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VwGH 23.10.1975, 1365/75

VwGH 23.10.1975, 1365/75

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
GehG 1956 §19b
RS 1
Die Gefahren, die notwendigerweise mit dem Straßenverkehr verbunden sind, sind für einen Beamten keine "besonderen" Gefahren im Sinne des § 19b Abs 1 GG.

Entscheidungstext

Beachte

Besprechung in:

ÖffD 1979/10, S 24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Eichler und die Hofräte Dr. Hinterauer, Dr. Zach, Dr. Karlik und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Bezirksrichter Mag. Dr. Kail, über die Beschwerde des FH in I, vertreten durch Dr. Walter Riedl und Dr. Peter Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Wiesingerstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom , Zl. 412.797-VI/1/75, betreffend Gefahrenzulage (§ 19b Abs. 1 GG 1956), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 700,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer steht seit in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Mit wurde er zum Offizial des handwerklichen Dienstes (Dienstklasse II des Dienstzweiges 11 „Kraftwagenlenker“, Verwendungsgruppe P 3) ernannt. Dienst versieht er als hauptberuflicher Kraftwagenlenker der Finanzlandesdirektion für T.

Diese Behörde hat mit Bescheid vom über die Anträge des Beschwerdeführers vom 10. Jänner und vom , sie im wesentlichen darauf gestützt waren, als berufsmäßiger Kraftfahrer sei der Beschwerdeführer weit über das jeden Beamten, der ein Kraftfahrzeug benütze, treffende Maß an Gefährdung hinaus den Gefahren der Straße ausgesetzt, festgestellt, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 19b Abs. 1 GG 1956 in der Fassung der 24. GG-Novelle eine Gefahrenzulage nicht gebühre. Dies wurde im wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe als Kraftwagenlenker neben der Pflege der Kraftfahrzeuge die Führung von Dienstkraftwagen (Personenkraftwagen, Kombi, in Ausnahmefällen auch Lastkraftwagen) bei Dienstfahrten im Verwaltungsbereich der Behörde zu übernehmen. Seine Dienstleistung sei nicht mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden, er sei lediglich den allgemeinen Gefahren des täglichen Lebens ausgesetzt.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid führte der Beschwerdeführer aus, es könne nicht übersehen werden, daß er bei jeder Witterung (im Winter bei Schneeglätte, Vereisung der Straßen, im Sommer bei Murbrüchen, Überschwemmungen usw.) unterwegs sein müsse, unter Verhältnissen jedenfalls, unter denen ein privater Lenker eine Autofahrt überhaupt unterließe. Solche Verhältnisse seien wohl nicht immer gegeben, aber „nun einmal gar nicht so selten“. Es möge berücksichtigt werden, daß der Beschwerdeführer sich Fahrzeit, Fahrtroute und die Art der Beladung des Fahrzeuges nicht selber aussuchen könne. Die Strecken, die er mit Bodenschätzern befahren müsse, seien außergewöhnlich steinschlaggefährdet. Diese Strecken führten oft durch Gegenden, die für den allgemeinen Verkehr gesperrt seien (reine Forst- und Waldgebiete, Sumpf- und Morastwege). Schon allein diese Umstände deuteten darauf hin, daß der Beschwerdeführer nicht nur den allgemeinen Gefahren ausgesetzt sei.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, dessen Ergebnisse der Beschwerdeführer ohne Widerspruch zur Kenntnis nahm, gab die belangte Behörde mit Bescheid vom dieser Berufung nicht Folge. In der Begründung stellte sie zunächst folgenden, auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbestritten gebliebenen Sachverhalt fest:

Der Beschwerdeführer hat in der Zeit vom bis bei 410 Arbeitstagen an 85 Arbeitstagen Innendienst ohne Dienstfahrten verrichtet. An 325 Arbeitstage hat er mit Personenkraftwagen, Kombiwagen, teilweise auch mit Lastkraftwagen, Dienstfahrten durchgeführt, und zwar 96 Fahrten in städtischem oder ebenem Gelände, 97 Fahrten in Verbindung mit Bergstrecken sowie 109 Fahrten in der Stadt oder in ebenem Gelände und 61 Fahrten in Verbindung mit Bergstrecken in solchen Zeiten, in denen laut Mitteilung der Wetterdienststelle I eine geschlossene Schneedecke besteht. In den 97 Fahrten, die er in Verbindung mit Bergstrecken unternommen hat, sind 37 Fahrten auf Güter- und Forstwegen enthalten. Hinsichtlich dieser Fahrten hat der mit dem Beschwerdeführer dienstreisende Beamte folgendes angegeben:

„Bei meinen Dienstreisen und Begehungen von Wald zur Bewertung des forstwirtschaftlichen Vermögens und Bearbeitung von Kontrollgutächten ist die Befahrung von Güter- und Forstaufschließungswegen unerläßlich. In der Regel sind diese Wege sehr eng, die Qualität dieser Wege (Steilhang, enge Kurven, Wegbeschaffenheit) äußerst unterschiedlich. Durch den Abgang von Muren, Steinschlag, kleineren Lawinen und Rutschungen ist das Befahren der Wege stellenweise sehr schwierig und mit Gefahren verbunden. Eine große Gefahr stellen die Schlägerungs- und Holzlieferungsarbeiten dar, weil die Wege durch die Holznutzenden meistens nicht oder sehr mangelhaft abgesichert sind. Eine weitere schwere Gefährdung im Frühjahr und Herbst ergibt sich durch stellenweise Vereisung dieser Wege.“

Am war der Beschwerdeführer in einen Verkehrsunfall auf der Brenner Autobahn verwickelt. Es fuhr ein Lastwagen auf und beschädigte den vom Beschwerdeführer gelenkten Volkswagen-Kombi, wodurch ein Sachschaden von rund S 26.500,-- entstand. Der Beschwerdeführer selbst blieb unverletzt.

Zur Rechtsfrage führte die belangte Behörde in ihrem Bescheid nach Erörterung über die grundsätzliche Bedeutung der Begriffe „Gefahr“ und „besonderer“, das sei „außergewöhnlicher“, Gefahr aus, der Beschwerdeführer sei in H geboren und lebe seither in I. Es sei zwar einzuräumen, daß sich für ihn, wenn er als Lenker eines Kraftfahrzeuges unterwegs sei, unangenehme Situationen ergeben könnten. Auf Grund seiner umweltbedingten Bergerfahrenheit stünde er aber Vorgängen, die ihn in Gefahr bringen könnten, keineswegs hilflos gegenüber. Es sei auch davon auszugehen, daß ihm den jeweiligen Gegebenheiten entsprechende gut ausgerüstete Kraftfahrzeuge zur Verfügung stünden. Die Möglichkeit, daß während der Fahrten Steine herabfallen, die sich von einem Hang gelöst haben (Steinschlag), oder daß sich kleinere Massen von Schnee lösen, die ins Rutschen oder Stürzen geraten sind (kleinere Lawinen), sei in dieser Gegend auch beim öffentlichen Verkehr nicht völlig auszuschließen. Bei akuter Lawinen- oder Steinschlaggefahr werde dem Beschwerdeführer aber kaum ein Auftrag erteilt werden, Bodenschätzer in diese akut gefährdeten Gebiete zu fahren. Bei stellenweiser Vereisung und Steilheit der Wege werde er - wie jeder beherrschte Autofahrer - eben langsamer und vorsichtiger fahren. Er lenke ja schließlich kein Einsatzfahrzeug, wie sie bei Feuerwehren, Bergrettungen, Bundesheer usw. vorhanden seien, deren Lenker gegebenenfalls auf seine Gesundheit und sein Leben bedrohende Ereignisse nicht Bedacht nehmen könne, weil der Einsatz dazu da sei, andere in Gefahr befindliche Menschen zu retten. Die mit dem Dienst des Beschwerdeführers zeitweilig verbundenen Gefahren seien kaum größer als die mit der Teilnahme am öffentlichen Verkehr verbundenen Gefahren, die sich aus Wildwechsel, Regenglätte der Fahrbahn, rücksichtslosem Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer udgl. mehr ableiten. Um atypische Tätigkeiten, die mit „besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden“ seien, handle es sich bei dem vom Beschwerdeführer auszuübenden Dienst nicht. Weder sein Vorgänger noch er selbst hätten auf den angeblich gefährlicheren Straßen Unfälle zu verzeichnen gehabt. Wenn dies für sich allein auch kein Grund wäre, den Anspruch auf Gefahrenzulage zu verneinen, so sei darin doch ein Indiz dafür zu erblicken, daß der vom Beschwerdeführer verrichtete Dienst kein an sich gefährlicher sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer sieht sich in seinem Recht auf Gefahrenzulage „nach § 19 GG 1956“ (richtig: § 19b Abs. 1 GG 1956) durch unrichtige Anwendung dieser Norm verletzt und stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und der belangten Behörde den Ersatz der Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift mit Gegenanträgen erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beamten gebührt gemäß § 19b Abs. 1 GG 1956 eine Gefahrenzulage, sofern er Dienste verrichtet, die mit besonderen Gefahren für Gesundheit und Leben verbunden sind.

Daraus, daß die Gefahren als besondere für Gesundheit und Leben qualifiziert sein müssen, ergibt sich u. a., daß hier alle Gefahren außer Betracht zu bleiben haben, die mit dem Dienst des Beamten ganz allgemein verbunden sind, alle Beamten treffen und daher keine besonderen sind. Jeder Beamte, der als Fußgänger oder Benützer eines Verkehrsmittels wie des Kraftwagens am Straßenverkehr teilnimmt, ist dessen allgemeinen Gefahren ausgesetzt. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, das Vorliegen einer besonderen Gefahr zu begründen. Zudem ist zu berücksichtigen, daß es Berufe gibt, bei denen die Berufstätigen notwendigerweise in einem höheren Maß als gewöhnlich den allgemeinen Gefahren des Straßenverkehrs ausgesetzt sind. Dies gilt auch für den Beschwerdeführer, dem es während seiner Dienstzeit vorzugsweise obliegt, Kraftwagen zu lenken. Daß es dabei überdies Zeiten gibt, in denen durch Nebel, Regen, Schneefall, Straßenglätte oder ähnliches schwierige Fahrverhältnisse vorherrschen, kann wohl insbesondere bei Fahrten unter derartigen erschwerenden Verhältnissen das Vorliegen erhöhter allgemeiner Gefahren des Straßenverkehrs begründen. Damit werden aber für den Beschwerdeführer nach der Meinung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht Gefahren begründet, die als besondere Gefahren für dessen Leben und Gesundheit im Sinne des § 19b Abs. 1 GG 1956 angesehen werden können, zumal im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt dafür gegeben ist, daß die Fahrten mit erhöhten wetterbedingten Gefahren zu den Fahrten ohne solche Gefahren nicht im üblichen Verhältnis stehen.

Schließlich behauptet der Beschwerdeführer noch, er müsse Kraftfahrzeuge nicht nur zu für ein solches Vorhaben gefährlichen Zeiten, sondern auch auf über das gewöhnliche Maß hinaus gefährlichen Strecken lenken. Dazu ist zu sagen, daß die Dienstleistung, um deretwillen der öffentlich-rechtliche Dienstgeber einen Kraftwagenlenker beschäftigt, nicht ihrer Natur nach auf das Befahren ebener Strecken und von in bestem Zustand befindlichen Fahrbahnen beschränkt ist, sondern daß sie allgemein gesehen das Lenken von Kraftfahrzeugen auf allen Strecken umfaßt, die befahren werden müssen, damit die Dienststelle dem ihr übertragenen Aufgabenbereich gerecht werden kann. Zu diesen Strecken gehören auch bergige Straßen und Nebenwege. Der Beschwerdeführer muß nach den von ihm nicht bestrittenen Feststellungen der belangten Behörde die von der Strecke her schwierigeren Wege nur an 37 von 410 Arbeitstagen, somit an 9 % seiner Arbeitstage befahren. Ebenso wie die Fahrtage mit erhöhten wetterbedingten Gefahren steht auch die Summe dieser Fahrtage auf schwierigeren Strecken zu der gesamten Summe der Arbeitstage des Beschwerdeführers nur in jenem Verhältnis, in dem ganz allgemein gesehen Tage mit günstigem Fahrtwetter zu Tagen mit ungünstigem Fahrtwetter bzw. Fahrwege mit geringerem Schwierigkeitsgrad zu Fahrwegen mit höherem Schwierigkeitsgrad stehen. Die von der Behörde festgestellte Dienstverwendung des Beschwerdeführers brachte daher für ihn als Beamten besondere Gefahren für Gesundheit und Leben im Sinne des § 193 Abs. 1 GG 1956 nicht mit sich.

Damit ist der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit unterlaufen, wenn sie das Bestehen des von der Voraussetzung solcher „besonderer“ Gefahren abhängigen Zulagenanspruches nach § 19b Abs. 1 GG 1956 verneint hat. Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abgewiesen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz an den Bund als den Rechtsträger, in dessen Namen die belangte Behörde in dieser Beschwerdesache gehandelt hat, beruht auf den §§ 47 Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 5, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und auf Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 4/1975, dies unter Bedachtnahme auf den gestellten Antrag.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
GehG 1956 §19b
Sammlungsnummer
VwSlg 8907 A/1975
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1975:1975001365.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-54745