VwGH 21.09.1972, 1356/71
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Die Gebührenpflicht eines Schuldscheines (§ 33 TP 8 GebG), in welchem jemand bestätigt, ein Darlehen in bestimmter Höhe erhalten zu haben, entsteht nicht, wenn das Darlehen im Zeitpunkt der Errichtung der Urkunde noch nicht zugezählt war (Hinweis E , 2257/52, VwSlg 725 F/1953, E , 624/51, VwSlg 775 F/1953, E , 2887/55 und E , 987/65). Denn eine Gebührenpflicht für ein Rechtsgeschäft, das nicht (gültig) zustande kam, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Der Darlehensvertrag ist ein Realkontrakt, der erst mit der Zuzählung der Valuta zustande kommt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1086/71 E VS VwSlg 4405 F/1972; RS 4 |
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RS 2 | Der Klammerausdruck im § 33 TP 8 Abs 1 GebG bedeutet nicht, dass eine Gebührenfestsetzung zulässig wäre, ohne dass ihr ein Rechtsgeschäft zu Grunde liege. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1077/71 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Schima, Dr. Reichel und Dr. Seiler als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Leitner, über die Beschwerde der X, vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der FLD für OÖ v , 277/2-IV/S-1970, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (FLD für OÖ) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.052,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei gewährte der gemeinnützigen "W." AG in L. zwei Darlehen für Wohnbauzwecke; die hierüber errichteten Schuldscheine (beide vom ) nahm das FA für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz zum Anlaß, um hiefür - ungeachtet der von der Schuldnerin für diese Rechtsgeschäfte unter Berufung auf § 19 Abs. 2 d BG v , betr Ausgestaltung des Staatlichen Wohnungsfürsorgefonds zu einem Bundes-Wohn- und Siedlungsfonds BGBl 252 in der geltenden Fassung (BWSG) in Anspruch genommene Gebührenfreiheit - mit zwei Abgabenbescheiden vom gem § 33 TP 8 des Gebührengesetzes 1957 BGBl 267 Rechtsgebühren festzusetzen. Gegen die Abgabenfestsetzung erhob die beschwerdeführende Partei jedoch Berufung und rügte, daß ihr die Abgabenbehörde erster Instanz die in Anspruch genommene Gebührenbefreiung versagt habe, zumal die in den Schuldscheinen vom beurkundeten Rechtsgeschäfte auch gem § 35 Abs. 1 des Wohnbauförderungsgesetzes 1968 BGBl 1967/280 (WBFG 1968) von den Rechtsgebühren befreit seien. Abgesehen davon - führte die beschwerdeführende Partei in ihrer Berufung weiter aus - komme ein Darlehensvertrag als Realkontrakt erst durch die Zuzählung der Darlehensvaluta zustande. Da aber in beiden Fällen eine Zuzählung der versprochenen Darlehen noch nicht erfolgt sei, habe euch die Gebührenpflicht nicht entstehen können.
Nach Lage der Akten wandte sich die FLD für OÖ, der die Berufung sodann zur Entscheidung vorgelegt wurde, zunächst an die beschwerdeführende Partei mit dem Ersuchen um Auskunft, ob die in Rede stehenden Wohnbauvorhaben aus öffentlichen Mitteln gefördert würden und ob die Darlehensvaluta inzwischen zugezählt worden sei. Dieses Ersuchen beantwortete die beschwerdeführende Partei - wie in einer in den Verwaltungsakten erliegenden Ablichtung eines (undatierten) Schreibens zu entnehmen ist - dahingehend, daß die Wohnbauvorhaben "nach WBF 1954" gefördert und (nach Einbringung der Berufung) auch die beiden Darlehen zugezählt worden seien.
Darauf hat die FLD der Berufung mit Bescheid vom keine Folge gegeben und in dessen Begründung der beschwerdeführenden Partei entgegengehalten, die strittige Gebührenbefreiung sei schon deshalb zu versagen, weil das BWSG mit dem Inkrafttreten des WBFG 1968 am seine Wirksamkeit verloren habe. Wohl habe der Gesetzgeber im § 36 Abs. 1 lit. b Z. 3 leg. cit u.a. auch die Befreiungsvorschrift des § 19 BWSG aufrechterhalten, doch dürfe nicht übersehen werden, daß diese Aufrechterhaltung - wie der VwGH in seinen Erk v. , 409/69 uv , 1583/69 dagetan habe, nur deswegen erfolgt sei, um die Abwicklung der noch bis bewilligten Förderungsmaßnahmen nach dem oben zit BG vom sicherzustellen. Daraus folge, daß die Befreiungsvorschrift des § 19 Abs. 2 leg. cit. nach dem nur auf jene Rechtsgeschäfte angewendet werden könne, die noch unter Bedachtnahme auf die Förderungsbestimmungen dieses BG abgeschlossen worden seien. Nun seien - so hat die FLD in der Begründung der Berufungsentscheidung weiter ausgeführt - die in den vorliegenden Schuldscheinen beurkundeten Darlehensverträge jedoch nicht mehr unter Bedachtnahme auf die grundsätzlichen Förderungsbestimmungen d BG v. , also auch nicht im Rahmen der Abwicklung von nach diesem BG etwa bewilligten Förderungsmaßnahmen abgeschlossen worden. Für die Anwendung der Befreiungsbestimmung des § 19 Abs. 2 des besagten BG sei somit kein Raum gewesen. Im übrigen habe aber auch die Befreiungsbestimmung des § 35 Abs. 1 WBFG 1968 nicht angewendet werden können, weil ein Fall der Förderung nach diesem Gesetz nicht vorliege. Das Wohnbauförderungsgesetz 1954 BGBl. 153 schließlich befreie zwar die zu seiner Durchführung erforderlichen Schriften von den Stempelgebühren, nicht aber auch Rechtsgeschäfte von den Rechtsgebühren.
Da sich die beschwerdeführende Partei durch diesen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt erachtete, erhob sie dagegen gem Art. 144 B-VG zunächst Beschwerde vor dem VfGH. Darin regte sie auch an, der Gerichtshof möge gem. Art. 140 B-VG die Verfassungsmäßigkeit der Worte "unter den durch Verordnung festzusetzenden Voraussetzungen" im § 19 Abs. 2 BWSG und allenfalls auch gem. Art 139 B-VG die Gesetzmäßigkeit der zur Durchführung dieser Gesetzesstelle erlassenen V v BGBl. 210 von Amts wegen prüfen.
In der Tat nahm der VfGH - neben anderen - auch die vorliegende Beschwerde zum Anlaß eines Gesetzesprüfungsverfahrens und hob schließlich mit Erk v 16. 3. 1971 G 33/70 den ersten Satz im § 19 Abs. 2 BWSG als verfassungswidrig auf (vgl. hiezu die K d BKA v BGBl 174). Die aufgehobene Gesetzesstelle hatte folgenden Wortlaut:
"Unter den durch Verordnung festzusetzenden Voraussetzungen kommt den Rechtsgeschäften, die zu den im § 4 des Gesetzes vom , RGBl. Nr. 242, bezeichneten Zwecken oder zum Zwecke der Errichtung von Wohn- oder Kleinwirtschaftssiedlungen abgeschlossen werden, sowie den aus diesem Anlasse erforderlichen Urkunden und grundbücherlichen Eintragungen die Befreiung von den Stempel- und Rechtsgebühren zu und sind die im Eigentum eines Selbstverwaltungskörpers, einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt oder einer gemeinnützigen Bauvereinigung (§ 12 des Gesetzes vom , RGBl. Nr. 242) stehenden Gebäude, welche den angeführten Zwecken dienen, vom Gebührenäquivalent befreit."
In der Begründung seines Erk v führte der VfGH ferner noch aus, daß die zur Durchführung des § 19 Abs 2 erster Satz BWSG erlassene V BGBl 1925/210 (idF d V BGBl 1926/40) seit dem nicht mehr dem geltenden Recht angehöre.
Im fortgesetzten Beschwerdeverfahren hat der VfGH schließlich die vorliegende Beschwerde mit Erk v als unbegründet abgewiesen, sie jedoch zur Entscheidung darüber, ob die beschwerdeführende Partei durch den Bescheid der FLD v in einem sonstigen Recht verletzt worden sei, antragsgemäß an den VwGH abgetreten.
Der VwGH hat über die von der beschwerdeführenden Partei mit Schriftsatz v ergänzte, wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde erwogen:
Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid zunächst deswegen in ihren Rechten als verletzt, als ihr die Abgabenbehörden die Gebührenbefreiung gem § 35 Abs 1 WBFG 1968 vorenthalten hätten. Nach dieser Gesetzesstelle sind die durch das WBFG 1968 unmittelbar veranlaßten Schriften und Rechtsgeschäfte von den Stempeln und Rechtsgebühren befreit.
Nun meint die beschwerdeführende Partei - ohne auf die Begründung des angefochtenen Bescheides in diesem Punkt auch nur einzugehen -, es sei durchaus nicht ersichtlich, warum die streitgegenständlichen Darlehensverträge nicht durch das genannte Gesetz "unmittelbar veranlaßt" sein sollten, "fördere" der Gesetzgeber doch den Wohnbau schlechthin, und diesen nicht allein etwa nur durch die im § 10 leg. cit. umschriebenen Maßnahmen der Länder. Zur Errichtung eines geförderten Wohnbaues bedürfe es aber neben Eigenmitteln im Ausmaß von 10 vH noch weiterer 90 vH der Bausumme, die durch Darlehen aufzubringen seien. Daraus folge, daß eben alle Darlehen, die zur Errichtung eines Wohnhauses in Anspruch genommen würden, unbeschadet ihrer Herkunft der Gebührenfreiheit teilhaft zu werden hätten. Im besonderen habe dies aber für die zur Deckung der Baukosten notwendigen Kapitalmarktdarlehen - wie die streitgegenständlichen - im Ausmaß von 30 vH der Bausumme zu gelten, stehe doch die gegenteilige Auffassung mit den Absichten des Gesetzgebers in Widerspruch, der die Förderung nur einem bestimmten, minderbemittelten Personenkreis zugute kommen lassen habe wollen.
Der VwGH vermag der beschwerdeführenden Partei in diesem Punkte jedoch nicht beizupflichten. Vielmehr hat sich der Gerichtshof mit dem nämlichen Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in einem anderen Beschwerdeverfahren vor diesem Gerichtshof (vgl die hg Zln 1358 und 1360/71) auseinandergesetzt und sich in seinem Erk v - auf dessen Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird - unter Bedachtnahme auf seine Erk v Slg 174(F), v Slg 588(F) u v , 2259, 2270 - 2273/70 zu der Rechtsmeinung bekannt, daß nicht jedweder Zusammenhang eines Rechtsgeschäfts mit einem nach dem WBFG 1968 geförderten Bauwerk ausreiche, um die Gebührenfreiheit zu rechtfertigen. Die Worte "unmittelbar veranlaßt" im § 35 Abs 1 leg. cit. seien nämlich einschränkend gebraucht und könnten infolgedessen nicht dahin ausgelegt werden, daß darunter auch Rechtsvorgänge zu subsumieren seien, für die das WBFG 1968 nur den tieferen Beweggrund oder die weitere Ursache bilde. Im übrigen könnten als von einem Gesetz "unmittelbar veranlaßt" nur Handlungen angesehen werden, die derjenige setze, an den das Gesetz auch gerichtet sei. Da sich das WBFG 1968 aber nur an die Länder wende und festlege, inwieweit diese förderungswürdige Bevölkerungskreise bei der Errichtung bestimmter Baulichkeiten zu fördern hätten, könnten Schuldurkunden privater Geldinstitute für Darlehen, die im Bereich des privaten Kapitalmarktes hingegeben würden, nicht als durch das WBFG 1968 unmittelbar veranlaßt angesehen werden.
Die beschwerdeführende Partei vermeint aber auch, der Umstand, daß die vorliegende, gem Art. 144 B-VG erhobene Beschwerde (neben anderen) zur Aufhebung des § 19 Abs. 2 erster Satz BWSG durch den VfGH Anlaß gegeben hatte, spiele für die weitere Anwendbarkeit der zur Durchführung der aufgehobenen Gesetzesstelle "keine Rolle". Dies deshalb, weil es sich um eine andere Norm handle, die - jedenfalls nach der Rechtsprechung des VwGH - nach wie vor geltendes Recht darstelle und es durchaus zulasse, bei sinngem Interpretation im Hinblick auf § 35 Abs. 1 des Gebührengesetzes 1957 die strittige Gebührenbefreiung zuzuerkennen. Seien doch sämtliche Voraussetzungen, deren Erfüllung die V verlange, in den beiden vorliegenden Fällen entweder tatsächlich oder zumindest sinngem gegeben.
In diesem Punkte kann sich der Gerichtshof mit einem Hinweis auf die Entscheidungsgründe in seinem Erk v , 1445/71 begnügen, in dem er dargetan hat, daß von einer weiteren Vollziehung der V BGBl 1925/210 durch die Abgabenbehörde in den gegenständlichen, zum Erk d VfGH v 16. 3. 1971 G 33/70 Anlaß gebenden Fällen jedenfalls schon deswegen keine Rede sein könne, weil der erwähnten V mit der Aufhebung des sie tragenden § 19 Abs. 2 erster Satz BWSG die Rechtsgrundlage entzogen ist (Art. 18 Abs. 1 und 2 B-VG)
Im Einklang mit ihrem Vorbringen im Abgabenverfahren hält die beschwerdeführende Partei aber auch daran fest, daß die Gebührenfestsetzung zu Unrecht erfolgt sei, weil "Schuldscheingebühren nur nach Darlehenszuzählung vorgeschrieben werden dürfen". In beiden Fällen sei aber die Darlehenszuzählung erst nach Errichtung der Schuldscheine und sogar erst nach Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide v erfolgt.
Diesem Einwand kommt Berechtigung zu. Die von der beschwerdeführenden Partei aufgeworfene Rechtsfrage hat der VwGH in dem Erk eines verstärkten Senates (v. , 1086 ff/71, das den Beschwerdevertretern bereits zugegangen ist) dahin beantwortet, daß die Abgabenbehörden zur Anforderung einer Rechtsgebühr gem § 33 TP 8 des Gebührengesetzes 1957 nur dann berechtigt sind, wenn die Zuzählung der Darlehensvaluta noch vor der Errichtung des Schuldscheines über dieses Rechtsgeschäft erfolge. Dem hat die belangte Behörde in der von ihr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gegenschrift unter Berufung auf § 19 Abs. 2 erster Satz des Gebührengesetzes 1957 allerdings entgegengehalten, daß dann aber der Tatbestand des § 33 TP 18 Abs. 1 leg. cit. verwirklicht worden wäre. Nun hat die Darlehensschuldnerin lt P X der beiden Schuldscheine v. der beschwerdeführenden Partei in der Tat eine bestimmte Liegenschaft verpfändet, doch übersieht die belangte Behörde, daß es nicht angeht, den Rechtsgrund einer Abgabenfestsetzung willkürlich erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auszuwechseln. Würde man dieser Auffassung beipflichten, dann hätte dies nämlich zur Folge, daß derart der Partei des Abgabenverfahrens jede Möglichkeit abgeschnitten wäre, etwa gem § 17 Abs. 2 des Gebührengesetzes 1957 gegen den Urkundeninhalt Beweis zu führen, daß eine Gebührenschuld auch nach der neuen (ausgewechselten) Tarifpost nicht habe entstehen können.
Sohin war der angefochtene Bescheid gem § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der V d BKA v BGBl 4. Das Kostenmehrbegehren der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz von Stempelgebühren in der Höhe von S 75,-- war abzuweisen, da es sich teils um Gebühren des vorangegangenen Verfahrens vor dem VfGH handelt, für die ein Ersatzanspruch nicht besteht (vgl hiezu ebenfalls das hg. Erk v , 1086 ff/71), teils deswegen, weil die mit der Beschwerdeergänzung überreichten Beilagen nur mit Stempelmarken im Werte von S 7,60 versehen waren.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1972:1971001356.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-54722