VwGH 23.04.1970, 1503/69
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Auflösung einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht bedeutet die Vollbeendigung des Gesellschaftsverhältnisses und es stellt die Übertragung des Betriebsvermögens an die Gesellschafter eine Veräußerung im Rahmen des Unternehmens dar, wobei das Entgelt darin besteht, daß die Gesellschafter ihre Gesellschaftsrechte oder einen Teil ihrer Gesellschaftsrechte aufgeben. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0762/65 E VwSlg 3457 F/1966 RS 1 |
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RS 2 | Ausführungen zur Frage des Zeitpunktes der Auflösung einer Erwerbsgesellschaft. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht HB EK , Rechtsnachfolger HB, in W, vertreten durch Dr. Frank Neubauer, Rechtsanwalt in Wien I, An der Hülben 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , Gz. VI-2314/69, betreffend Umsatzsteuer 1966, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.052,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beiden Beschwerdeführer HB und EK betrieben in Form einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes den Kleinhandel mit Parfumeriewaren, Haushaltungsartikeln, Bijouterie-, Galanterie- und Lederwaren mit dem Standort i.W., W.-Straße 33. Am verstarb EK. HB entfertigte hierauf die Erben der verstorbenen Gesellschafterin im Sinne einer am als „Information“ bezeichneten Vereinbarung zwischen ihm und EK. Darnach hatten die Erben der verstorbenen Gesellschafterin EK Anspruch „auf Berichtigung des Kapitalkontos“ laut der dem Todestage vorangegangenen Schlußbilanz, „auf Berichtigung der bilanzmäßig akkumulierten (nicht ausgezahlten) Gewinne“ bis zum 31. Dezember des dem Todestage vorangegangenen Jahres und „auf Berichtigung eines Betrages“, der als Abgeltung aller Ansprüche aus stillen Reserven, ideellen Werten und des Lokalwertes lt. Punkt II Z. 1 lit. c der „Information“ zu ermitteln ist. Das Finanzamt für den I. Bezirk zog auf Grund der gegebenen Sachlage den Schluß, daß Hans B. gemäß Punkt II Z. 1 der „Information“ die Gesellschaft mit den Erben der Verstorbenen nicht fortgesetzt habe und die Gesellschaft gemäß Punkt II Z. 1 lit. a und b dieser „Information“ mit aufgelöst worden war. Die Abgabenbehörde nahm an, daß mit dem Tod der Gesellschafterin EK das Vermögen der vormaligen Erwerbsgesellschaft auf HB übergegangen sei und schloß daraus auf eine umsatzsteuerpflichtige Veräußerung im Sinne des § 7 Abs. 5 Umsatzsteuergesetz 1959, BGBl. Nr. 300/1958 in der Fassung des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 214, (UStG). Es nahm das bereits rechtskräftig abgeschlossene Umsatzsteuerverfahren für das Jahr 1966 gemäß § 303 Abs. 4 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, wieder auf, schlug dem für dieses Jahr vom Steuerpflichtigen erklärten Umsatz im Betrag von S 2,440.622,-- den Teilwert des Unternehmens in Höhe von S 1.295.872,-- hinzu und setzte vom Gesamtbetrage in Höhe von S 3,736.494,-- im wiederaufgenommenen Verfahren die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr 1966 mit S 151.458,35 fest, wobei es auf den mit S 1,295.872,-- angenommenen Umsatz für die Veräußerung des Unternehmens den ermäßigten Steuersatz von 1.8 v. R. (mit Zuschlägen) anwendete.
Dagegen erhoben die „Gesellschafter“ am durch ihren Wirtschaftstreuhänder als Gesellschaft nach bürgerlichem Rechte Berufung. Sie bekämpften die Abgabenfestsetzung mit der Behauptung, daß die Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes durch den Tod der Gesellschafterin K gemäß Punkt II der „Information“ rückwirkend mit aufgelöst worden sei, der überlebende Gesellschafter HB jedoch „unter der Verpflichtung“, die Erben der Verstorbenen zu entfertigen, nach derselben vertraglichen Vereinbarung das „Unternehmen unverändert“ weiterführe, sodaß „der Tatbestand der Anwachsung hinsichtlich der Gesellschaftsanteile K gegeben“' sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 762/65) sei aber „der Austritt des Gesellschafters aus einer aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechtes dann nicht der Umsatzsteuer zu unterziehen, wenn das Anwachsen des Anteiles ausdrücklich vereinbart worden“ sei. Da somit der Gesellschaftsanteil der EK im vorliegenden Falle dem das Unternehmen weiterführenden Gesellschafter B zugewachsen sei, könne dieser „Ausscheidungsvorgang“ nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Der Berufungssenat V bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland hat das Rechtsmittel mit Berufungsentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Die von den beiden Gesellschaftern HB und EK betriebene Gesellschaft nach bürgerlichem Rechte sei im Jahre 1966 unbestrittenermaßen Unternehmer gewesen. Nach dem Tode der Gesellschafterin habe es HB offenbar unter Berufung auf Punkt II der Information, wonach im Falle des Ablebens eines Gesellschafters der überlebende Gesellschafter „innerhalb von 3 Monaten ab Ableben des Partners“ zu der Erklärung berechtigt wurde, die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters nicht fortzusetzen, abgelehnt, das Unternehmen mit den Erben nach der Verstorbenen weiterzuführen. Durch diesen Schritt sei die Gesellschaft nach bürgerlichem Rechte zwangsläufig nach § 1215 ABGB aufgelöst und das nun nachfolgende Einzelunternehmen zu einem völlig neuen Rechtssubjekt geworden. Die Übertragung des Betriebsvermögens von der Gesellschaft auf das Einzelunternehmen sei daher eine umsatzsteuerpflichtige Veräußerung im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG. Die Vorschreibung der streitigen Umsatzsteuer bestehe mit einer geringfügigen Änderung (das Finanzamt hatte die Befreiungsbestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 8 UStG nicht beachtet) zu Recht, sei allerdings anstatt mit S 151.458,-- nunmehr mit S 151.322,-- vorzunehmen gewesen.
Gegen diese Berufungsentscheidung des Berufungssenates V bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 7 Abs. 5 UStG unterliegt die Veräußerung eines Geschäftes im ganzen der Umsatzsteuer. Eine solche Veräußerung ist gegeben, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im ganzen übereignet wird. Besteuerungsgrundlage ist das Entgelt für die dem Erwerber gelieferten Gegenstände (Besitzposten). Die übernommenen Schulden können dabei nicht abgezogen werden. Befreiungsvorschriften bleiben allerdings unberührt.
In Streit steht vor allem die Frage, ob die gegenständliche Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes durch den Tod der EK aufgelöst wurde. Dies war für den Streitfall zu bejahen. Denn gemäß § 1207 ABGB, erlischt eine nur aus zwei Personen bestehende Erwerbsgesellschaft durch das Absterben der einen Person. Der Hinweis in der Beschwerde auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 762/65, kann nicht zum Erfolg derselben führen weil auch an dieser Stelle vom Gerichtshof die Rechtsansicht vertreten wurde, daß im Gegensatz zu der im Handelsrecht für offene Handelsgesellschaften getroffenen Regelung die aus zwei Personen bestehende Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes mit dem Ableben des einen Gesellschafters nur dann nicht ihr Ende findet, wenn auf Grund gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung in einem solchen Falle der Weiterbestand der Erwerbsgesellschaft vereinbart wurde. Nun haben sich zwar die Gesellschafter HB und EK dahin geeinigt, daß die gegenständliche Erwerbsgesellschaft bei Ableben eines der beiden Gesellschafter nicht von selbst ihr Ende findet. Vielmehr wurde der überlebende Gesellschafter berechtigt, innerhalb von drei Monaten ab dem Ableben des Partners die Erklärung abzugeben, daß er die Gesellschaft mit dessen Erben nicht fortzusetzen wünscht. Dies ist im Streitfall unbestrittenermaßen geschehen, sodaß also die gegenständliche Erwerbsgesellschaft in der Tat ihr Ende gefunden hat. Da der Gesellschafter HB das Unter nehmen in der Folge allein weitergeführt und die Erben der verstorbenen EK hinsichtlich ihrer ihnen auf Grund der Vereinbarungen der Gesellschafter zustehenden Ansprüche abgefertigt hat, waren die Abgabenbehörden an sich zu der Annahme im Sinne der hg. Rechtsprechung (vgl. hiezu wieder das Erkenntnis dieses Gerichtshofes vom , Zl. 762/65) berechtigt, daß die Übertragung des Betriebsvermögens an HB nach Auflösung der Erwerbsgesellschaft, also die Übertragung dieser Werte von einem Unternehmer an einen anderen als eine Veräußerung einer Gesellschaft im ganzen im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG. anzusehen war. Gegen diese Folgerung wird in der Beschwerde eingewendet, daß dem Gesellschafter HB der Anteil der EK angewachsen sei, wie sich dies aus dem Gesellschaftsvertrage ergebe. Dieser Hinweis ist verfehlt. Wie der Gerichtshof ebenfalls in seinem schon mehrfach zitierten Erkenntnis vom zum Ausdruck gebracht hat, bedeutet die Auflösung einer Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes an sich die Vollbeendigung des Gesellschaftsverhältnisses. Die „societas“ erlischt und es bleibt lediglich eine einfache communio zurück, die nach den Bestimmungen des 16. Hauptstückes des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches von der Gemeinschaft des Eigentumes und anderer dinglichen. Rechte zu behandeln ist. Ein Anwachsen eines Gesellschaftsanteiles hätte allerdings dann Platz greifen können, wenn dies nach dem Vorbilde des Handelsrechtes im Gesellschaftsvertrage vorgesehen gewesen wäre. Davon kann aber schon deswegen nicht die Rede sein, weil HB nach den in Betracht kommenden Verabredungen mit EK deren Erben im Falle der Auflösung der Gesellschaft durch ihren Tod in bestimmter Weise abzufertigen hatte, was unbestrittenermaßen auch geschehen ist. Abgesehen davon lassen die einschlägigen gegenseitigen Abmachungen zwischen HB und EK auch sonst in keiner Weise erkennen, daß die Gesellschafter im Falle des Todes eines Gesellschafters an ein Anwachsen des diesem Gesellschafter zustehenden Gesellschaftsanteiles zugunsten des anderen gedacht und dementsprechend ihren Willen im Gesellschaftsvertrag niedergelegt hätten. War nun die Gesellschaft als selbständiges Rechtssubjekt im Sinne des Umsatzsteuergesetzes erloschen, so bildete das von dem überlebenden Gesellschafter allein geführte Unternehmen ein von der Gesellschaft verschiedenes Rechtssubjekt. Dies hatte zur Folge, daß die Übertragung des Gesellschaftsvermögens auf HB ein umsatzsteuerbarer und nach § 7 Abs. 5 UStG umsatzsteuerpflichtiger Vorgang war, der an sich unter Beachtung der Vorschriften des § 4 Abs. 1 UStG mit dem Steuersatz von 1,8 v. H. der Umsatzsteuer unterlag. Die Abgabenbehörden haben diesen Umsatz jedoch den sonstigen Umsätzen des Unternehmers für das Kalenderjahr 1966 zugerechnet. Nun ist EK erst am verstorben. Bis dahin hatte die gegenständliche Erwerbsgesellschaft aber bestanden und auch Umsätze getätigt, sodaß die von den Abgabenbehörden angenommene Veräußerung des Geschäftes im Sinne des § 7 Abs. 5 UStG, offenbar erst im Jahre 1967, vielleicht sogar im Jahre 1968, keinesfalls aber schon im Jahre 1966 stattgefunden hat. Die Abgabenbehörden haben die gesellschaftsrechtlichen Abmachungen zwischen HB und EK sohin unrichtig ausgelegt und die Auflösung der Erwerbsgesellschaft und damit die Geschäftsveräußerung scheinbar deshalb in das Kalenderjahr 1966 verlegt, weil die Abfertigung der Erben im Falle des Ablebens eines Gesellschafters nach Punkt II der schon erwähnten sogenannten „Information“ unter Heranziehung vor allem des Kapitalkontos und der Bilanz per 31. Dezember des dem Todestag vorangegangenen Jahres zu erfolgen hatte. Damit haben sie aber den Zeitpunkt der Auflösung der Erwerbsgesellschaft mit jenem Zeitpunkt verwechselt, der nach den vertraglichen Vereinbarungen der Gesellschafter als Stichtag für die Berechnung der Ansprüche der Erben der EK zu gelten hatte. Dieser Irrtum belastete den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zu führen hatte.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde aber auch noch einen Verfahrensmangel zu sanieren haben. Ungeachtet des Umstandes, daß eine Erwerbsgesellschaft bürgerlichen Rechtes als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG anzusehen ist, kommt nämlich im Streitfall eine Anforderung der Umsatzsteuer bei der gegenständlichen Gesellschaft bürgerlichen Rechtes nicht in Betracht, weil die Gesellschaft schon im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides wegen des Todes der EK aufgelöst war.
In der Beschwerde wurde für den Fall des Obsiegens in der Sache Aufwandersatz in Höhe von S 1.052,60 geltend gemacht (für den Schriftsatzaufwand S 1.000,-- und für Eingaben-, Beilagen- und Vollmachtstempel S 52,60). Dieses Begehren war unter Bedachtnahme auf die §§ 47 Abs. 1 und 2 lit. a, 48 Abs. 1 lit. a und b, 49 Abs. 1 und 59 Abs. 1 und 2 lit. a und d VwGG 1965 im Zusammenhalt mit Artikel I B Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4, begründet. Der Aufwandersatz in Höhe von S 1.052,60 war sohin dem Erstbeschwerdeführer als obsiegender Partei zuzuerkennen. Die Festsetzung der Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG 1965.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1970:1969001503.X02 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-55114