bestimmt sein muß, wurde bereits oben ausgeführt. Auch bezüglich des Brandschutzes bestünde, jedenfalls abstrakt betrachtet, die Möglichkeit der Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte. Die belangte Behörde hat sich konkret damit aber auch mit dem Schutz vor anderen Gefahren, die auf Nachbargrundstücke einwirken könnten, nicht ausreichend auseinandergesetzt. Bereits oben wurde aber ausgeführt, daß die belangte Behörde in der Frage der Auslegung der Worte "berührt werden" im § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet hat. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die Bestimmungen der §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a, b und c, 49 und 53 Abs. 1 VwGG 1965, in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 316, im Zusammenhalt mit Art. I und III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die Bestimmung des § 53 Abs. 1 VwGG 1965 bzw. deshalb abzuweisen, weil ein gesonderter Anspruch auf Zuerkennung von Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §8; BauO NÖ 1976 §1 Abs2; BauO NÖ 1976 §118 Abs8; BauO NÖ 1976 §118 Abs9; BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2; GewO 1973 §75 Abs2; StrSchG 1969 §1; StrSchG 1969 §5; |
Sammlungsnummer | VwSlg 9485 A/1978 |
Schlagworte | Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Baurecht Nachbar übergangener Kernkraftwerk Zwentendorf Kernkraftwerk Zwentendorf |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1978:1977001518.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-55165