VwGH 25.06.1969, 1430/68
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Einkünfte aus einem Fruchtgenuß stellen grundsätzlich originäre Einkünfte des Berechtigten dar, die, wenn sie aus einem Gewerbebetrieb fließen (hier aus Anteilen an einer Apotheke), nicht den sonstigen Einkünften iSd § 22 EStG 1953, sondern den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen sind, wenn ein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist (Hinweis E , 543, 544/53, VwSlg 897 F/1954; E , 2216/61 und E , 1137/51). |
Norm | EStG 1953 §13 Abs1 Z1; |
RS 2 | Die Einkünfte aus dem Fruchtgenuß an einem landwirtschaftlichen Gute sind Einkünfte aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0543/53 E VwSlg 897 F/1954 RS 1
(Hinweis E , 1137/51, VwSlg 673 F/1952). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. Dr. Porias und die Hofräte Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp, Hofstätter und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde der Dr. PF in W, vertreten durch Dr. Harold Seidler, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat) vom , Zl. VI-3114/1/65, betreffend Einkommensteuer 1961, 1962 und 1963, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 1.090,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin und ihr im Jahre 1964 verstorbener Ehegatte Mag. pharm. Dr. AF waren bis Ende 1959 an einer unter der Firma "G. Apotheke" betriebenen öffentlichen Apotheke in W als offene Handelsgesellschafter beteiligt. Mit zwei gleichlautenden Schenkungsverträgen vom schenkten jedoch die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte ihren Anteil von je einem Viertel am Betriebsvermögen der Apotheke ihrer Tochter, Mag. pharm. VF, verehelichte P, die unter einem auch die Geschäftsanteile der übrigen offenen Handelsgesellschafter käuflich erworben hatte und daher Alleininhaberin der Apotheke wurde. Gemäß Punkt II der beiden Schenkungsverträge behielten sich die Geschenkgeber allerdings ein lebenslängliches Fruchtgenußrecht an den von ihnen verschenkten Gesellschaftsanteilen vor und gemäß Punkt VIII verpflichtete sich die Beschenkte, Kredite auf die ihr gehörigen Apothekenanteile nur mit Zustimmung der Geschenkgeber aufzunehmen; für den Fall, daß die Beschenkte eine der übernommenen Verpflichtungen verletze, sollte die Schenkung ihre Gültigkeit verlieren und die verschenkten Vermögenswerte wieder in das Eigentum der Geschenkgeber übergehen.
Anläßlich der Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1961, 1962 und 1963 behandelte das Finanzamt die von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten bezogenen Einkünfte aus dem Fruchtgenußrecht als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG und versagte daher die Kürzung des Haushaltseinkommens gemäß § 32a EStG vor Anwendung des Einkommensteuertarifes. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin jedoch Berufung und führte aus, daß nach Lehre und Rechtsprechung Gewinnanteile ebenso wie laufende Renten, die anläßlich der Übergabe eines Gewerbebetriebes vereinbart würden, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen seien. Für den Fruchtnießer habe dies umsomehr zu gelten, da er im Gegensatz zum Rentenberechtigten das volle Unternehmerwagnis zu tragen habe. Auch könne nicht bestritten werden, daß die Einkünfte der Beschwerdeführerin und ihres verstorbenen Ehegatten aus ihrer ehemaligen Tätigkeit als Gesellschafter der G. Apotheke gemäß § 24 EStG als Einkünfte aus Gewerbebetrieb anzusehen seien, weshalb der Kürzungsbetrag des § 32a EStG berücksichtigt werden müsse. Die belangte Behörde führte über Anordnung des Senatsvorsitzenden eine mündliche Berufungsverhandlung durch, in deren Verlauf der Vertreter der Beschwerdeführerin die beiden Schenkungsverträge vom vorlegte und über Befragen angab, daß zwischen den beiden Vertragsteilen keine Vereinbarung darüber getroffen worden sei, wer einen allfälligen Verlust aus dem Gewerbebetrieb zu tragen habe. Darauf wies die belangte Behörde die Berufung mit Bescheid vom ab. Der Beschwerdeführerin sei zwar insoweit beizupflichten, als Einkünfte aus der "entgeltlichen Veräußerung" eines Gewerbebetriebes den gewerblichen zuzurechnen seien, doch habe es sich in ihrem Fall um eine unentgeltliche, bewußt als Schenkung vorgenommene Betriebsübertragung gehandelt. Wirtschaftlich sei damit nichts anderes bezweckt worden, als neben der Übereignung der Gesellschaftsanteile an die Tochter auch die Versorgung ihrer bereits hochbetagten Eltern zu sichern. Infolgedessen hätten die strittigen Bezüge mit dem ehemaligen Gewerbebetrieb der Eltern nichts mehr zu tun und seien, da sie wiederkehrend gewährt würden, den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 EStG zuzurechnen. Somit wäre eine Kürzung des Haushaltseinkommens gemäß § 32a EStG unzulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 32a Abs. 1 EStG in der Fassung der Einkommensteuernovelle 1960, BGBl. Nr. 284, ist das Einkommen (§ 2 Abs. 2), wenn jeder der nach § 26 Abs. 1 zusammen zu veranlagenden Ehegatten Einkünfte aus einer oder mehreren Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z. 1 bis 4 bezieht, vor Anwendung des Einkommensteuertarifes um die Summe dieser Einkünfte jenes Ehegatten, bei dem diese Summe niedriger ist, zu kürzen. Sind - wie im Beschwerdefalle - die Summen der genannten Einkünfte bei jedem Ehegatten gleich hoch, dann ist nach Wahl des Steuerpflichtigen das Einkommen vor Anwendung des Einkommensteuertarifes um die Summe der genannten Einkünfte eines der zusammen zu veranlagenden Ehegatten zu kürzen.
Da die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte nach dem Inhalt ihrer Einkommensteuererklärungen in den gegenständlichen Jahren keine weiteren Einkünfte als je ein Viertel des im Zuge einer Betriebsprüfung ermittelten Gewinnes der G. Apotheke bezogen haben, ist es Voraussetzung für die Kürzung ihres Einkommens nach dieser Gesetzesstelle, daß die ihnen zugeflossenen Gewinnanteile als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 3 Z. 2 EStG.) angesehen werden können. Die belangte Behörde ist allerdings im angefochtenen Bescheid zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich um sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 3 Z. 7 EStG), weshalb eine Kürzung ausgeschlossen sei.
Gemäß § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb unter anderem auch die Gewinnanteile der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, selbst dann, wenn diese Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fließen sollten (§ 24 Z. 2 EStG). Nun stimmen Lehre und Rechtsprechung darin überein, daß Einkünfte aus einem Fruchtgenuß grundsätzlich originäre Einkünfte des Berechtigten sind, die, wenn sie, wie im Beschwerdefall, aus einem Gewerbebetrieb fließen, den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuzurechnen sind (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer, 12. Auflage, Band IV, Anmerkung 27 h zu § 15 EStG, ferner die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 897/F, und vom , Zl. 2216/61). Wohl hat eine andere Beurteilung dann stattzufinden, wenn der Fruchtgenuß in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht eingeräumt wird. Eine solche Verpflichtung würde die Tochter der Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid andeutet - auch unzweifelhaft treffen, weil ihre Eltern unbestrittenermaßen über keine weiteren Einkünfte und über kein nennenswertes Vermögen verfügen. In diesem Falle wären aber die in Rede stehenden Einkünfte nicht beim Empfänger, der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten, als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG zu besteuern. Sie wären vielmehr in voller Höhe den Einkünften aus Gewerbebetrieb ihrer Tochter zuzurechnen und bei ihr zu besteuern, weil Zuwendungen an Unterhaltsberechtigte zufolge der Vorschrift des § 12 Z. 2 EStG weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Allein es darf nicht übersehen werden, daß im Beschwerdefalle der Einräumung des Fruchtgenusses eine gleichwertige Gegenleistung der unterhaltsberechtigten Eltern, nämlich die Übertragung der beiden Gesellschaftsanteile an der G. Apotheke, gegenüberstand. Es fehlte somit den von der Tochter der Beschwerdeführerin ihren Eltern überlassenen Gewinnteilen der Charakter einer "Zuwendung" im Sinne des § 12 Z. 2 EStG (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung, 2. Auflage, S. 170). Nun behauptet die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Gegenschrift, daß es als Folge der Schenkung an einem wirtschaftlichen Zusammenhang der von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten bezogenen Einkünfte mit dem Gewerbebetrieb ihrer Tochter fehle, zumal nicht vereinbart worden sei, wer einen allfälligen Verlust zu tragen habe. Mit diesem Einwande nimmt die belangte Behörde offenbar auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 673/F, Bezug, in dem der Gerichtshof dargetan hat, daß Einkünfte aus einem Fruchtgenuß an einem Gesellschaftsanteil dann wiederkehrende Bezüge im Sinne des § 22 EStG sind, wenn es sich um Zuwendungen an nahe Verwandte handelte die weder in der Gesellschaft tätig sind noch jemals tätig waren, es zu einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Gesellschaft also fehlt. Im Beschwerdefall ist dagegen unbestritten, daß die Beschwerdeführerin und ihr Ehegatte bis zur Übertragung der Gesellschaftsanteile offene Handelsgesellschafter der G. Apotheke gewesen sind, sodaß allein dadurch ein hinreichender wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist, um die von ihnen erzielten Einkünfte aus dem Fruchtgenuß den Einkünften im Sinne des § 15 Abs. 1 Z. 2 EStG zurechnen zu können. Wenn schließlich die belangte Behörde darauf hinweist, weder die Beschwerdeführerin noch ihr Ehegatte seien an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt, so ist ihr zu entgegnen, daß diese Annahme in den beiden Schenkungsverträgen vom und den sonstigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens keine Deckung findet; die im Punkt VIII der Verträge enthaltene Verpflichtung der Beschenkten, Kredite nur mit Zustimmung ihrer Eltern aufzunehmen, läßt vielmehr darauf schließen, daß sich die Beschwerdeführerin und ihr verstorbener Ehegatte auch nach der Übereignung der Gesellschaftsanteile einen nachhaltigen Einfluß auf die Geschäftsführung ihrer Tochter vorbehalten haben.
Da die belangte Behörde im übrigen nicht einmal behauptet hat, die beiden Schenkungsverträge vom wären etwa nur in Umgehungsabsicht abgeschlossen worden (vgl. hiezu das Urteil des ehemaligen Reichsfinanzhofes vom , RStBl. 1943 S. 516), war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 1 und 2 lit. a, § 48 Abs. 1 lit. a und b, § 49 Abs. 1 und § 59 VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4. Das Kostenmehrbegehren von weiteren S 500,-- für den Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil der Aufwand für die Verfassung der Beschwerde durch den in dieser Verordnung festgesetzten Pauschbetrag mit S 1.000,-- nach oben begrenzt ist.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 3936 F/1969 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1968001430.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-54931