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VwGH 22.10.1980, 1339/80

VwGH 22.10.1980, 1339/80

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
VwGG §34 Abs1;
RS 1
Wenn ein Berufungsbescheid den Inhalt des mit Berufung angefochtenen erstinstanzlichen Bescheides rezipiert, ist dieser erstinstanzliche Bescheid auch bei der Beurteilung, ob das im Beschwerdepunkt angegebene Recht verletzt wurde, zu berücksichtigen. Wird hingegen eine Berufung gemäß § 66 Abs 4 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen, wird hiedurch der Bescheid erster Instanz nicht rezipiert und ist daher auch nicht Gegenstand des Zurückweisungsbescheides.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 0939/78 E VS VwSlg 9802 A/1979 RS 1
Normen
VStG §49 Abs1;
VStG §49 Abs3;
RS 2
Ausführungen zur Frage hinsichtlich der Beurteilung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung ähnlich wie die Beurteilung einer Berufung.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Aigner, über die Beschwerde 1) des RP in W und 2) der T-Gesellschaft m.b.H. in W, beide vertreten durch Dr. Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Herzog Leopold-Straße 26, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-P-79199, betreffend Zurückweisung einer Berufung und Zurückweisung eines Einspruches,

I.

den Beschluß gefaßt:

1) Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen den Punkt A 2 des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-P-79199, wird zurückgewiesen,

2) die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Punkt A 1 des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-P-79199, wird zurückgewiesen,

II.

zu Recht erkannt:

Spruch

1) Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen den Punkt A 1 des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-P-79199, wird als unbegründet abgewiesen.

2) Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Punkt A 2 des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. I/7-St-P-79199, wird als unbegründet abgewiesen.

Jeder der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 450,-- (zusammen S 900,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom wurde der Erstbeschwerdeführer der Übertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG) schuldig erkannt und gemäß § 134 KFG zu einer Geldstrafe von S 700,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage) verurteilt. Die Strafverfügung wurde dem Erstbeschwerdeführer am zugestellt.

Am langte bei der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt ein Schreiben auf Briefpapier mit folgenden gedruckten

Angaben im Briefkopf ein:

"t-ges.m.b.h."

Der maschinschriftliche Text lautet wie folgt:

"An die Bundespolizeidirektion 2700 Wr. Neustadt

In obgenannter Strafverfügung St 3275 wird berufen, da Herrn P jegliche persönliche Stellungnahme zu diesem Fall unbekannt ist.

Hochachtungsvoll"

Gefertigt ist das Schreiben einerseits mit einer Stampiglie

des Wortlautes:

"t-ges.m.b.h. X-Werk 2700 Wr. Neustadt G-gasse Tel. xxxx."

Andererseits befindet sich über diesem Stampiglienabdruck

eine unleserliche Unterschrift.

Außerhalb der am endenden Einspruchsfrist,

nämlich am , vernahm die Bundespolizeidirektion Wr.

Neustadt den Erstbeschwerdeführer als Beschuldigten, in welcher Vernehmung dieser unter anderem ausführte:

"Meinen Einspruch begründe ich damit, daß ..."

Nachdem die Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt noch einen Zeugen sowie abermals den Erstbeschwerdeführer als Beschuldigten vernommen hatte, verurteilte sie mit Straferkenntnis vom den Erstbeschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs. 2 KFG zu einer Geldstrafe von S 700,-- (Ersatzarreststrafe zwei Tage). In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde darüber, ob infolge eines Einspruches des Erstbeschwerdeführers gegen die Strafverfügung diese außer Kraft getreten sei, nichts ausgeführt.

Innerhalb offener Berufungsfrist langte ein Schreiben bei der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt ein, auf demselben Briefpapier wie oben geschildert geschrieben, jedoch mit einer anderen Stampiglie gefertigt, nämlich des Wortlautes:

"X-Werk

RP

2700 Wr. Neustadt

G-gasse

Tel. xxxx"

Über dem Stampiglienabdruck befindet sich eine unleserliche

Unterschrift.

Nach Vornahme von weiteren Erhebungen wies der Landeshauptmann von Niederösterreich am die Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt dahin an, den oben erwähnten Einspruch "der T-Ges.m.b.H. als unzulässig mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen. Danach sei der Akt zur Entscheidung über die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom wieder vorzulegen.

Mit Bescheid vom wies die Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt den Einspruch der Zweitbeschwerdeführerin gegen die Strafverfügung vom , ergangen an den Erstbeschwerdeführer, mangels Aktivlegitimation zurück.

Mit Berufung vom bekämpften beide Beschwerdeführer 1. den letzterwähnten Bescheid der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt, 2. aber auch das Straferkenntnis dieser Behörde vom . In der Berufung wird die Rechtsansicht vertreten, es sei eindeutig ein Einspruch des Erstbeschwerdeführers vorgelegen.

Mit Bescheid vom erkannte der Landeshauptmann von Niederösterreich wie folgt:

Zu A 1 wurde die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom zurückgewiesen;

zu A 2 wurde der Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom keine Folge gegeben, der angefochtene Bescheid jedoch dahin abgeändert, daß er wie folgt zu lauten habe:

"Gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1950 wird in sinngemäßer Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG 1950 der Einspruch der Firma T-Ges.m.b.H. gegen die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom , St 3275/79, ergangen an Herrn RP, geboren 15. Juni xxxx, mangels Aktivlegitimation zurückgewiesen";

zu B wurde über die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom dahin entschieden, daß der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben werde.

In der zu den Spruchteilen A 1 und A 2 gegebenen Begründung wurde ausgeführt, gegen die gegen den Erstbeschwerdeführer erlassene Strafverfügung liege nur ein Einspruch der Zweitbeschwerdeführerin, einer juristischen Person vor. Dieser Einspruch sei von der Behörde erster Instanz mit Recht zurückgewiesen worden, wobei aus Anlaß der Berufung dem zurückweisenden Spruch allerdings eine andere Fassung zu geben gewesen sei. Selbst wenn der Erstbeschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Zweitbeschwerdeführerin den Einspruch gezeichnet haben sollte, habe er dies eben nicht in seiner Eigenschaft als Beschuldigter, sondern als das zur Vertretung der juristischen Person berufene Organ getan. Dies ergebe sich auch daraus, daß der Erstbeschwerdeführer in seiner späteren Berufung gegen das Straferkenntnis vom eine andere Unterfertigungsstampiglie verwendet habe, in der sein Vor- und Zuname vorkomme. Ein von den Berufungswerbern behauptetes bloßes Formgebrechen im Sinne des § 13 AVG 1950 sei nicht vorgelegen, da der Einspruch ja in sich eindeutig sei. Ein bloßer Vollmachtsmangel habe deshalb nicht angenommen werden können, weil im Verwaltungsverfahren und damit auch im Verwaltungsstrafverfahren eine Vertretung nur durch physische, nicht aber durch juristische Personen zulässig sei.

Zu B des Spruches führte die Begründung aus, daß bei der Berufung gegen das Straferkenntnis vom zumindest im Zweifel zugunsten des Erstbeschwerdeführers angenommen werden könne, daß diese Berufung in seinem eigenen Namen, und nicht namens der Zweitbeschwerdeführerin abgefaßt worden sei. Diese Berufung sei auch insofern gerechtfertigt, als bei angenommener Rechtskraft der Strafverfügung vom für ein weiteres Strafverfahren und damit auch für ein weiteres Straferkenntnis in derselben Sache kein Raum sei. Daher sei dieses Straferkenntnis zu beheben gewesen.

Ausdrücklich nur gegen die Spruchteile A 1 und A 2 richtet sich die vorliegende Beschwerde beider Beschwerdeführer, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Aus den Beschwerdeausführungen ist nicht ersichtlich, daß die beiden Beschwerdeführer jeweils verschiedene Teile des Bescheides anfechten; vielmehr ergibt sich aus ihrer Erklärung auf Seite 3 der Beschwerde, daß sich beide Beschwerdeführer sowohl durch den Punkt A 1 als auch durch den Punkt A 2 des genannten Bescheides beschwert erachten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B -VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 sind Beschwerden, denen unter anderem der Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.

Da im Punkt A 1 des oben genannten Bescheides des Landeshauptmannes die Berufung des Erstbeschwerdeführers - und keiner anderen oder weiteren Person - gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom als unzulässig zurückgewiesen wurde, kann durch diesen Bescheidteil nur der Erstbeschwerdeführer, aber keine andere Person, in ihren Rechten verletzt sein.

Da durch Punkt A 2 des oben genannten Bescheides nur über die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin meritorisch und abweisend entschieden wurde, kann dadurch nur die Zweitbeschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt sein, aber keine andere oder weitere Person. Der Verwaltungsgerichtshof kann sich diesbezüglich auf seine Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 939/78, auf welche Ausführungen im einzelnen gemäß Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen wird, berufen.

Dies ergibt, daß der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers insoweit der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, als der Erstbeschwerdeführer auch Punkt A 2 des Bescheides bekämpft. Der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin steht der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, insoweit die Zweitbeschwerdeführerin auch den Punkt A 1 des Bescheides bekämpft.

Diesbezüglich war demnach nach der oben zitierten Bestimmung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1965 mit der Zurückweisung der jeweiligen Teile der Beschwerde vorzugehen.

Berechtigt zur Erhebung der Beschwerde ist somit der Erstbeschwerdeführer hinsichtlich des Punktes A 1 des Bescheides und die Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich des Punktes A 2 des Bescheides.

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 49 Abs. 1 VStG 1950 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach der Zustellung schriftlich, telegraphisch oder mündlich Einspruch erheben, und zugleich die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch ist bei der Behörde, von der die Strafverfügung erlassen worden ist, einzubringen. Nach Absatz 3 dieses Paragraphen tritt, ausgenommen die hier nicht interessierenden Fälle des Absatzes 2, die Strafverfügung durch die rechtzeitige Einbringung des Einspruches außer Kraft und ist das ordentliche Verfahren einzuleiten, wobei der Einspruch als Rechtfertigung im Sinne des § 40 gilt. In diesem Verfahren hat die Behörde auf den Inhalt der außer Kraft getretenen Strafverfügung keine Rücksicht zu nehmen und kann auch eine andere Strafe aussprechen.

Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Gesetzesstelle tritt die Strafverfügung nur durch die rechtzeitige Einbringung eines Einspruches des Beschuldigten außer Kraft. Die in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, auch mangels des Vorliegens eines solchen Einspruches trete die Strafverfügung dadurch außer Kraft, daß die Strafbehörde nach der Erlassung der Strafverfügung das Ermittlungsverfahren einleite, ist im Gesetz nicht begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Beurteilung des strittigen Einspruches durch die Behörde erster Instanz und durch die belangte Behörde. Er kann sich, was die Unzulässigkeit der Umdeutung eines eindeutig von einer anderen Person als dem Beschuldigten erhobenen Einspruches anlangt, auf das bereits oben zitierte Erkenntnis eines verstärkten Senates vom berufen.

Wurde aber der Einspruch von einer anderen Person als dem beschuldigten Erstbeschwerdeführer erhoben, so kommt die Anwendung der §§ 13 Abs. 3 AVG 1950, § 24 VStG 1950 deshalb nicht in Betracht, weil ein solcher Umstand nicht als Formgebrechen bezeichnet werden kann. Handelt es sich doch bei der Fehlerhaftigkeit einer Eingabe in materieller Beziehung, deren Korrektur zu einer Änderung des Begehrens führen würde, um keinen bloßen Formfehler (vgl. Erkenntnis vom Zl. 272/69, Mannlicher-Quell8, Seite 745, 13, 7, g).

Aber auch der weiteren Rüge der Beschwerde, es liege nunmehr eine "Doppelbestrafung" des Erstbeschwerdeführers vor, ist dadurch der Boden entzogen, daß durch den unangefochten gebliebenen Punkt B des Bescheides das Straferkenntnis vom behoben wurde, sodaß nur mehr die Strafverfügung vom gegen den Erstbeschwerdeführer aufrecht ist.

Gingen aber der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wr. Neustadt vom und der diesbezüglich bestätigende Bescheidteil A 2 des Landeshauptmannes von der zutreffenden Annahme aus, daß gegen die Strafverfügung gegenüber den Erstbeschwerdeführer nur die Zweitbeschwerdeführerin Einspruch erhob, so konnte durch die Zurückweisung eben dieses Einspruches nur die Zweitbeschwerdeführerin, nicht aber der Erstbeschwerdeführer in seinen Rechten verletzt werden, sodaß die Berufung des Erstbeschwerdeführers gegen diesen Bescheid zu Recht zurückgewiesen wurde.

Da es somit der Beschwerde in ihren zulässigen Teilen nicht gelang, die behauptete Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder die behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in den angefochtenen Teilen des Bescheides des Landeshauptmannes vom darzutun, war die Beschwerde, insoweit ihr nicht der Mangel der Berechtigung zur Erhebung entgegensteht, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 2 lit. b, 48 Abs. 2 lit. a und b sowie 51, 53 Abs. 1, letzter Satz VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VStG §49 Abs1;
VStG §49 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor
dem VwGH Allgemein
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1980001339.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
ZAAAF-54664