VwGH 31.01.1964, 1391/63
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1953 §4 Abs4; |
RS 1 | Angebliche Werbebeiträge im Ausland müssen eindeutig nachgewiesen werden. |
Normen | |
RS 2 | Eine Wiederaufnahme des Verfahens von Amts wegen, die ohne Einschränkung verfügt wird, hat eine völlige Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens zur Folge. Daran vermag auch das Verbot des § 307 Abs 2 BAO nichts zu ändern. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialsekretärs Dr. Walter, über die Beschwerde der EG Kommanditgesellschaft in W gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat vom , Zl. VI-1973/6/63, betreffend einheitliche Gewinnfeststellung und Gewerbesteuer für die Jahre 1958 bis 1961, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. Kurt Naske, zu Recht erkannt
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin betreibt den Handel mit Büromaschinen. In den Jahren 1958/1960 verrechnete sie zu Lasten des Gewinnes Beträge, die sie an die RWH in V als Werbebeiträge überwiesen oder zwecks späterer Überweisung zurückgestellt hatte. Die überwiesenen Beträge bzw. die Rückstellungen betrugen laut einer im Jahre 1962 durchgeführten Betriebsprüfung S 451.126,--, S 528.941,-- und S 422.374,--. Da über die Leistungen der RWH an die Beschwerdeführerin keine ausreichenden Unterlagen vorhanden waren, erkannte der Betriebsprüfer die erwähnten Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben an. Weiter beanstandete der Prüfer, daß für die Aufstellung von Maschinen Beträge verbucht wurden, für die keine ordnungsmäßigen Belege vorgewiesen werden konnten. Er erkannte nur 20 % der verbuchten Ausgaben als gewinnmindernd an. Das Finanzamt nahm eine Berichtigung der einheitlichen Gewinnfeststellung für die erwähnten Jahre und eine Berichtigung der Gewerbesteuer gemäß § 303 BAO unter Hinweis auf die durchgeführte Betriebsprüfung vor.
Die Beschwerdeführerin berief. Sie wendete gegen die Hinzurechnung von 80 % der Aufwendungen für die Aufstellung von Maschinen ein, es handle sich um Beträge, die Angestellten der Kunden ausbezahlt worden seien. Der Beschwerdeführerin könne nicht zugemutet werden, nach geraumer Zeit die Namen der Empfänger dieser Beträge zu nennen. Vielfach sei dies auch wegen Arbeitsplatzwechsels der betreffenden Angestellten unmöglich. Jedenfalls sei für jede derartige Ausgabe ein Beleg vorhanden, aus dem das Datum der Auszahlung, die Bezeichnung der Maschine und der Name des Kunden hervorgehe. Alle Belege seien mit dem Handzeichen der Kassierin versehen, bei der es sich um eine langjährige, verläßliche Angestellte handle. Die Hinzurechnung von Werbekostenbeiträgen bekämpfte die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die bereits im Vorhaltsverfahren vorgelegten Unterlagen. Das Finanzamt habe bei der Veranlagung diese Aufwendungen als Betriebsausgaben anerkannt und auch der Betriebsprüfung seien keine anderen Schriftstücke zur Verfügung gestanden. Mithin seien keine neuen Tatsachen hervorgekommen, die die Grundlage für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 BAO hätten bilden können. Hinsichtlich der Aufwendungen für die Werbung habe aber das Finanzamt nur zu prüfen, ob diese durch den Betrieb verursacht seien. Die Beschwerdeführerin habe durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen, daß sie sich zur Leistung von Werbebeiträgen verpflichtet habe. Ob diese Ausgaben auch wirtschaftlich zweckmäßig seien, habe das Finanzamt nicht zu prüfen. Übrigens seien Kunden zu einem Kauf vielfach nur auf Grund der Absatzfähigkeit entschlossen, die ein Produkt auf einem ausländischen Markt aufweise. Mithin sei - insbesondere mit Rücksicht auf die stetig zunehmende wirtschaftliche Integration - die Werbung für einen Artikel nicht allein auf dem inländischen, sondern auch auf dem ausländischen Markt von entscheidender Bedeutung. Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Werbekostenbeiträge ergebe sich weiter daraus, daß die Lieferantin der Beschwerdeführerin im Zusammenhange mit dem Abschluß der Werbebeitragsvereinbarung die Einkaufspreise für die Maschinen bedeutend gesenkt habe. Es hätte sich daher - im Hinblick auf die gleichbleibenden Verkaufspreise - auch die Rohgewinnspanne in den Jahren 1957 bis 1960 von 65 % auf 70 % erhöht. Infolgedessen stehe in den Jahren 1959 und 1960 allein einer Senkung der Einstandspreise von rund S 1,500.000,-- bloß ein Werbekostenbeitrag von S 951.315,-- (laut BP-Bericht) gegenüber. Schließlich verwies die Beschwerdeführerin noch auf das erhebliche Ansteigen der Umsätze bei gleichbleibenden Verkaufspreisen und unwesentlicher Änderung des Personalstandes. Im Berufungsverfahren wurde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung mitgeteilt. Sie erstattete hiezu eine Gegenäußerung. Weiters wurde sie aufgefordert, die Ausgaben für die Aufstellung von Maschinen in den Jahren 1958/1960 zu belegen und einen Nachweis über die von der RWH für die Beschwerdeführerin in Österreich ausgeführten Leistungen zu erbringen. Die Beschwerdeführerin teilte mit, daß sich die Werbegesellschaft weigere, Einsichtnahme in ihre Geschäftsunterlagen zu gewähren und daß die Beschwerdeführerin, da sie die vom Ausland aus durchgeführte Werbung nicht direkt bezahlt habe, auch keine Zahlungsbelege vorlegen könne.
Der Berufungssenat wies die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung - mit Ausnahme des von der Beschwerdeführerin begehrten Abzuges von Mitgliedsbeiträgen zum Ö -
als unbegründet ab. Der Bescheid wurde wie folgt begründet:
a) Kosten für die Aufstellung von Maschinen: Die Beschwerdeführerin habe die Empfänger der Beträge, die sie für die Aufstellung der Maschinen aufgewendet habe, entgegen der Vorschrift des § 205 a AO nicht bekanntgegeben, obwohl ihr dies zuzumuten gewesen sei. b) Werbebeiträge an die RWH in V:
Die betriebliche Veranlassung dieser Kosten sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Vielmehr habe der Vertreter der Beschwerdeführerin in einem Schreiben vom und anläßlich der mündlichen Berufungsverhandlung jede Beweisführung abgelehnt. Aus dem Zweck, zu dem die RWH gegründet worden sei, ergebe sich aber, daß diese nicht allein die Werbung für Rotaprinterzeugnisse auf dem europäischen Markt durchzuführen habe, sondern auch für Handels- und Finanzgeschäfte aller Art Sorge tragen müsse. Es liege daher nahe, daß die Firma R Aktiengesellschaft Berlin Kapital im Weg ihrer ausländischen Vertretungen nach Lichtenstein transferieren wolle, um dieses Kapital für die Beteiligung an anderen Unternehmungen und sonstigen Handels- und Kreditgeschäften einsetzen zu können. Hiezu biete die geringe steuerliche Belastung im Fürstentum Lichtenstein einen besonderen Anreiz. Eine bloße Transferierung von Kapital stelle jedoch keine betriebliche Ausgabe dar. c) Wiederaufnahme des Veranlagungsverfahrens: Der Referent des Finanzamtes habe auf Grund der ihm vorgelegten Schriftstücke durchaus der Meinung sein können, daß es sich beim Werbekostenbeitrag tatsächlich nur um die Aufwendungen für internationale Werbemaßnahmen handle. Er hätte aber bei Einsichtnahme in die Belege, deren Vorlage die Beschwerdeführerin zuerst hartnäckig verweigert und erst unter dem Druck der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellt habe, festgestellt, daß die RWH einen mehrfachen Zweck verfolge. Diese Tatsache hätte zwangsläufig zu weiteren Erhebungen in der Richtung geführt, ob es sich bei den Beiträgen um Aufwendungen handelt, die eine Betriebsausgabe im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG darstellen. Mithin seien erst im Betriebsprüfungsverfahren Tatsachen, hervorgekommen, die geeignet erscheinen, einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeizuführen. Seien aber die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben gewesen, so habe es hinsichtlich der Aufwendungen für die Aufstellung von Maschinen keines besonderen Wiederaufnahmegrundes bedurft. Der Antrag der Beschwerdeführerin, Dr. M als Zeugen darüber einzuvernehmen, daß die RWH nur eine Werbetätigkeit entwickle, sei als nicht zielführend abzulehnen gewesen. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe nämlich in der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich erklärt, daß die RWH (deren Verwaltungsrat Dr. M ist) keine Angaben über ihre Leistungen zu machen bereit sei. Die Einvernahme des Dr. M habe daher keine Klärung des Sachverhaltes herbeiführen können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Hinzurechnung von Werbebeiträgen und von Kosten für die Aufstellung von Maschinen hängt vor allem davon ab, ob das Finanzamt das Verfahren zur einheitlichen Feststellung der Gewinne der Beschwerdeführerin für die Jahre 1958/1960 wieder aufnehmen durfte. Die betreffenden Berichtigungsbescheide wurden durchwegs im Jahre 1962 erlassen, sodaß für die Wiederaufnahme des Verfahrens die Bestimmungen des § 303 BAO maßgebend waren. Nach Abs. 4 dieser Gesetzesstelle ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens, von Amts wegen u. a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Das Finanzamt hat die Beschwerdeführerin wiederholt aufgefordert, die Kosten für die Werbung näher zu erläutern. Die Beschwerdeführerin hat aber lediglich mitgeteilt, daß die RWH die Werbung für den Rotaprintkonzern, der Verkaufsfirmen fast in allen Ländern Westeuropas unterhält, durchführt. Die Beschwerdeführerin müsse hiefür einen Werbekostenbeitrag in der Höhe von 10 % des Umsatzes leisten. Sie erhalte aber auch eine Begünstigung beim Einkauf der Rotaprinterzeugnisse. Auch anläßlich der Betriebsprüfung wurde die Frage der Werbekostenbeiträge erörtert. Der Prüfer stellte hiezu unter TZ. 22 des Betriebsprüfungsberichtes zunächst fest, daß die Beschwerdeführerin keine ausreichenden Angaben über die von der RWH erbrachten Leistungen gemacht habe. Die Beschwerdeführerin hat also, wie der angefochtene Bescheid zutreffend feststellt, mit einer Auskunft über die Tätigkeit der RWH zurückgehalten. Sie hat aber der Betriebsprüfungsstelle noch v o r Erlassung der Berichtigungsbescheide einen Handelsregisterauszug über die Eintragung der RWH beim Landesgericht in Vaduz sowie ein Protokoll über die Gründung der RWH vom übermittelt. Mit diesen Schriftstücken sollte die wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit der Zahlung von Werbebeiträgen bewiesen oder wenigstens glaubhaft gemacht werden. Dasselbe gilt von dem Schriftverkehr der Beschwerdeführerin mit der RWH, den sie unter Bezugnahme auf die bei der Betriebsprüfung gestellten Fragen vorgelegt hat. Alle diese Beweismittel sind erst nach Erlassung der das Veranlagungsverfahren des Finanzamtes abschließenden Bescheide neu hervorgekommen. Im Veranlagungsverfahren hat die Beschwerdeführerin, wie sich aus den vom Finanzamt aufgenommenen Amtsvermerken ergibt, nur einen Schriftwechsel vorgelegt, der die Höhe der von der Beschwerdeführerin zu leistenden Werbebeiträge zum Gegenstand hatte. Aus den nach Erlassung der Bescheide des Finanzamtes hervorgekommenen Beweismitteln sind aber entgegen der Meinung der Beschwerde - auch Tatsachen bekannt geworden, die dem Finanzamt im Veranlagungsverfahren nicht mitgeteilt worden waren, nämlich, daß die RWH, nicht allein die Werbung für Rotaprinterzeugnisse, sondern auch die Beteiligung an anderen Unternehmungen sowie die Durchführung von Handels- und Finanzgeschäften aller Art zum Gegenstand hat. Mithin stellt der angefochtene Bescheid zutreffend fest, daß die Wiederaufnahme des Verfahrens auf neu hervorgekommene Tatsachen gestützt werden konnte. Ob diese bereits in der Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung als neue Tatsachen bezeichnet worden sind, ist für das rechtliche Ergebnis belanglos. Die dahingehenden Einwendungen der Beschwerde sind daher unbegründet. Ebensowenig kann die Verfahrensrüge, daß Dr. M. nicht einvernommen worden sei, zum Ziele führen. Gegenstand seiner Einvernahme hätte der Geschäftsbetrieb der RWH, sein sollen. Aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ist aber zweifelsfrei zu entnehmen, daß die Gesellschaft, als deren bevollmächtigter Verwaltungsrat Dr. M aufgetreten ist, jede Auskunft über ihre Geschäftsgebarung, insbesondere den österreichischen Finanzbehörden gegenüber, verweigert. Unter diesen Umständen hat die Berufungsbehörde mit Recht die Einvernahme des Dr. M als zwecklos abgelehnt. Konnte aber die Beschwerdeführerin nicht einmal glaubhaft machen, daß sie die Werbebeiträge nur für Werbeleistungen bezahlt, war die belangte Behörde im Recht, wenn sie die in Rede stehenden Beträge im Hinblick auf das über die Gründung der RWH aufgenommene Protokoll nicht als Betriebsausgabe anerkannt hat. Nach Abschnitt V dieses Protokolles werden nämlich "nicbt verbrauchte
Werbebeiträge ... zurückgezahlt". Diese Bestimmung aber läßt klar
und eindeutig erkennen, daß die hier in Rede stehenden "Werbebeiträge" nur dann und insoweit allenfalls als gewinnmindernde Betriebsausgabe anerkannt werden könnten, als ihre tatsächliche Verausgabung für Werbezwecke eindeutig nachgewiesen würde. Andernfalls stellen sie nämlich bloß zu unkontrollierbaren Zwecken in das Ausland verbrachtes Firmenkapital dar. Beim vorliegenden Sachverhalt lassen die Schlüsse der Behörde auf den Verwendungszweck der Beträge keinen Denkfehler erkennen. So vermag ihnen auch die Beschwerde mit keiner triftigen Begründung zu begegnen, sondern stellt bloß die Behauptung auf, es handle sich um aus der Luft gegriffene Annahmen.
Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens, die, wie dargetan, zu Recht erfolgte, war der Bescheid des Finanzamtes im vollen Umfang aus dem Rechtsbestand beseitigt. Die Bestimmungen der §§ 303 ff BAO enthalten keine Vorschrift, daß eine uneingeschränkte Wiederaufnahme des Verfahrens unmöglich sei oder daß der Umfang der Wiederaufnahme dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben werden müsse. Es war daher zulässig, im wiederaufgenommenen Verfahren auch die Frage der Aufwendungen für die Aufstellung von Maschinen, abweichend von der rechtlichen Beurteilung in dem durch die Wiederaufnahme beseitigten Bescheid zu beurteilen. Daran vermag die Bestimmung des § 307 Abs. 2 BAO, auf die sich die Beschwerde stützt, nichts zu ändern. Damit soll ausgeschlossen werden, einen bereits rechtskräftigen Bescheid im Hinblick auf eine Änderung der Rechtsauslegung, die auf einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Verwaltungsgerichtshofes oder einer allgemeinen Weisung des Bundesministeriums für Finanzen beruht, zu ändern. Dies hat aber mit der Wiederaufnahme des Verfahrens wegen neu hervorgekommener Tatsachen oder Beweismittel nichts zu tun.
Die Beschwerde bekämpft zwar den von ihr angefochtenen Bescheid ohne Einschränkung. Sie bringt aber außer den oben behandelten Einwendungen, die hauptsächlich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens gerichtet sind, nichts vor. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1964:1963001391.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-54818