Suchen Hilfe
VwGH 04.03.1965, 1452/64

VwGH 04.03.1965, 1452/64

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm
WRGNov 1959 §115 Abs2;
RS 1
Ausführung zur Frage, hat die Wasserrechtsbehörde bei einem bevorzugten Wasserbau iSd § 115 Abs 2 WRG 1959 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, muß sie bei Verleihung der angestrebten wasserrechtlichen Bewilligung auch über die dagegen erhobenen Einwendungen absprechen.
Norm
WRGNov 1959 §122 Abs3;
RS 2
Eine einstweilige Verfügung nach § 122 Abs 3 WRG 1959 setzt voraus, daß das Entschädigungsverfahren zumindest eingeleitet ist.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Guggenbichler, sowie die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Knoll und Dr. Schmelz als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Landesregierungskommissärs Dr. Weingartner, über die Beschwerde des JW in I, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land und Forstwirtschaft vom , Zl. 96183/13-53188/64, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft - die nunmehr belangte Behörde - hatte mit Bescheid vom das Vorhaben der im gegenwärtigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft (KELAG) zur Ausnützung des Oscheniksees im Krafthaus Innerfragant 1 als Teil der Kraftwerkgruppe Fragant-Oscheniksee zum bevorzugten Wasserbau erklärt. Über dieses Projekt wurde in der Zeit vom 16. bis eine wasserrechtliche Verhandlung durchgeführt, bei welcher der heutige Beschwerdeführer zu dem Projekte folgende Stellungnahme abgab: "… Grundsätzlich habe ich gegen den Bau des Kraftwerkes und deren Anlagen nichts einzuwenden, doch bin ich sehr besorgt wegen der eventuellen Lärmentwicklung durch das Kraftwerk, da dieses zu nahe an das Hotel herangebaut wird. Weiters ist mir nicht bekannt, nach welcher Richtung das Werk offensteht. Was die Zufahrtsstraße durch mein Grundstück betrifft, so erschwert diese meinen Betrieb derart, daß ich auf eine Wintersaison praktisch verzichten muß, weil die Straße durch das in Frage kommende Schiabfahrtsgelände hinter dem Hotel durchgebaut wird. In bezug auf die Stromableitung, die durch eine Hochspannung über mein Feld geführt wird, beantrage ich, daß die Stromabfuhr mittels Kabel geschieht und in die Erde verlegt wird, und zwar bis zur südlichen Grenze meines geschlossenen Grundbesitzes. Gleichzeitig beantrage ich auch, daß die Druckrohrzuleitung und die Ableitung unter Erde über meine Grundstücke verlegt werden. Bezüglich der Hochspannungsleitung möchte ich sagen, daß eine solche das Landschaftsbild hier stärkstens beeinträchtigt. Ich beziehe zur Zeit aus einer größeren Quelle, die aus meinem Grund entspringt, das Nutz- und Trinkwasser, welches bakteriologisch und chemisch einwandfrei ist, für meinen Hotelbetrieb. Sollte diese Quelle in ihrer Ergiebigkeit durch den Bau oder durch das Absenken des Oscheniksees beeinträchtigt werden oder überhaupt verschwinden, so verlange ich hiefür vollen Schadenersatz. Auch beantrage ich die volle Gewährleistung seitens der KELAG, falls durch den Kraftwerksbau der Kleinfraganter- sowie der Wurtenbach nicht mehr fließen, vollen Ersatz für die Viehtränke und für Wasser für Feuerlöschzwecke im Wurtenbach und für die Viehtränke im Kleinfraganterbach. Dieses Recht wird seit Menschengedenken ausgeübt. Nachträglich möchte ich noch betonen, daß der Bau der Straße durch die KELAG ohne weiteres nach einer anderen Trasse, die bereits als Privatweg ausgebaut ist, ausgeführt werden kann."

Mit dem Bescheide vom erteilte die belangte Behörde schließlich der Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellechaft auf Grund der §§ 9, 12, 21, 100 Abs. 2, 114 und 118 des Wasserrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 215/1959 (kurz: WRG 1959), unter Zugrundelegung der der wasserrechtlichen Verhandlung vom 16. bis vorgelegenen Pläne die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung des Oscheniksees als natürlicher Hochspeicher (I. Ausbaustufe) und zur Errichtung und zum Betriebe der erforderlichen Anlagen bei Vorschreibung einer Reihe von Bedingungen und Auflagen. Im Spruche des Bescheides hieß es weiters, daß Eingriffe in fremde Rechte nur nach vorangegangener gütlicher Vereinbarung oder auf Grund eines Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens erfolgen dürfen. Wegen der besonderen Dringlichkeit wurden gemäß § 122 Abs. 3 WRG 1959 die Inangriffnahme dieses Bauvorhabens sowie notwendige Eingriffe in fremde Rechte auch schon vor Abschluß des Entschädigungsverfahrens gestattet, wobei das Unternehmen, soweit Eingriffe in fremde Rechte notwendig werden, im Sinne des § 60 Abs. 2 WRG 1959 zunächst mit den Betroffenen eine gütliche Übereinkunft anzustreben haben wird. Kann eine rechtsverbindliche Vereinbarung nicht erzielt werden, hat das Unternehmen rechtzeitig beim Amte der Kärntner Landesregierung die Durchführung des Enteignungs- und Entschädigungsverfahrens zu beantragen und eine genaue Aufstellung der erforderlichen Zwangsrechte bzw. Entschädigungsunterlagen in dreifacher Ausfertigung vorzulegen. Den Betroffenen bleibt die Einbringung von Entschädigungsanträgen beim Amte der Landesregierung unbenommen. Über den Gegenstand und Umfang der Zwangsrechte sowie über das Ausmaß und die Art der hiefür zu leistenden Entschädigungen wird auf Grund der erwähnten Anträge gemäß § 114 WRG 1959 in einem gesonderten Verfahren vom Amte der Kärntner Landesregierung verhandelt und abgesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der im wesentlichen gerügt wird, daß in dem angefochtenen Bescheid auf die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen kein Bezug genommen, sondern diesen nur mit dem Hinweis begegnet werde, es stehe dem Beschwerdeführer frei, mit dem Amte der Kärntner Landesregierung eine gebührende Ersatzleistung und Entschädigung auszuhandeln. Darin liege ein Begründungsmangel. Ebensowenig habe die belangte Behörde begründet, worin die besondere Dringlichkeit gelegen sei, die allein eine Verfügung im Sinne des § 122 Abs. 3 WRG 1959 zu rechtfertigen vermöge.

Der Verwaltungsgerichtshof fand die Beschwerde aus nach stehenden Erwägungen begründet:

Der angefochtene Bescheid enthält zwei Absprüche. Mit dem ersten wurde der mitbeteiligten Partei ungeachtet der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen die angestrebte wasserrechtliche Bewilligung erteilt. Mit dem zweiten Abspruche bewilligte die belangte Behörde die vorzeitige Inangriffnahme des Bauvorhabens sowie notwendige Eingriffe in fremde Rechte schon vor dem Abschluß des Entschädigungsverfahrens. Beide Absprüche bekämpft der Beschwerdeführer. Dies zu Recht.

Wie im Sachverhalte dargestellt wurde, hat der Beschwerdeführer gegen das Vorhaben der mitbeteiligten Partei Einwendungen erhoben. Bei jeder Einwendung ist der Antrag mitzudenken, das Vorhaben überhaupt nicht, zumindest aber nicht in der geplanten Form zu bewilligen (vgl. hiezu u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1590/54). Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950 hat der Spruch eines Bescheides die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewandten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen. Enthält aber eine dem Gesetz entsprechende Einwendung einen die Hauptfrage betreffenden Parteienantrag, so muß über diesen auf Grund der vorangeführten Gesetzesstelle in dem angefochtenen Bescheid abgesprochen werden, weil eine gesonderte Entscheidung über die begehrte wasserrechtliche Bewilligung einerseits und über die dagegen erhobenen Einwendungen anderseits rechtlich nicht möglich ist. Dies ist im gegenständlichen Falle nicht geschehen. Die belangte Behörde hat sich vielmehr damit begnügt, in ihrem Bescheide nur einen allgemeinen Hinweis des Inhaltes aufzunehmen, daß den Betroffenen die Einbringung eines Entschädigungsantrages beim Amte der Kärntner Landesregierung unbenommen bleibt. Das Fehlen eines Abspruches über die gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß es sich im Beschwerdefall um einen bevorzugten Wasserbau handelt, bei welchem den Betroffenen gemäß § 115 WRG 1959 nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zusteht. Denn nach Absatz 2 dieser Gesetzesstelle können, falls vor Bewilligung des Bauvorhabens (über den bevorzugten Wasserbau) eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, die Beteiligten Abänderungen oder Ergänzungen des Entwurfes verlangen, durch die das Bauvorhaben nicht wesentlich erschwert oder eingeschränkt wird. Das Verhalten der belangten Behörde kann aber auch nicht damit begründet werden, daß sie hinsichtlich wesentlicher Teile des Vorhabens die Vorlage von Detailprojekten aufgetragen und sich die Entscheidung hierüber vorbehalten hat. Bei bevorzugten Wasserbauten ist nach § 114 Abs. 2 WRG 1959 eine mündliche Verhandlung vor Erteilung der Bewilligung nur dann erforderlich, wenn sie entweder vom Unternehmer - hier also der mitbeteiligten Partei - ausdrücklich verlangt oder von der Behörde für notwendig erachtet wird. Dem Beschwerdeführer steht daher keine rechtliche Möglichkeit offen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Detailprojekte zu begehren und in dieser seine Rechte geltend zu machen. Das Fehlen eines Abspruches über die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwendungen widerspricht daher den Bestimmungen des § 59 Abs. 1 erster Satz AVG 1950, wobei die Verletzung dieser Verfahrensvorschrift wesentlich ist, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung des aufgezeigten Mangels hinsichtlich der vom Projekte berührten Rechte des Beschwerdeführers (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) zu einem anderen Bescheide hätte kommen können. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Rechtslage eine andere gewesen wäre, wenn die Behörde die Entscheidung über die gegen das Vorhaben erhobenen Einwendungen ausdrücklich der Entscheidung über die Detailprojekte vorbehalten hätte.

Was aber den Abspruch nach § 122 Abs. 3 WRG 1959 anlangt, so bestimmt diese Gesetzesstelle, daß das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft bei besonderer Dringlichkeit die Inangriffnahme eines als bevorzugter Wasserbau erklärten und bewilligten Vorhabens sowie notwendige Eingriffe in fremde Rechte schon vor Abschluß des Entschädigungsverfahrens gestatten kann. Bezüglich dieses Ausspruches macht der Beschwerdeführer mit Recht geltend, daß die von der belangten Behörde getroffene Verfügung entgegen der Vorschrift des § 60 AVG 1950 nicht begründet wurde. Ob der gerügte Begründungsmangel dabei wesentlich ist, kann ununtersucht bleiben, weil mit der Aufhebung des Ausspruches über die Erteilung der angestrebten wasserrechtlichen Bewilligung auch der Ausspruch über die Verfügung nach § 122 Abs. 3 WRG 1959 aus dem Bereiche der Rechtsordnung entfernt werden muß. Hiezu kommt noch, daß eine solche Verfügung nach dem klaren Wortlaute des Gesetzes erst ergehen kann, wenn das Entschädigungsverfahren zumindest eingeleitet wurde. Daß diese Voraussetzung im Zeitpunkte der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegeben war, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen,.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
WRGNov 1959 §115 Abs2;
WRGNov 1959 §122 Abs3;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1965:1964001452.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-54988