VwGH 22.02.1963, 1308/60
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Betreibt ein Gewerbetreibender sein Unternehmen in einem Gebäude, das einer Gebietskörperschaft gehört und zum Abbruche bestimmt ist, und verpflichtet er sich dieser Gebietskörperschaft gegenüber gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages zur Räumung, dann handelt er als gewerblicher Unternehmer und der Abfindungsbetrag ERHÖHT seinen GEWINN. Ein solcher Abfindungsbetrag kann auch nicht als Bezug aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit gewertet und steuerfrei belassen werden. |
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RS 2 | Verpflichtet sich ein Gewerbetreibender, seine in einem zum Abbruch bestimmten Gebäude gelegenen Betriebsräume gegen Zahlung eines Entgeltes zu räumen, dann handelt er als Unternehmer und der eingenomme Entschädigungsbetrag ist umsatzsteuerbar. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Wasniczek, und die Hofräte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Kaupp und Dr. Frühwald als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek, über die Beschwerde des FB in W gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. VI- 1655/2-1960, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1957, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwaltes Dr. GT, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzkommissärs Dr. JS, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betrieb bis zum einen Einzelhandel mit Obst, Gemüse und Lebensmittel in einem der Gemeinde Wien gehörigen Hause. Das Gebäude war zum Abbruch bestimmt. Der Beschwerdeführer hatte sich in einem Schreiben vom an die Stadtbauamtsdirektion verpflichtet, den in dem zum Abbruch bestimmten Hause befindlichen Mietgegenstand, in dem er sein Gewerbe betrieben hatte, bis längstens in geräumtem Zustand zu übergeben und hinsichtlich des Räumungstermines einen gerichtlichen Räumungsvergleich abzuschließen, wenn ihm als Entschädigung für die Stilllegung des Geschäftes über die Baudauer und als Beihilfe zu den Kosten der Übersiedlung ein Betrag von S 25.000,-- seitens der Stadt Wien gewährt werden würde. Der Magistrat nahm dieses Anbot an und überwies dem Beschwerdeführer einen Beihilfebetrag von S 25.000,-- . Das zuständige Finanzamt erachtete diese Einnahme als umsatzsteuer- und einkommensteuerpflichtig und erließ entsprechende Bescheide für das Jahr 1957. Gegen den Einkommensteuerbescheid wurde zunächst Berufung erhoben, weil der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 34 EStG nicht berücksichtigt worden war. In einem Einspruchsbescheid vom , der jedoch erst am zugestellt wurde, wurde diesem Antrag stattgegeben. Noch innerhalb der Rechtsmittelfrist wurde sodann am gegen den kombinierten Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1957 Berufung erhoben. Es wurde nunmehr geltend gemacht, daß der Betrag von S 25.000,-- weder der Umsatzsteuer noch der Einkommensteuer unterläge. Eine Unternehmertätigkeit sei nicht gegeben. Einkommensteuerpflicht liege deshalb nicht vor, weil es sich um eine aus sozialen Erwägungen gewährte Beihilfe gehandelt habe. Bei Annahme der Einkommensteuerpflicht müßte aber zumindest der begünstigte Steuersatz nach § 34 EStG gewährt werden. Gleichzeitig wurde der Antrag gestellt, die Berufung der Rechtsmittelbehörde zur Entscheidung vorzulegen. Über Aufforderung durch das Finanzamt legte der Beschwerdeführer den mit der zuständigen Magistratsabteilung der Gemeinde Wien wegen der Räumung des Mietobjektes durchgeführten Briefwechsel vor. Überdies wurde bei der Stadtbauamtsdirektion angefragt und von dort die Auskunft erteilt, daß der Betrag von S 25.000,-- für Verdienstentgang und als Übersiedlungsbeihilfe anläßlich der Räumung des Althauses gewährt worden sei. Der Verdienstentgang sei für 30 Monate berechnet, beginnend mit und laufend bis zur voraussichtlichen Bezugsmöglichkeit des neuen Lokales in der zur errichtenden Wohnhausanlage.
Nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurden die Berufungen abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Der Beschwerdeführer habe sich im Streitjahr verpflichtet, den Bestandgegenstand bis geräumt zu übergeben. Die Stadt Wien habe die Verpflichtung zur Zahlung von S 25.000,-- übernommen. Zwischen der Aufgabe der Mietrechte, die notwendig in den Rahmen des gewerblichen Unternehmens fielen, und der Zahlung bestehe ein untrennbarer Zusammenhang. Es liege daher ein Leistungsaustausch vor. Aus Mitteilungen von Seiten der Stadt Wien, die dem Beschwerdeführer bei der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht worden waren, sei auch zu entnehmen, daß diese in allen Absiedlungsfällen die Geldentschädigungen als Entschädigung für die Aufgabe eines Mietrechtes und der damit verbundenen Nachteile gewähre. Bezüglich der Einkommensteuerpflicht könne der Zahlung nicht der Charakter eines öffentlichen Zuschusses zugebilligt werden. Die Zahlung sei im Hinblick auf der unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betrieb als Betriebseinnahme zu behandeln. Eine Versteuerung mit dem begünstigten Steuersatz nach § 34 EStG könne nicht Platz greifen, da es sich um keinen Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG gehandelt habe und § 34 bei anderen Einkünften, die im Rahmen eines Gewerbebetriebes anfallen, nicht anwendbar sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Gerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1934 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Beschwerdeführer bestreitet nun in seinem Fall hinsichtlich des von der Gemeinde Wien empfangenen Betrages von S 25.000,-- das Vorliegen eines umsatzsteuerpflichtigen Entgeltes, weil ein Leistungsaustausch im Sinne des Gesetzes nicht erfolgt sei. Er habe nämlich auf eine Entschädigung von Seiten der Gemeinde keinen Anspruch gehabt, weil diese auf Grund des Mietengesetzes berechtigt gewesen sei, ihm auch ohne jede Abstandszahlung den Mietvertrag zu kündigen und in einem Kündigungsprozeß jedenfalls obsiegt hätte. Ob dies richtig ist, kann ununtersucht bleiben, weil es im vorliegenden Fall nicht streitentscheidend sein konnte. Maßgeblich ist vielmehr, daß der Beschwerdeführer sich gegenüber der Gemeinde ausdrücklich verpflichtet hatte, den Bestandgegenstand, in dem er bisher sein Unternehmen betrieben hatte, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt geräumt zu übergeben bzw. auch einen gerichtlichen Räumungsvergleich abzuschließen. Diese Verpflichtungserklärung des Beschwerdeführers und die sodann tatsächlich termingemäß erfolgte Räumung des Mietgegenstandes war, wie sich aus den Akten ergibt, wesentliche Voraussetzung für die von der Gemeinde erbrachte "Entschädigungsleistung". (Der Betrag von S 25.000,-- wurde auch erst nach durchgeführter Räumung überwiesen.) Es ergibt sich daraus, daß zwischen der Leistung des Beschwerdeführers, nämlich seiner Verpflichtung zur Räumung des Mietgegenstandes und dessen tatsächlicher Räumung, und der Gegenleistung seitens der Gemeinde ein unmittelbarer Zusammenhang und damit ein Leistungsaustausch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes besteht. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer auch ohne seine Verpflichtungserklärung auf Grund gesetzlicher Vorschriften hätte gekündigt und zur Räumung gezwungen werden können, ist ohne Einfluß auf die Umsatzsteuerpflicht dieses Entgeltes. Offenbar hat die Gemeinde Wien die vertragliche, auf einen bestimmten Zeitpunkt fixierte Verpflichtung des Vertragspartners einem langwierigen, wenn auch letzten Endes vielleicht erfolgreichen Kündigungs- und Räumungsprozeß vorgezogen und ihre Zahlung von dieser Verpflichtungserklärung bzw. der tatsächlichen Räumung abhängig gemacht. Es kann weiters angesichts der Tatsache, daß die Räumung eines betrieblich genutzten Mietgegenstandes vorgenommen worden war, nicht bezweifelt werden, daß es sich dabei um einen Vorgang im Rahmen des vom Beschwerdeführer betriebenen Unternehmens handelte. Dies hat der Beschwerdeführer auch nicht bestritten. Die Behörde hat daher mit Recht die Umsatzsteuerpflicht des strittigen Entgeltes angenommen.
Die Einkommensteuer betreffend macht der Beschwerdeführer geltend, es handle sich bei der von der Gemeinde Wien geleisteten Zahlung nicht um eine Betriebseinnahme, sondern um einen Bezug aus öffentlichen Mitteln, der wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt und gemäß § 6 Abs. 1 Z. 6 (gemeint ist § 3 Abs. 1 Z. 6) EStG, steuerfrei sei. Nach § 2 Abs. 3 EStG unterliegen der Einkommensteuer unter anderem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
§ 15 Abs. 1 dieses Gesetzes bezeichnet als Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Wie oben für den Bereich der Umsatzsteuer dargetan, sind die strittigen Einnahmen dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Unternehmens zugeflossen. Da der Beschwerdeführer nur einen gewerblichen Betrieb innehatte, war für seinen Fall das Unternehmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinn dem Unternehmen = Betrieb im einkommensteuerrechtlichen Sinn gleichzusetzen und die gegenständlichen Einnahmen auch als Betriebseinnahmen anzusehen. Damit war aber ihre grundsätzliche Einkommensteuerpflicht gegeben und sie konnten daraus nur auf Grund ausdrücklicher Befreiungsbestimmungen ausscheiden. Der Beschwerdeführer begehrte nun, den § 3 Abs. 1 Z. 6 für seinen Fall anzuwenden. Diesem Begehren ist die Behörde mit Recht nicht nachgekommen. Nach dieser Gesetzesbestimmung sind steuerfrei Bezüge aus öffentlichen Mitteln oder aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung, die wegen
Hilfsbedürftigkeit ... bewilligt werden.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten geht aber eindeutig hervor, daß der strittige Betrag als Ersatz für die im Rahmen des Betriebes im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Mietrechte und die Räumung des Mietgegenstandes entstandenen Aufwendungen gewährt wurde und nicht wegen "Hilfsbedürftigkeit", mögen bei seiner Zuerkennung auch gewisse soziale Momente maßgebend gewesen sein. Mit Recht hat die belangte Behörde in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die auszahlende Stelle (Stadtbauamtsdirektion) für eine Zuwendung wegen Hilfsbedürftigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 6 EStG auch gar nicht zuständig gewesen wäre. Der Behörde konnte daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie auch die Einkommensteuerpflicht der strittigen Einnahmen bejahte. Die Nichtanwendung des § 34 EStG wurde in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht mehr bekämpft.
Die Beschwerde erwies sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 2806 F/1963; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1963:1960001308.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
KAAAF-54575