VwGH 09.01.1962, 1412/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Für Vereinbarungen in einem gerichtlichen Vergleich kann eine Gebühr nach dem Gebührengesetz 1957 auch dann nicht vorgeschrieben werden, wenn in diesem Vergleich auch Rechtsverhältnisse begründet oder sonstwie geregelt werden, die nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind. Auch eine im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches mit der Ehegattin im Zuge des Ehescheidungsverfahrens eingegangene Unterhaltsverpflichtung zu Gunsten des gemeinsamen Kindes unterliegt keiner Gebühr nach dem Gebührengesetz 1957 (Hinweis E , 468/61, VwSlg 2480 F/1961; E , 1449/59, VwSlg 2254 F/1960). |
Norm | |
RS 2 | Die Frage ob ein gerichtlicher Vergleich vorliegt, hängt ausschließlich davon ab, ob dieser Vergleich vor dem Richter abgeschlossen wurde. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Porias, Dr. Dorazil, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek als Schriftführer, über die Beschwerde des Ing. PK in R gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. GV 21- 60/2-III-1961, betreffend die Gebühr von einer Unterhaltsvereinbarung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
In einem Rechtsstreit, an dem er als Kläger und Widerbeklagter beteiligt war, schloß der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin am vor dem Richter im Zug einer mündlichen Streitverhandlung einen Vergleich, demzufolge die Ehegatten gegeneinander auf jeden wie immer gearteten Unterhaltsanspruch verzichteten. Es wurde darüber hinaus vereinbart, daß die minderjährige Tochter der Streitteile für Zwecke der Erziehung und Pflege in der Obsorge der Mutter verbleiben solle. Der Beschwerdeführer verpflichtete sich jedoch zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages für das Kind in Höhe von S 900,--, beginnend am . Außerordentliche Auslagen für die Tochter sollten durch diesen Unterhaltsbeitrag jedoch nach ausdrücklicher Vereinbarung nicht gedeckt sein. Der Beschwerdeführer wurde gehalten, seine Tochter weiterhin bei der Meisterkrankenkasse zu versichern. Schließlich wurde noch das Verkehrsrecht des Vaters in bestimmter Weise festgelegt. Vor dieser Vereinbarung hatte der Beschwerdeführer bereits seine Ehescheidungsklage gegen seine Ehegattin zurückgezogen. Am gleichen Tag, an dem der erwähnte Vergleich geschlossen worden war, wurde sodann die Ehe des Beschwerdeführers aus dessen alleinigem Verschulden auf Grund der Widerklage seiner Gattin geschieden. Das zuständige Finanzamt schrieb darauf dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom unter Hinweis auf § 33 TP 3 des Gebührengesetzes 1957, BGBl. Nr. 267/1957 (im folgenden kurz mit GebG bezeichnet), eine Rechtsgeschäftsgebühr von S 324,-- vor.
Der Beschwerdeführer bekämpfte diesen Abgabenbescheid mit dem Hinweis auf eine Anmerkung auf Seite 79 des Kommentars von Fetter zum Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz, derzufolge die vergleichsweise Festsetzung des Unterhaltes ehelicher Kinder in einem Scheidungsvergleiche vor dem Prozeßrichter gebührenfrei sei. In einem ergänzenden Schriftsatze wies er auch noch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1449/59, hin.
Die Finanzlandesdirektion wies mit Bescheid vom die Berufung als unbegründet ab und führte in der Begründung aus, der Beschwerdeführer sei mit seiner Ehegattin im gerichtlichen Vergleich eine zweite Vereinbarung über die Höhe des gesetzlichen Unterhaltes für sein minderjähriges Kind eingegangen. Darin seien wesentliche Einzelheiten wiedergegeben, die sich daher als erstmalige Beurkundung eines Rechtsgeschäftes darstellten. In diesem Zusammenhange wies sie auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 1921/F, hin. Solche Vereinbarungen (Erklärungen) unterlägen bei ihrer ersten Beurkundung gemäß § l8 Abs. 4 GebG der für das betreffende Rechtsgeschäft vorgesehenen Gebühr. Gebührenrechtlich sei es ohne Belang, daß dieses Rechtsgeschäft in einem gerichtlichen Vergleiche niedergelegt worden sei. (Die belangte Behörde wies in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 581/54, hin.) Nach dem Inhalte der vorliegenden Erklärung handle es sich dabei um einen nach § 33 TP 3 GebG gebührenpflichtigen Unterhaltsvertrag, wobei als Bemessungsgrundlage der dreifache Jahresbetrag anzusehen sei, weil die Unterhaltsleistung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes reiche. Das vom Beschwerdeführer angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom betreffe nur Vergleiche nicht aber auch andere Rechtsgeschäfte. Weil es sich im Streitfall um einen Unterhaltsvertrag über den gesetzlichen Unterhalt eines Kindes handle, besitze das besagte Erkenntnis im Streitfalle keine Bedeutung.
In der gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde weist der Beschwerdeführer neuerlich auf das hg. Erkenntnis vom hin, das nach seiner Meinung eine Abänderung der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebracht habe. Deshalb seien die von der belangten Behörde ins Treffen geführten früheren verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen überholt. Der Beschwerdeführer habe einen Unterhaltsvertrag abgeschlossen, der jedoch Teil eines gerichtlichen Vergleiches sei und als solcher nicht der Rechtsgeschäftsgebühr unterliege.
Die Beschwerde erweist sich aus folgenden Erwägungen als begründet:
Der Beschwerdeführer hat im Zug eines Ehescheidungsverfahrens am vor dem Streitrichter mit seiner Ehegattin eine Vereinbarung getroffen, die nach der Sachlage einer Bereinigung der sich aus der Scheidung der Ehe ergebenden vermögensrechtlichen Fragen und der Fragen der Erziehung des aus der Ehe stammenden Kindes dienen sollte. Diese Abmachung weist die Merkmale eines gerichtlichen Vergleiches im Sinne des § 204 ZPO auf und genießt auch die rechtlichen Wirkungen eines solchen, d.h. die Vollstreckbarkeit des gerichtlichen Vergleiches umfaßt auch die Abmachung über die Unterhaltsleistung des Beschwerdeführers. Im Hinblick auf das Ziel und den Zweck dieser Abreden ist der Vergleich als ein einheitliches Ganzes anzusehen, das für Zwecke der Gebührenbemessung nicht in einzelne Teile aufgespalten werden kann. Auf den vorliegenden Fall treffen die gleichen Erwägungen zu, die den Verwaltungsgerichtshof seinerzeit veranlaßt hatten, in seinem Erkenntnis vom , Zl. 468/61, die Vorschreibung einer Rechtsgeschäftsgebühr für ein in einem anderen gerichtlichen Vergleiche geschlossenes akzessorisches Rechtsgeschäft als rechtswidrig zu erklären. Demnach konnte auch die im gerichtlichen Vergleich vom eingegangene Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers zugunsten seiner ehelichen Tochter nicht anders behandelt werden als Bürgschaftserklärungen oder Hypothekarverschreibungen, die in einem gerichtlichen Vergleiche zur Sicherung der im Vergleiche niedergelegten Verbindlichkeiten abgegeben werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem grundlegenden Erkenntnisse vom ausgesprochen, daß für Vereinbarungen in einem gerichtlichen Vergleich auch dann eine Gebühr nach dem Gebührengesetze 1957 nicht vorgeschrieben werden kann, wenn in diesem Vergleich auch Rechtsverhältnisse begründet oder sonstwie geregelt werden, die nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind. Handelte es sich also im Streitfall um einen gerichtlichen Vergleich in seiner Gesamtheit, dann entfiel im vorliegenden Fall die Verschreibung einer Rechtsgeschäftsgebühr gemäß § 33 TP 3 GebG. Denn die Frage, ob ein gerichtlicher Vergleich vorliegt oder nicht, hängt nach der nunmehrigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich davon ab, ob dieser Vergleich vor dem Richter abgeschlossen wird oder nicht. Der angefochtene Bescheid stand somit mit der Rechtslage nicht im Einklange, sodaß gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1952 wie im Spruche zu entscheiden war. Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1961001412.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-54869