VwGH 28.02.1962, 1325/61
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Der Landeshauptmann hat die Befugnis, bei der Entscheidung über einen Einspruch gegen die Vorschreibung eines Beitragszuschlages durch den Versicherungsträger das dem Versicherungsträger nach § 113 Abs. 1 ASVG zustehende freie Ermessen zu handhaben. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1595/57 E RS 1 |
Normen | ASVG §412; WTBO §33 Abs2 litd; |
RS 2 | Ein Wirtschaftstreuhänder ist im Rahmen seiner Befugnisse nach § 33 Abs 2 lit d der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung berechtigt, in Vertretung seines Auftraggebers einen Einspruch gegen den Bescheid eines Sozialversicherungsträgers einzubringen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2132/60 E VwSlg 5529 A/1961 RS 4 |
Norm | |
RS 3 | Die Bestimmung des § 63 Abs 3 AVG, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, ist nicht formalistisch aufzufassen; vielmehr genügt es, wenn die Partei zu erkennen gibt, was sie mit dem Rechtsmittel anstrebt und sie ihren Standpunkt begründen zu können glaubt. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
1326/61
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Dietmann und die Räte Dr. Koprivnikar, Dr. Mathis, Dr. Härtel und Dr. Hinterauer als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Klein als Schriftführer, über die Beschwerden der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Linz gegen die beiden Bescheide des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. SV 196/7 - 1961 a, betreffend Beitragsnachverrechnung, und Zl. SV 196/7 - 1961 b, betreffend Vorschreibung von Beitragszuschlägen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde gegen den zweitangeführten Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.
Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof beschlossen, die Beschwerde gegen den erstangeführten Bescheid zurückzuweisen.
Begründung
Die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte sprach mit Bescheid vom aus, daß "die Gesellschaft HA, Ges. n. b. Recht", Fleischhauerei und Gastwirtschaft in H Nr. 6, Dienstgeber gemäß § 35 Abs. 1 ASVG und als solcher gemäß § 58 Abs. 2 des Gesetzes verpflichtet sei, für die in den diesem Bescheid beigegebenen Feststellungslisten namentlich angeführten Dienstnehmer bezüglich der gleichzeitig angegebenen Zeiträume nachverrechnete Beiträge in der Höhe von S 5.764,14 binnen 8 Tagen nach Erhalt dieses Bescheides zu bezahlen. Weiters sprach sie auch aus, daß im Sinne des § 48 ASVG die Vorschreibung nach den im Zeitpunkte der Nachverrechnung geltenden gesetzlichen Vorschriften erfolge. Die Begründung des Bescheides enthielt gesonderte Ausführungen über die Nachverrechnung für die beiden Dienstnehmer FP und RH, ferner den Lehrling GA sowie über die Nachverrechnung für Sonderzahlungen. Mit einem weiteren Bescheide vom gleichen Tage vehängte die genannte Krankenkasse unter Bezugnahme auf § 113 Abs.1 ASVG über die genannte Gesellschaft einen Beitragszuschlag in der Höhe von S 400,--. Gegen diese Bescheid erhob HA sen. durch den Helfer in Buchführungs- und Steuersachen ER einen Einspruch. Der Letztgenannte brachte überdies im Laufe des Einspruchsverfahrens beim Landeshauptmann von Oberösterreich zwei weitere Eingaben (vom und vom ) ein. Die belangte Behörde gab dem Einspruch mit den beiden angefochtenen Bescheiden Folge; sie sprach mit dem erstangefochtenen Bescheid aus, daß HA sen. nicht verpflichtet sei, die für den Lehrling GA für die Zeit vom bis nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten, und sah mit dem zweitangefochtenen Bescheid (Zl. SV 196/7-1961 b) den von der Beschwerdeführerin vorgeschriebenen Beitragszuschlag in der Höhe von S 400,- nach. In der Begründung des erstangefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, daß der Gewerbebetrieb des HA sen. nicht in der Form einer Gesellschaft, sondern als Einzelfirma auf dessen alleinige Rechnung und Gefahr geführt werde; daher komme nur HA als Dienstgeber in Betracht. Daraus aber ergebe sich, daß der in seinem Betrieb beschäftigte Enkel GA bloß der Teilversicherung in der Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z. 2 ASVG, nicht aber der Vollversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 AlVG unterliege. Die ursprüngliche Vorschreibung der Beiträge durch die Beschwerdeführerin für GA in der Beitragsgruppe A 6 sei daher zu Recht erfolgt. In der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides bezüglich der Vorschreibung des Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG legte die belangte Behörde unter Hinweis auf das bei der Anwendung dieser Bestimmung dem Versicherungsträger und demnach auch der im Einspruchsverfahren zuständigen Verwaltungsbehörde eingeräumte freie Ermessen dar, daß im gegebenen Fall Billigkeitsgründe vorlägen" die eine Nachsicht von der Verhängung eines Beitragszuschlages rechtfertigten, weil auf Grund des Erhebungsergebnisses für einen Großteil der dem HA nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge eine Rückverrechnung vorgenommen und der Genannte erstmals beanstandet worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres Zusammenhanges in persönlicher und sachlicher Hinsicht zu gemeinsamer Behandlung zu verbinden, und hat erwogen:
Wie sich aus der Begründung des Bescheides der Beschwerdeführerin vom ergibt, wurde die in diesen Bescheid vorgenommene Nachverrechnung für GA damit begründet, daß dieser, entgegen der ursprünglichen Annahme der Beschwerdeführerin nicht bloß einer Teilversicherungspflicht in der Unfall- und Pensionsversicherung mit Beiträgen nach der Beitragsgruppe A 6 unterliege, sondern daß GA gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 ASVG der Vollversicherungspflicht und - ab Beginn des letzten Lehrjahres gemäß § 1 Abs. 1 AlVG auch der Arbeitslosenversicherungspflicht unterliege. Demgegenüber vertrat der mitbeteiligte HA sen. in seinem gegen den eben bezeichneten Bescheid eingebrachten Einspruch die Auffassung, daß die von der Beschwerdeführerin in der Frage der Versicherungspflicht des GA mit ihrem Bescheid vom getroffene Entscheidung, wonach GA nur der Unfall- und Pensionsversicherung, nicht aber auch der Krankenversicherungspflicht unterliege, richtig sei und daher aufrecht zu bleiben habe. Aber auch der belangten Behörde erschien, wie sich aus der Begründung ihres erstangefochtenen Bescheides ergibt, für ihre Entscheidung über den eben erwähnten Einspruch der Umstand von ausschlaggebender Bedeutung, in welchem Umfang eine Versicherungspflicht für GA bestanden habe.
Daraus folgt, daß das in Rede stehende Verwaltungsverfahren zwar durch eine Beitragsnachverrechnung ausgelöst wurde, daß jedoch in Wahrheit in der Hauptsache die Frage strittig war, ob GA lediglich der Teilversicherungspflicht in der Unfall- und Pensionsversicherung nach § 8 Abs. 1 Z. 2 ASVG oder aber der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 des Gesetzes und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 AlVG unterlegen war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die in diesem Belang in wesentlichen auf den in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1212/A, entwickelten Gedankengängen beruht, geht in solchen Fällen der Instanzenzug im Sinne des § 415 Abs. 1 ASVG bis zum Bundesministerium für soziale Verwaltung.
So zeigt sich, daß im vorliegenden Falle der Instanzenzug nicht erschöpft wurde, weshalb die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1952 zurückzuweisen war.
Im Hinblick auf die im erstangefochtenen Bescheid enthaltene irrige Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen diesen Bescheid eine Berufung gemäß § 415 ASVG zulässig sei, eröffnet sich der Beschwerdeführerin die Möglichkeit, gemäß § 71 Abs. 1 lit. b AVG 1950 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen.
Über den zweitangefochtenen Bescheid hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Was vorerst jene Ausführungen betrifft, mit denen die Beschwerdeführerin darzutun versucht, daß der Helfer in Buchführungs- und Steuersachen ER nicht berechtigt gewesen sei, den Beschwerdeführer im Einspruchsverfahren zu vertreten, so kann zwecks Vermeidung von Wiederholungen unter Erinnerung an Art. 19 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 220/1952, auf das Erkenntnis vom , Zl. 2132/60, verwiesen werden, dem zu entnehmen ist, daß Helfer in Buchführungs- und Steuersachen im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. d der Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung, BGBl. Nr. 125/1955, berechtigt sind, als berufsmäßige Vertreter ihrer Auftraggeber in Beitragsangelegenheiten Einsprüche bei den Versicherungsträgern einzubringen. Es kann daher entgegen der in der Beschwerde zum Ausdruck gekommenen Auffassung weder eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beachtliche Verletzung einer Verfahrensvorschrift noch eine sonstige Rechtswidrigkeit bedeuten, wenn es die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides unterließ, auf den Antrag der beschwerdeführenden Partei, den Einspruch des Mitbeteiligten mangels der Vertretungsbefugnis des ER zurückzuweisen, weiter einzugehen, sondern den Einspruch als zulässig ansah und demzufolge über ihn meritorisch absprach. Richtig ist allerdings, daß - wie schon in dem vorhin zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck gebracht wurde - Helfer in Buchführungs- und Steuersachen (hier also ER) in Beitragsangelegenheiten nach dem ASVG nicht auch als berufsmäßige Vertreter vor den Verwaltungsbehörden auftreten dürfen. Da jedoch die Grundlage der Entscheidung der belangten Behörde der Einspruch bildete und in der Begründung des Bescheides auf die im Laufe des Einspruchsverfahrens seitens des ER eingebrachten Eingaben vom und nicht Bezug genommen wurde, erscheint durch dieses Einschreiten des Genannten bei der Verwaltungsbehörde eine Verletzung von Rechten der beschwerdeführenden Partei nicht gegeben. Soweit jedoch die Beschwerde geltend macht, daß der Einspruch hinsichtlich des Bescheides über die Verhängung des Beitragszuschlages einen Entscheidungsantrag nicht enthalte, so ist die diesfalls sinngemäß heranzuziehende Bestimmung des § 63 Abs. 3 AVG 1950, wonach die Berufung einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in formalistischem Sinn aufzufassen; vielmehr genügt es, wenn die Partei zu erkennen gibt, was sie mit dem Rechtsmittel anstrebt und wie sie ihren Standpunkt begründen zu können glaubt. Dies kann jedoch im vorliegenden Falle dem Einspruch ohne weiteres entnommen werden, weil dieser in längeren Ausführungen darzutun versuchte, daß die von der Krankenkasse vorgenommene Beitragsnachverrechnung zur Gänze ungerechtfertigt und daher aufzuheben sei. Damit erscheint aber auch die Verhängung des Beitragszuschlages unter dem Gesichtspunkt, daß eine solche Maßnahme rechtlich unbegründet ist, falls die Nachtragsverrechnung aus dem Rechtsbestand ausscheidet, in einer für die Behörde erkennbaren Art entsprechend der Vorschrift des § 63 Abs. 3 AVG 1950 ausreichend bekämpft.
Was schließlich die Einwendung in der Beschwerde betrifft, daß - entgegen der im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gekommenen Auffassung - durch das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens die Feststellungen der Krankenkasse nicht widerlegt, sondern bestätigt erschienen, und daß sich die Höhe der Beitragsnachverrechnung nicht geändert habe, so ist darauf zu verweisen, daß - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in dem Erkenntnis vom , Zl. 716/58, ausgeführt hat - im Falle der Verhängung eines Beitragszuschlages gemäß § 113 Abs. 1 ASVG das hiebei dem Versicherungsträger eingeräumte Ermessen auf Grund eines Einspruches auch auf die Verwaltungsbehörde übergeht; diese ist daher berechtigt, hinsichtlich der Frage, ob und bejahendenfalls in welchem Ausmaß ein Beitragszuschlag zu verhängen sei, nach eigenem Ermessen vorzugehen. Auch diesbezüglich wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des zitierten Erkenntnisses verwiesen. Daraus ergibt sich aber weiters im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe insbesondere das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 1559/A), daß im vorliegenden Falle die belangte Behörde ihre Entscheidung bloß mit dem Hinweis auf das ihr zustehende freie Ermessen hätte begründen können, daß aber davon abgesehen der gegenständlichen Beschwerde ein Erfolg nur dann hätte beschieden sein können, wenn festzustellen wäre, daß die belangte Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe (Art. 130 Abs. 2 B-VG). Selbst wenn man den Hinweis der beschwerdeführenden Partei darauf, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Beitragsnachverrechnung hinsichtlich GA als nicht gerechtfertigt angesehen habe, dahin verstehen wollte, daß der Meinung der beschwerdeführenden Partei nach, die belangte Behörde von ihrem freien Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht habe, so müßte dem entgegengehalten werden, daß der Behörde ein rechtswidriges Handeln in dem angeführten Sinne nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn sie die von ihr hinsichtlich der Beitragsnachverrechnung getroffene Entscheidung als rechtmäßig ansah und diese Entscheidung bei der Ausübung des freien Ermessens berücksichtigte.
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ergibt sich sohin, daß der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit, die zu seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof führen könnte, nicht belastet ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1962:1961001325.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-54625