Suchen Hilfe
VwGH 15.01.1968, 1334/66

VwGH 15.01.1968, 1334/66

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §63
AVG §8
BauRallg
RS 1
Der im Baubewilligungsverfahren übergangene Anrainer ist wohl berechtigt sich in das Verfahren einzuschalten, die Zustellung zu begehren und Rechtsmittel einzubringen; er hat einen Anspruch auf volles Gehör, kann aber nicht durchsetzen, daß das Verfahren in erste Instanz mit einer Verhandlung neu durchzuführen wäre oder in zweiter Instanz eine Verhandlung mit allen Parteien stattzufinden hätte (Hinweis E , 1861/62, und E , 1821/65, und E , 0310/66).
Normen
AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §66 Abs4
AVG §8
RS 2
Die Berufungsbehörde hat alle notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens selbst durchzuführen, wenn sie nicht von der Möglichkeit der Aufhebung nach § 66 Abs 2 AVG Gebrauch macht, und daß der Übergangene des erstinstanzlichen Verfahrens ist berechtigt, sodann am Verfahren iSd §§ 37 und 45 Abs 3 AVG 1950 mitzuwirken.
Norm
BauO Wr §10
RS 3
Abgesehen von den Fällen des § 10 Abs 3 der Bauordnung für Wien, ist der Fluchtlinienbescheid für den Nachbarn im Verwaltungsverfahren nur insofern rechtlich relevant, als er eine unrichtige Wiedergabe des Fluchtlinienplanes enthält (aus diesem RS ergibt sich folgender Schluß: Der Anrainer kann gegen den Fluchtlinienbekanntgabebescheid, abgesehen von den Fällen des § 10 Abs 3 der BauO für Wien nur vorbringen, er enthalte eine unrichtige Wiedergabe des Fluchtlinienplanes.
Norm
BauO Wr §17 Abs6
RS 4
Aus § 17 Abs 6 der BauO für Wien kann kein Recht des derzeitigen Eigentümers der Ergänzungsfläche auf das Bauverbot abgeleitet werden, welches ein Vorgehen nach § 17 Abs 7 der BauO für Wien ausschlösse.
Normen
BauO Wr §4
BauO Wr §5
BauRallg
VwGG §34 Abs1
RS 5
Ein subjektives öffentliches Recht auf die Erhaltung der Eigenart muß bestimmten Gebiet es ist dem Anrainer von der Rechtsordnung nicht eingeräumt, wenn nicht konkret auf den Inhalt der Flächenwidmungs- oder Bebauungspläne Bezug genommen werden kann (BauO für Wien).
Normen
BauO Wr §2
BauRallg
B-VG Art18 Abs2
VwGG §34 Abs1
RS 6
Diese Mitwirkung bei der Entstehung einer Verordnung führt nicht zu einer Rechtsverfolgungsmöglichkeit zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (BauO für Wien).
Normen
BauO Wr §2
BauO Wr §60
BauRallg
RS 7
Ausführungen in der Richtung, daß Einwendungen, wonach eine bestimmte Planung dem Gemeinwohl wie es der Anrainer sieht, nicht entspreche, im Bauverfahren keinen Platz für sie ist allenfalls im Verfahren nach § 2 der BauO für Wien Raum.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Borotha, und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Rath und Dr. Leibrecht als Richter, im Beisein des Schriftführers, prov. Regierungsoberkommissärs Dr. Schatzmann, über die Beschwerde des OK in W, vertreten durch Dr. Hermann Weyss, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Türkenschanzstraße 48, gegen die Bauoberbehörde für Wien (Bescheid der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Rechtsmittelbüro - vom , Zl. MDR-B XIX-15/66) - mitbeteiligte Parteien: SM und AM in W -, betreffend Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von S 390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Wiener Magistrat, M.Abt. 37, hatte der mitbeteiligten Partei, SM, der mit der Zustimmung seiner gleichfalls mitbeteiligten Gattin AM als Bauwerber aufgetreten war, mit Bescheid vom gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die Bewilligung zur Errichtung eines unterkellerten einstöckigen Hauses mit einem Einstellplatz in der verlängerten W-gasse in S erteilt. Im Spruche des Bewilligungsbescheides wurde auf die Bewilligung des Bauplatzes (prov. Grundstück 276/3, derzeit Grundstück 276/3, EZ. 718, Teil des Grundstückes 72, EZ. 276, und Teil des Grundstückes 276/4, öffentliches Gut, sämtliche Grundbuch der Katastralgemeinde X) mit dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, M.Abt. 64, vom und auf die Fluchtlinienbekanntgabe (Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, M.Abt. 37, vom , Zl. 1863/65) Bezug genommen. Der angeführte Bescheid über die Bauplatzschaffung enthält vor der unter II. bewilligten Abteilung unter I. die gemäß § 58 Abs. 2 lit. d der Bauordnung für Wien verfügte unentgeltliche Zurückstellung einer Teilfläche des Grundstückes 276/4 im öffentlichen Gut des 19. Bezirkes zur Grundbuchseinlage EZ. 718 der KG. X an SM und AM. Im zweiten Teil wird u. a. gemäß § 17 Abs. 7 der Bauordnung für Wien der Eigentümer des Bauplatzes verpflichtet, in dem Zeitpunkt, in dem die Stadt Wien die dem Bauplatz fehlende Verkehrsfläche erwirbt (es handelt sich um eine Fläche, deren Miteigentümer der Beschwerdeführer ist), die Kosten der Erwerbung und der Herstellung der festgesetzten Höhenlage zu ersetzen.

Zur Bauverhandlung war als Eigentümer des Nachbargrundstückes Wien, S-Straße 74, EZ. 194, FK, geladen. Dieser war zusammen mit FB und DB, Eigentümer der EZ. 194 gewesen. Im Zeitpunkt der Durchführung der Bauverhandlung war aber FK schon längere Zeit verstorben und der Beschwerdeführer im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die Ladung an den Toten war durch Hinterlegung zugestellt worden. Im April 1966 machte der Beschwerdeführer geltend, auf dem Nachbargrundstück sei ein Gebäude errichtet worden, ohne daß er hievon in Kenntnis gesetzt worden sei. Er erhob Einspruch und ersuchte um die sofortige Einstellung des Weiterbaues und um die Abtragung des Gebäudes.

Der Magistrat der Stadt Wien verfügte die Zustellung des Bescheides an den Beschwerdeführer. Dieser erhob nun Berufung und stellte den Antrag, ihm eine Begründungsfrist von drei Monaten zu gewähren, weil noch die Bescheide vom (Bauplatzschaffung) und vom (Fluchtlinienbekanntgabe) „beantragt“ (gemeint ist offenbar, es müsse die Zustellung der Bescheide beantragt werden) und für die Begründung herangezogen werden müßten und auch „allfällige Berufungsbescheide gegen solche Bescheide abgewartet und verwertet werden müßten“. Einem neuerlichen Antrag auf Einstellung des Baues und Abtragung des bisher errichteten Gebäudes fügte der Beschwerdeführer eine „prov. Begründung“ seines Rechtsmittels in sechs Punkten bei:

1.) Das bebaute Grundstück könne kein Bauplatz sein, da eine Verbauung desselben in Anbetracht des angrenzenden ohnehin kleinen Schulparks, der seinen Wert erst durch die angrenzenden Privatgärten gewinne, gegen das Allgemeinwohl und das öffentliche Interesse verstoße.

2.) Die Verbauung schlechthin, das Ausmaß derselben und das Verhältnis der Bauhöhe zur Grundfläche sowie der Abstand von den Anrainern würden, wenn diese auch anscheinend der Bauordnung entsprächen, als ein „verfassungs- und grundgesetzwidriger Eingriff in die nachbarlichen bestehenden Rechte der vorhandenen natürlichen Gegebenheiten und Umweltsbedingungen“ angesehen.

3.) Auch in Anbetracht der Erfüllung der „quasi-bauordnungsgemäßen Bedingungen“ sei einzuwenden, daß der Abstand des Gebäudes entsprechend einer offenen Verbauung zu den zugeordneten, vorhandenen und eventuell möglichen künftigen Gebäuden nicht entsprechen dürfte, ganz abgesehen davon, daß auf die ursprünglichen und abgrenzenden Liegenschaften andere Voraussetzungen anzuwenden seien.

4.) Es fehlten selbst bei hinreichend wohlwollender Betrachtung und etwaiger Anerkennung der Fluchtlinien, in denen das Bauwerk bauordnungsgemäß eingeplant sei, die insbesondere im Rahmen einer offenen Verbauung vorschriftsmäßigen Vorgärten „zu den sich im Schwebezustand befindlichen, noch alternative Möglichkeiten bietenden Straßenführungen“.

5.) Vorsorglich werde gegen eine angrenzende Garage oder die Schaffung eines prov. Einstellplatzes für kraftstoffbetriebene und Abgase verursachende Fahrzeuge an der nordöstlichen Ecke des Bauplatzes Einspruch erhoben. Dieser Einspruch solle auch auf eine zu niedere Schornsteinhöhe und den Betrieb einer Ölfeuerung Bezug haben.

6.) Unerfindlich sei, wieso öffentliches Gut (Teile des Grundstückes 276/4) zur privaten Verbauung gegen das Allgemeinwohl und das öffentliche Interesse mißbraucht werden dürfe.

Demnach und im Hinblick auf die mangelhafte mündliche Verhandlung vom sei die Bauführung nach den bestehenden Rechtsvorschriften nicht zulässig und die Baubewilligung als nichtig anzusehen.

Die belangte Behörde ordnete nun für den , 9 Uhr, eine Verhandlung an. Die Ladung wurde durch Hinterlegung zugestellt.

Am erschien der Beschwerdeführer, der nach seinem Vorbringen nicht rechtzeitig von dem Termin Kenntnis erlangt hatte, bei der Behörde und führte nach dem Inhalt der mit ihm aufgenommenen Niederschrift aus, er bekämpfe den Fluchtlinienbescheid vom , weil er einen „verfassungswidrigen Eingriff in die vorhandenen Gegebenheiten und die Umweltsbedingungen darstelle und gegen das organische Wachstum des Stadtgebietes und das öffentliche Interesse zum Nachteil des allgemeines Wohles“ verstoße. Weiters sei zu befürchten, daß auch die nunmehrige Straßenführung keine endgültige Lösung darstelle, weil sie überflüssig und durch nichts begründet sei. Es sei dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen, den Text des Fluchtlinienbescheides zu Gesicht zu bekommen, den amtlichen Fluchtlinienplan habe er eingesehen. Daß der Fluchtlinienbescheid nicht im Akt erliege, sei ein Zeichen dafür, daß die Berufungsbegründung stichhaltig sei. Der Beschwerdeführer verwies schließlich auf den Inhalt seiner Berufungsschrift. Insgesamt bestehe der Verdacht, daß die Verordnungen und Bescheide nicht dem Sinne des Gesetzes nach angewendet würden.

Der Mitbeteiligte legte auf Aufforderung den am verlängerten Fluchtlinienbescheid vom vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Baubewilligung mit der Abänderung und Ergänzung bestätigt, daß der prov. Einstellplatz an der nordöstlichen Ecke des Bauplatzes lediglich gemäß § 71 der Bauordnung für Wien bis zum Ausbau der W-gasse genehmigt werde. Die unter 1.) und 6.) angeführten Einwendungen wurden als unzulässig zurückgewiesen, die unter 2.), 3.), 4.) und 5.) wiedergegebenen Einwendungen als unbegründet abgewiesen. Die Berufung gegen den Fluchtlinienbescheid wurde als nicht begründet „zurückgewiesen“.

In der Begründung dieses Bescheides wurde dem Beschwerdeführer eingeräumt, daß ihm in erster Instanz kein Parteiengehör gewährt worden sei. Ein Nachbar, dem dies widerfahre, habe das Recht, jederzeit in das Verfahren einzutreten, könne aber keine neuerliche mündliche Verhandlung verlangen. Die Durchführung einer solchen Verhandlung mit allen Nachbarn sei wegen der im Hinblick auf allenfalls bereits eingetretene Präklusionen dadurch möglichen Verschlechterung der Rechtstellung des Bauwerbers unzulässig. Es sei daher ausreichend gewesen, dem Beschwerdeführer den Baubewilligungsbescheid zuzustellen und ihm Gelegenheit zur Erhebung seiner Einwendungen zu geben. Dadurch sei der Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens beseitigt. Die Gewährung einer Frist von drei Monaten zur Begründung der Berufung sei gesetzlich nicht möglich, weil die Berufungsfrist von zwei Wochen eine zwingend vorgesehene unerstreckbare Frist sei. Auf die Erlassung eines Bescheides über die Einstellung des Baues oder die Abtragung habe der Besehwerdeführer keinen Rechtsanspruch. Auch wäre hiezu nur die Behörde erster Instanz zuständig. Die unter 1.) angeführte Einwendung über den angeblichen Verstoß der Bewilligung der Verbauung der an einen ohnehin kleinen Schulpark angrenzenden Fläche gegen das öffentliche Interesse sei unzulässig gewesen, weil der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht kein subjektives öffentliches Recht geltend machen könne. Mit der unter 2.) erhobenen Einwendung werde wohl die Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte behauptet, doch sei der gesetzliche Seitenabstand gegen den Beschwerdeführer und die gesetzlich zulässige Gebäudehöhe gewahrt. Auch die Vorschriften über die Ausnützbarkeit des Bauplatzes seien eingehalten. Aus denselben Gründen sei auch die dritte Einwendung unbegründet. Das Vorhandensein von allenfalls den geltenden Bebauungsbestimmungen nicht entsprechenden Bauwerken auf Nachbarliegenschaften sei nicht geeignet, ein Recht der Anrainer zu begründen, auf Grund dessen sie verlangen könnten, es sei auf diese Bauwerke in dem Sinne Bedacht zu nehmen, daß der Bauwerber deshalb seine Liegenschaft nicht den geltenden Bebauungsbestimmungen gemäß verbauen dürfe. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers sei übrigens nicht bebaut und es stehe ihm nicht zu, fremde Rechte wahrzunehmen. Auch die Einwendung hinsichtlich der Vorgärten sei verfehlt, weil die festgesetzten Fluchtlinien eingehalten worden seien.

Was den Einwand gegen eine an die Liegenschaft des Beschwerdeführers angrenzende Garage anlange, so sei eine solche gar nicht geplant. Der prov. Einstellplatz erweise sich bis zur Eröffnung der geplanten W-gasse im Sinne des § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes deshalb als zulässig, weil bis zur Eröffnung dieser Verkehrsfläche die Errichtung einer Garage im Hausinneren oder die Errichtung einer Garage oder eines Einstellplatzes an einer sonst der Bebauung offenstehenden Stelle der Liegenschaft nicht tunlich sei. Hinsichtlich der außerhalb des geplanten Gebäudes der Bebauung offenstehenden Flächen der Liegenschaft sei die Untunlichkeit der Errichtung einer Garage oder eines Einstellplatzes mit Rücksicht auf die geringe Größe und die Konfiguration des Bauplatzes gegeben. Nach der Eröffnung der W-gasse werde aber ohnehin die im Keller des Gebäudes eingeplante Garage, zu der derzeit eine Zufahrt nicht möglich sei, zur Verfügung stehen. Aus diesen Gründen sei die Abänderung im Sinne einer Anwendung des § 71 der Bauordnung für Wien hinsichtlich des Einstellplatzes geboten gewesen. Der Einspruch gegen einen zu niederen Schornstein erweise sich als unbegründet, weil kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß durch einen Schornstein eine Belästigung auf dem Grundstück des Beschwerdeführers eintreten könne. Auch sei die Liegenschaft des Beschwerdeführers nach der Aktenlage nicht bebaut; eine Ölfeuerung sei nicht geplant. Die Einwendung hinsichtlich einer angeblich mißbräuchlichen Verwendung öffentlichen Gutes sei unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht behauptet habe, selbst die aufgelassene Fläche des öffentlichen Gutes in seine Liegenschaft einbeziehen zu müssen. Zur Wahrung des Gemeinwohls sei aber der Beschwerdeführer nicht berufen.

Das Vorbringen gegen den Fluchtlinienbescheid könne deshalb nicht zielführend sein, weil auch hier nicht die Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechtes geltend gemacht werde. Dasselbe gelte hinsichtlich des Einwandes gegen die Straßenführung. Der Einwand, der Beschwerdeführer habe den Fluchtlinienbescheid nicht zu Gesicht bekommen, könne deshalb kein anderes Ergebnis herbeiführen, weil der Beschwerdeführer den Fluchtlinienplan eingesehen habe, der die Bebauungsbestimmungen richtig und vollständig wiedergebe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über Beschwerde und Gegenschrift erwogen:

In der Beschwerde wird zunächst neuerlich die Verletzung des Parteiengehörs in erster Instanz gerügt und daraus eine Nichtigkeit abgeleitet; der bezeichnete Mangel sei nicht saniert worden oder auch nicht sanierbar gewesen. Bei seinem Vorbringen hinsichtlich der Nichtigkeit schwebt dem Beschwerdeführer offenbar weder eine „absolute Nichtigkeit“ noch auch die Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950 vor, sondern eine Mangelhaftigkeit, die die Berufungsbehörde jedenfalls zur Aufhebung verpflichte. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den §§ 40, 41 und 42 im Zusammenhang mit § 66 AVG 1950 stimmt aber mit dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid eingenommenen Standpunkt überein. Die übergangene Partei ist wohl berechtigt, sich jederzeit in das Verfahren einzuschalten, indem sie die Zustellung des Bescheides begehrt und Rechtsmittel einbringt; sie hat zwar einen Anspruch auf volles Gehör, kann aber nicht durchsetzen, daß wegen ihrer Übergehung das Verfahren in erster Instanz mit einer Verhandlung neu durchzuführen wäre oder daß eine Verhandlung mit allen Parteien in zweiter Instanz stattzufinden hätte (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1861/62, vom , Zl. 1821/65, und vom , Zl. 310/66). Der Beschwerdeführer versucht unter Heranziehung des § 66 Abs. 1 und 2 AVG 1950 die Berechtigung seines Standpunktes darzulegen. Nun ist es gewiß richtig, daß die Berufungsbehörde alle notwendigen Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens selbst durchzuführen hat, wenn sie nicht von der Möglichkeit der Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG Gebrauch macht, und daß der Übergangene berechtigt sein muß, am Verfahren im Sinne der §§ 37 und 45 Abs. 3 AVG 1950 mitzuwirken. Es ist also zu prüfen, ob diesen Anforderungen entsprochen wurde.

Zunächst ist zu sagen, daß die belangte Behörde in zweiter Instanz eine mündliche Verhandlung anberaumt hat und daß der Beschwerdeführer hiezu geladen wurde. Die Ladung wurde, da die Ersatzzustellung nicht bewirkt werden konnte, hinterlegt. Daß ein Zustellungsmangel vorliege, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Aber selbst wenn man davon absieht, hatte der Beschwerdeführer jedenfalls Gelegenheit, am sein Berufungsvorbringen zu ergänzen. Im allgemeinen betrachtet, kann der Verwaltungsgerichtshof also nicht finden, daß das Recht des Beschwerdeführers auf Parteiengehör in einer wesentlichen Weise verletzt worden ist.

Es ist nun jedoch noch die besondere Lage des vorliegenden Falles zu untersuchen, die sich aus dem Zusammenhang der Baubewilligung mit der Bauplatzbeschaffung und der Fluchtlinienbekanntgabe ergibt. Formell betrachtet ist zunächst dazu Stellung zu nehmen, daß der Beschwerdeführer den Fluchtlinienbescheid am ausdrücklich angefochten hat, gleichzeitig aber zum Ausdruck brachte, daß er dessen Text noch nicht zu Gesicht bekommen konnte, während er den amtlichen Fluchtlinienplan eingesehen habe. Die Behörde ließ sich zwar den Fluchtlinienbescheid vorlegen, brachte ihn aber dem Beschwerdeführer nicht zur Kenntnis. Der Verwaltungsgerichtshof hält dies für einen Mangel. Wenn die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Fluchtlinienbescheid auch „zurückgewiesen“ wurde, so handelt es sich doch materiell nach der Begründung und nach der wahren Absicht der Behörde um eine Abweisung. Es wäre also sicher am Platz gewesen, dem Beschwerdeführer den Fluchtlinienbescheid zur Kenntnis zu bringen, auch wenn er das Rechtsmittel schon vorher erhoben hatte. Die Behörde hält einen Mangel deshalb nicht für gegeben, weil der Beschwerdeführer selbst gesagt hat, er habe den amtlichen Fluchtlinienplan eingesehen, und weil aus diesem alles Wesentliche zu entnehmen gewesen sei. Dies ist nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes eine Begründung dafür, daß der Mangel nicht wesentlich war. Ein Widerspruch zwischen Fluchtlinienplan und Fluchtlinienbescheid lag nämlich nicht vor. Es ist aber, abgesehen von den Fällen des § 10 Abs. 3 der Bauordnung für Wien, der Fluchtlinienbescheid für den Nachbarn im Verwaltungsverfahren nur insofern rechtlich relevant, als er eine unrichtige Wiedergabe des Fluchtlinienplanes enthält. Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, es sei ein Fall vorgelegen, in dem nach § 10 Abs. 3 letzter Satz der Bauordnung für Wien eine mündliche Verhandlung vor der Fluchtlinienbekanntgabe geboten gewesen wäre. Der Beschwerdeführer geht hiebei davon aus, daß im vorliegenden Fall eine Einbeziehung von Nachbargründen zur Liegenschaft stattzufinden hatte. Die Behörde weist aber mit Recht darauf hin, daß dies nicht der Fall ist, daß vielmehr außer der Einbeziehung öffentlichen Gutes in den Bauplatz (§ 58 der Bauordnung für Wien) die Erfüllung der Abtretungsverpflichtungen an das öffentliche Gut in Hinkunft nur durch Erwerb einer Fläche vom Beschwerdeführer möglich sein wird. Der Beschwerdeführer beruft sich in diesem Zusammenhang auf § 17 Abs. 6 der-Bauordnung für Wien. Diese Bestimmung lautet: „Wenn mit einer Grundabteilung nicht gleichzeitig die unentgeltliche Grundabtretung erfolgen kann, weil die hiezu erforderlichen Gründe im Eigentum eines anderen stehen, haben die betreffenden Bauflächen bis zur Erfüllung dieser Verpflichtung unbebaut zu bleiben.“ Im Anschluß daran wird im Abs. 7 desselben Paragraphen festgelegt, daß die Behörde in „Ausnahmefällen vom Bauverbot Umgang nehmen“ kann, „wenn sich der Eigentümer verpflichtet, in dem Zeitpunkt, in dem die Gemeinde die fehlenden Verkehrsflächen erwirbt, die Kosten der Erwerbung und der Herstellung der richtigen Höhenlage zu ersetzen“. Vom § 17 Abs. 7 hat die Behörde im vorliegenden Fall im Abteilungsbescheid Gebrauch gemacht. Wenn der Beschwerdeführer sich auf Abs. 6 des § 17 beruft, so ist ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung der Sicherung der Abtretungsverpflichtung des Bauwerbers und damit dem öffentlichen Interesse, nicht aber dem Interesse des derzeitigen Eigentümers der Fläche zu dienen bestimmt ist (§ 134 Abs. 3 zweiter Satz der Bauordnung für Wien). Der Beschwerdeführer ist weder durch den Abteilungsbescheid noch durch die Fluchtlinienbekanntgabe in seiner Stellung als Eigentümer berührt; ihm gegenüber wurde eine Verpflichtung, die Ergänzungsfläche abzutreten, nicht begründet. Er wird im übrigen Gelegenheit haben, die rechtliche Gegenwehr zu versuchen, wenn gegen ihn gerichtete Schritte in dieser Hinsicht eingesetzt haben. Solange dies nicht der Fall ist, kann seine Rechtsverfolgung in dieser Hinsicht nicht erfolgreich sein. Ein Rechtsmittel des Beschwerdeführers gegen den Abteilungsbescheid wurde inzwischen mangels einer an den Beschwerdeführer erfolgten Zustellung mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof unangefochten gebliebenen Bescheid der Baubehörde vom zurückgewiesen. Ein Zustellungsbegehren wurde mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom abgewiesen. Auch dies ist nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Der Beschwerdeführer behauptet allerdinge auch, daß die Fluchtlinien nicht eingehalten worden seien. Dies stimmt aber mit der Aktenlage nicht überein. Nach dem Fluchtlinienplan ergibt sich weder eine Verletzung des Seitenabstandes noch die Verletzung anderer subjektive öffentliche Rechte des Anrainers begründender Vorschriften.

Der Beschwerdeführer hat in Übereinstimmung mit seinen Einwendungen in der Beschwerde auch geltend gemacht, der betreffende Raum sei „allgemein Grünland“; es handle sich um „Gärten, die landwirtschaftlich benützt werden“; dieser Teil von X sei eine ländliche Gegend und es müsse den Anrainern die Möglichkeit einer „Bewahrung der Eigenart dieser Gegend“ in irgendeiner Art eingeräumt werden. Ein subjektives öffentliches Recht auf die Erhaltung der Eigenart eines bestimmten Gebietes ist aber von der Rechtsordnung nicht eingeräumt, wenn nicht konkret eine Berufung auf den Inhalt der Flächenwidmungspläne oder der Bebauungspläne möglich ist. Für ein Auftreten im Dienste des Gemeinwohles bietet § 2 der Bauordnung für Wien in dem Verfahren bei Festsetzung der Bebauungs- und Fluchtlinienpläne Raum. Diese Pläne sind als Entwürfe durch 2 Wochen zur öffentlichen Einsicht aufzulegen; es können dagegen schriftliche Vorstellungen eingebracht werden, über die der Magistrat, soweit er sie in seinen Anträgen nicht berücksichtigt, zu berichten hat. Diese Einrichtungen dienen der Mitwirkung der Bevölkerung bei der Planung. Freilich führt auch diese Mitwirkung bei der Entstehung einer Verordnung nicht zu einer Rechtsverfolgungsmöglichkeit zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N. F. Nr. 2258/A, sowie vom , Zl. 1200/64, ergangen zu den Bauordnungen für Oberösterreich und Linz). Sind die Pläne aber als Verordnungen in Geltung getreten, so kann vor dem Verwaltungsgerichtshof mit der Behauptung ihrer Gesetzwidrigkeit allenfalls eine Antragstellung nach Art. 139 B-VG angeregt werden. Die Unzweckmäßigkeit einer Planung kann aber an sich, auch wenn sie tatsächlich zuträfe, rechtlich nicht maßgebend sein.

Auch in der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer neuerlich vor, es sei unzulässig gewesen, einen Teil des öffentlichen Gutes kostenlos dem Bauwerber zu überlassen. Auch diese Einwendungen hat die Behörde richtig behandelt. Der Beschwerdeführer machte nämlich nicht geltend, daß ihm ein Anspruch auf die Überlassung von Flächen, die nun nicht mehr Verkehrsflächen sein sollen, zustehe, er beschwert sich nur gegen die kostenlose Überlassung an den Bauwerber und übersieht dabei die Vorschrift des § 58 Abs. 2 lit. b zweiter Satz; er wäre aber auch nicht in Rechten verletzt, wenn die Vorschrift eine unentgeltliche Abtretung nicht vorsehen würde.

Aus den angeführten Gründen mußte die Beschwerde als unbegründet abgewiesen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 und auf Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4/1965.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
AVG §37
AVG §45 Abs3
AVG §63
AVG §66 Abs4
AVG §8
BauO Wr §10
BauO Wr §17 Abs6
BauO Wr §2
BauO Wr §4
BauO Wr §5
BauO Wr §60
BauRallg
B-VG Art18 Abs2
VwGG §34 Abs1
Sammlungsnummer
VwSlg 7266 A/1968
Schlagworte
Baurecht Nachbar übergangener Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Baurecht Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtsmittelverfahren Berufung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1968:1966001334.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAF-54644