VwGH 17.03.1964, 1412/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Eigenschaft einer Wohnung als DIENSTWOHNUNG setzt nicht unbedingt voraus, daß sie innerhalb eines Betriebes gelegen sein muß. Erforderlich ist allein, daß der Dienstnehmer die Wohnung im Interesse des Dienstes benützen muß. |
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RS 2 | Sofern die durch die Finanzlandesdirektionen und Landesregierungen festgesetzten Sachbezugswerte dem ortsüblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes nicht entsprechen, steht es der Behörde frei, diesen Mittelpreis selbst zu ermitteln (Hinweis E , 1647/48, VwSlg 450 F/1951, betreffend Grunderwerbsteuer). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Vizepräsidenten Dr. Dietmann, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Hinterauer, Dr. Raschauer und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Finanzkommissärs Dr. Blaschek, über die Beschwerde A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 1981/1 - I - 1963, betreffend Lohnsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Bei der vom Finanzamt Innsbruck am 13., 14. und für den Zeitraum vom bis bei der Forstverwaltung Innsbruck der Beschwerdeführerin durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde unter anderem festgestellt, daß die Beschwerdeführerin dem Forstarbeiter PH im Dezember 1960 um S 31,53 und für das Jahr 1961 um S 677,10 zuwenig an Lohnsteuer vom Arbeitseinkommen abgezogen hatte; im Jahr 1961 seien auch S 293,58 an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe zuwenig entrichtet worden. Mit Haftungs- und Zahlungsbescheid vom schrieb das Finanzamt Innsbruck der Beschwerdeführerin die Nachzahlung von S 10.528,09 an Lohnsteuer und von S 1.541,55 an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Kinderbeihilfe vor. Mit Berufungsvorentscheidung vom verminderte das Finanzamt die Lohnsteuernachforderung auf S 9.972,--. Hinsichtlich der Besteuerung im Falle des PH trat jedoch keine Änderung ein. Die belangte Behörde setzte mit dem angefochtenen Bescheid die Nachzahlungsbeträge in gleicher Höhe fest wie das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung. Hinsichtlich des Arbeiters PH führte sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides folgendes aus: Die Beschwerdeführerin habe ihrem Dienstnehmer PH in einem ihr gehörigen, Jahre 1960 aus Bundesmitteln erbauten Gebäude in Innsbruck, F Straße 9a, eine Dienstwohnung (Wohnungsnutzfläche 81,30 m2) gegen eine Monatsmiete von S 80,-- zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt habe den ortsüblichen Mittelpreis für diese einfach ausgestattete Wohnung (Riemenboden, keine Zentralheizung, keine Öfen) errechnet und ihn nach Erfahrungssätzen mit S 487,80 monatlich festgesetzt. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin ergebe sich der ortsübliche Mittelpreis aus Abschnitt I Unterabschnitt B Abs. 1 Z. 1 der Kundmachung der Finanzlandesdirektion für Tirol über die Bewertung der Sachbezüge (AÖFV Nr. 6/1958). Demnach sei eine freie Wohnung für Deputatempfänger in der Land- und Forstwirtschaft, die nicht der Pensionsversicherung der Angestellten unterliegen, im Prüfungszeitraum mit S 228,-- jährlich zu bewerten. Da demgegenüber vom Arbeitnehmer PH sogar S 960,-- als Wohnungsvergütung geleistet worden seien, liege ein Lohnvorteil nicht vor. Die in der Kundmachung der Finanzlandesdirektion für Tirol für die Bewertung freier oder verbilligter Deputatwohnungen in der Land- und Forstwirtschaft ausgewiesenen Werte seien jedoch nach Ansicht der belangten Behörde nur anzuwenden, wenn die Wohnungen innerhalb des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes zur Verfügung gestellt werden. Es sei deshalb zuwenig, wenn der Arbeitgeber Land- oder Forstwirt sei. Andernfalls würde ein solches Mißverhältnis zwischen den Mittelpreisen und den Kundmachungswerten bestehen, daß die Kundmachungswerte ohnedies nicht mehr anzuwenden wären. Der vom Finanzamt Innsbruck angesetzte Wert von S 6,-- pro m2 entspreche durchaus dem hier zu findenden Wert, der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nach subjektiven, sondern nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen sei (hg. Erkenntnis vom , Zl. 1647/48). Eine Neubauwohnung im Parterre mit Küche, zwei Zimmern, zwei Kabinetten und Bad mit einer Nutzfläche von 81,30 m2 in Innsbruck sei im Prüfungszeitraum kaum unter dem monatlichen Mietpreis von S 487,80 zu erhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Ansicht der belangten Behörde, daß die in der Kundmachung der Finanzlandesdirektion für Tirol für die Bewertung freier oder verbilligter Deputatwohnungen in der Land- und Forstwirtschaft ausgewiesenen Werte nur dann gelten, wenn die Wohnungen innerhalb des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zur Verfügung gestellt werden, wird von der Beschwerdeführerin bekämpft. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin kann es darauf nicht ankommen. Die belangte Behörde hätte sich auf alle Fälle an die in der Kundmachung festgesetzten Sätze halten müssen. Aber auch wenn dieser Standpunkt nicht geteilt werde, müsse festgehalten werden, daß eine Dienstwohnung nicht mit demselben Wert angesetzt werden dürfe wie eine Mietwohnung derselben Güte. Die Dienstwohnung sei dem Arbeiter nur während der Dauer des Bestandes des Dienstverhältnisses gesichert, während eine Mietwohnung eine viel größere Sicherheit hinsichtlich der Befriedigung des Wohnbedürfnisses biete. Sollte sich der Verwaltungsgerichtshof daher nicht der Ansicht der Beschwerdeführerin anschließen, daß die Sachwerte der Kundmachung anzuwenden wären, so wäre jedenfalls die Jahresvergütung von S 960,-- (S 80,- x 12) als angemessen anzusehen.
Der Beschwerdeführerin ist insofern zuzustimmen, als die Eigenschaft einer Wohnung als Dienstwohnung nicht unbedingt voraussetzt, daß sie innerhalb des Betriebes gelegen sein muß. Erforderlich ist allein, daß der Dienstnehmer die Wohnung im Interesse des Dienstes benützen muß. Im allgemeinen sind daher bei der Ermittlung des ortsüblichen Mittelpreises des Verbrauchsortes die in den Kundmachungen der zuständigen Finanzlandesdirektionen im Einvernehmen mit den Ämtern der Landesregierungen festgesetzten Sachbezugswerte anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 450/F). Sofern jedoch diese Festsetzung im konkreten Falle dem ortsüblichen Mittelpreis des Verbrauchsortes nicht entspricht, steht es der Behörde frei, diesen Mittelpreis selbst zu ermitteln. Dagegen kann im Beschwerdefall kein Einwand bestehen, da für eine Neubauwohnung im Umfang von etwa 80 m2 ein monatlicher Preis von S 19,-- (S 228,-- jährlich) offensichtlich keinen ortsüblichen Mittelpreis darstellt. Dies erhellt schon daraus, daß die Beschwerdeführerin selbst eine monatliche Vergütung von S 80,-- verlangt.
Aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ist jedoch nicht ersichtlich, wie die belangte Behörde den ortsüblichen Mittelpreis einer Wohnung, wie sie PH benützt, ermittelt hat. Es hat den Anschein, als ob sie den Mietzins oder das Benützungsentgelt einer ungefähr zur gleichen Zeit erbauten Wohnung dazu herangezogen hat. Jedenfalls vermag auch der Hinweis auf Erfahrungssätze die Festsetzung des Mittelpreises nicht zu decken. Es bedarf jedoch keiner näheren Erörterung, daß durch Feststellung des Wertes einer Wohnung nicht der ortsübliche Mittelpreis für Innsbruck ermittelt werden kann. Das Verfahren ist daher in dieser Richtung offensichtlich mit Mängeln behaftet, die zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 führen mußten. Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde auch den Umstand zu berücksichtigen haben, daß die Wohnung dem PH nur für die Dauer seines Dienstverhältnisses zur Verfügung steht.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963001412.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-54870