VwGH 14.12.1962, 1500/62
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1953 §4 Abs1 |
RS 1 | Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung kann von einem Sanierungsgewinn nur bei allgemeinen Sanierungsmaßnahmen zugunsten notleidender, dh vor dem wirtschaftlichem Zusammenbruch stehender Unternehmer gesprochen werden. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2370/55 E VwSlg 1430 F/1956 RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Die Löschung einer Abgabenschuld erfolgt in der Annahme auch künftiger Uneinbringlichkeit, somit nicht in Sanierungsabsicht; die durch die Löschung eintretende Gewinnerhöhung stellt einen echten (steuerpflichtigen) Gewinn dar. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein der Schriftführer, Polizeikommissärs Dr. Primmer und Ministerialkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde der L P in G gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark, Berufungssenat, vom , Zl. S 29 - 917 - I - 1961, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1959, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt ein Brunnenbauunternehmen. Im Hinblick auf die schlechte finanzielle Lage des Unternehmens wurde die Einbringung eines Steuerrückstandes von S 180.000'- (hievon S 89.536'- Umsatzsteuer und S 16.752'- Gewerbesteuer) vom Finanzamt mit Bescheid vom ausgesetzt. Die Beschwerdeführerin bildete auf der Passivseite der zum aufgestellten Bilanz ein „Interimskonto für Steuern“ in der Höhe des genannten Betrages. Mit Erlaß vom teilte die Finanzlandesdirektion dem Finanzamt mit, daß zwar die von der Beschwerdeführerin angestrebte Nachsicht des ausgesetzten Betrages von S 180.000'- im Hinblick auf ihre Zahlungsunwilligkeit nicht in Betracht komme. Es werde aber einer Löschung wegen Aussichtslosigkeit der Einbringung gemäß § 14 Abs. 1 AbgEG zugestimmt. Dieser Erlaß langte beim Finanzamt am ein. Die Beschwerdeführerin buchte das Interimskonto zugunsten des Kapitalkontos aus. In der zum für ein Rumpfwirtschaftsjahr (1. Jänner bis ) aufgestellten Bilanz schien der erwähnte Betrag nicht mehr unter den Verbindlichkeiten auf. Hingegen wies das Kapitalkonto, das noch zu Beginn des Rumpfwirtschaftsjahres eine Überschuldung von S 150.593'- gezeigt hatte, hauptsächlich durch die Ausbuchung des Interimskontos nunmehr einen positiven Saldo von S 37.467'- aus. Das Finanzamt stimmte diesem Vorgehen nicht zu. Mit Vorhalt vom wurde die Beschwerdeführerin dahin aufgeklärt, daß die im gelöschten Betrag enthaltenen Betriebssteuern (Gewerbesteuer S 16.752'- und Umsatzsteuer S 89.536'-) als außerordentlicher Ertrag zugunsten des Gewinnes zu verbuchen seien. Die Beschwerdeführerin führte dagegen ins Treffen, daß es sich um die Löschung, nicht um die Nachsicht einer Abgabenschuld handle. Über die Löschung ergehe kein Bescheid, nicht einmal eine Lastschriftanzeige. Erst aus einer späteren Lastschriftanzeige über den neuen Saldo sei die Löschring zu ersehen. Bei dieser handle es sich um einen Sanierungsgewinn; denn die Steuerschulden allein seien schon im Zeitpunkt der Aussetzung des Betrages von S 180.000'- höher als alle übrigen Schulden zusammen gewesen. Da aber das Finanzamt die gelöschten Betriebssteuern in den steuerpflichtigen Gewinn einbezog, erhob die Beschwerdeführerin gegen den Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheid für das Jahr 1959 Berufung. Zur Weiterführung des Unternehmens seien strukturelle Umwandlungen, Rationalisierungsmaßnahmen und Investitionen nötig gewesen. An Hand der seit 1955 ununterbrochen bestehenden Überschuldung versuchte die Beschwerdeführerin Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens darzutun. Nur die bereits in Aussicht gestellte Löschung des ausgesetzten Steuerrückstandes habe es ermöglicht, für Anlagegüter einen Betrag von S 72.000'- auszugeben und dadurch Spezialaufträge auszuführen, die im Jahre 1958 einen Geschäftserfolg von S 222.605'- gebracht hätten. Die Privatentnahmen der Beschwerdeführerin und ihres im Unternehmen vollbeschäftigten Gatten seien in den Jahren 1955/1959 bescheiden gewesen (durchschnittlich rund S 2.900'- monatlich). Es sei daher auch die Sanierungswürdigkeit gegeben. Schließlich hob die Beschwerdeführerin besonders hervor, daß die Abgabenschuld in den gegenständlichen Jahren 51 bis 54 % und der gelöschte Betrag allein 47 % sämtlicher Verbindlichkeiten betragen habe. Eine zusätzliche Belastung durch Hinzurechnung der gelöschten Betriebssteuern zum Gewinn sei für das Unternehmen untragbar. Im übrigen sei es fraglich, ob die vom Finanzamt vorgenommene Aufteilung des gelöschten Betrages stimme. Verspätet geleistete Umsatzsteuerzahlungen würden von der Finanzkasse vielfach nicht auf Umsatzsteuerrückstände verbucht. - Bei einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde die Frage des Sanierungsgewinnes nochmals erörtert und von der Beschwerdeführerin auch die Richtigkeit der Aufteilung des gelöschten Betrages bezweifelt.
Der Berufungssenat der Finanzlandesdirektion wies die Berufung ab. Die Löschung einer Abgabenschuldigkeit könne schon im Hinblick auf den Wortlaut des § 14 Abs. 1 AbgEGniemals als Sanierungsgewinn angesehen werden. Auch sei im vorliegenden Fall die Löschung nicht zwecks Sanierung des Unternehmens der Beschwerdeführerin, sondern nur im Hinblick auf die Aussichtslosigkeit der Einbringung erfolgt. Es sei aber auch die Aufteilung des Löschungsbetrages richtig. Schon anläßlich der Aussetzung sei der Rückstand an Einkommensteuer mit S 73.310'- bekanntgegeben worden. Im Hinblick auf die Aussetzung der Einbringung seien Zahlungen an Umsatzsteuer nicht auf den Rückstand verrechnet worden, sodaß dieser keine Änderung erfahren habe.
Die gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes erhobene Beschwerde wiederholt hauptsächlich den im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Standpunkt und verlangt für den Fall, daß der Löschungsbetrag nicht als Sanierungsgewinn anerkannt werden sollte, eine Aufteilung des Betrages von S 180.000'- in der Weise, daß auf einen Schuldnachlaß an Betriebssteuern nur ein Betrag von S 33.332'- entfalle.
Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:
Die Firma der Beschwerdeführerin ist im Handelsregister eingetragen. Sie hat daher den Gewinn nach § 5 EStG durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Das Betriebsvermögen ist hiebei nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung anzusetzen. Die Minderung oder der Wegfall einer Schuld führt zu einer Erhöhung des Betriebsvermögens und damit zu einem steuerpflichtigen Gewinn. Beruht der Schuldennachlaß auf einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme zugunsten eines notleidenden, vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehenden Unternehmens, liegt kein echter Gewinn, sondern ein Sanierungsgewinn vor, der nach Lehre und allgemeiner Rechtsprechung nicht der Besteuerung unterzogen wird (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. Nr. 1430/F, und vom , Zl. 98/60). Die Beschwerdeführerin war bestrebt, im Verwaltungsverfahren die Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungswürdigkeit ihres Unternehmens darzutun. Sie hat jedoch übersehen, daß ein Sanierungsgewinn eine Sanierungsmaßnahme der Gläubiger voraussetzt. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die von der belangten Behörde unbestrittene Tatsache, daß die Abgabenschulden mehr als 50 v.H. der gesamten Verbindlichkeiten der Beschwerdeführerin ausgemacht haben, genügt hätte, um den von einem einzigen Gläubiger (dem Finanzamt) allein gewährten Schuldennachlaß als Sanierungsgewinn erscheinen zu lassen. Es hat sich nämlich vorweg nicht um eine Sanierungsmaßnahme des Abgabengläubigers gehandelt. Vielmehr wurde zunächst die Einbringung des Abgabenrückstandes „ausgesetzt“. Eine solche Verfügung konnte rechtlich nur auf die Bestimmung des § 14 Abs. 3 AbgEG gestützt werden. Nach dieser können fällige Abgabenschuldigkeiten „unter Aussetzung der Einbringung abgeschrieben werden“, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos versucht worden sind oder wegen Aussichtslosigkeit zunächst unterlassen werden, aber die Möglichkeit besteht, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden. Es erlischt zwar der Abgabenanspruch im Falle der mit der Aussetzung verbundenen Abschreibung, er lebt aber nach § 14 Abs. 4 AbgEG wieder auf, wenn die Einbringung wegen Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabenschuldners wieder aufgenommen wird. Im vorliegenden Fall wurde jedoch die Vollstreckung nicht wieder aufgenommen. Vielmehr wurde die nach § 14 Abs. 3 AbgEG vorgenommene Abschreibung in eine das Aufleben eines Abgabenrückstandes ausschließende „Löschung“ nach § 14 Abs. 1 AbgEG umgewandelt. Die Abgabenbehörde hat also jede Hoffnung auf eine spätere Einbringlichkeit des Abgabenrückstandes endgültig aufgegeben. Mithin kann keine Rede davon sein, daß der Abgabengläubiger eine Sanierung des Unternehmens der Beschwerdeführerin beabsichtigt habe. Vielmehr wurde mit dem endgültigen Verzicht auf die Einbringung zum Ausdruck gebracht, daß eine Sanierung im Weg einer ganzen oder teilweisen Abschreibung der Abgabenschuld nicht einmal versucht werde. Da es also an dem für eine Sanierungsmaßnahme erforderlichen Sanierungswillen von vornherein mangelte, konnte auch die Frage eines Sanierungsgewinnes von vornherein nicht auftauchen. Durch die auf Grund der Löschung der Abgabenschuld vorgenommene Ausbuchung des Schuldpostens „Interimskonto für Steuern“ im Betrage von S 180.000'- ist aber, wie dargetan, eine Erhöhung des Betriebsvermögens eingetreten, die auch den steuerpflichtigen Gewinn soweit erhöht hat, als in dem abgebuchten Betrag Betriebssteuern enthalten waren. Die Beschwerde ist daher, soweit sie die Abzugsfähigkeit eines Sanierungsgewinnes in der Höhe von S 180.000'- geltend macht, unbegründet. Es kommt ihr aber auch keine Berechtigung zu, soweit sie die Aufteilung des Betrages in Betriebssteuern und Personensteuer bekämpft. Schon aus dem Vorhalt des Finanzamtes vom hat die Beschwerdeführerin ersehen, daß sich der Betrag von S 180.000'- aus Gewerbesteuer von S 16.752'- und aus Umsatzsteuer von S 89.536'- zusammensetzt, während der Rest Steuern betrifft, die nicht als Betriebssteuern anzusehen sind. In der Vorhaltsbeantwortung wurde gegen die Aufteilung nichts eingewendet. Auch die Berufung gegen den Steuerbescheid des Finanzamtes bezweifelte lediglich die Richtigkeit der Aufteilung, stellte jedoch keinen bestimmten Änderungsantrag. Mithin konnte die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Ermittlung des gegenständlichen Betriebssteuerrückstandes nicht angefochten sei. Die Feststellung des angefochtenen Bescheides, daß infolge der Aussetzung der Einbringung eine Verbuchung von Umsatzsteuerzahlungen auf den Rückstand nicht habe vorgenommen werden können, ist nicht unschlüssig, weil die Aussetzung der Einbringung mit der Abschreibung des Abgabenrückstandes verbunden war. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin erst in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die Behauptung aufgestellt, es sei völlig ausgeschlossen, daß zur Zeit der Aussetzung im Jahre 1956 noch Umsatzsteuerschulden für die Jahre 1949 bis 1953 bestanden hätten. Eine solche Einwendung wäre im Hinblick auf den vorerwähnten Vorhalt bereits im Verwaltungsverfahren geltend zu machen gewesen. Auch hätte für den Fall einer Meinungsverschiedenheit über die Verbuchung von Abstattungsbeträgen die Möglichkeit bestanden, einen Abrechnungsbescheid zu verlangen und diesen, falls nötig, im Instanzenzug anzufechten. Die Beschwerdeführerin ist aber diese Möglichkeit ungenützt verstreichen lassen und hat erst in der Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung über die Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1959 vorgeschlagen, einen Betrag von S 33.332'- als Betriebssteuern, in eventu als steuerpflichtigen Gewinn zu behandeln. Bei dieser Verfahrenslage mußte der Verwaltungsgerichtshof auf diesen Eventualantrag nicht näher eingehen. Auch er bot keine Handhabe dafür, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Vielmehr mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien,
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1962001500.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-55108