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VwGH 04.07.1968, 1438/66

VwGH 04.07.1968, 1438/66

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
GewO 1859 §25;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
RS 1
Der VwGH ist auch dann befugt, eine Unzuständigkeit der Gewerbebehörde zur Genehmigung einer Anlage zu untersuchen und allenfalls die aus § 42 Abs 2 lit a VwGG 1965 abzuleitenden Konsequenzen zu ziehen, wenn die Beschwerde von einem Nachbarn erhoben wurde.
Norm
AVG §42 Abs1;
RS 2
Eine Verschweigung (Präklusion) eines Rechtes im Sinne des § 42 Abs 1 AVG 1950 kann nur bei solchen Rechten eintreten, auf deren Geltendmachung verzichtet werden kann, nicht aber bei unverzichtbaren Rechten, zu welchen auch das Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde zu zählen ist.
Norm
GewO 1859;
RS 3
Wird für eine an sich nicht der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeit eine Gewerbeberechtigung verliehen, so hat dies nicht zur Folge, dass damit diese Tätigkeit zu einer gewerblichen Tätigkeit iSd Gewerbeordnung wird.
Normen
SchSpG 1935 §1;
SchSpG 1935 §16;
SchSpG 1935 §17;
SchSpG 1935 §18;
SchSpG 1935 §19;
SchSpG 1935 §2;
SchSpG 1935 §20;
SchSpG 1935 §21;
SchSpG 1935 §22;
SchSpG 1935 §23;
SchSpG 1935 §24;
SchSpG 1935 §34;
SchSpG 1935 §6;
SchSpG 1935 §7;
SchSpG 1935 §8;
SchSpG 1935 §9;
RS 4
Ausführungen zur Frage der Bewilligungspflicht nach den §§ 1, 2, 6 bis 9, 16 bis 26 und 34 Schieß- und Sprengmittelgesetz.
Normen
AVG §40 Abs1;
AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
RS 5
Die Unterlassung der Beiziehung einer Partei zur Augenscheinsverhandlung stellt dann einen solchen Mangel dar, der durch die Zustellung des Bescheides an diese Partei nicht mehr saniert werden kann, wenn die Einbringung eines Rechtsmittels kein taugliches Mittel der Rechtsverfolgung ist. Ein solcher Mangel ist nur durch die Wiederholung der mündlichen Verhandlung sanierbar.
Normen
AVG §42 Abs1;
SchSpG 1935 §23;
SchSpG 1935 §24;
RS 6
Ein Anspruch auf Entschädigung gem § 23 Schieß- und Sprengmittelgesetz kann nur vor der Behörde erster Instanz geltend gemacht werden. Der im Instanzenzug übergeordneten Behörde ist in der Entschädigungsfrage keine wie immer geartete Zuständigkeit eingeräumt. Wird einer Partei des Verwaltungsverfahrens durch die Nichtbeiziehung zur mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz die Möglichkeit genommen, einen solchen Anspruch geltend zu machen, so kann dieser Verfahrensmangel nur durch Wiederholung der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz saniert werden.
Normen
SchSpG 1935 §21;
SchSpG 1935 §22;
RS 7
Ausführungen bzgl der Rechtslage, wenn die gesetzlichen Folgerungen des § 21 Schieß- und Sprengmittelgesetz im Bescheid festgesetzt wurden.
Norm
AVG §6 Abs2;
RS 8
Bei dem Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, das jeder Partei des Verwaltungsverfahrens zusteht, handelt es sich, wie aus § 6 Abs 2 AVG mit aller Deutlichkeit folgt, um ein unverzichtbares Recht, um ein Recht also, dessen Verfolgbarkeit sein Träger auch nicht durch Verschweigung verlustig gehen kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Hofräte Dr. Hrdlitzka, Dr. Striebl, Dr. Skorjanec und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Magistratskonzipisten Dr. Macho, über die Beschwerde der MK in Z, vertreten durch Dr. Horst Haarmann, Rechtsanwalt in Graz, Stempfergasse 8, gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom , Zl. 158.075-III-13-1966 (mitbeteiligte Partei: X-Metallindustrie Gesellschaft m. b. H. in Z, vertreten durch Dr. Gustav Schweiger, Rechtsanwalt in Leibnitz), betreffend die Genehmigung der Erweiterung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, insoweit mit ihm auch der die Entschädigung nach § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes betreffende Teil des Bescheides der Vorinstanz (Landeshauptmann von Steiermark) aufrechterhalten wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei ist nach der Aktenlage Inhaberin einer Konzession, die sie zur fabriksmäßigen Erzeugung, Bearbeitung und Instandsetzung von militärischen Waffen und militärischer Munition, eingeschränkt auf die Herstellung von Heeresmunition, Minen und Wurfgranaten im Standort Z berechtigt. Die zugehörige Betriebsanlage war zunächst mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom in Anwendung der §§ 27, 29 und 30 der Gewerbeordnung, des § 28 des Waffengesetzes, sowie, und zwar hinsichtlich der Pulverlager, "auch in Verbindung mit § 34 unter sinngemäßer Heranziehung der Bestimmungen des IV. Abschnittes (§§ 16 ff.)" des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, BGBl. Nr. 196/1935, in der Fassung des Gesetzblattes für das Land Österreich Nr. 483/1938, genehmigt worden. Ferner war mit dem - gleichfalls in Rechtskraft erwachsenen Bescheid derselben Behörde vom in Vollziehung des § 21 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes der Verlauf der Grenzlinien des engeren und weiteren Gefährdungsbereiches der beiden Pulverlager festgestellt und für die Anrainer der Betriebsanlage eine Anzahl von - diese belastenden - Bestimmungen des zitierten Gesetzes als verbindlich erklärt worden. Die Beschwerdeführerin, nach Ausweis der Verwaltungsakten Eigentümerin der Grundstücke Nr. 223 und 1173 der Katastralgemeinde Z und Inhaberin einer auf diesen und auf Nachbargrundstücken betriebenen Schottergewinnungsanlage, war nach Annahme der Behörde damals nicht betroffen gewesen; sie war daher weder dem Verfahren beigezogen noch war ihr ein Bescheid zugestellt worden.

Nach Genehmigung einer hier nicht interessierenden Erweiterung der Anlage (Bescheid vom ) und nach Erteilung der - im Bescheid vom ausdrücklich vorbehaltenen - Benützungsbewilligung (Bescheid vom ) wurde der Mitbeteiligten mit Bescheid vom , Teil I, in Stattgebung des auch darauf gerichteten Antrages vom 22. Oktober desselben Jahres gemäß den §§ 25, 26, 27, 30 und 32 GewO sowie "unter Heranziehung" des § 34 und des IV. Abschnittes des Schieß- und Sprengmittelgesetzes nach Maßgabe der zum Bestandteil des Bescheides erklärten Pläne und der technischen Beschreibung die gewerbebehördliche Genehmigung zur Erweiterung der Betriebsanlage erteilt. Gegenstand der geplanten Erweiterung war nach dem Vorhaben der Mitbeteiligten im wesentlichen die Vergrößerung der Munitionsfertigung durch verschiedene, im einzelnen beschriebene Zu- und Umbauten sowie die Anlage mehrerer zusätzlicher Sprengstofflager (Verbrauchslager im Sinne des § 34 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes). Die im Bescheid ausgesprochene Genehmigung erstreckte sich nach dem Wortlaut des Spruches auch auf die gemäß der letztangeführten Gesetzesstelle erforderliche Genehmigung. In der Sachverhaltsdarstellung, die dem als "Spruch" bezeichneten Abschnitt des Bescheides vorangestellt wurde, ist des weiteren die Feststellung enthalten, daß nunmehr (nach Erweiterung der Anlage) das im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Grundstück Nr. 1173 Katastralgemeinde Z in den engeren Gefährdungsbereich und das gleichfalls ihr gehörige Grundstück Nr. 223 derselben Katastralgemeinde in den weiteren Gefährdungsbereich im Sinne des § 21 Schieß- und Sprengmittelgesetz falle; ferner findet sich dort die Feststellung, daß kein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes geltend gemacht worden sei. Auch in der Begründung des Bescheides ist auf dieses Sachverhaltselement Bezug genommen, und zwar dergestalt, daß es sich beim Schottergewinnungsbetrieb der Beschwerdeführerin um ein verübergehendes Unternehmen zwecks Ausbeutung von Sand und Schotter handle.

Die Beschwerdeführerin focht diesen Bescheid mittels Berufung an. In Ausführung des Rechtsmittels machte sie vor allem geltend, sie sei ungeachtet der ihr mit Rücksicht auf die örtliche Beziehung zur Betriebsstätte der Mitbeteiligten zukommenden Parteistellung zu der der Erlassung des Bescheides vorangegangenen mündlichen Verhandlung nicht geladen worden. Durch diese Unterlassung sei sie um die Möglichkeit der Geltendmachung ihrer Rechte, insbesondere jenes auf Zuspruch der ihr gemäß § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes zukommenden Entschädigung, gebracht worden. In materieller Hinsicht brachte sie vor, es müsse befürchtet werden, daß die Mitbeteiligte den mittels eines Baggers und unter Verwendung einer Sortieranlage geführten Betrieb der Beschwerdeführerin "auf Grund des angefochtenen Bescheides bekämpfen" werde. Ferner müsse gegen die Bewilligung deshalb Stellung genommen werden, weil durch den Betrieb der Mitbeteiligten die Schottergewinnungsanlage gefährdet werde und überdies zu Unrecht ein Bauverbot in Geltung trete, d. h. eine rechtliche Grundlage für die Versagung baubehördlicher Bewilligungen für allfällige künftige eigene Bauvorhaben geschaffen würde.

Mit dem namens des Landeshauptmannes gefertigten Bescheid vom gab das Amt der Steiermärkischen Landesregierung der Berufung der Beschwerdeführerin nicht Folge und bestätigte den Bescheid der Vorinstanz. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Tatsache allein, daß innerhalb der Grenzen des Gefährdungsbereiches Grundstücke lägen, die betriebsfremden Personen gehörten, hindere die Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung nicht; dies folge insbesondere aus § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, der eine Entschädigung für die Eigentümer solcher Grundstücke vorsehe. Eine Konkretisierung der behaupteten Gefährdung ihres Betriebes habe die Beschwerdeführerin unterlassen. Da mit dem vorinstanzlichen Bescheid ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zum Schutze der in der Anlage der Mitbeteiligten beschäftigten Personen auferlegt worden seien, könne auch eine Gefährdung der Beschwerdeführerin nicht angenommen werden. Eine Entschädigung sei mangels Vorliegens einer erweislichen Bestimmung für Bauzwecke und damit wegen Fehlens dieser in § 23 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes geforderten Voraussetzung nicht zuzusprechen gewesen.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung. Eine Konkretisierung der Gefährdung ihres Besitzes sei ihr, so brachte sie dort vor, zufolge unterbliebener Ladung zur Verhandlung nicht möglich gewesen. Die Gefährdung könne auch nicht, wie dies in dem mittels Berufung angefochtenen Bescheid geschehen sei, mit der Begründung geleugnet werden, daß sie nicht unbedingt gegeben sein müsse; vielmehr nehme der Gesetzgeber eine solche Gefährdung schlechthin an und sehe hiefür den Zuspruch einer Entschädigung vor. Der bekämpften Genehmigung komme der Charakter einer Enteignung zu, für welche jedoch jegliche gesetzliche Voraussetzung fehle. Auch nach dem Steiermärkischen Landesgesetz vom , LGBl. Nr. 329, über die Flächennutzungs- und Bebauungspläne komme ihr ein Recht auf Entschädigung zu. Schließlich wendete sich die Beschwerdeführerin erneut gegen die Annahme der Unterinstanzen, es fehle deshalb an einer erweislichen Bestimmung für Bauzwecke im Sinne des § 23 Abs. 1 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes, weil weder eine Widmungs- noch eine Baubewilligung erteilt worden sei; dies mit der Begründung, daß ihr Schottergewinnungsbetrieb zumindest wie ein ebenerdiges Haus zu werten sei.

Auch dieser Berufung blieb der Erfolg versagt. Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom gab ihr das Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie aus den im wesentlichen für zutreffend und durch die Berufungsausführungen nicht widerlegt erachteten Gründen des Bescheides der Behörde zweiter Rechtsstufe keine Folge. Ergänzend und in Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen wurde ausgeführt, weder durch den Hinweis auf den nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Landesbauordnung ergangenen Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung noch durch die Berufung auf das Steiermärkische Landesgesetz über die Flächennutzungs- und Bebauungspläne könne die Beschwerdeführerin etwas für sich gewinnen. Dies deshalb nicht, weil die Gewerbebehörde zur Handhabung anderer als gewerberechtlicher Vorschriften nicht berufen sei. Der Mangel, der in der Nichtbeiziehung der Beschwerdeführerin zu der vor der Behörde erster Instanz abgehaltenen mündlichen Verhandlung gelegen gewesen sei, sei durch Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides saniert worden; auch ihre Rechte habe sie im folgenden Verfahren geltend machen können.

Über die gegen diesen Bescheid unter den Gesichtspunkten der inhaltlichen Rechtswidrigkeit sowie auch der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vor Eingehen in die Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen hat der Verwaltungsgerichtshof die Frage geprüft, ob sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit des in Beschwerde gezogenen Bescheides nicht schon daraus ergeben könnte, daß die Erzeugung von Schieß- und Sprengmitteln, also die Entfaltung einer Tätigkeit, wie sie die mitbeteiligte "südsteirische Metallindustrie GesmbH." nach der Aktenlage möglicherweise in Form der Erzeugung von Platzpatronen sowie von Panzerminen und Granatwerfermunition ausübt, nicht der Gewerbeordnung, sondern dem Schieß- und Sprengmittelgesetz, BGBl. Nr. 196/1935, in der Fassung der Verordnung, Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 483/1938, und des Gesetzes BGBl. Nr. 232/1959, unterliegt. Das gegenüber der Gewerbeordnung als eine lex specialis anzusehende Schieß- und Sprengmittelgesetz enthalte nämlich sowohl spezielle, von der Regelung der Gewerbeordnung abweichende Vorschriften über die - dem subjektiven Gewerberecht entsprechende - Erzeugungsbefugnis (§§ 6 bis 9) als auch eigene Bestimmungen über Verfahren und Inhalt der Betriebsanlagegenehmigung (§§16 bis 26 des zitierten Gesetzes).

Seine Befugnis zur Untersuchung der Zuständigkeitsfrage bzw. seine Berechtigung, aus einer etwa festgestellten Unzuständigkeit der Gewerbebehörden zur Genehmigung der Anlage der Mitbeteiligten die aus § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 abzuleitenden Konsequenzen zu ziehen, hält der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet des Umstandes, daß er durch einen Nachbarn, also eine Nebenpartei des Verwaltungsverfahrens, angerufen worden ist, aus nachstehenden Erwägungen für gegeben:

Der Nachbar einer gewerblichen Betriebsanlage hat im Genehmigungsverfahren seine subjektiven öffentlichen Rechte dadurch wahrzunehmen, daß er die Behauptung einer Verletzung dieser Rechte in die Gestalt entsprechender Einwendungen kleidet. In dem - auch hier vorliegenden - Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung muß er, will er damit durchdringen, diese Einwendungen entsprechend der Regelung des § 42 AVG so rechtzeitig erheben, daß keine Verschweigung (Präklusion) eintritt. Ist Präklusion eingetreten, so ist auch der Verwaltungsgerichtshof daran in der Art gebunden, daß er aus einer behaupteten oder tatsächlichen Verletzung verschwiegener Rechte keine Folgerungen ziehen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Slg. N. F. Nr. 6777/A). All das bezieht sich indes nur auf solche Rechte des Nachbarn, auf deren Geltendmachung verzichtet werden kann und deren Inhalt es sohin zuläßt, ihren durch Verschweigung

um die Verfolgbarkeit der Rechte gebrachten Träger "als ... dem

Vorhaben ... zustimmend" anzusehen (§ 42 Abs. 1 AVG). Bei dem Recht auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, das jeder Partei eines Verwaltungsverfahrens und daher auch dem Nachbarn einer gewerblichen Betriebsanlage zusteht, handelt es sich demgegenüber, wie aus § 6 Abs. 2 AVG mit aller Deutlichkeit folgt, um ein unverzichtbares Recht, um ein Recht also, dessen Verfolgbarkeit sein Träger auch nicht durch Verschweigung verlustig gehen kann. Hiezu kommt, daß die Beschwerdeführerin zufolge § 18 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes in einem etwa nach diesem Gesetz durchzuführenden Genehmigungsverfahren gleichfalls die verfahrensrechtliche Stellung einer Partei genießt und daher in diesem Verfahren Rechte, wie etwa das im § 23 verankerte und in der vorliegenden Beschwerde als verletzt bezeichnete Recht auf Entschädigung geltend machen kann. Bei dieser Situation kann der Umstand, daß die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine die Zuständigkeit der Gewerbebehörden in Abrede stellende Einwendung erhoben und auch vor dem Verwaltungsgerichtshof dergleichen nicht vorgebracht hat, nicht bewirken, daß es dem Verwaltungsgerichtshof zufolge Verschweigung der Beschwerdeführerin verwehrt wäre, die Zuständigkeitsfrage in Anwendung des § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG 1965 aufzugreifen (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg, N. F. 1750/A).

Für die Entscheidung über die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides konnte sohin dieser Grund maßgebend sein. Da er den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bisher nicht bekanntgegeben worden war, wurden Beschwerdeführerin, Mitbeteiligte und belangte Behörde mit hg. Beschluß vom aufgefordert, sich hiezu zu äußern. Während sich die belange Behörde in ihrem Schriftsatz vom auf die Wiedergabe der bestehenden Rechtslage beschränkt und die Beschwerdeführerin in ihrer Äußerung vom die im Beschluß zum Ausdruck kommenden Bedenken als gerechtfertigt bezeichnet hat, hat die Mitbeteiligte die Auffassung vertreten, daß es sich bei ihrer Anlage zunächst schon deshalb um eine gewerbliche Betriebsanlage handeln müsse, weil sie ihre Tätigkeit auf Grund einer von der Gewerbebehörde verliehenen Konzession entfalte. Die Mitbeteiligte verkennt hier, daß die Frage, ob eine Tätigkeit der Gewerbeordnung unterliegt oder nicht, nach diesem Gesetz zu beantworten ist, aber nicht allein auf Grund eines, wenn auch rechtskräftigen, so doch allenfalls inhaltlich verfehlten individuellen Verwaltungsaktes beurteilt werden kann. Mit anderen Worten: Wäre für eine an sich nicht der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeit eine Gewerbeberechtigung verliehen worden, so hätte dies nicht zur Folge, daß damit diese Tätigkeit zu einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne der Gewerbeordnung geworden wäre.

In ihrer Äußerung vom hat die Mitbeteiligte aber darauf hingewiesen, daß in ihrem Betrieb Schieß- und Sprengmittel weder zu Sprengpatronen noch zu Vorrichtungen zu deren Verstärkung verarbeitet würden. Sie hat ferner hervorgehoben, daß in der Heeresmunitionsherstellung keine Sprengpatronen inbegriffen seien und bei der Herstellung von Minen und Wurfgranaten einfach TNT verwendet werde, ohne daß zur Verstärkung dieses Sprengstoffes etwas beigesetzt würde. Dieses tatsächliche Vorbringen der Mitbeteiligten nahm der Verwaltungsgerichtshof zum Anlaß, die ihm bis zum Zeitpunkt der Erstattung der Äußerung noch nicht vorgelegten Verwaltungsakten über die in Rede stehende Betriebsanlage, insbesondere jene über das ihrer ursprünglichen Genehmigung im Jahre 1958 vorangegangene Verfahren einzuholen. In diesen Akten findet das erwähnte tatsächliche Vorbringen der Mitbeteiligten seine Deckung. Der Verwaltungsgerichtshof ist demnach mit Rücksicht auf die in den Paragraphen 1 und 2 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes enthaltene Regelung zu der Erkenntnis gekommen, daß es sich entgegen der dem Beschluß vom zugrunde liegenden Vermutung bei der durch die Mitbeteiligte entfalteten Tätigkeit nicht um eine schlechthin den §§ 6 bis 9 bzw. 16 bis 26 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes unterliegende Tätigkeit handelt. Zufolge seines § 34 hat vielmehr das angeführte Gesetz auf diese Anlage nur insofern Anwendung zu finden, als die durch die Mitbeteiligte unterhaltenen Verbrauchslager (Abs. 2) der behördlichen Genehmigung bedürfen; zur Erteilung dieser Genehmigung ist gemäß dem Abs. 3 erster Halbsatz des zitierten Paragraphen die zur Genehmigung der gewerblichen Betriebsanlage zuständige Behörde berufen. Im vorliegenden Fall war also in erster Instanz die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz zuständig.

Aus all dem folgt, daß eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, gelegen darin, daß die belangte Behörde eine den Entscheidungen der Vorinstanzen anhaftende Unzuständigkeit nicht wahrgenommen hätte, nicht vorliegt.

Zum Beschwerdevorbringen selbst ist folgendes zu sagen:

In Ausführung der Rechtsrüge bekämpft die Beschwerdeführerin die im angefochtenen Bescheid aufrechterhaltene Genehmigung der neu eingerichteten Verbrauchslager deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weil die mit dieser Genehmigung verbundenen, aus § 22 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes gefolgerten rechtlichen Auswirkungen auf ihre im Gefährdungsbereich gelegenen Grundstücke bzw. auf ihre Schottergewinnungsanlage einer Enteignung gleichkämen. An der für die Zulässigkeit einer Enteignung geforderten Voraussetzung des öffentlichen Interesses fehle es aber nach Auffassung der Beschwerdeführerin.

Gemäß dem im Abschnitt IV des Schieß- und Sprengmittelgesetzes enthaltenen und daher zufolge § 34 Abs. 6 dieses Gesetzes auf Verbrauchslager dem Sinne nach anzuwendenden § 21 Abs. 3 des zitierten Gesetzes ist der - engere und weitere - Gefährdungsbereich bei Erteilung der hiefür nach § 34 Abs. 2 leg. cit. nötigen Genehmigung festzusetzen und bei der Genehmigung von Änderungen, die auch eine Änderung des Gefährdungsbereiches zur Folge haben, neu zu bestimmen. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Einbeziehung des ihr gehörigen Grundstückes Nr. 223 in den weiteren sowie ihres Grundstückes Nr. 1173 in den engeren Gefährdungsbereich weder in der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung noch im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens etwas vorgebracht. Sie behauptet auch in der Beschwerde nicht, daß dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes anhafte, die in der unrichtigen, d.

h. mit § 21 Abs. 1 des mehrfach angeführten Gesetzes in Widerspruch stehenden Einreihung ihrer Grundstücke in den Gefährdungsbereich gelegen wäre. Die im bekämpften Bescheid vorgenommene Festsetzung der Beschränkungen aber, gegen die sich der Vorwurf der inhaltlichen Rechtswidrigkeit richtet, ist zufolge der Anordnung des § 22 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes die zwingende und unmittelbar kraft Gesetzes zu ziehende rechtliche Folgerung dieser - durch die Beschwerdeführerin als richtig anerkannten - Einreihung. Bei dieser rechtlichen Situation bedarf es keiner Untersuchung der Frage, ob und inwieweit den strittigen Beschränkungen der Charakter von Enteignungsmaßnahmen oder von enteignungsähnlichen Eingriffen in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin zukommt. Ist doch das öffentliche Interesse daran, daß die in § 22 des in Rede stehenden Gesetzes im einzelnen genannten Beschränkungen des Grundeigentums Platz zu greifen haben, für Liegenschaften im Gefährdungsbereich durch den Gesetzgeber unterstellt worden. Der Ausspruch über die Bebauungs- und sonstigen Beschränkungen, die mit dem angefochtenen Bescheid unter anderem auch für die Grundstücke der Beschwerdeführerin festgelegt worden sind, ist demnach mit keiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit behaftet.

Das sonstige Beschwerdevorbringen zielt zur Gänze darauf ab, die in der Umschreibung des Beschwerdepunktes behauptete Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführerin auf Entschädigung (§§ 23 bis 26 Schieß- und Sprengmittelgesetz) darzutun. In dieser Hinsicht ist die Beschwerdeführerin aus den folgenden Erwägungen im Recht:

Zwar ist es richtig, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich auch die belangte Behörde berufen hat, der Anrainer einer Betriebsanlage keinen unbedingten Anspruch darauf hat, der an Ort und Stelle abgehaltenen mündlichen Verhandlung beigezogen zu werden. Nach dieser Rechtsprechung genügt es vielmehr, daß ihm durch nachträgliche Zustellung des ohne seine Mitwirkung erflossenen Bescheides Gelegenheit zur nachträglichen Geltendmachung seiner Rechte eingeräumt wird. Die in Rede stehende Rechtsprechung beruht daher auf der Überlegung, daß der Mangel der unterlassenen Beiziehung einer Partei zur Augenscheinsverhandlung dann als saniert gelten kann, wenn durch diesen Mangel keine endgültige Beeinträchtigung der subjektiven öffentlichen Rechte der übergangenen Partei eintritt. Durchaus im Einklang mit dieser Rechtsprechung steht die weitere Überlegung, daß die Entbehrlichkeit der Beteiligung des Nachbarn am Verfahren vor der Behörde erster Instanz nur so weit hingenommen werden kann, als die Parteienrechte hiedurch nicht geschmälert werden. Mit anderen Worten: Dann und insoweit, als die Einbringung eines Rechtsmittels gegen den erstinstanzlichen Bescheid kein taugliches Mittel der Rechtsverffolgung ist - weil etwa das betreffende Recht bei sonstigem Verlust nur vor oder bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden kann -, ist der Mangel der Beiziehung des Nachbarn zum erstinstanzlichen Verfahren und insbesondere seiner Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nicht anders als durch deren Wiederholung sanierbar.

Überträgt man diesen Grundsatz auf den konkreten Beschwerdefall, so ergibt sich folgendes:

Gemäß § 23 Abs. 1 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes haben Eigentümer von Liegenschaften, die im engeren Gefährdungsbereich gelegen sind, gegen den Eigentümer (die betriebsführende Unternehmung) der Schieß- und Sprengmittelanlage Anspruch auf eine Entschädigung, wenn ihre Liegenschaften schon zur Zeit der Einbringung des Ansuchens um Genehmigung der Anlage erweislich für Bauzwecke bestimmt waren. Gemäß dem Abs. 2 desselben Paragraphen ist der Betrag der Entschädigung, wenn nicht eine gütliche Vereinbarung zustande kommt, von der Genehmigungsbehörde festzusetzen. Ferner bestimmt § 24 des angeführten Gesetzes, daß gegen den die Entschädigung betreffenden Teil des Genehmigungsbescheides eine Berufung unzulässig ist, daß aber jede der beiden Parteien binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Genehmigungsbescheides beim zuständigen Bezirksgericht die Entscheidung beantragen kann, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung zu leisten ist. Die Anrufung des Gerichtes bewirkt die Aufhebung des die Entschädigung betreffenden Teiles des Genehmigungsbescheides.

Die in Ansehung der Entschädigung bzw. deren Behandlung durch die Gewerbebehörde bestehende prozessuale Situation ist sohin dadurch gekennzeichnet, daß der Anspruch auf Entschädigung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens wirksam nur vor der Behörde erster Instanz geltend gemacht werden kann, sowie des weiteren dadurch, daß den im Instanzenzug übergeordneten Verwaltungsbehörden in der Entschädigungsfrage keine wie immer geartete sachliche Zuständigkeit eingeräumt ist. Daraus folgt, daß die Beschwerdeführerin ihren Entschädigungsanspruch - anders als die gegen das Vorhaben der Mitbeteiligten an sich gerichteten Einwendungen - nach Abschluß des in dieser Frage abgewickelten erstinstanzlichen Verfahrens im Verwaltungswege zulässigerweise nicht mehr geltend machen konnte. Die zur Entschädigungsfrage gegebene Begründung des Bescheides der Gewerbebehörde zweiter Instanz, die in Erwiderung auf das hiemit zusammenhängende Berufungsvorbringen gegeben worden ist, zeigt sohin lediglich, daß diese Behörde die aufgezeigte Beschränkung ihrer funktionellen Zuständigkeit nicht erkannt hatte. Die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene und nach dem bisher Gesagten im Rechtsmittelwege meritorisch nicht mehr bekämpfbare Feststellung, ein Anspruch auf Entschädigung sei nicht geltend gemacht worden, ist zwar objektiv richtig, hat aber ihre Ursache in eben jenem Verfahrensmangel, der in der Nichtbeiziehung der Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung gelegen und, wie dargetan, nicht mehr anders als durch Wiederholung der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Rechtsstufe sanierbar ist.

Aus all dem folgt, daß es Aufgabe des Landeshauptmannes als Gewerbebehörde zweiter Instanz gewesen wäre, jenen Teil des vorinstanzlichen Bescheides in Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG 1950 aufzuheben, mit welchem die Feststellung der Nichtgeltendmachung eines Entschädigungsanspruches getroffen worden war. Dies deshalb, weil diese Feststellung zwar kein die Entschädigung betreffender Teil des Genehmigungsbescheides im Sinne des § 24 des Schieß- und Sprengmittelgesetzes ist, wohl aber einen - über die reine Tatsachenfeststellung hinausgehenden - Ausspruch enthält, der geeignet ist, Rechtswirkungen gegenüber dem Gericht (§ 24 Abs. 2 leg. cit.) zu erzeugen. Daß die belangte Behörde dies verkannt und den Bescheid der Behörde zweiter Instanz aus dieser unrichtigen Rechtsmeinung heraus zur Gänze aufrechterhalten hat, belastet ihren Bescheid in diesem Umfang mit einer Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dies mußte gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 zur Aufhebung ihres Bescheides in diesem Umfang führen. Wien, am

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Normen
AVG §40 Abs1;
AVG §41 Abs1;
AVG §42 Abs1;
AVG §6 Abs2;
GewO 1859 §25;
GewO 1859;
SchSpG 1935 §1;
SchSpG 1935 §16;
SchSpG 1935 §17;
SchSpG 1935 §18;
SchSpG 1935 §19;
SchSpG 1935 §2;
SchSpG 1935 §20;
SchSpG 1935 §21;
SchSpG 1935 §22;
SchSpG 1935 §23;
SchSpG 1935 §24;
SchSpG 1935 §34;
SchSpG 1935 §6;
SchSpG 1935 §7;
SchSpG 1935 §8;
SchSpG 1935 §9;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 litc Z3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
Sammlungsnummer
VwSlg 7385 A/1968
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1968:1966001438.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-54951