Suchen Hilfe
VwGH 21.10.1966, 1484/65

VwGH 21.10.1966, 1484/65

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BodenwertabgabeG 1960 §3 Abs2
EStG 1953 §23 Abs1 lita
RS 1
Bei der Veräußerung einer im Erbwege oder Schenkungswege erworbenen Liegenschaft ist die Annahme eines Spekulationsgeschäftes iSd § 23 EStG 1953 ausgeschlossen. Dieser Grundsatz hat auch bei einer gemischten Schenkung zu gelten, solange der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde des Dr. Frank M in New York, vertreten durch Dr. Alfons Ernst Balban, Rechtsanwalt in Wien XIX, Gregor Mendelstraße 44, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat, vom , Zl. VI-2066/65, betreffend Einkommensteuer für 1963, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.101,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der seit dem Jahre 1938 in den USA lebt, war bis April 1963 Eigentümer eines Hauses im 19. Wiener Gemeindebezirk. Einen Hälfteanteil dieses Hauses hatte er im Jahre 1955 von seiner Tante Hedwig B. und deren Kindern Franziska (Frances) und Fritz (Frederic) B. erworben, die ihn ihrerseits von ihrem Gatten bzw. Vater, den am verstorbenen Fritz B., geerbt hatten. Der andere Hälfteanteil war nach dem Tode seiner am verstorbenen Mutter Adele M., geborene B., im Erbwege auf ihn übergegangen.

Der steuerliche Einheitswert des im Jahre 1904 erbauten Hauses betrug zum auf Grund der Hauptveranlagung auf den noch S 26.000,--. Zum wurde er mit S 128.300,--, zum mit S 274.000,-- festgestellt. Das Haus, als Wohnvilla bezeichnet, enthält vier Mietwohnungen und wurde als Mietwohngrundstück bewertet.

Mit Schreiben vom gab der bevollmächtigte Vertreter des Beschwerdeführers dem Finanzamt den Verkauf des Hauses an Dr. Johann W. und drei weitere Mitbesitzer bekannt. Im Oktober 1964 wurde der Vertreter des Beschwerdeführers aufgefordert, wegen Ermittlung eines allfälligen Spekulationsgewinnes die Anschaffungskosten, den Verkaufspreis und etwaige Veräußerungskosten bekanntzugeben. Dieser teilte mit Schreiben vom mit, daß die früher dem Onkel des Beschwerdeführers Fritz B. gehörige Haushälfte von dessen Erben, wie er glaube, 1954 oder 1955 an den Beschwerdeführer verkauft, die andere Hälfte im Erbwege von der Mutter erworben worden sei. Das Haus sei nach Bomben- und Zeitschäden reparaturbedürftig gewesen, habe so gut wie nichts abgeworfen und einen praktisch wertlosen Besitz dargestellt, auf dem Hypotheken für Reparaturen und Ersatzvornahmen durch die Gemeinde Wien lasteten. Der Verkaufspreis wurde mit S 400.000,-- eine Vermittlungsprovision mit S 12.000,-- angegeben, der Kaufpreis als dem Parteienvertreter nicht mehr erinnerlich bezeichnet.

Das Finanzamt entnahm den Kaufpreis einer Veräußerungsmitteilung vom , wo er mit S 10.000,--, davon S 7.150,-- in bar und S 2.850,-- für übernommene Hypotheken, angegeben war. Es erließ einen Einkommensteuerbescheid, mit dem ein Spekulationsgewinn von S 184.000,-- errechnet und eine Einkommensteuer von S 59.029,-- festgesetzt wurde.

Der Vertreter des Beschwerdeführers erhob Berufung und machte geltend, daß die Voraussetzungen für diese Besteuerung nicht vorlägen. Bei Abgabe der Erklärung vom seien eine Anzahl von aus dem Jahre 1955 stammenden Urkunden nicht zur Verfügung gestanden, die er nunmehr als Beilage zur Berufung vorlege (das sind 14 mit den Buchstaben A bis P bezeichnete Schriftstücke). Die Einantwortung des Nachlasses nach Fritz B. sei vom Erbenkurator ohne Einvernehmen mit den Erben bewirkt worden. Aus dem Schriftwechsel zwischen Dr. M. (dem Beschwerdeführer) und Frau Hedwig B. gehe hervor, daß die Erben den Nachlaß nicht haben und ihn Frau Adele M., der Mutter des Beschwerdeführers, überlassen wollten. Die Gerichtskommissionsgebühr, die Kuratorgebühr und die Erbschaftsteuer der Erben nach Fritz B. seien vom Beschwerdeführer gezahlt worden. Die Verwandten hätten sich geeinigt, daß der Beschwerdeführer den Hausanteil übernehmen solle und von diesen sei er beauftragt worden, die Übertragung "in der billigsten Art" durchzuführen. Die beabsichtige Schenkung sei nicht durchgeführt worden, weil sie einen Notariatsakt erfordert hätte, der im Ausland nicht errichtet werden konnte. So sei die Form des Kaufvertrages gewählt worden und ein Kaufpreis von S 10.000,-- für die Haushälfte, und zwar S 7.150,-- bar und S 2.850,-- durch Zahlung der restlichen Forderung der S-Sparkasse, vereinbart worden. Der Beschwerdeführer habe aber an die Verkäufer nie etwas in bar bezahlt, wohl aber für sie insgesamt S 5.345,-- entrichtet. Aber selbst wenn ein wirklicher Kauf geplant gewesen wäre, müßte der Kaufpreis von S 10.000,-- exorbitant niedrig genannt werden, weil der Einheitswert damals S 26.000,-- betrug, zu dieser Zeit aber zum Einheitswert kein Grundstück zu haben war. Schon zum sei der fragliche Einheitswert mit S 61.000,-- für eine Grundstückshälfte (soll richtig heißen: S 64.150,--) festgesetzt worden. Daraus gehe auch bei der (widerlegten) Annahme eines Kaufes hervor, daß der Kaufpreis von S 10.000,-- einer gemischten Schenkung entsprechen würde, bei der der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt, wie sich aus den obigen Ausführungen und Belegen eindeutig ergebe.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. In dem am zwischen den Erben nach Fritz B. und Dr. M. abgeschlossenen Vertrag hätten irgendwelche Merkmale, die eine Schenkungsabsicht darlegten, nicht festgestellt werden können. Von einem gemischten Vertrag könne nach wiederholten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nur dann gesprochen werden, wenn ein solcher die Merkmale mehrerer Rechtsgeschäfte aufweise. Der vorliegende Vertrag hätte daher sowohl die Merkmale einer Schenkung als auch eines Kaufes aufweisen müssen. Er ließe aber, wie bereits angeführt, irgendwelche Schenkungsabsichten überhaupt nicht erkennen und sei lediglich auf den Verkauf der Liegenschaft abgestellt. Daran, daß es sich um einen entgeltlichen Erwerb handle, könne auch der Umstand nichts ändern, daß die Erben nach Fritz B. ursprünglich die Absicht hatten, das Grundstück überhaupt nicht anzunehmen, weil es einen nur geringen Ertrag hatte und höhere Ausgaben verursachte. Aus diesem Grunde sei es auch erklärlich, daß der Kaufpreis nur in der Höhe von S 10.000,-- vereinbart wurde, also dem damaligen Einheitswert in Höhe von S 13.000,-- annähernd gleichkam. Da die Erben die Beibehaltung der Liegenschaft seinerzeit offenbar als Last empfunden hatten, versuchten sie, sich derselben um einen niedrigen Kaufpreis zu entäußern.

Der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers beantragte die Vorlage des Rechtsmittels an die Finanzlandesdirektion. Dazu wurde noch bemerkt, die äußere Form des Vertragsabschlusses sei auf Grund des im Steuerrecht Geltung habenden Grundsatzes, "der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes sei maßgebend", nicht von Bedeutung. Man habe übrigens im Jahre 1954 nirgends für S 10.000,-- einen Hälfteanteil an einer Mehrfamilienvilla in der S.-gasse, die in einem cottageähnlichen ruhigen Gartenviertel in der Nähe der Hohen Warte liege, bekommen. Jeder Realitätenvermittler, den man diesbezüglich befragt hätte, was aber seitens des Finanzamtes unterblieben sei, hätte geantwortet, "das sei geschenkt"". Der damalige Einheitswert für das ganze Haus sei S 26.000,-- gewesen, also als Verkaufsbasis nicht diskutabel, weil längst überholt. Falls also nach dem bestehenden Kaufvertrag vom Jahre 1955 nur dieser "als äußere Erscheinungform des Sachverhaltes", wie § 21 BAO vermeiden wolle, maßgebend wäre, würde der Kaufpreis nur Bruchteilen des wahren Verkehrswertes entsprechen, d.h. hier wurde ein aus Kauf und Schenkung bestehendes Rechtsgeschäft vorliegen, wobei aber der Schenkungscharakter weitgehend überwiege. Ziehe man im Zusammenhang mit der hier besonders in Gewicht fallenden Vorgeschichte der Sache aber den wahren wirtschaftlichen Gehalt in Erwägung, so liege eine Schenkung des fraglichen Hausanteiles aus familiären Gründen, sowohl beabsichtigt als auch de facto, vor.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, es handle sich bei der gegenständlichen Liegenschaft um ein Mietwohngrundstück, das sich im Jahre 1955 in einem desolaten Zustand befunden habe, von Hypotheken belastet war und keinen Ertrag abwarf. Da der Kauf noch dazu unter Verwandten abgeschlossen worden sei, sei der niedrige Kaufpreis von S 10.000,-- für einen Hälfteanteil durchaus erklärlich. Im Vertrag und in allen Eingaben des Beschwerdeführers sei immer nur von einem Kauf die Rede gewesen. Auch wirtschaftlich gesehen könne der vereinbarte Kaufpreis in Anbetracht der vorliegenden Umstände und der Zeit der Vertragsverhandlungen und des Vertragsabschlusses (Besatzungszeit) als angemessen gelten. Möge es sein, daß von seiten der Veräußerer auch einmal eine Schenkung erwogen wurde, abgeschlossen sei jedenfalls ein Kaufvertrag unter Ansetzung eines den Umständen angemessenen Preises worden. Daß ein Teil des Kaufpreises dann nicht gezahlt worden sei, könne unter Umständen auf eine Schenkung dieser Schuld hinauslaufen. Es lasse sich daraus aber durchaus nicht der zwingende Schluß ableiten, daß eine Schenkung des Hauses vorgelegen sei. Der Einheitswert zum gebe für den Verkaufswert eines Mietwohngrundstückes kaum Anhaltspunkte, weil diese Werte zufolge der maßgebenden Gesichtspunkte und der verschiedenen Ermittlungsmethoden erfahrungsgemäß sehr weit voneinander abweichen könnten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende

Beschwerde, über die der Gerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 23 Abs. 1 Einkommensteuergesetz sind

Spekulationsgeschäfte:

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen

Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als fünf Jahre. ......

Diese Frist wurde auf Grund des Artikel III des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 285, für Grundstücke, die nach dem angeschafft worden sind, derart verlängert, daß sie nicht vor Ablauf des Kalenderjahres 1965 endet.

Da der Grundstücksanteil vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall im Jahre 1955 erworben und im Jahre 1963 weiterveräußert wurde, wären somit die zeitlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Spekulationsgeschäftes gegeben. Um jedoch das Vorliegen eines Spekulationsgeschäftes voll bejahen zu können, ist darüber hinaus noch erforderlich, daß der Veräußerer das Grundstück im Wege der "Anschaffung" erworben hat, was jedoch nach einheitlicher Lehre und Rechtsprechung bei einem Erwerb durch Erbschaft oder Schenkung nicht der Fall ist. Dieser Grundsatz hat auch bei einer gemischten Schenkung zu gelten, solange der Schenkungscharakter des Geschäftes überwiegt (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 1118/64).

Die belangte Behörde gelangte im angefochtenen Bescheid zu der Ansicht, im Streitfall habe es sich bei der Erwerbung des Grundstücksanteiles im Jahre 1955 um einen Kauf gehandelt, und der Beschwerdeführer habe nicht beweisen können, daß eine Schenkung vorlag. Der schlechte Zustand des Grundstückes zum Zeitpunkt der Erwerbung des Hälfteanteils, sowie die Tatsache, daß der Vertrag zwischen Verwandten abgeschlossen worden sei, wobei die Veräußerer das Grundstück erwiesenermaßen um jeden Preis abzugeben trachteten, beweise, daß der Kaufpreis von S 10.000,-- als angemessen anzusehen sei. Überdies sei der abgeschlossene Vertrag ausdrücklich als Kaufvertrag bezeichnet worden. Die Behörde räumt wohl, wenn auch nicht ausdrücklich, ein, daß die Bezeichnung des Rechtsgeschäftes allein nicht maßgebend sein könne, glaubt aber, sich auf die Angemessenheit des Kaufpreises stützen zu können, woraus sich nach ihrer Meinung auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ergebe, daß es sich um einen Kauf gehandelt habe.

Dieser Annahme konnte der Gerichtshof nicht folgen. Es ist zwar richtig, daß der Beschwerdeführer für sein Vorbringen, der im Vertrag vereinbarte Kaufpreis habe bei weitem den wahren Wert des Grundstückes unterschritten, von sich aus Beweise nicht erbrachte. Er verwies jedoch darauf, daß der Kaufpreis sogar unter den zum noch Geltung habenden Einheitswert vom lag, und überdies schon zum der Einheitswert wesentlich erhöht worden ist, wobei er noch Beweisstücke vorlegte, die die Annahme einer teilweisen Schenkung zwischen den Verwandten zumindestens glaubhaft machten. Nun bestand und besteht wohl zwischen dem steuerlichen Einheitswert und dem Verkehrswert einer Liegenschaft nur ein sehr loser Zusammenhang, doch muß nach allgemeiner Erfahrung angenommen werden, daß im Jahre 1955 der Verkehrswert und demzufolge der Kaufpreis eines Hauses in guter Wohngegend in aller Regel erheblich höher war als der Einheitswert 1940. Wenn die Behörde bei der gegebenen Sachlage annahm, es habe auch bei objektiver Betrachtung ein Kauf vorgelegen, weil der vereinbarte Kaufpreis angemessen gewesen sei, so hat sie es ihrerseits ohne jegliche Erhebungen bei einer bloßen Behauptung bewenden lassen. Sie hätte jedoch den Verkehrswert der Liegenschaft zum Zeitpunkt ihres Überganges an den Beschwerdeführer in geeigneter Weise, etwa durch Befragung eines Sachverständigen, zumindest annähernd festzustellen gehabt, weil sie dadurch erst in die Lage versetzt werden könnte, durch Vergleich dieses Wertes mit dem Kaufpreis, allenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles, das nicht unbegründete Vorbringen des Beschwerdeführers, das Rechtsgeschäft habe überwiegend Schenkungscharakter getragen, stichhaltig und überzeugend zu entkräften.

Da die belangte Behörde die Prüfung dieser Frage unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof gründet sich auf §§ 47, 48 ff VwGG 1965. Umsatzsteuer war nicht zuzusprechen, weil es sich bei dem Schriftsatzaufwand um einen Pauschbetrag handelt, neben dem andere Aufwendungen nicht verlangt werden können.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BodenwertabgabeG 1960 §3 Abs2
EStG 1953 §23 Abs1 lita
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1966:1965001484.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-55057