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VwGH 28.01.1981, 1427/79

VwGH 28.01.1981, 1427/79

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Bei Abgrenzung einer Versorgungsrente von einer Unterhaltsrente ist auch die Ertragslage bzw der Firmenwert des übergebenen Betriebes (im Beschwerdefall: Mitunternehmeranteil) zu berücksichtigen. - Um von einer Unterhaltsrente sprechen zu können, muß die Annahme berechtigt sein, daß die Rentenverpflichtung überwiegend auf einer rechtlichen oder zumindest sittlichen Unterhaltsverpflichtung beruht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. 6-3020/3/78, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1974 und 1975 des Mitbeteiligten KF in W, vertreten durch Dr. Paul Weiss, Rechtsanwalt in Wien I, Goldschmiedgasse Nr. 10, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte und dessen Vater betrieben bis Ende Juni 1974 gemeinsam in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft einen Großhandel mit Bijouteriewaren und Reiseandenken. Mit Wirkung ab erwarb der Mitbeteiligte den Gesellschaftsanteil seines Vaters. Gleichzeitig wurde die OHG aufgelöst und der Betrieb vom Mitbeteiligten als Einzelunternehmer fortgeführt. Die Übertragung des Gesellschaftsanteiles erfolgte im Wege eines schriftlichen Übernahmeanbots des Mitbeteiligten seinem Vater gegenüber, welches von diesem mündlich angenommen wurde. Im Anbot verpflichtete sich der Mitbeteiligte als "Abtretungspreis" zur Bezahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von S 10.000,-- an seinen Vater. Der übertragene Gesellschaftsanteil des Vaters betrug laut Punkt II dieses Anbots 70 % des Gesellschaftsvermögens, wird allerdings in anderen Teilen der vorgelegten Verwaltungsakten und im Beschwerdeschriftsatz abweichend mit 60 % angegeben. Der Vater des Mitbeteiligten ist im September 1975 verstorben; die Rentenverpflichtung ist seither erloschen.

In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1974 und 1975 beantragte der Mitbeteiligte die Berücksichtigung der Leibrentenzahlungen als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG (1974: S 59.321,--; 1975: S 80.000,--) mit der Begründung, es handle sich bei der Rente um eine sogenannte Versorgungsrente.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß der Wert des übertragenen Gesellschaftsanteiles erheblich unter dem kapitalisierten Wert der Leibrente liege, beurteilte daher die Rente als Unterhaltsrente und versagte gemäß § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG 1972 in der für die Veranlagung der Jahre 1974 und 1975 noch geltenden ursprünglichen Fassung den Rentenzahlungen die Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung und wies darauf hin, daß der Wert des Gesellschaftsanteiles seines Vaters unter Berücksichtigung der stillen Reserven S 131.262,-- betragen habe. Die Leibrentenzahlungen von insgesamt S 140.000,-- wichen von diesem Wert nicht erheblich ab. Abgesehen davon müsse der Wert des Gesellschaftsanteiles noch höher angesetzt werden, weil er aus der Sicht der erzielbaren Einkünfte zu beurteilen sei. Eine Bewertung der Rentenverpflichtung nach dem Bewertungsgesetz habe im Hinblick auf den nachweisbar schlechten Gesundheitszustand und die sich daraus zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung ergebende nur noch kurze Lebenserwartung des Vaters des Mitbeteiligten zu unterbleiben.

Die belangte Behörde gab der Berufung statt. Die Rente sei weder als Entgelt für die Überlassung des Gesellschaftsanteiles (= Veräußerungsrente) noch als Unterhaltsrente zu werten. Vielmehr stehe bei ihr im Hinblick auf die Krankheit des Vaters des Mitbeteiligten der Versorgungsgedanke im Vordergrund. Die Rentenzahlungen seien daher als Sonderausgaben abzugsfähig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde habe nicht beachtet, "daß eine als Sonderausgabe abzugsfähige Versorgungsrente überall dort nicht vorliege, wo es sich um freiwillige Zuwendungen oder um Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 3 (seit 1976 Z. 4) EStG 1972 handelt."

Letzteres treffe im streitgegenständlichen Fall zu. Eine Unterhaltsrente liege nämlich bereits dann vor, wenn unter Berücksichtigung der Gegenleistung der Unterhaltscharakter offensichtlich überwiege. Ein wesentlicher Anhaltspunkt für das Überwiegen könne im allgemeinen darin gesehen werden, daß der Wert der Gegenleistung bei überschlägiger und großzügiger Berechnung weniger als die Hälfte des Wertes der Rentenverpflichtung betrage. Der nach § 16 Abs. 2 Bewertungsgesetz kapitalisierte Wert der in Rede stehenden Rentenverpflichtung habe zum Zeitpunkt der Übertragung des Gesellschaftsanteiles S 840.000,-- betragen. Der Wert des übertragenen Gesellschaftsanteiles sei daher mit ca. S 132.000,-- weit unter der Hälfte des kapitalisierten Rentenwertes gelegen. Bei einer derartigen Wertdifferenz könne nicht mehr von einer Versorgungsrente gesprochen werden.

In seiner Gegenschrift weist der Mitbeteiligte darauf hin, daß die belangte Behörde in ihrer Entscheidung offensichtlich von einem wesentlich über S 132.000,-- liegenden Marktwert des Gesellschaftsanteiles ausgegangen sei. Gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 habe der Verwaltungsgerichtshof einen angefochtenen Bescheid jedoch auf Grund des von der belangten Behörde jeweils angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen. Außerdem sei zu beachten, daß § 18 Abs. 1 Z. 1 EStG eine Ermittlung des kapitalisierten Rentenwertes nur bei sogenannten Gegenleistungsrenten vorsehe. Daraus müsse der Schluß gezogen werden, daß das Ausmaß der Rentenverpflichtung in anderen Fällen nicht nach dem Bewertungsgesetz zu ermitteln sei. Im Beschwerdefall sei die Lebenserwartung des rentenberechtigten Vaters des Mitbeteiligten sehr gering gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die weder Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind, noch mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben oder nicht der Einkommensteuer unterliegen, als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen. Renten und dauernde Lasten, die als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern geleistet werden, sind jedoch nur insoweit abzugsfähig, als die Summe der gezahlten Beträge den auf den Zeitpunkt der Übertragung kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung (§ 16 Abs. 2 Bewertungsgesetz) übersteigt.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z. 3 EStG, in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 1975, BGBl. Nr. 636, stellen freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen keine Sonderausgaben dar.

Zu den Renten, die ohne Einschränkung als Sonderausgaben abzugsfähig sind, gehören insbesondere die sogenannten Versorgungsrenten. Darunter sind Renten zu verstehen, die anläßlich der Übertragung von Betrieben oder Liegenschaften (sohin in der Regel von Einkunftsquellen) zwischen nahen Verwandten vereinbart werden, bei denen aber der Wert der Rentenverpflichtung kein angemessenes Entgelt darstellt, und die daher nicht als Gegenleistungsrente (auch Kaufpreis- oder Veräußerungsrente genannt) angesehen werden können (vgl. Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Tz. 5.1 zu § 18 Abs. 1 Z. 1 und die dort angeführte Rechtsprechung). Da Empfänger einer Versorgungsrente häufig die Eltern oder andere vom Verwandtschaftsgrad her grundsätzlich unterhaltsberechtigte Personen sind, kommt der Abgrenzung der steuerlich abzugsfähigen Versorgungsrenten von den nicht abzugsfähigen Unterhaltsrenten wesentliche Bedeutung zu.

Der beschwerdeführende Präsident vertritt die Auffassung, daß eine Unterhaltsrente in jedem Fall dann vorliege, wenn der Wert des übertragenen Wirtschaftsgutes (im Beschwerdefall des übertragenen Gesellschaftsanteiles) weniger als die Hälfte des kapitalisierten Rentenwertes betrage. Er übersieht dabei allerdings, daß auch die Ertragslage, die bei der Veräußerung einer betrieblichen Einkunftsquelle im Firmenwert ihren Niederschlag finden würde, als Kriterium für die Abgrenzung einer Versorgungsrente von einer Unterhaltsrente zu berücksichtigen ist. Um nämlich von einer Unterhaltsrente sprechen zu können, muß die Annahme berechtigt sein, daß die Rentenverpflichtung überwiegend auf einer rechtlichen oder zumindest sittlichen Unterhaltsverpflichtung beruht. Es ist daher zu prüfen, welche Rentenverpflichtung eine dem Rentenberechtigten gegenüber nicht zur Unterhaltsleistung verpflichtete Person als Entgelt für die Vermögensübertragung eingegangen wäre - eine Prüfung, die zweifelsohne unter Berücksichtigung eines allfälligen Firmenwertes zu erfolgen hat - und welche Rentenmerkmale aus dieser Sicht überwiegen.

Da die belangte Behörde Feststellungen in dieser Richtung unterlassen hat, bedarf der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, sodaß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. a Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 5550 F/1981;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1981:1979001427.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-54922