Suchen Hilfe
VwGH 07.09.1970, 1373/68

VwGH 07.09.1970, 1373/68

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauRallg;
LBauO Tir §7;
Verbauungsplan Nußdorf 1963;
RS 1
Sind nach einem Verbauungsplan bestimmte Grundflächen als Wohngebiet gewidmet, dann dient die Einhaltung dieser Bestimmung nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn. Dieses dem Nachbarn daraus erwachsende subjektive öffentliche Recht wird zu einem relativen, das dann nicht verletzt wird, wenn von einer Ausnahmegenehmigung (hier zu Gunsten einer Betriebsanlage) in Übereinstimmung mit dem Inhalt des Verbauungsplanes Gebrauch gemacht wird.
Normen
LBauO Tir §69;
LBauO Tir §7;
Verbauungsplan Nußdorf 1963;
RS 2
Ausführungen zur Frage, auf welche Umstände seitens der Gemeinde Bedacht zu nehmen ist, wenn sie einem Wohngebiet eine Ausnahmegenehmigung vom Verbauungsplan zu Gunsten einer Betriebsstätte gemacht werden soll (Hinweis E , 1584/61, VwSlg 5881 A/1962, E , 0565/60, VwSlg 6446 A/1964, E , 0361/65, E , 1500/65 und E , 1841/69).
Normen
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966;
RS 3
Die Aufsichtsbehörde ist, sofern überhaupt eine zulässige Vorstellung vorliegt, verpflichtet, von Amts wegen den angefochtenen Bescheid daraufhin zu untersuchen, ob durch ihn Rechte des Vorstellungswerbers verletzt worden sind (Hinweis E , 1645/67).
Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112;
RS 4
Die Vorstellungsbehörde ist nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Verletzung des Vorstellungserwerbes in materiellen Rechten eingetreten sei, zu schaffen (Hinweis E , 0255/67).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0587/68 E RS 3
Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966;
RS 5
Die Aufsichtsbehörde kann nicht jegliche Kontrolle des von der Gemeinde angenommenen Sachverhaltes ablehnen. Sie muß vielmehr, bevor sie in die Prüfung eintritt, ob eine Rechtsverletzung durch unrichtige Anwendung materiellrechtlicher Bestimmungen vorliegt, untersuchen, ob nicht etwa das Verfahren vor der Gemeinde mangelhaft geblieben ist. Ist das Verfahren vor der Gemeinde mit einem entscheidungswesentlichen Mangel behaftet und macht die Aufsichtsbehörde von ihrem Rechte, den für die Frage der Rechtsverletzung maßgeblichen Sachverhalt durch eigene Ermittlungen zu klären, keinen Gebrauch, dann muß sie den Bescheid der Gemeinde aufheben, selbst wenn Verfahrensmängel in der Vorstellung nicht geltend gemacht wurden (Hinweis E , 0906/67).
Normen
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;
RS 6
Werden durch einen von der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich erlassenen Bescheid wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt - zB durch Heranziehung eines für die Beantwortung einer Rechtsfrage ungeeigneten Gutachtens eines Sachverständigen - und nimmt dies die Aufsichtsbehörde nicht wahr, so macht dies ihren Vorstellungsbescheid inhaltlich rechtswidrig.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0906/67 E RS 3

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Lehne, Dr. Leibrecht, Dr. Hrdlicka und Dr. Straßmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Ministerialkommissär Dr. Bily, über die Beschwerde des JL in N, vertreten durch Dr. Jakob Oberhofer, Rechtsanwalt in Lienz, Hauptplatz 18, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Ve-463/1/1968 (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Nußdorf-Debant, 2. NN in N), betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen in einer Bausache, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Bürgermeister der Gemeinde Nußdorf in Osttirol (jetzt: Nußdorf-Debant) erteilte der mitbeteiligten Partei NN am zur Zl. 153/240/63 die Baubewilligung zur Errichtung eines Neubaues im Anschluss an seine auf dem Grundstück Nr. 329/1 der Katastralgemeinde X bestehende Karosseriewerkstätte. Die dagegen vom nunmehrigen Beschwerdeführer JL als Nachbar erhobenen Einwendungen, insbesondere die Einwendung, das Gebiet, in dem der Bau errichtet werden solle, sei reines Wohngebiet und daher die Erweiterung lärmender gewerblicher Betriebe nicht gestattet, wurden abgewiesen. Der dagegen von JL erhobenen Berufung gab die Bezirkshauptmannschaft Lienz mit Bescheid vom , Zl.: II-52/2, keine Folge; der angefochtene Bescheid wurde gleichzeitig unwesentlich abgeändert. Auch gegen diesen Bescheid erhob JL Berufung, diese wurde jedoch von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom , Zl.: Ve-813/1/64, als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wurde der angefochtene Bescheid hinsichtlich einer, im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht relevanten Einwendung abgeändert und weiters die Einwendung des Berufungswerbers, die gegenständliche Bauführung widerspreche dem von Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf beschlossenen Bebauungsplan und der Verordnung über die Regelung der Bebauung, in Abänderung des angefochtenen Bescheides "gemäß § 42 AVG zurückgewiesen". Gegen diesen Bescheid erhob JL Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Mit Erkenntnis vom , Zl. 1226/64, gab der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde Folge und hob den Bescheid der Tiroler Landesregierung im wesentlichen deswegen zufolge Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf, weil entgegen der Auffassung der Tiroler Landesregierung hinsichtlich des Vorbringens, das Bauvorhaben widerspreche dem vom Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf beschlossenen Verbauungsplan, in Wahrheit keine Präklusion nach § 42 AVG 1950 eingetreten war.

Die Tiroler Landesregierung war daher gehalten, einen neuerlichen Berufungsbescheid zu erlassen. Dabei musste sie die durch die Bundes-Verfassungsgesetznovelle 1962 eingetretene Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Zuständigkeit zur Handhabung der örtlichen Baupolizei berücksichtigen. Sie behob daher mit Bescheid vom , Zl.: Ve-1017/1966, den vorerwähnten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lienz vom wegen Unzuständigkeit dieser Behörde. Einer dagegen von NN erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieb der Erfolg versagt (Erkenntnis vom , Zl.: 1597/66).

Die Berufung gegen die vom Bürgermeister erteilte Baubewilligung vom war damit beim Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf anhängig. In der Zwischenzeit war der vom Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf am beschlossene Verbauungsplan, demzufolge die Liegenschaft des Bauwerbers ins Wohngebiet fiel und für dieses die Bestimmung getroffen wurde, dass Betriebsanlagen, die geeignet sind, die Nachbarschaft zu belästigen oder zu gefährden oder in ihrer baulichen Gestaltung die Eigenart des Wohngebietes stören, nicht errichtet werden dürfen, von der Tiroler Landesregierung genehmigt und von der Gemeinde kundgemacht worden. Ein über Anregung von NN gefasster Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde Nußdorf vom , die für das vorliegende Bauvorhaben bestimmten Grundstücke 329/1 und 329/4 zum gemischten Baugebiet zu erklären, war der Tiroler Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt worden, die Genehmigung wurde jedoch nicht erteilt und die Gemeinde Nußdorf nahm daraufhin von einer Kundmachung dieser Änderung des Verbauungsplanes als Verordnung abstand.

Am beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf, der Berufung des JL gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom keine Folge zu geben. In dem in Ausfertigung dieses Sitzungsbeschlusses ergangenen Bescheid des Gemeindeamtes vom wird ausgeführt, zur Zeit der Erteilung der Baubewilligung sei kein rechtsgültiger Verbauungsplan in Kraft gestanden. NN habe überdies bereits mit Bescheid vom die Karosseriewerkstätte genehmigt erhalten; damals hätten die Anrainer keinerlei Einsprüche erhoben. Der nunmehr vorgesehene Bau sei nur eine räumliche Betriebserweiterung, wobei keine zusätzlichen lärm- und geruchserzeugenden Maschinen aufgestellt würden.

Gegen diesen Bescheid erhob JL das Rechtsmittel der Vorstellung gemäß § 112 Abs. 5 der Tiroler Gemeindeordnung 1996. Die Tiroler Landesregierung gab der Vorstellung mit Bescheid vom , Zl.: Ve-1824/1/1967, Folge und behob den angefochtenen Bescheid. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass bei rechtsgestaltenden Verwaltungsakten, wozu eine Baubewilligung gehöre, die Berufungsbehörde die Rechtslage im Zeitpunkt der Erledigung der Berufung zu berücksichtigen habe, zu diesem Zeitpunkt sei das Gebiet jedoch als Wohngebiet ausgewiesen gewesen und mit dieser Widmung stehe das Bauvorhaben in Widerspruch.

Damit wurde die Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid vom neuerlich beim Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf anhängig, Die Berufungsentscheidung wurde aber vorerst nicht erlassen. Vielmehr beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf am eine "Ergänzung der Legende zum Bebauungsplan" bezüglich des Wohngebietes, derzufolge die Baubehörde im Wohngebiet ausnahmsweise die Erweiterung bestehender Betriebsanlagen zulassen könne, wenn hiermit keine Gefährdung oder das bisherige Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarschaft verbunden sei. Dieser Beschluss wurde von der Tiroler Landesregierung am genehmigt und hierauf von der Gemeinde Nußdorf kundgemacht.

In der Folge beschloss der Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf am , den Baubewilligungsbescheid vom zu bestätigen. In Ausfertigung dieses Sitzungsbeschlusses erließ das Gemeindeamt Nußdorf am , Az. 004/1968, einen "für den Gemeinderat" vom Bürgermeisterstellvertreter gefertigten Bescheid, der wörtlich lautet: "Bescheid. Auf Grund Bescheides des Amtes der Tiroler Landesregierung - Zusatzvermerk Az. Ve 1824/1/1967, war nach Änderung der Verbauungsplanlegende neuerdings zu entscheiden.

Spruch: In Abwesenheit des Bürgermeisters stellt der vorsitzende Bürgermeisterstellvertreter UJ nach vorausgegangener gründlicher Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt den Antrag, den seinerzeitigen Baubescheid vom 19. Dezemb. 1963 Zahl 153/240-63 betreffend die Errichtung eines Zubaues zur bestehenden Karosseriewerkstätte auf Gp. 329/1 KG. X zu bestätigen und die erteilte Baugenehmigung aufrecht zu erhalten. Begründung: Da laut rechtskräftiger Änderung der Verbauungsplanlegende Zubauten in bereits bestehenden Betrieben genehmigt werden können, wurde die seinerzeit erteilte Baugenehmigung neuerdings bestätigt. NN hat keinerlei lärm- und geruchsbelästigende Maschinen neu in Betrieb genommen." Es folgt noch die Rechtsmittelbelehrung.

Auch gegen diesen Bescheid erhob JL das Rechtsmittel der Vorstellung, welches er einerseits damit begründete, dass der angefochtene Bescheid nicht auf eine Beschlussfassung des Gemeinderates Bezug nehme, und in welchem er andererseits ausführte, es hätte ein neues Baubewilligungsverfahren in erster Instanz durchgeführt werden müssen. Jedenfalls aber würden die Einwendungen hinsichtlich der erhöhten Lärm- und Geruchsbelästigung durch den Erweiterungsbau ausdrücklich aufrechterhalten.

Die Tiroler Landesregierung gab mit dem nunmehr beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom , Zl. Ve-463/1/1968; der Vorstellung keine Folge. Der Verfahrensrüge hielt die belangte Behörde entgegen, dass aus der Begründung des Bescheides und aus der Fertigungsklausel zu entnehmen sei, die Berufung sei vom Gemeinderat abgewiesen worden; der aufsichtsbehördliche Bescheid vom habe aber eine neuerliche Berufungsentscheidung durch den Gemeinderat bedingt. In sachlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Gemeinderat bei seiner Berufungsentscheidung die Änderung des Verbauungsplanes habe berücksichtigen müssen, derzufolge im Wohngebiet ausnahmsweise die Erweiterung bestehender Betriebsanlagen zugelassen werden könne, wenn hiermit keine Gefährdung oder das bisherige Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarschaft verbunden sei. Was die Einwendungen hinsichtlich der erhöhten Lärm- und Geruchsbelästigung anlange, so übersehe der Einschreiter, dass eine Anfechtung der von der Gemeindebehörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen im aufsichtsbehördlichen Verfahren nur insoweit möglich sei, als es sich dabei um Feststellungen handle, die sich auf aktenwidrige Annahmen gründen, auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zu Stande gekommen seien, was der Einschreiter nicht behauptet habe.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Beschwerdepunkt ist die behauptete Verletzung des Rechtes, dass im Wohngebiet Anlagen, die beim Betrieb erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Bewohner zur Folge haben können nicht zugelassen werden dürfen. In der Begründung der Beschwerde wird in formaler Hinsicht gerügt, die Bescheide der beiden Gemeindeinstanzen enthielten in Wahrheit keinen Spruch, In der Sache selbst wird ausgeführt, der Beschluss der Gemeinderates von Nußdorf vom widerspreche der mit Gesetzeskraft ausgestatteten Verordnung über die Regelung der Bebauung, GBl. f. Öst. Nr. 526/1939, es werde daher die Anfechtung dieses Beschlusses beim Verfassungsgerichtshof angeregt. Schließlich aber seien die Umstände, die ein Urteil über das Vorliegen einer Lärmbelästigung und einer Geruchsbelästigung ermöglichen würden, in keinem Stadium des Verfahrens ordnungsgemäß geprüft worden, welche Prüfung ergeben hätte, dass der Werkstättenbetrieb nach Verwirklichung des nunmehrigen Bauprojektes mit einer eindeutigen Erhöhung der Lärm- und Geruchsbelästigung verbunden wäre.

Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Der Mitbeteiligte NN beantragt in seiner Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde und stützt sich auf die vor Erlassung des Berufungsbescheides des Gemeinderates von Nußdorf wirksam gewordene Abänderung des Verbauungsplanes, welche seiner Auffassung nach lediglich eine Präzisierung der Bestimmungen des § 1 der Verordnung über die Regelung der Verbauung darstelle. Im übrigen diene die nunmehrige Bauführung dem Zweck, Arbeiten, die früher im Freien durchgeführt worden seien, innerhalb des Gebäudes zu erledigen, was entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Erhöhung des Nachteiles bedeute, der für die Nachbarn mit der Anlage verbunden sei. Die Mitglieder des Gemeinderates von Nußdorf hätten auf Grund ihrer unmittelbaren Kenntnis der Verhältnisse ohne weitere Erhebungen ihre Entscheidung sachgerecht treffen können.

Da der Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des Gemeinderatsbeschlusses von hegte, stellte er beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 des Bundes-Verfassungsgesetzes den Antrag auf Aufhebung wegen Gesetzwidrigkeit. Der Verfassungsgerichtshof hat diesem Antrag jedoch mit seinem Erkenntnis vom , Zl. V 7/69-25, keine Folge gegeben. Der Verfassungsgerichtshof vertrat in diesem Erkenntnis die Auffassung, die Abänderung des Bebauungsplanes verstoße nicht gegen § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Regelung der Bebauung, da der Betrieb einer neuen Anlage keine Nachteile oder Belästigung für die Bewohner oder die Allgemeinheit zur Folge haben könne, die erheblich seien, wenn er das Ausmaß bereits bestehender Nacheile und Belästigungen nicht vermehre. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im vorliegenden Beschwerdefall vom Rechtsbestande der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Nußdorf vom auszugehen und auf dieser Rechtsgrundlage zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im bezeichneten Beschwerdepunkte in seinen Rechten verletzt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hiebei erwogen:

Gemäß § 7 der Tiroler Landesbauordnung (Gesetz vom , LGBl. Nr. 1/1901, mit Änderungen, wiederverlautbart im Landesgesetzblatt für Tirol unter Nr. 12/1928) hat der genehmigte Regulierungsplan bei den einzelnen Bauführungen als Richtschnur zu dienen. Eine Ermächtigung zur Aufstellung von Verbauungsplänen ist einerseits in den §§ 7 und 69 der Tiroler Landesbauordnung, andererseits im § 1 der Verordnung über die Regelung der Bebauung (GBl. f. Öst. Nr. 526/1939) enthalten. Von dieser Ermächtigung hat der Gemeinderat der Gemeinde Nußdorf durch die Aufstellung des Verbauungsplanes mit Beschluss vom und durch die Abänderung der Legende zum Verbauungsplan mit Beschluss vom Gebrauch gemacht. Nach dem Beschluss vom fällt die im vorliegenden Beschwerdefalle zur Verbauung bestimmte Liegenschaft in das Wohngebiet und dürfen dort Betriebsanlagen, die geeignet sind, die Nachbarschaft zu belästigen oder zu gefährden oder in ihrer baulichen Gestaltung die Eigenart des Wohngebietes zu stören, nicht errichtet werden. Nach dem Beschluss vom kann die Baubehörde ausnahmsweise die Erweiterung bestehender Betriebsanlagen zulassen, wenn damit keine Gefährdung oder das bisherige Ausmaß überschreitende Belästigung der Nachbarschaft verbunden ist.

Vor Eingehen in die Prüfung, ob im vorliegenden Falle diesen Bestimmungen zuwidergehandelt wurde, hatte der Verwaltungsgerichtshof allerdings zu untersuchen, ob der Erledigung des Gemeindeamtes von Nußdorf vom nicht allenfalls wegen Fehlens eines bindenden Abspruches über die anhängige Rechtssache die Bescheidqualität mangelt, weil in diesem Falle die dagegen erhobene Vorstellung hätte zurückgewiesen werden müssen. Nun ist zwar dem Beschwerdeführer darin beizupflichten, dass der als "Spruch" bezeichnete Teil der Erledigung vom einen bindenden Abspruch nicht ausdrücklich enthält. Es ist jedoch, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, dem Gesamtbescheid eindeutig zu entnehmen, dass es sich hier um die Ausfertigung eines Bescheides des Gemeinderates von Nußdorf gehandelt und dass der Gemeinderat von Nußdorf über die Berufung abschlägig entschieden hatte. Ebenso geht aus dem Bescheid vom mit hinlänglicher Klarheit hervor, dass die beantragte Baubewilligung entgegen den Einwendungen des Nachbarn erteilt wurde. Das Schicksal der vorliegenden Beschwerde hängt daher ausschließlich davon ab, ob der Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der vorhin dargestellten Rechtslage durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Abweisung des Bauansuchens der mitbeteiligten Partei verletzt wurde.

Hiebei ist davon auszugehen, dass die Widmung der zur Verbauung bestimmten Grundfläche nach wie vor auf "Wohngebiet" lautet. Auf die Einhaltung dieser Bestimmung, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dient, haben die Nachbarn ein subjektives öffentliches Recht. Dieses Recht ist allerdings durch den Beschluss des Gemeinderates vom zu einem relativen geworden, das dann nicht verletzt ist, wenn von der Ausnahmemöglichkeit in Übereinstimmung mit dem Inhalt dieses Beschlusses, wie er vorhin wiedergegeben wurde, Gebrauch gemacht wird.

Der Gemeinderat von Nußdorf hat nun in seiner Berufungsentscheidung vom nicht berücksichtigt, dass die Erweiterung bestehender Betriebsanlagen nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Das Vorliegen eines Ausnahmefalles wurde (zu Unrecht) nicht geprüft (vgl. die zu § 71 der Bauordnung für Wien ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 5881/A, und vom , Slg. N. F. Nr. 6446/A). Ein solcher Ausnahmefall kann nicht immer schon dann gegeben sein, wenn ein bestehender Betrieb erweitert werden soll; diese Auslegung des Beschlusses vom würde nämlich zwangsläufig bedeuten, dass die Ausnahme zur Regel wird. Es wäre zunächst Sache des Mitbeteiligten NN gewesen, darzutun, dass und inwieweit sich seine Situation von der irgendeines Inhabers einer bestehenden gewerblichen Betriebsanlage abhebt, dessen Baugrund nunmehr im Wohngebiet liegt und der seinen Betrieb erweitern will; aus der Aktenlage gehen nämlich solche Umstände nicht hervor. Über dieses Vorbringen wäre Beweis aufzunehmen, das Beweisergebnis mit dem berufungswerbenden Nachbarn zu erörtern und darüber im Berufungsbescheid zu erkennen gewesen. Diesen Mangel des Bescheides der obersten Gemeindeinstanz hat die Aufsichtsbehörde nicht erkannt; dass der Vorstellungswerber und nunmehrige Beschwerdeführer den Mangel nicht ausdrücklich geltend gemacht hat, tut seinen Rechten keinen Abbruch, weil die Aufsichtsbehörde, sofern überhaupt eine zulässige Vorstellung vorliegt, verpflichtet ist, von Amts wegen den angefochtenen Bescheid daraufhin zu untersuchen, ob durch ihn Rechte des Vorstellungswerbers verletzt werden (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1645/67, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird).

Der Gemeinderat von Nußdorf hat aber auch im Zuge des Berufungsverfahrens keinerlei Ermittlungen darüber durchgeführt, ob mit der Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage eine Gefährdung oder eine das bisherige Ausmaß übersteigende Belästigung der Nachbarschaft verbunden ist. Dazu wäre er umsomehr verpflichtet gewesen, als er seine Entscheidung unter Berücksichtigung einer eingetretenen Änderung der Rechtslage seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides zu treffen hatte, diese Frage also im Rahmen der Bauverhandlung nicht mit den Parteien des Verfahrens erörtert worden war. Der im Berufungsbescheid enthaltene Hinweis, NN habe keinerlei lärm- und geruchsbelästigende Maschinen in Betrieb genommen, ist nicht entscheidend und kann ein solches Ermittlungsverfahren nicht ersetzen, abgesehen davon, dass eine erhöhte Lärm- und Geruchsbelästigung nicht nur mit der Neueinstellung von Maschinen verbunden sein kann, und auch die Verlegung bisher im Hof durchgeführter Arbeiten ins Hausinnere noch nicht unbedingt größere störende Einflüsse auf die Nachbarschaft ausschließt, insbesondere dann nicht, wenn die Arbeitsplätze vermehrt werden. Da die Zulässigkeit einer Ausnahme vom Verbauungsplan nach dessen Inhalt an das Fehlen zusätzlicher Immissionen geknüpft ist, durfte die Baubehörde diese Feststellung unbeschadet des Umstandes, dass es sich um eine gewerbliche Betriebsanlage handelt, nicht dem gewerbebehördlichen Verfahren nach § 32 der Gewerbeordnung überlassen. Sie hätte zwar die von der Gewerbebehörde allenfalls bereits durchgeführten Beweisaufnahmen (Lärmmessungen, Sachverständigengutachten) nach Erörterung mit den Parteien des Verfahrens ihrer eigenen, selbstständig vorzunehmenden Beweiswürdigung unterziehen und der Sachverhaltsfeststellung zu Grunde legen können (§ 46 AVG 1950).

Wenn sie von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch machen sollte - oder, mangels entsprechender Beweisaufnahmen der Gewerbebehörde, keinen Gebrauch machen konnte -, müsste sie die zur Klarstellung des Sachverhaltes nötigen Ermittlungen selbst anstellen. Es hätte in diesem Falle durch einen technischen Sachverständigen an Hand von Untersuchungen in einem Betrieb mit gleichen Voraussetzungen festgestellt werden müssen, welche zusätzliche Lärmentwicklung und Geruchsentwicklung mit der Benützung der erweiterten Anlage voraussichtlich verbunden sein wird, wobei hinsichtlich der Lärmentwicklung auch auf physikalische Messmethoden (Phon-Messung) hätte gegriffen werden müssen. (vgl. das zu § 6 des Wiener Garagengesetzes ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 361/65, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). Hierauf hätte ein medizinischer Sachverständiger zu beurteilen gehabt, ob diese zusätzliche Lärm- und Geruchsentwicklung nach Art und Dauer für einen erwachsenen, durchschnittlich gesunden Menschen ohne besondere Überempfindlichkeit eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens darzustellen vermag (vgl. das zu § 6 des Wiener Garagengesetzes ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1500/65, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). Da solche Untersuchungen unterblieben sind, ist der Sachverhalt im verfahren vor der Gemeinde in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben. Überdies wurden durch Unterbleiben einer Erörterung mit den Parteien des Verfahrens über die geänderten Entscheidungsgrundlagen (Änderung des Verbauungsplanes) Verfahrensvorschriften (§ 37 AVG 1950) verletzt, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1841/69, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird).

Die belangte Behörde hat diese Mängel des gemeindebehördlichen Verfahrens nicht wahrgenommen und damit Rechte des Beschwerdeführers verletzt. Sie hat sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, an den von der obersten Gemeindebehörde angenommenen Sachverhalt gebunden zu sein. Diese Auflassung ist jedoch in dieser Schärfe unzutreffend. Die Aufsichtsbehörde ist zwar im Vorstellungsverfahren nicht verpflichtet, durch eigene Ermittlungen die Voraussetzungen für die endgültige Lösung der Frage, ob eine Verletzung des Vorstellungswerbers in materiellen Rechten eingetreten ist, zu prüfen, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , Zl. 587/68, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, ausgesprochen hat. Die Aufsichtsbehörde ist allerdings berechtigt, selbstständig ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, um sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob ein Vorstellungswerber durch den Bescheid des obersten Gemeindeorganes in einem Rechte verletzt wurde (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 255/67, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird). Die Aufsichtsbehörde kann aber nicht jegliche Kontrolle des von der Gemeindebehörde angenommenen Sachverhaltes ablehnen. Sie muss vielmehr, bevor sie in die Prüfung eintritt, ob eine Rechtsverletzung durch unrichtige Anwendung materiell-rechtlicher Bestimmungen vorliegt, untersuchen, ob nicht etwa das Verfahren vor der Gemeinde mangelhaft geblieben ist. Ist das Verfahren vor der Gemeinde mit einem entscheidungswesentlichen Mangel behaftet und macht die Aufsichtsbehörde von ihrem Rechte, den für die Frage der Rechtsverletzung maßgeblichen Sachverhalt durch eigene Ermittlungen zu klären, keinen Gebrauch, dann muss sie den Bescheid der Gemeinde aufheben, selbst wenn Verfahrensmängel in der Vorstellung nicht geltend gemacht wurden; so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom , Zl. 906/67, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen wird, ausgesprochen, dass es den Vorstellungsbescheid inhaltlich rechtswidrig macht, wenn im Verfahren vor der Gemeinde wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt wurden und die Aufsichtsbehörde dies nicht wahrnimmt.

Die belangte Behörde hat somit im vorliegenden Beschwerdefall, da sie die vorhin dargestellten Verfahrensmängel im gemeindebehördlichen Verfahren nicht zum Anlass einer Aufhebung des Berufungsbescheides des Gemeinderates von Nußdorf nahm, den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112;
GdO Tir 1966;
LBauO Tir §69;
LBauO Tir §7;
Verbauungsplan Nußdorf 1963;
VwGG §42 Abs2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z1 impl;
Schlagworte
Inhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der
Vorstellungsbehörde
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1970:1968001373.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
RAAAF-54765