VwGH 15.12.1966, 1476/65
Entscheidungsart: ErkenntnisVS
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Das Finanzstrafgesetz schränkt den Kreis der Handlungen und Unterlassunge, die als Beihilfe zu einem Finanzvergehen in Betracht kommen, nicht gegenüber dem Kreise der Beihilfehandlungen nach § 5 StGB ein. Ist nach dem Gesetz ein abgabenpflichtiger Rechtsvorgang der Finanzbehörde bereits in einem Zeitpunkt anzuzeigen, in dem die Steuerschuld noch nicht entstanden ist, dann tritt eine Verkürzung der Abgabe nicht schon mit dem ungenützten Ablaufe der Anzeigefrist, sondern erst mit der Entstehung der Steuerschuld ein. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Dorazil, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler, Dr. Kaupp, Dr. Rath, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein der Schriftführer, des Finanzkommissärs Dr. Blaschek und des Bezirksrichters Dr. Eckbrecht, über die Beschwerde des Rechtsanwaltes Dr. HM in W, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , GV 20 - 120-VII - 1965, betreffend die Bestrafung wegen zweifacher Hinterziehung der Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Steiermark) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.048,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Dem Finanzamte für Gebühren und Verkehrsteuern in G. als Finanzstrafbehörde I. Instanz wurde bekannt, daß der Beschwerdeführer mit Kaufvertrag vom von CK einen Teil des Grundstückes 1884/2 aus EZ. 2083 Grundbuch J. um den Preis von S 130.000,-- erworben hatte. Die Gültigkeit dieses Vertrages war von der Genehmigung durch die Stadtgemeinde G. nach den Bestimmungen über die Aufschließung von Wohn- und Siedlungsgebieten abhängig. Diese Genehmigung wurde vom Magistrate der Stadt G. am unter Erteilung einer bestimmten Auflage ausgesprochen. Dem genannten Finanzamte wurde weiter bekannt, daß der Beschwerdeführer auf Grund eines Schreibens, das er an Dr. MK am gerichtet hatte, von dieser die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaft EZ. 1290 Grundbuch L. um S 340.000,-- erworben hatte. Am leitete das Finanzamt gegen den Beschwerdeführer ein Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, daß der Beschwerdeführer den Erwerb der genannten Liegenschaften durch Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht und Verwaltung auf eigene Rechnung, somit zwei grunderwerbsteuerpflichtige Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140 (im folgenden kurz mit GrEStG bezeichnet), dem Finanzamte nicht gemäß §§ 1 und 18 GrEStG. zur Abgabenbemessung angezeigt und somit zwei Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes, BGBl. Nr. 129/1958 (FinStrG), in der geltenden Fassung, begangen habe.
Der Beschwerdeführer gab vor dem Finanzamt am zu, die genannten Grundstücke auf eigene Rechnung durch Weiterveräußerung verwertet zu haben. Er erkannte eine Vorschreibung an Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Trennstückes der Liegenschaft EZ. 2083, Grundbuch J. in Höhe von 8 v. H. von S 130.000,--, d. s. S 10.400,--, und eine solche für den Erwerb der Liegenschaft EZ. 1290 Grundbuch L. in Höhe von 8 v. H. von S 340.000,--, d. s. S 27.200,--, an und verzichtete gemäß § 255 Abs. 2 derBundesabgabenordnung (BGBl. Nr. 194/1961, BAO) auf die Einbringung von Rechtsmitteln, wenn ihm die Grunderwerbsteuer in dieser Höhe vorgeschrieben werden würde. Als Beschuldigter im Finanzstrafverfahren vom Finanzamt am vernommen, gab der Beschwerdeführer den ihm angelasteten Sachverhalt, zwei grunderwerbsteuerpflichtige Erwerbsvorgänge im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG dem Finanzamte nicht angezeigt zu haben, wodurch in beiden Fällen Abgabenverkürzungen von insgesamt S 37.600,-- eingetreten seien, und dadurch die Bestimmungen der §§ 1 und 18 GrEStG nicht eingehalten zu haben, zu. Er räumte weiter ein, daß ihm eine gewisse fahrlässige Unachtsamkeit „unterlaufen“ sei, bestritt aber jede Hinterziehungsabsicht. Er erklärte ausdrücklich, auf eine Entscheidung des Spruchsenates zu verzichten.
Mit Straferkenntnis des Finanzamtes vom wurde der Beschwerdeführer der zweifachen Grunderwerbsteuerhinterziehung nach § 33 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt und über ihn gemäß § 33 Abs. 3 in Verbindung mit § 31 dieses Gesetzes eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von einem Monat, verhängt, Gemäß § 185 FinStrG wurde der Beschwerdeführer zudem zum Ersatze der Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von S 10,-- verhalten.
Der Beschwerdeführer bekämpfte diese Entscheidung mit Berufung, in der er, soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist, unter Hinweis auf § 55 FinStrG die Strafverfolgungsverjährung einwendete. Er wies darauf hin, daß die beiden Erwerbsvorgänge vom 3. Februar bzw. innerhalb von 14 Tagen, d. i. bis zum 18. Februar bzw. bis zum , anzuzeigen gewesen wären. Von diesen Tagen an hätten die Verjährungsfristen zu laufen begonnen. Sie seien an den entsprechenden Tagen des Jahres 1963 zu Ende gegangen. Der Beschwerdeführer sei demgegenüber erst am in einem Verfahren wegen Rückersatzes bezahlter Grunderwerbsteuer vernommen worden und habe vorher niemals eine Verständigung über die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens erhalten. Die erste Verfolgungshandlung sei daher lange nach Ablauf der Verjährungsfrist gesetzt worden.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshofe wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes angefochtenen Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Steiermark als Strafbehörde II.Instanz vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Weitere S 5,-- wurden dem Beschwerdeführer an Kosten zusätzlich zu den im erstinstanzlichen Strafbescheide festgesetzten Kosten auferlegt.
Die Einwendung der Verjährung wurde von der belangten Behörde aus den folgenden Erwägungen verworfen: Die Fristen der Bundesabgabenordnung gälten gemäß § 318 dieses Gesetzes auch für jene Fälle, in denen die Fristen des bisherigen Rechtes im Zeitpunkte des Wirksamkeitsbeginnes des genannten Gesetzes () noch nicht abgelaufen gewesen sind. Dies treffe auf den Streitfall zu. Daher wären selbst bei Stichhältigkeit der Berufungsausführungen nicht die Verjährungsfristen der ehemals deutschen Abgabenordnung, sondern die der Bundesabgabenordnung maßgebend. Außerdem beginne nach § 145 Abs. 3 Z. 3 der ehemaligen deutschen Abgabenordnung (AO) die Verjährung der Grunderwerbsteuer überhaupt erst mit dem Ablaufe des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstückes als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist. Da es sich in beiden Fällen um außerbücherliche Erwerbe des Beschwerdeführers gehandelt habe, hätte demgemäß der Lauf der Verjährungsfristen überhaupt noch nicht begonnen. Keinesfalls seien diese Verjährungsfristen im Zeitpunkte des Inkrafttretens der Bundesabgabenordnung bereits abgelaufen gewesen. Es kämen somit die Verjährungsbestimmungen dieses Gesetzes (Bundesabgabenordnung) zum Zuge. Werde ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang der Abgabenbehörde nicht ordnungsgemäß angezeigt, so beginne gemäß § 208 Abs. 2 BAO der Lauf der Verjährung zur Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgange Kenntnis erlangt. Von den strittigen Erwerbsvorgängen habe das Finanzamt erst am 1. bzw. am anläßlich niederschriftlicher Vernehmungen der CK bzw. der Dr. MK Kenntnis erlangt. Somit sei in den strittigen beiden Fällen die Verjährung des Bemessungsrechtes überhaupt erst mit Ablauf des Jahres 1963 in Lauf gesetzt worden. Erst mit diesem Zeitpunkte habe auch der Lauf der Strafverfolgungsverjährungsfrist begonnen, denn gemäß § 55 Abs. 3 letzter Satz FinStrG beginne diese Frist nie früher zu laufen als die Verjährungsfrist für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet.
In der gegen diese Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes erhobenen Beschwerde hält der Beschwerdeführer nach wie vor daran fest, daß in beiden Straffällen die Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Er beruft sich zur Stützung seiner Rechtsmeinung auf § 55 FinStrG, demzufolge die Verfolgungsverjährungsfrist zu laufen beginne, sobald die Straftat abgeschlossen ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Nur dann, wenn zum Tatbestand ein Erfolg gehört, beginne die Verjährungsfrist mit dessen Eintritt und in diesem Falle beginne die Frist überdies nicht früher zu laufen als die Frist für die Verjährung der Festsetzung der Abgabe. Bei Unterlassung der Erstattung einer Anzeige zur Bemessung der Grunderwerbsteuer sei die Tat mit Ablauf der 14tägigen Anzeigefrist abgeschlossen. Mit der Straftat als solcher sei auch kein Erfolg verbunden, wie etwa beim Diebstahle der fortlaufende Besitz der Sache, sodaß die Ausführungen der belangten Behörde, die sich nur mit der Fälligkeit der Abgabe selbst befaßten, an der Auslegung des im Gesetze vorgesehenen Begriffes des Erfolges vorbeigingen. Im vorliegenden Falle sei also die Verjährungsfrist vorn Abschlusse der Straftat an zu berechnen und auch nach den Feststellungen der belangten Behörde seien bis zur Einleitung der ersten Verfolgungshandlung mehr als fünf Jahre verstrichen. Außerdem habe die belangte Behörde auch die Vorschriften des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 78 (Amnestie 1965) außer acht gelassen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers seien die Vorschriften dieses Gesetzes nicht nur auf Finanzstrafen anzuwenden, die von einem Gericht, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch auf solche Strafen, die von einem Finanzamt als Strafbehörde verhängt worden sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vorliegende Beschwerde in einem nach § 13 Z. 1 VwGG 1965 verstärkten Senat erwogen:
Streitig ist im vorliegenden Falle nicht die Strafbarkeit des Verhaltens an sich, das die Verwaltungsinstanzen dem Beschwerdeführer zur Last gelegt haben, sondern nur die Frage der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. In dieser Hinsicht ist noch zu bedenken, daß die vom Beschwerdeführer gesetzten Handlungen bzw. Unterlassungen, die ihm die Verwaltungsinstanzen zugerechnet bzw. zur Last gelegt haben, sich im Jahre 1958, also vor dem Inkrafttreten des Finanzstrafgesetzes - das war nach § 265 Abs. 1 dieses Gesetzes der - ereignet haben, während die Strafverfolgungshandlungen sich durchwegs bereits zur Zeit der Geltung dieses Gesetzes abgespielt haben.
§ 256 FinStrG bestimmt, daß die §§ 1 bis 52 dieses Gesetzes (das sind die Bestimmungen über das materielle Strafrecht) auf strafbare Taten, die vor, dem Wirksamkeitsbeginne dieses Gesetzes begangen wurden, nur anzuwenden sind, wenn diese Taten dadurch nicht einer strengeren Beurteilung unterliegen. Die Vorschriften über die Verjährung der Strafbarkeit gehörten vor dem Inkrafttreten des Finanzstrafgesetzes zu den materiell-rechtlichen Vorschriften (§ 419 AO) wogegen sie derzeit unter die Verfahrensvorschriften eingereiht sind (§ 55 FinStrG). Eine weitere Überleitungsvorschrift enthält § 260 FinStrG. Sie lautet: „Sind im Zeitpunkte des Wirksamkeitsbeginnes dieses Bundesgesetzes Verjährungsfristen noch nicht abgelaufen, so sind die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über Verjährungsfristen anzuwenden, es sei denn, daß § 55 für den Beschuldigten günstigere Fristen vorsieht.“ Diese Regelung betrifft also nur bereits in Lauf gesetzte Verjährungsfristen und regelt deren weiteren Ablauf. Über den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist sagt diese Vorschrift nichts aus. Diese Frage ist vielmehr nach den früheren strafrechtlichen Vorschriften zu entscheiden. Hatte aber nach den früher geltenden Vorschriften der Lauf der Verjährung eines Finanzvergehens noch nicht. begonnen, dann ist auch der Beginn des Laufes der Verjährungsfrist nach dem geltenden Finanzstrafgesetze zu beurteilen.
§ 419 AO regelte nur die Länge der Verjährungsfristen und die Unterbrechungsgründe, sagte aber - abgesehen von der nur für die Wechselsteuer geltenden Sondervorschrift des Abs. 3 - nichts über den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist aus. § 391 AObestimmte aber, daß das Strafgesetzbuch gelte, soweit die Steuergesetze nichts Abweichendes vorschreiben. Die Vorschriften der Abgabenordnung über das Steuerstrafrecht wurden teils durch § 16 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Einführung steuerrechtlicher Vorschriften in Österreich (vom , DRGBl. I. S. 389), teils durch die Vierte Verordnung zur Einführung steuerrechtlicher Vorschriften in Österreich (vom , DRGBl. I, S. 995) in Österreich. in Kraft gesetzt. Dazu bestimmte § 3 der genannten Vierten Einführungsverordnung: „(1) Soweit Vorschriften, die durch diese Verordnung im Land Österreich eingeführt werden, nicht unmittelbar angewendet werden können, sind sie sinngemäß anzuwenden. (2) Soweit die Reichsabgabenordnung auf reichsrechtliche Vorschriften verweist, die im Land Österreich nicht gelten, erhält diese Verweisung in Österreich ihren Inhalt aus dem in Österreich geltenden Recht. Dies gilt auch insoweit, als § 16 Abs. 1 der Ersten Verordnung zu Einführung steuerrechtlicher Vorschriften in Österreich vom , RGBl. I. S. 389, Platz greift. (3) Soweit die Reichsabgabenordnung auf das Reichsstrafgesetzbuch und die Reichsstrafprozeßordnung verweist (insbesondere in den §§ 391 und 420), trifft die näheren Bestimmungen zur Durchführung des Abs. 2 der Reichsminister der Justiz im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen.“ Von den im Abs. 3 der letztgenannten Verordnungsstelle angekündigten „näheren Bestimmungen“ sind in der Folge nur solche auf dem Gebiete des gerichtlichen Steuerstrafwesens in Österreich erlassen worden (Verordnung vom , DRGBl. I, S. 1046). Auf dem Gebiete des materiellen Strafrechtes fehlte es an Durchführungsbestimmungen. Da diese Durchführungsbestimmungen aber nur zur Durchführung des Abs. 2 des genannten § 3 der Vierten Einführungsverordnung erlassen werden sollten, waren bis zu einer anderweitigen mit Gesetzeskraft ausgestatteten Regelung die materiellen Vorschriften des Österreichischen Strafgesetzbuches anzuwenden, soweit sich nicht aus den Steuergesetzen etwas anderes ergab, und mithin auch die Vorschriften des Österreichischen Strafgesetzbuches über die Verjährung. Nach den österreichischen Vorschriften über die Verjährung (§§ 227 und 531 des Strafgesetzbuches) läuft nun die Verjährung von dem Zeitpunkte der begangenen strafbaren Handlung oder, wenn schon eine Strafuntersuchung stattgefunden hat, von der Zeit des Urteiles an, mit dem der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen worden ist. Nähere Angaben über den Zeitpunkt enthält das österreichische Strafgesetzbuch (zum Unterschied von § 67 Abs. 4 des Reichsstrafgesetzbuches) nicht. Die Rechtslehre steht allerdings mit bestimmten Einschränkungen auf dem Standpunkte, den das Reichsstrafgesetzbuch sich zu eigen gemacht hat, daß es nämlich nur auf die Handlung des Täters, nicht auf den Eintritt des Erfolges ankomme. Eine Ausnahme wird für den Fall der Absichtsdelikte zugestanden. Nach dem Lehrbuche von Rittler (2. Auflage 1954, 1. Bd., S. 375/76) läuft bei Absichtsdelikten die Verjährung dann, wenn der Täter die Absicht später wirklich ausführt, erst von diesem Zeitpunkt an. Nach der Rechtslehre setzt ferner bei Unterlassungsdelikten der Lauf der Verjährungsfrist erst in dem Zeitpunkt ein, in dem die Pflicht, tätig zu werden, wegfällt. Sie ist (Malaniuk, Lehrbuch des Strafrechtes, 1. Bd., Seite 271) solange ausgeschlossen, als die Pflicht zum Handeln erfüllt werden kann. Auch die Rechtslehre zum Steuerstrafrechte des sog. Altreiches steht auf dem Standpunkte, daß bei Unterlassungsdelikten die Verjährung erst „mit dem Aufhören der Pflicht zum Handeln“ beginne, „also erst dann, wenn die bestehende Verpflichtung (z. B. Vornahme einer Buchung, Abgabe einer Erklärung ...), sei es auch selbst nachträglich, erfüllt oder die Erfüllung nach Lage der Sache gegenstandslos geworden ist ....“ (Tröger, Steuerstrafrecht 1943, S. 238).
Im vorliegenden Beschwerdefalle wurde nun der Beschwerdeführer von den Verwaltungsinstanzen in zwei Fällen der vollendeten Steuerhinterziehung für schuldig erkannt. Die Verwaltungsinstanzen haben ihm die absichtliche Verheimlichung zweier der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgänge gegenüber dem Finanzamte, zu deren Anzeige er verpflichtet gewesen sei, zur Last gelegt. Der Beschwerdeführer behauptet, diese Straftaten, deren Begehung er an sich nicht bestreitet, im Jahre 1958 begangen zu haben und leitet daraus ab, daß in beiden Straffällen die Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zum Tatbilde der Steuerhinterziehung gehört nun nach dem im Jahre 1958 noch in Geltung gewesenen § 396 AO u. a. (die übrigen in dieser Gesetzesvorschrift genannten Fälle kommen hier nach der Sachlage nicht in Betracht) die vorsätzliche Bewirkung (zum eigenen Vorteile oder zum Vorteil eines anderen), „daß Steuereinnahmen verkürzt werden“. Verkürzt wird nun eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie, ganz oder teilweise, dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkte zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetze darauf Anspruch gehabt hat. Dies ist namentlich auch dann der Fall, wenn es infolge eines vorsätzlichen auf eine solche Verkürzung abzielende Verhaltens einer Person nicht zur rechtzeitigen Festsetzung der Steuer kommt. Die der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgänge sind nun nach § 18 GrEStG innerhalb bestimmter Frist dem zuständigen Finanzamt u. a. auch von den am Erwerbsvorgange beteiligten Personen anzuzeigen. Ist infolge einer vorsätzlichen, nicht bloß fahrlässigen, Unterlassung der Anzeige die Grunderwerbsteuer nicht oder verspätet festgesetzt worden, dann ist das Tatbild des § 396 AO erfüllt. Voraussetzung der Erfüllung des Tatbildes ist aber der Eintritt einer Steuerverkürzung. Eine Steuereinnahme kann aber nicht vor der Entstehung der Steuerschuld verkürzt sein.
Gemäß § 18 Abs. 1 GrEStG sind die unter dieses Bundesgesetz fallenden Erwerbsvorgänge von den im § 17 genannten Personen (darunter fällt in den beiden strittigen Fällen nach Z. 4 dieser Gesetzesstelle auch der Beschwerdeführer als Erwerber) binnen zwei Wochen nach Verwirklichung des Erwerbsvorganges dem Finanzamt anzuzeigen, und zwar auch dann, wenn ein Erwerbsvorgang vom Eintritt einer Bedingung oder von einer Genehmigung abhängig ist oder wenn er von der Steuer ausgenommen ist. Nach § 16 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuerschuld, sobald ein nach diesem Bundesgesetze steuerpflichtiger Erwerbsvorgang verwirklicht ist. Ist die Wirksamkeit eines Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, dann entsteht die Steuerschuld nach dem zweiten Absatze dieser Gesetzesstelle erst mit dem Eintritte der Bedingung oder der Genehmigung. Nach der Aktenlage war die von den Verwaltungsinstanzen angenommene Erwerbung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht an der Liegenschaft EZ. 1290, Grundbuch L., durch den Beschwerdeführer weder von einer Bedingung noch von einer Genehmigung abhängig. Mit diesem Erwerbsvorgange war also gemäß § 16 Abs. 1 GrEStG die Steuerschuld entstanden und bei rechtzeitiger Anzeige des Erwerbsvorganges wäre somit die Finanzverwaltung noch im Jahre 1958 in die Lage gekommen, die Grunderwerbsteuer von diesem Vorgange festzusetzen. Da sie infolge des vorsätzlichen Verhaltens des Beschwerdeführers in diesem Zeitpunkte nicht in der Lage war, die Steuer festzusetzen, war in diesem Zeitpunkte, der jedenfalls noch in das Jahr 1958 fällt, die Steuer verkürzt, und es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß noch im Jahre 1958 der Lauf der Frist für die Verjährung der Strafverfolgung in Lauf gesetzt wurde. Da das Strafverfahren erst am gegenüber dem Beschwerdeführer eingeleitet wurde, war in diesem Zeitpunkte das Strafverfolgungsrecht für dieses Steuervergehen verjährt. Insoweit erweist sich der angefochtene Bescheid seinem Inhalte nach als rechtswidrig.
Die belangte Behörde bestreitet allerdings unter Hinweis auf § 55 Abs. 3 FinStrG, auf § 145 Abs. 3 Z. 3 AO und auf § 208 Abs. 2 BAO die Verjährung des Bemessungsrechtes. Dies zu Unrecht. Wohl beginnt nach § 55 Abs. 3 FinStrG die Frist zur Verfolgungsverjährung nie früher zu laufen als die Verjährung für die Festsetzung der Abgabe, gegen die sich die Straftat richtet. Diese Vorschrift bezieht sich aber, wie aus § 260 desselben Gesetzes hervorgeht, nur auf Fälle, in denen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Verjährungsfrist noch nicht in Lauf gesetzt worden war. Ist aber in diesem Zeitpunkt eine Verjährungsfrist bereits in Lauf gesetzt gewesen, dann sind die bisher in Geltung gestandenen Vorschriften über die Verjährungsfristen anzuwenden, es sei denn, daß § 55 für den Beschuldigten günstigere Fristen vorsieht. § 419 AO kannte aber eine solche Bindung des Auslösungszeitpunktes für den Beginn der Strafverjährung an den Beginn des Laufes der Bemessungsverjährung nicht und das österreichische Strafgesetzbuch, das sich überhaupt nicht auf Steuerdelikte bezog, entbehrt vollends einer derartigen Vorschrift. Somit gehen alle Hinweise der belangten Behörde auf Bestimmungen, die den Beginn der Bemessungsverjährung für die Fälle der Grunderwerbsteuer regeln, für den Fall der Verkürzung der Grunderwerbsteter anläßlich der Erwerbung der Liegenschaft EZ. 1290 Grundbuch L. ins Leere.
Anders liegt der Fall der Erwerbung einer Grundfläche aus der Liegenschaft EZ. 2083, Grundbuch J. mit Kaufvertrag vom . Die Gültigkeit dieses Kaufvertrages war nach seinem Punkte VII von der Genehmigung durch die Stadtgemeinde G. nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Aufschließung von Wohn- und Siedlungsgebieten abhängig. Es wurde ja auch nicht die ganze Liegenschaft, sondern nur ein Teil einer Parzelle verkauft (siehe Punkt IX des Kaufvertrages) und die Unterteilung dieser Bauparzelle bedurfte daher auch der baubehördlichen Genehmigung. Diese wurde aber erst am erteilt. Somit ist die Steuerschuld für diesen Kaufvertrag gemäß § 16 Abs. 2 GrEStG mit der Zustellung der Genehmigung an die Bauwerber entstanden. Vor diesem Zeitpunkte konnte sie auch nicht verkürzt sein. Wohl wäre auch dieser Vertrag gemäß § 18 Abs. 1 GrEStG binnen 14 Tagen nach seinem Abschluß, also bis , anzuzeigen gewesen und dies hat der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen vorsätzlich unterlassen. Mit dem Ablaufe dieser Frist konnte aber, da in diesem Zeitpunkte noch keine Steuerschuld entstanden war und somit auch noch nicht verkürzt sein konnte, die Verjährungsfrist nach § 419 AO noch nicht in Lauf gesetzt sein. Die Absicht des Beschwerdeführers, von der sich dieser bei der Unterlassung der Anzeige leiten ließ, war ja auf die Verkürzung der Grunderwerbsteuer gerichtet. Wenn es sich auch nicht um ein echtes Absichtsdelikt im Sinne der Strafrechtslehre handelt, weil ja nicht ein auf einen Erfolg gerichtetes absichtliches Handeln an sich, sondern dieses Handeln erst zusammen mit dem Eintritte des beabsichtigten Erfolges das Tatbild des vollendeten Steuervergehens nach § 396 AO erfüllte, so kommt diesem Umstande doch für die Beurteilung des vorliegenden Falles rechtliche Bedeutung zu. Denn auch nach Ablauf der Anzeigefrist war ja das Verhalten des Beschwerdeführers rechtswidrig. Bis zur Genehmigung des Vertrages durch die zuständige Behörde hätte er ja durch nachträgliche Anzeige den in der Folge eingetretenen Erfolg der Steuerverkürzung abwehren können, jedenfalls noch durch eine umgehende Verständigung des Finanzamtes von der Erteilung der Genehmigung mit gleichzeitiger Anzeige des Erwerbsvorganges. In diesem Falle hätte ihm allerdings gemäß § 10 Abs. 1 des Abgabeneinhebungsgesetzes, BGBl. Nr. 87/1951, ein Verspätungszuschlag auferlegt werden können. Da er sein vorsätzliches pflichtwidriges Unterlassen (Nichtanzeige) aber im vorliegenden Falle bis zu dem Zeitpunkte fortgesetzt hat, in dem auch bereits der Erfolg der Straftat, nämlich die Steuerverkürzung eingetreten war, sodaß also eine spätere Anzeige für den Erfolg an sich - wenn auch nicht für dessen Ausmaß, nämlich die Dauer der Verkürzung - bedeutungslos gewesen wäre, konnte schon nach den allgemeinen von der Rechtslehre vertretenen Grundsätzen die Verjährung der Straftat nicht vor einem Zeitpunkte beginnen, in dem der Beschwerdeführer in der Lage war, dem Finanzamte die Genehmigung des Kaufvertrages durch die zuständige Behörde mitzuteilen. Dieser Zeitpunkt fällt aber, wie sich aus der Aktenlage ergibt, bereits in das Jahr 1960, sodaß sich die Verjährung dieser Straftat nach § 55 FinStrG zu richten hatte.
Zu dem gleichen Ergebnisse gelangt man noch auf einem anderen Wege. Durch Unterlassung der Abgabe einer vom Gesetze vorgeschriebenen Steuererklärung konnte man nach der Abgabenordnung sowohl eine Steuerhinterziehung (§ 396 AO, vorsätzliches Delikt) als auch eine Steuergefährdung (§ 402 AO, Fahrlässigkeitsdelikt) als auch schließlich (vorsätzlich oder fahrlässig) eine Steuerordnungswidrigkeit nach § 413 Abs. 1 Z. 1 AO begehen. Der Vergehenstatbestand nach § 413 Abs. 1 Z. 1 AO war allerdings subsidiär. Die Verjährungsfrist bei Steuerordnungswidrigkeiten betrug ein Jahr, im übrigen fünf Jahre. Dieser Aufbau der Tatbilder zeigt, daß es dem Gesetzgeber nicht allein auf die Unterlassung einer Anzeigepflicht (unabhängig vom Eintritt eines Erfolges) ankam, sondern daß (neben der Schuldform) auch der Erfolg eine wesentliche Rolle spielte und daß somit, wenn das Verhalten des „Täters“ nur in der Unterlassung der Abgabe einer Erklärung bestand, die Straftat in den Fällen der §§ 396 und 402 AO nicht allein durch die Unterlassung der rechtzeitigen Abgabe einer Steuererklärung vollendet sein konnte. Es muß daraus der Wille des Gesetzgebers erschlossen werden, daß er auch für die Frage des Laufes der Strafverfolgungsverjährung - unter Umständen abweichend von den Grundsätzen des sonstigen allgemeinen Strafrechtes - dem Eintritte des Erfolges wesentliche Bedeutung beimessen wollte, wie dies nun auch in der Fassung des § 55 Abs. 3 FinStrG zum Ausdrucke kommt.
Konnte somit im Falle der Erwerbung einer Grundfläche aus EZ. 2083, Grundbuch J. durch den Beschwerdeführer die Verjährung der Strafbarkeit vor dem Inkrafttreten des Finanzstrafgesetzes nicht in Lauf gesetzt werden, so kommen nunmehr auch die übrigen Vorschriften des § 55 FinStrG zum Zuge. Da die Verfolgungsverjährung, wenn zum Tatbestand ein Erfolg gehört, erst, mit dessen Eintritte zu laufen beginnt, konnte somit jedenfalls erst im Laufe des Jahres 1960, als die Steuerschuld entstanden und infolge Unterlassung der Anzeige sowohl des Rechtsgeschäftes als auch seiner Genehmigung die Steuer verkürzt war, der Lauf der Verjährung beginnen. Da nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle die Verjährungsfrist im vorliegenden Falle fünf Jahre beträgt, war sie jedenfalls durch die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer im Laufe des Jahres 1964 unterbrochen worden, sodaß auf die weitere Frage, ob nach § 208 Abs. 2 BAO in Verbindung mit dem letzten Satze des § 55 Abs. 3 FinStrG die Verjährung etwa erst in einem noch späteren Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden ist, in diesem Zusammenhange nicht mehr einzugehen war. In diesem Punkte kommt daher der Beschwerde keine Berechtigung zu.
Sie ist aber auch insoweit unbegründet, als sie der belangten Behörden die Außerachtlassung der Amnestiebestimmungen des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 78/1965, vorwirft. Die Strafnachsicht nach § 1 dieses Gesetzes beschränkt sich nach dem eindeutigen Wortlaute dieser Bestimmung auf die Verurteilung wegen einer oder mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen. Gemäß § 53 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit Abs. 2 lit. e FinStrG ist das Gericht zur Ahndung von Finanzvergehen betreffend Verkehrsteuern nur zuständig, wenn der Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet (strafbestimmender Wertbetrag) S 50.000,-- übersteigt oder wenn die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren zusammentreffenden Vergehen S 50.000,-- übersteigt und alle diese Vergehen in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fielen. Im vorliegenden Falle liegt aber die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge von S 37.600,-- unter dieser Grenze, sodaß gemäß § 53 Abs. 10 FinStrG die Finanzstrafbehörden zuständig waren. Da jedoch die Amnestie 1965, wie bereits ausgeführt wurde, ausdrücklich nur auf Fälle von Verurteilungen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen anzuwenden ist, kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Falle nicht mit Erfolg auf dieses Gesetz berufen.
Wenn somit der Beschwerde auch nur ein teilweiser Erfolg beschieden sein konnte, war der angefochtene Bescheid doch, weil er ein einheitliches Ganzes bildet - das Finanzamt hatte für beide Straftaten eine einheitliche Strafe verhängt und der angefochtene Bescheid hatte dies bestätigt - zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Zuerkennung eines Schriftsatzaufwandes von S 1.000,-- und von Barauslagen in Höhe von S 48,80 an den Beschwerdeführer gründet sich auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a, § 48 Abs. 1 lit. a und b, § 49 und § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965. Neben dem Pauschsatze von S 1.000,-- ist die Zuerkennung eines Betrages von S 52,50 an überwälzter Umsatzsteuer nicht zulässig, weil alle Auslagen an Schriftsatzaufwand durch den erwähnten Pauschsatz abgegolten sind. An Barauslagen waren nur die Stempelgebühren zuzusprechen, die anläßlich der Beschwerdeführung aufgewendet werden mußten. Gemäß §§ 24 und 29 VwGG 1965 war die Beschwerde nur in drei gleichlautenden Ausfertigungen einzubringen. Diese hatten im Streitfalle nur je einen Bogen umfaßt. Somit konnten für die drei erforderlichen Beschwerdeausfertigungen lediglich S 45,-- und für die Beilage (Abschrift des angefochtenen Bescheides) S 3,80, insgesamt an Barauslagen also S 48,80, zugesprochen werden. Das Mehrbegehren auf Ersatz der Umsatzsteuer und weiterer S 15,-- an Stempelgebühren war daher abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3542 F/1966 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1966:1965001476.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-55037