VwGH 28.06.1962, 1418/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | WRG 1959 §76 Abs1; |
RS 1 | Zwangsgenossenschaften können schon nach der Rechtsnatur ihrer Einrichtung niemals in die Lage versetzt sein, den gegen sie von Staats wegen verfügten Zwang durch eine einseitige Entschließung aufzuheben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Guggenbichler und die Hofräte Dr. Krzizek, Penzinger, Dr. Dolp und Dr. Kadecka als Richter, im Beisein des Bezirksrichters Dr. Gottlich als Schriftführer, über die Beschwerde des Wasserverbandes "Untere Traun" in Linz gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 43.977 - I/1/1961, betreffend Auflösung dieses Wasserverbandes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Die ehemalige Landeshauptmannschaft Oberdonau verfügte mit Bescheid vom unter Heranziehung der Bestimmungen des § 78 des Wasserrechtsgesetzes 1934, BGBl. II Nr. 316, die Bildung des Wasserverbandes "Untere Traun" bei gleichzeitiger Erlassung von Satzungen und erklärte als Mitglieder dieses Verbandes die Gemeinden Linz, Marchtrenk, Hörsching, Ansfelden, Traun, Pucking und Weißkirchen. Als Verbandszweck wurde die Erhaltung der in den Jahren 1923 - 1934 im Bereiche dieser Gemeinden hergestellten Hochwasserschutzdämme an der unteren Traun bezeichnet. Die Satzungen enthielten insbesondere auch nähere Vorschriften über die Kostenaufbringung unter den verbandsangehörigen Gemeinden. In der Bescheidbegründung wies die Behörde darauf hin, daß angesichts des Ausmaßes der Dammbauten (Länge von rund 40 km) die Leistungsfähigkeit der unmittelbar Gefährdeten nicht ausreichen würde, die Erhaltung sicherzustellen. Es seien daher die Voraussetzungen der oben angeführten Gesetzesstelle gegeben gewesen.
Bei einer am abgehaltenen Sitzung des Ausschusses des beschwerdeführenden Wasserverbandes - in der Folge auch als Beschwerdeführer bezeichnet - wurde einstimmig beschlossen, bei der Wasserrechtsbehörde die Auflösung des Verbandes zu beantragen. Der Obmann Dr. Ing. A richtete daraufhin am an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung eine Eingabe, in der darauf verwiesen wurde, daß seit dem Inkrafttreten des Wasserbautenförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 34/1948 (Fassung nach BGBl. Nr. 295/1958), die Regulierungs- und Instandhaltungskosten für die Traun aus Bundesmitteln zu bestreiten sind (§ 6 Abs. 2 dieses Gesetzes). Durch diese gesetzliche Regelung sei der Zweck des Wasserverbandes weggefallen, weshalb seine Auflösung verfügt werden möge.
Diesem Antrag gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit dem Bescheide vom nicht Folge. In der Begründung hieß es, daß der Beschwerdeführer die Sicherstellung der ihm obliegenden Verbindlichkeit zur Instandhaltung der "S-schleuse" nicht nachgewiesen habe, sodaß die Voraussetzungen des § 83 Abs. 1 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. Nr. 215, (WRG 1959) schon aus diesem Grunde nicht gegeben seien. Im übrigen sei die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die Bildung des Wasserverbandes nicht freiwillig erfolgt sei, unrichtig.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß die bisher von ihm betreuten Hochwasserdämme als "Regulierung" im Sinne des § 6 Abs. 2 des Wasserbautenförderungsgesetzes (kurz: WBFG) anzusehen und daher vom Bunde zu erhalten seien. Da diese Dämme das ganze Gebiet längs der Traun schützen, könne dabei auch nicht von örtlichen Schutzbauten gesprochen werden, die nur im Interesse einzelner Uferanrainer errichtet worden seien. Die sogenannte "S-schleuse" sei ein Bestandteil der gesamten Hochwasserregulierung und teile daher deren rechtliches Schicksal. Auch zu ihrer Erhaltung sei deshalb der Bund verpflichtet. Dazu gab ein Amtssachverständiger bei der belangten Behörde am die Äußerung ab, daß die gegenständlichen Hochwasserdämme, einschließlich der damit verbundenen Bauwerke (Schleusen u. dgl.), nicht unter den Begriff "Regulierung und Instandhaltung" im Sinne des § 6 WBFG fallen. Es sei nämlich das Projekt der Eindeichung des Traunflusses schon anläßlich der ersten wasserrechtlichen Verhandlung (Juli 1923) ausdrücklich als Konkurrenz-Unternehmen behandelt worden, das als eine im privaten Interesse durchzuführende Meliorationsmaßnahme durchgeführt werde. Demgemäß sei die Finanzierung auf Grund des "Meliorationsgesetzes" (RGBl. Nr. 116/1884, Fassung nach RGBl. Nr. 4/1909) mit einem Bundesbeitrag von 50 %, einem Landesbeitrag von 30 % bzw. 20 % und einem Beitrag der Lokal-Faktoren (Gemeinden und Industrien) von 20 % bzw. 30 % vorgenommen worden.
Mit dem Bescheide vom wies die belangte Behörde die Berufung ab.
Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Über sie hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der beschwerdeführende Wasserverband wurde nach dem Inhalte des seine Gründung verfügenden Bescheides vom unzweifelhaft auf der Grundlage des § 78 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1934 ins Leben gerufen, d. h. als Zwangsgenossenschaft im Sinne des § 62 Abs. 2 desselben Gesetzes errichtet. Seine Auflösung war gemäß § 83 Abs. 2 WRG 1959 durch die Wasserrechtsbehörde dann zu verfügen, wenn sein Weiterbestand im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse keine besonderen Vorteile mehr erwarten ließ. Nur unter solchen Voraussetzungen konnte also ein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Auflösung gegeben sein. Die in der Beschwerde zum Ausdruck gebrachte Auffassung, daß im Hinblick auf den in der Sitzung des Verbandsausschusses vom gefaßten Beschluß vorliegend auch die Bestimmung des § 83 Abs. 1 lit. a WRG 1959 maßgeblich sein konnte, ist unrichtig. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf den Fall entsprechender Beschlüsse freiwilliger Genossenschaften oder von Genossenschaften mit Beitrittszwang, nicht aber von Zwangsgenossenschaften, die im übrigen ja schon nach der Rechtsnatur ihrer Einrichtung niemals in die Lage versetzt sein können, den gegen sie von Staats wegen verfügten Zwang durch eine einseitige Entschließung aufzuheben. Dies ganz abgesehen davon, daß der Beschluß vom nur darauf gerichtet war, die Auflösung des Verbandes bei der Wasserrechtsbehörde zu beantragen.
Gemäß § 6 Abs. 2 WBFG sind die Regulierungs- und Instandhaltungskosten für die Traun aus Bundesmitteln zu bestreiten. Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Sinne der auf Seite 2/3 wiedergegebenen Sachverständigenäußerung die Auffassung vertreten, daß die hier in Betracht kommenden Hochwasserdämme deshalb nicht unter den Begriff "Instandhaltung und Regulierung" fallen, weil die Finanzierung des Schutzbauwerkes seinerzeit nicht durch den Staat allein, sondern unter Beteiligung von Bund, Land, Gemeinden und Industrien bewirkt worden sei, wie ja auch derzeit noch Hochwasserdämme an anderen "Bundesflüssen" Oberösterreichs als Konkurrenzbauten erhalten würden. Diese Begründung wird dem Inhalte des § 6 Abs. 2 WBFG nicht gerecht, wonach die Kosten der Regulierung und Instandhaltung der Traun bedingungslos dem Bund auferlegt werden. Da außerdem als feststehend betrachtet werden kann, daß der Bund dort, wo ihm die Kostentragung für die Instandhaltung und Regulierung eines Gewässers überantwortet ist, auch die Ausführung der entsprechenden Arbeiten im Rahmen seiner Wasserbauverwaltung selbst vornimmt und sie nicht dem Dafürhalten einer für solche Zwecke seinerzeit etwa gebildeten Wassergenossenschaft überläßt, könnte tatsächlich angenommen werden, daß für den Fall der Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 WBFG auf die gegenständlichen Hochwasserschutzanlagen der Weiterbestand des beschwerdeführenden Wasserverbandes keine besonderen Vorteile mehr erwarten ließe. Denn Verbandszweck ist nach den Satzungen (§ 2) die Dammerhaltung und die Aufbringung der dafür notwendigen Mittel.
Die belangte Behörde hätte also auf die entscheidende Frage eingehen müssen, ob die Instandhaltung der gegenständlichen Hochwasserschutzdämme als Regulierung oder Instandhaltung im Sinne des § 6 Abs. 2 WBFG anzusehen sei. Sie hätte sich dabei gewiß auch mit dem in § 13 Abs. 1 und 2 WBFG geprägten und nach dem darin enthaltenen Hinweis auch auf § 6 dieses Gesetzes bezogenen Begriff der "Instandhaltung der Gewässer" auseinandersetzen müssen, der u. a. die Erhaltung aller Schutz- und Regulierungsbauten umfaßt, während anderseits § 42 Abs. 1 WRG 1959 als solche Bauten "die Herstellung von Vorrichtungen und Bauten gegen die schädlichen Einwirkungen des Wassers" bezeichnet.
Die belangte Behörde hat eine Begründung ihres Bescheides in dieser Richtung offenbar in der Meinung unterlassen, daß die Erhaltungspflicht des Bundes nach § 6 Abs. 2 WBFG im Einzelfalle wesentlich davon abhänge, ob ein Wasserbauwerk (vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes) allein aus Bundesmitteln oder nur mit Unterstützung des Bundes errichtet worden sei. Da aber weder § 6 Abs. 2 WBFG noch eine andere Bestimmung dieses Gesetzes eine derartige Einschränkung enthält, erweist sich diese Rechtsauffassung der belangten Behörde als unrichtig, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden mußte.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | WRG 1959 §76 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1961001418.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-54889