VwGH 05.10.1979, 1418/79
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Auslegungsregeln des ABGB sind nicht nur auf die "bürgerlichen", sondern auch auf alle sonstigen Gesetze anzuwenden, die diese Anwendung nicht ausdrücklich oder schlüssig ausschließen (Wolff in Klang, 02te Auflage, I/1, S 89). |
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RS 2 | Es entspricht dem auf den Gedanken der Naturrechtsphilosophie des 18ten Jahrhunderts aufgebauten System der Auslegungsregeln der § 6 ABGB und § 7 ABGB, daß bei Vorliegen widersprechender Ergebnisse das Ergebnis der grammatikalischen dem der logischen und das sowohl der grammatikalischen wie der logischen dem der teleologischen zu weichen hat. |
Norm | EStG 1972 §9 Abs2; |
RS 3 | Die in § 9 Abs 2 EStG 1972 normierte Frist "bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres" ist eine Frist von aufeinanderfolgenden 48 Monaten ohne Rücksicht darauf, ob in diesem Zeitraum vier oder mehr Wirtschaftsjahre liegen. Die Verpflichtung, die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen, entsteht für den Steuerpflichtigen erst in der letzten Bilanz, die er noch innerhalb der oben bezeichneten 48-monatigen Frist erstellt. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
1500/79
Besprechung in:
ÖStZ 1979, S 268;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Kirschner, Dr. Schubert und Dr. Drexler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gancz, über die Beschwerde der D.G. in L., vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 20.136- 2/79, betreffend Einkommensteuer 1976 und Gewerbesteuer 1976, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Gatte der Beschwerdeführerin betrieb das Gewerbe eines Textilkaufmannes und erstellte seine Bilanzen für ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis jeweils zum 31. Jänner des folgenden Jahres. In seiner Bilanz zum hatte er eine steuerfreie Investitionsrücklage von S 88.422,-- gebildet. Am verstarb er, das zu diesem Zeitpunkt laufende Wirtschaftsjahr (das sonst vom bis gedauert hätte) wurde als Rumpfwirtschaftsjahr mit einer Bilanz zum abgeschlossen. Die Beschwerdeführerin führte (und führt) als Witwe und Erbin das Gewerbe ihres verstorbenen Gatten weiter und behielt auch das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr vom 1. Februar bis jeweils zum 31. Jänner des Folgejahres bei. In der ersten demnach von ihr erstellten Bilanz zum (für den Bilanzierungszeitraum bis ) löste sie einen Teil der zum gebildeten Investitionsrücklage in der Höhe von S 56.422,-- gewinnerhöhend auf, was zuzüglich einer von ihr im Sinne des § 9 Abs. 2 EStG 1972 mit 15 % berechneten Erhöhung zu einem Ertrag von S 64.885,-- führte, mit welchem Betrag diese Post in die Gewinn- und Verlustrechnung der Beschwerdeführerin zum eingesetzt wurde.
Demgegenüber vertrat das Finanzamt im Einkommen- und Gewerbesteuerbescheid 1976 die Auffassung, zum sei die gesamte zum gebildete Rücklage von S 88.422,-- zwingend und mit einem Zuschlag von 20 % gewinnerhöhend aufzulösen, weil durch den Tod des Gatten der Beschwerdeführerin im Jahre 1975 ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet worden sei und damit das der Rücklage folgende vierte Jahr abgelaufen sei, ohne dass eine bestimmungsgemäße Verwendung erfolgt wäre.
In ihrer Berufung gegen diese Bescheide brachte die Beschwerdeführerin vor, für die bestimmungsgemäße Verwendung der zum gebildeten Investitionsrücklage sei nach § 9 Abs. 2 EStG 1972 ein Zeitraum von vier Jahren zur Verfügung gestanden, bei welcher Frist es sich nicht um Wirtschaftsjahre, sondern um Zeiträume von je zwölf Monaten handle. Dem Zweck der Bestimmungen, über die Investitionsrücklage, Investitionstätigkeit im gesamtwirtschaftlichen Interesse zu fördern, entspreche es, dass dem Unternehmer für die zumeist langfristigen Investitionsentscheidungen feste und unveränderliche Grundlagen zur Verfügung stehen, was nur gesichert sei, wenn die Frist für die bestimmungsgemäße Verwendung einer gebildeten Investitionsrücklage nach von vornherein bestimmten Zeiträumen bemessen sei. Eine Abhängigkeit der Fristen von dem veränderlichen Wirtschaftsjahr belaste die Investitionsentscheidung mit unwägbaren Risiken. Allein die Bemessung der Frist nach kalendermäßig fest bestimmten Zeiträumen sichere auch die gleiche Behandlung gleichliegender Fälle. Schließlich entspreche es auch der steuerlichen Behandlung einer Gesamtrechtsnachfolge in einem Unternehmen, dass der Rechtsnachfolger seinem Rechtsvorgänger zur Verfügung gestandene Investitionsfristen seinerseits in gleichem Umfange zu Ende nutzen könne, wie das seinem Rechtsvorgänger möglich gewesen wäre.
Die belangte Behörde wies diese Berufung im wesentlichen mit der Begründung ab, der Gesetzgeber habe der Investitionsrücklage die Wirkung einer zeitlich vorweggenommenen vorzeitigen Abschreibung (bzw. IFB) verliehen, daher komme die bestimmungsgemäße Rücklagenverwendung einer Inanspruchnahme dieser Investitionsbegünstigungen gleich. Da der Gesetzgeber für die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Abschreibung (bzw. IFB) auf Wirtschaftsjahre abstelle, könne nur so viel an vorzeitiger Abschreibung in Form einer Investitionsrücklage zeitlich vorweggenommen werden, wie in den nächstfolgenden vier Wirtschaftsjahren beansprucht werden könne. Insoweit die Investitionsrücklage nicht bis zum Ablauf des ihrer Bildung folgenden vierten Jahres - aus dem Vorstehenden ergebe sich, dass es sich dabei nur um das vierte Wirtschaftsjahr handeln könne - bestimmungsgemäß verwendet werde, sei sie gewinnerhöhend aufzulösen, und zwar konsequenterweise in dem Wirtschaftsjahr, nach dessen Ablauf feststehe, dass ihre bestimmungsgemäße Verwendung nicht mehr möglich sei. Im Zusammenhang mit der bestimmungsgemäßen Verwendung der Rücklage könne unzweifelhaft nur das Wirtschaftsjahr gemeint sein, daraus ergebe sich, dass auch im Zusammenhang mit der gewinnerhöhenden Auflösung mit dem Begriff "Jahr" nur ein Wirtschaftsjahr gemeint sein könne. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe mit der Formulierung, wonach sich der Prozentsatz der Erhöhung des aufzulösenden Betrages um je 5 v.H. für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage früher aufgelöst werde, vermindere, erreicht werden sollen, dass der Rücklagenbetrag selbst um 5 v.H. für jedes Jahr erhöht werde, um das die Rücklage, vom Jahr ihrer Bildung her gerechnet, später aufgelöst werde. Folgte man der Ansicht der Beschwerdeführerin, wäre die zum gebildete Investitionsrücklage erst zum (= 4 x 12 Monate nach ihrer Bildung) gewinnerhöhend mit einem 20%igen Zuschlag aufzulösen. Bei einer beispielsweise freiwilligen Auflösung schon zum wäre, da die Rücklage diesfalls um mindestens vier (die genaue Anzahl ließe sich frühestens am feststellen) Wirtschaftsjahre früher aufgelöst worden wäre, die Rücklage ohne einen entsprechenden Zuschlag gewinnerhöhend aufzulösen gewesen, eine Rechtsfolge, die dem Willen des Gesetzgebers nicht entspreche.
Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde und die dazu von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Nach § 9 Abs. 2 EStG 1972 sind Rücklagen (Rücklagenteile), die nicht bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten "Jahres" bestimmungsgemäß verwendet wurden, im vierten "Jahr" nach der Bildung der Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Bei der gewinnerhöhenden Auflösung erhöht sich der aufzulösende Betrag um 20 v.H. Dieser Prozentsatz vermindert sich um je 5 v.H. für jedes "Wirtschaftsjahr", um das die Rücklage (der Rücklagenteil) früher aufgelöst wird.
Die belangte Behörde will unter den beiden in der obigen Textwiedergabe hervorgehobenen Begriffen "Jahr" den Begriff des "Wirtschaftsjahres" verstanden sehen, den das Gesetz selbst an sich nur in einem oben gleichfalls wiedergegebenen der Reihenfolge nach späteren Satz in § 9 Abs. 2 EStG 1972 verwendet.
Bei Auslegung von Gesetzen muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dort, wo sich der Gesetzgeber in einer als legistische Einheit anzusehenden Vorschrift zweier nicht synonymer Ausdrücke bedient, auch die von ihm damit gemeinten Begriffe nicht synonym sind. Dazu kommt hier, dass der vom Gesetzgeber erst an der späteren Stelle des § 9 Abs. 2 EStG 1972 verwendete Ausdruck "Wirtschaftsjahr" einen bestimmten im Einkommensteuergesetz (nämlich in § 2 Abs. 5) ganz speziell definierten Begriff bezeichnet, der sich von dem allgemeinen in der Sprache unter "Jahr" verstandenen Begriff vor allem dadurch unterscheidet, dass er - im Gegensatz zum "Jahr" im allgemeinen Sprachgebrauch, das ohne jeden Zusatz jedenfalls einen Zeitraum von zwölf einander unmittelbar folgenden Monaten umfasst - unter Umständen (in den Fällen der Z. 1 und 2 in § 2 Abs. 5) auch kürzer sein kann. Dieser Wesensunterschied der Begriffe ist für die weiter vorzunehmende Untersuchung festzuhalten, weil ein anderer solcher Unterschied zwischen "Jahr" und "Wirtschaftsjahr", wie sie der Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 EStG 1972 nebeneinander verwendet, im Hinblick darauf nicht gefunden werden kann, dass "Jahr" (ohne determinierenden Zusatz) anderseits auch wieder keineswegs ident mit "Kalenderjahr" ist.
Gerade der bestehende Unterschied zwischen den beiden Begriffen spielt aber angesichts des diesem Beschwerdefall zu Grunde liegenden Sachverhaltes deshalb die entscheidende Rolle, weil hier zwei weniger als zwölf Monate betragende Wirtschaftsjahre gegeben waren.
So aber führt die zunächst bloß grammatikalische Interpretation zu einem Ergebnis, das von dem der belangten Behörde abweicht. Das der Bildung der Rücklage folgende vierte "Jahr" wäre erst mit dem der Bildung der Rücklage folgenden 48 Monat abgelaufen und erst zu diesem Zeitpunkt wäre die zwingende Verpflichtung eingetreten, die Rücklage mit einem Zuschlag von 20 v. H. gewinnerhöhend aufzulösen. Dieser Zeitpunkt war bei dem gegebenen Sachverhalt der , die von der Beschwerdeführerin vorgenommene teilweise Auflösung mit wäre freiwillig und um ein diesfalls volle zwölf Monate umfassendes Wirtschaftsjahr früher erfolgt, als das Gesetz dies zwingend vorsieht. Die Auflösung wäre dann sowohl hinsichtlich bloß eines Teiles der Investitionsrücklage zulässig gewesen als sie auch nur unter einer Erhöhung von 15 v.H. dieses Teiles zu erfolgen gehabt hätte.
Mit Recht indessen bleiben beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der grammatikalischen Interpretation nicht stehen, beide berufen sich für ihre einander entgegengesetzten Auffassungen auf den gegebenen Zusammenhang des § 9 EStG 1972 mit anderen Bestimmungen dieses Gesetzes (logische Interpretation) und auf den aus der Vorschrift über die Investitionsrücklage hervorleuchtenden, damit vom Gesetzgeber verfolgten Zweck (teleologische Interpretation). Denn es entspricht dem auf Gedanken der Naturrechtsphilosophie des 18. Jahrhunderts aufgebauten System der Auslegungsregeln der §§ 6 und 7 ABGB, dass bei Vorliegen widersprechender Ergebnisse das Ergebnis der grammatikalischen dem der logischen und das Ergebnis sowohl der grammatikalischen wie der logischen dem der teleologischen zu weichen hat. Diese Auslegungsregeln sind nicht nur auf die "bürgerlichen" Gesetze, sondern auch auf alle sonstigen anzuwenden, die diese Anwendung nicht ausdrücklich oder schlüssig ausschließen (Wolff in Klang's Kommentar zum ABGB, 2. Auflage, Band I/1, S. 89, der beifügt, ein solcher Ausschluss sei bis jetzt in keinem Gesetz erfolgt).
Die belangte Behörde ist im Recht, wenn sie unter dem Gesichtspunkt dieser Auslegungsprinzipien in der Begründung ihres Bescheides darauf hinweist, dass die Bildung einer Investitionsrücklage die zeitliche Vorwegnahme einer vorzeitigen Abschreibung bzw. eines Investitionsfreibetrages darstellt (so auch Schubert-Pokorny-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, Wien 1973, Anmerkung 7 zu § 9 EStG 1972) und die Inanspruchnahme dieser Investitionsbegünstigungen nach dem Gesetz an das Wirtschaftsjahr gebunden ist und jeweils nur in einem bestimmten Wirtschaftsjahr erfolgen kann (siehe §§ 7 Abs. 1 bzw. 10 Abs. 1 EStG 1972). Das besagt aber für die in § 9 EStG 1972 geregelte Investitionsrücklage zunächst nur, dass auch diese Rücklage jeweils in einem bestimmten Wirtschaftsjahr gebildet und in einem bestimmten Wirtschaftsjahr bestimmungsgemäß verwendet bzw. aufgelöst werden muss, eine Folge, die sich schon aus der allgemeinen Vorschrift über das Wirtschaftsjahr als dem einkommensteuerlich maßgebenden Gewinnermittlungszeitraum ergibt und die daher zur Lösung der in diesem Verfahren entscheidenden Rechtsfrage zumindest unmittelbar nichts beiträgt.
Uneingeschränkt richtig ist nämlich auch die von der Beschwerde vertretene Auffassung, der Zweck, den der Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen über die Investitionsrücklage nach § 9 EStG 1972 verfolgte, bestehe in einer Förderung der Investitionsbereitschaft der Unternehmer im Rahmen einer sich bis zu einem bestimmt festgelegten Höchstzeitraum (bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres) erstreckenden vorausschauenden Planung. Wird der Zweck des Institutes so gesehen, erfordert er eine Gesetzesauslegung, nach der der eben erwähnte Höchstzeitraum ein im Voraus feststehender sein muss und nicht ein solcher sein darf, der - überdies auf Grund von erst nach der Bildung der Rücklage eingetretenen und zur Zeit der Bildung nicht vorhersehbar gewesenen Ereignissen - hinsichtlich seines Endzeitpunktes variieren kann. Der gleichfalls zu beachtende Grundsatz verfassungskonformer Auslegung, dem die Annahme zu Grunde liegt, dass der Gesetzgeber im Zweifel das auch ihn bindende verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot beachtet hat, führt zu dem zusätzlichen Ergebnis, dass der Höchstzeitraum, bis zu dem bei sonstiger Auflösung eine gebildete Investitionsrücklage bestimmungsgemäß verwendet sein muss, für jeden Steuerpflichtigen ein gleich langer zu sein hat. Denn der Verwaltungsgerichtshof sähe keinen sachlich gerechtfertigten Grund für den Eintritt einer Verkürzung dieses Zeitraumes deshalb, weil etwa - wie bei dem hier gegebenem Sachverhalt - zufolge Erbfalles eine Rechtsnachfolge eingetreten ist, deren Konsequenz wegen des zum Todestag vorgenommenen Abschlusses das Entstehen von so genannten Rumpfwirtschaftsjahren ist. Erfahrungsgemäß ist es im Gegenteil so, dass sich Ereignisse dieser Art auf die für das Unternehmen geführte Investitionspolitik hemmend und erschwerend auswirken und es wäre nicht einzusehen, dass der Gesetzgeber diesen in der Sache gelegenen Erschwernissen ein weiteres in Form des Eintrittes einer Verkürzung der Frist für die bestimmungsgemäße Verwendung einer gebildeten Investitionsrücklage hätte hinzufügen wollen.
Auch eine andere Überlegung, die sich aus dem Zweck des Gesetzes ableitet, führt zu gleichartigen Resultaten. Der Gesetzgeber setzt für den Fall der gewinnerhöhenden Auflösung zu dem von ihm dafür zwingend angeordneten Endzeitpunkt fest, dass sich der aufzulösende Betrag um 20 v.H. erhöht. Dass dieser Prozentsatz für den Fall der Auflösung zum letztmöglichen Zeitpunkt als ein absoluter und unveränderlicher festgesetzt ist, zwingt zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber auch den Zeitraum bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich als einen absoluten und unveränderlichen (nämlich vierjährigen) sieht. Denn sonst wären die Konsequenzen abermals mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot nicht zu vereinen, weil eine Erhöhung um 20 v.H. im gleichen Ausmaß in einem Fall nach vollen vier Jahren (48 Monaten), in einem anderen schon nach viel kürzerer Zeit (bei sich wiederholenden, zu Rumpfwirtschaftsjahren führenden Vorgängen selbst schon nach der Hälfte der zuerst erwähnten vierjährigen Periode) einträte. Die bei der Auflösung vorzunehmende Erhöhung hat offensichtlich Zinsencharakter und soll die Zinsenvorteile auf Grund der mit der Rücklagenbildung erwirkten, vorübergehenden Abgabenstundung ausgleichen, wofür insbesondere spricht, dass die nach dem Einkommensteuergesetz 1972 vorgesehene Erhöhung der Steuerbemessungsgrundlage aus Vereinfachungsgründen an die Stelle der nach dem Einkommensteuergesetz 1967 vorgesehenen prozentmäßigen Steuererhöhung trat (siehe auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Einkommensteuergesetzes 1972, 474 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIII. GP). Dass diese Überlegung zutrifft, ergibt die weitere gesetzliche Bestimmung über die Verminderung des Prozentsatzes der Erhöhung um je 5 % pro Jahr, um das die Auflösung früher als unbedingt notwendig vorgenommen wurde. Das Problem, dass gerade diese Verminderung "für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage (der Rücklagenteil) früher aufgelöst wird" vorgesehen ist, wird an späterer Stelle behandelt.
Vorderhand jedenfalls gelangt die teleologische in Übereinstimmung mit der grammatikalischen Interpretation zu dem Ergebnis, dass die in § 9 Abs. 2 EStG 1972 normierte Frist "bis zum Ablauf des der Bildung der Rücklage folgenden vierten Jahres" eine Frist von aufeinander folgenden 48 Monaten ohne Rücksicht darauf ist, ob in diesem Zeitraum vier oder mehr Wirtschaftsjahre liegen. Demgemäß besteht die Verpflichtung, die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen für den Steuerpflichtigen erst in der letzten Bilanz, die er innerhalb der Frist der oben bezeichneten einander in ununterbrochener Reihe folgenden 48 Monate erstellt. - Nur dieses in der Sache begründete Erfordernis, die Rücklage bilanzmäßig aufzulösen, wobei der Zeitraum von 48 Monaten nicht überschritten werden darf, könnte bei einem vorangegangenen Wechsel im Wirtschaftsjahr zu einer kürzeren als 48-monatigen Verwendungsfrist für die Investitionsrücklage führen.
Nur scheinbar gegen dieses Ergebnis spricht die schon oben erwähnte Bestimmung über die Verminderung des Prozentsatzes der Erhöhung um je 5 % für jedes Wirtschaftsjahr, um das die Rücklage früher als zum eben ermittelten gesetzlich letztzulässigen Zeitpunkt aufgelöst wird. Die belangte Behörde verweist im angefochtenen Bescheid auf die dem Gesetzgeber nicht zu unterstellende Konsequenz, es könne unter Umständen zur Auflösung einer Investitionsrücklage ein Jahr nach ihrer Bildung ohne jede Erhöhung kommen, wenn in einem konkreten Fall (wie er bei der Beschwerdeführerin gegeben wäre) die nächsten drei Jahre (= 36 Monate) vier Wirtschaftsjahre umfassen, weil für jedes dieser vier Wirtschaftsjahre eine Verminderung der Erhöhung um je 5 v.H. einträte. Die bloß grammatikalische Interpretation gäbe hier der belangten Behörde Recht. Der oben entwickelte offenbare Zweck, den der Gesetzgeber insgesamt mit den auszulegenden Bestimmungen verfolgte, verlangt aber hier eine einschränkende Auslegung dahin, dass "Wirtschaftsjahr" im § 9 Abs. 2 EStG 1972 offensichtlich nur gewählt wurde, um systemgerecht zum Ausdruck zu bringen, die Auflösung (wie die Bildung) einer Investitionsrücklage könne nur in dem am Ende eines Wirtschaftsjahres stehenden Geschäftsabschluss erfolgen. Dieses "Wirtschaftsjahr" ist aber im Sinne der in § 2 Abs. 5 dritter Satz EStG 1972 zunächst gegebenen Legaldefinition als ein zwölf Monate umfassender Zeitraum zu verstehen, die erst im folgenden Satz enthaltenen Ausnahmsfälle können im Rahmen einer Beurteilung der Reduktion des Prozentzuschlages nach § 9 Abs. 2 EStG 1972 nicht als Wirtschaftsjahr in dem dort gemeinten Sinn in Betracht kommen. Daraus aber ergibt sich, dass eine Kürzung des Erhöhungsbetrages von 20 v.H. um je 5 v.H. nur für Zeiträume von je zwölf aufeinander folgenden Monaten eintritt, um die die Auflösung früher erfolgt als, zu dem durch den Ablauf des 48. Monates nach Bildung der Rücklage bezeichneten Zeitpunkt.
Nur diese Lösung wird dem vom Gesetzgeber mit den Bestimmungen über die Investitionsrücklage verfolgten Zweck gerecht; diese Lösung vermeidet auch sachlich nicht zu rechtfertigende gleichheitswidrige Ergebnisse. Daher ist sie den Auslegungsgrundsätzen des § 6 ABGB entsprechend die allein richtige, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes führen musste (§ 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG 1965 im Zusammenhalt mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 542/1977. Da die dort angeführten Sätze Pauschalbeträge sind, kommt neben ihnen ein gesonderter Zuspruch von Umsatzsteuer nicht in Betracht.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 5408 F/1979 |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden VwRallg3/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1979001418.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-54892