VwGH 14.09.1979, 1304/77
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | ASVG §35 Abs1; |
RS 1 | Auch eine sogenannte "Komplementär-GmbH", deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, Geschäftsführer einer KG zu sein, kann Dienstgeber ihrers an der GmbH beteiligten Geschäftsführers sein, wenn auf diesen Geschäftsführer ansonsten die Merkmale eines Dienstnehmers iSd § 4 Abs 2 ASVG zutreffen. |
Normen | |
RS 2 | Ausführungen zur Frage der unterscheidungskräftigen Kriterien für das Verhältnis persönlicher Abhängigkeit; a) die persönliche Arbeitspflicht, b) die Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten sowie c) die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse (Ansonsten Ausführungen zum "Sekretärinnendienst"). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 0415/75 E RS 1 |
Norm | ASVG §4 Abs2; |
RS 3 | Für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses ist nicht erforderlich, dass sämtliche Voraussetzungen für ein persönliches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis gegeben sein müssen; es genügt vielmehr ein Überwiegen der für ein solches sprechenden Merkmale gegenüber den Merkmalen einer selbständigen Ausübung der Erwerbstätigkeit. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1706/77 E VwSlg 9913 A/1979 RS 1 |
Normen | ASVG §110 Abs1 Z2 lita; VwGG §48 Abs1 lita; |
RS 4 | Kein Ersatz von Stempelgebühren im Hinblick auf die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 110 Abs 1 Z 2 lit a ASVG. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2231/65 E VwSlg 6963 A/1966 RS 4 |
Entscheidungstext
Beachte
Abgegangen hievon mit verstärktem Senat (demonstrative Auflistung):
83/08/0200 E VS VwSlg 12325 A/1986; (RIS: abwh)
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Iro, Mag. Öhler und Dr. Pichler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsrat Dr. Thumb, über die Beschwerde 1) der Firma FS Gesellschaft mbH in Wien und 2) des FS in Wien, beide vertreten durch Dr. Gottfried Peloschek und Dr. Wolf-Dieter Arnold, Rechtsanwälte in Wien I, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , Zl. 121.074/5-6/77, betreffend die Versicherungspflicht des FS (mitbeteiligte Parteien: 1) Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in Wien I, Wipplingerstraße 28, 2) Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in Wien XX, Webergasse 2 - 6, 3) Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, in Wien V, Blechturmgasse 11, und 4) Landesarbeitsamt Wien in Wien I, Weihburggasse 30), nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Gottfried Peloschek, sowie der Vertreterin der belangten Behörde, Ministerialrat Dr. GE, sowie der Vertreter der mitbeteiligten Parteien: 1) Dr. GZ, 2) Dr. EK und 4) Dr. CV, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 6.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach der vorerst die Firma Baumeister FS Gesellschaft mbH & Co, KG in Wien, den Zweitbeschwerdeführer als Geschäftsführer - mit einem Gesellschaftsanteil von 25 % an der Erstbeschwerdeführerin bei der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, einer der mitbeteiligten Parteien dieses Verfahrens, am angemeldet hat - welche Anmeldung mit (wohl richtig ) storniert wurde -, meldete die Firma FS-Gesellschaft mbH in Wien (Erstbeschwerdeführerin) am den Zweitbeschwerdeführer mit Wirksamkeitsdatum als Geschäftsführer (Angestellter) bei der vorgenannten Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte - diesmal aber ohne einer Angabe einer Firmenbeteiligung - an.
Aus einer im Akt der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte erliegenden Fotokopie eines Handelsregisterauszuges des Handelsgerichtes Wien, ist zu ersehen, daß für die Erstbeschwerdeführerin - FS Gesellschaft mbH in Wien - als Betriebsgegenstand neben anderen Tätigkeiten auch die Beteiligung an anderen Gesellschaften als geschäftsführender Komplementär vorgesehen ist; weiters, daß die Erstbeschwerdeführerin die Rechtstellung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat und daß offensichtlich der Zweitbeschwerdeführer (FS, Baumeister, Wien) der Geschäftsführer dieser Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.
Weiters ist aus einer im Akt der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte erliegenden Fotokopie eines Gesellschaftsvertrages zu ersehen, daß die FS Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien sich als Komplementär mit weiteren namentlich genannten Kommanditisten zu einer Kommanditgesellschaft zusammengeschlossen hat. Aus dieser Fotokopie ist weiter zu ersehen, daß der Komplementär (FS Gesellschaft mbH) seine Arbeitskraft als Geschäftsführer neben einer Bareinlage in die Gesellschaft (= KG) einbringt.
Ferner ist aus einer weiteren im Akt der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte erliegenden Fotokopie eines zwischen der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer am abgeschlossenen Dienstvertrages zu ersehen, daß die Erstbeschwerdeführerin den Zweitbeschwerdeführer zu ihrem Geschäftsführer bestellt hat. Neben anderen Arbeitsvereinbarungen enthält dieser Dienstvertrag auch die Bestimmung, daß dem Zweitbeschwerdeführer die hauptberufliche Leitung und Verantwortlichkeit über alle technischen und wirtschaftlichen Agenden des Unternehmens obliege, weiters daß der Zweitbeschwerdeführer als Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschaftsversammlung unterliege, sohin nicht die Funktion eines selbständigen Unternehmers habe.
Aus einer von der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte am (nach der Aktenlage wohl richtig: am ) mit FS, Architekt, aufgenommenen Niederschrift ist zu entnehmen, daß der Zweitbeschwerdeführer am Stammkapital der Erstbeschwerdeführerin mit 25 % beteiligt ist und die Erstbeschwerdeführerin, nur die Tätigkeit eines persönlich haftenden Gesellschafters der gegründeten FS Gesellschaft mbH & Co KG ausübe, ferner, daß der Zweitbeschwerdeführer nur bei der Erstbeschwerdeführerin (Gesellschaft mbH) beschäftigt sei. Die 25 % Beteiligung des Zweitbeschwerdeführers an der Erstbeschwerdeführerin ist auch aus einer im Akt der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und-Angestellte erliegenden Fotokopie eines diesbezüglichen Notariatsvertrages zu ersehen.
Mit Bescheid vom hat sodann die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte ausgesprochen, daß der Zweitbeschwerdeführer (FS) ab zur Erstbeschwerdeführerin (FS Gesellschaft mbH) in keinem die Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. Die darauf bezughabende Anmeldung werde abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Erstbeschwerdeführerin für den Zweitbeschwerdeführer eine Anmeldung ab als Geschäftsführer erstattet habe. Die Ermittlungen der Kasse hätten ergeben, daß der Zweitbeschwerdeführer als Gesellschafter mit 25 % am Stammkapital der Erstbeschwerdeführerin beteiligt sei. Die Erstbeschwerdeführerin übe keine eigene Betriebstätigkeit aus, sondern sei lediglich Komplementär der FS Gesellschaft mbH & Co KG und betreibe die Geschäftsführung der KG. Gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG seien die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung pflichtversichert (vollversichert); sie seien nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 arbeitslosenversichert, wenn sie nach gesetzlichen Vorschriften in der Krankenversicherung pflichtversichert seien. Auf Grund der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 ASVG sei als Dienstnehmer anzusehen, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt sei; hiezu würden auch Personen gehören, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen würden. In Anbetracht der Tatsache, daß die Erstbeschwerdeführerin keine eigene Betriebstätigkeit entfalte, sei das für das Vorliegen der Pflichtversicherung des Zweitbeschwerdeführers erforderliche Kriterium einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhoben beide Beschwerdeführer - rechtsfreundlich vertreten durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter - Einspruch.
Nachdem von der belangten Behörde ein auf die Vorschrift des § 73 AVG 1950 gegründeter Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen wurde, hat sodann der Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom den Einspruch der Beschwerdeführer betreffend die Versicherungspflicht des Zweitbeschwerdeführers bei der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Gemäß §§ 413 und 414 in Verbindung mit § 355 ASVG wurde festgestellt, daß der Zweitbeschwerdeführer zur Erstbeschwerdeführerin ab in keinem die Vollversicherungs- (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 begründenden Beschäftigungsverhältnis stehe. In der diesem Bescheid beigegebenen Begründung wird nach kurzer Darstellung des Inhaltes des bei dieser Behörde bekämpften Bescheides des Versicherungsträgers dargelegt, daß auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der von der Wiener Gebietskrankenkasse vorgelegten mit Architekt FS aufgenommenen Niederschrift, weiters des Dienstvertrages vom , des Notariatsaktes vom sowie von Auszügen aus dem Handelsregister und den die Gründung der FS Gesellschaft mbH & Co. KG betreffenden Teil des Gesellschaftsvertrages und schließlich auch der Ausführungen der Beschwerdeführer selbst unbestritten feststehe, die Erstbeschwerdeführerin habe den mit 25 % am Stammkapital beteiligten Zweitbeschwerdeführer (Baumeister FS) - Mehrheitsgesellschafter sei mit einem 75%igen Anteil Architekt FS -
zu ihrem Geschäftsführer bestellt und mit ihm hierüber einen schriftlichen Dienstvertrag abgeschlossen. Nach den in den Einspruchsausführungen unbestritten gebliebenen Aussagen des Architekt FS übe die Gesellschaft mbH derzeit nur die Tätigkeit eines Komplementärs der vorerwähnten KG aus. Die Feststellungen der Wiener Gebietskrankenkasse, daß mangels Entfaltung einer eigenen Betriebstätigkeit der Gesellschaft mbH das für die Versicherungspflicht erforderliche Kriterium einer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten Beschäftigung des Zweitbeschwerdeführers nicht gegeben sei, sei daher zutreffend. Erblicken die Beschwerdeführer die Ausübung einer Betriebstätigkeit darin, daß sich die Gesellschaft mbH als geschäftsführender Komplemtär zur Verfügung stelle, wobei es sich um eine Dienstleistung handle, die von der Gesellschaft mbH bestmöglich zu erfüllen sei, so werde übersehen, daß es sich hiebei um keine eigenwirtschaftliche Betriebstätigkeit der Gesellschaft mbH als solcher, sondern lediglich um die Wahrnehmung ihrer Agenden in ihrer Eigenschaft als Komplementär der KG handle, damit aber um eine Tätigkeit, die in den Rahmen der Betriebstätigkeit der KG falle. Ob der Zweitbeschwerdeführer zur Erstbeschwerdeführerin in deren Eigenschaft als Komplementär der KG, somit hinsichtlich einer Beschäftigung im Rahmen der KG der Versicherungspflicht unterliege, sei jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, jedes Dienstverhältnis sei ein Rechtsverhältnis, das durch privates Rechtsgeschäft begründet werde, sei durchaus zutreffend; es solle gar nicht in Abrede gestellt werden, daß zwischen den Beschwerdeführern ein rechtsgültiges Dienstverhältnis zustande gekommen sei, doch würden die Beschwerdeführer verkennen, daß der Gesetzgeber als Voraussetzung für den Eintritt der Pflichtversicherung im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG nicht das Vorliegen eines zivilrechtlichen Dienstverhältnisses, sondern vielmehr die Erfüllung des in § 4 Abs. 2 ASVG ausdrücklich definierten Tatbestandes der Ausübung einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit normiert habe. Wie auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung bereits wiederholt dargelegt habe, handle es sich bei den im § 4 Abs. 2 ASVG normierten Voraussetzungen um Tatbestände, die nicht auf Grund einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise, sondern nur nach den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt werden könnten. Den tatsächlichen Verhältnissen nach habe aber die Erstbeschwerdeführerin als solche "keinerlei eigene Betriebsfähigkeit", in deren Rahmen der Zweitbeschwerdeführer eine tatsächliche Beschäftigung überhaupt hätte entfalten können, ausgeübt; es hätten daher ungeachtet des abgeschlossenen zivilrechtlichen Dienstvertrages die für die Pflichtversicherung erforderlichen Voraussetzungen nicht eintreten können. Wenn die Beschwerdeführer schließlich noch vermeinten, daß nicht der geringste Grund ersichtlich sei, warum eine Gesellschaft mbH, die die Geschäfte einer KG führe, nicht Dienstgeber sein könnte, so sei dazu zu bemerken, daß Dienstgeber gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige sei, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt werde, in dem der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen habe oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweise. Daraus ergebe sich eindeutig, daß für die Dienstgebereigenschaft lediglich maßgebend sei, für wessen Rechnung der Betrieb bzw. die Tätigkeit geführt werde, nicht aber, wer den Dienstnehmer in das Beschäftigungsverhältnis aufgenommen oder wer ihm das Entgelt bezahlt habe. Der Betrieb der Gesellschaft mbH & Co KG werde jedoch nicht auf unmittelbare und selbständige Rechnung der Gesellschaft mbH als solche geführt, sondern es komme ihr die Beteiligung am Betrieb in wirtschaftlicher Hinsicht nur in ihrer Eigenschaft als Komplementär und im Rahmen der KG selbst zu. Eine von ihrer Stellung als persönlich haftender Gesellschafter im Rahmen der KG unabhängige Dienstgebereigenschaft, wie sie im gegenständlichen Verfahren zur Beurteilung stehe, sei damit aber ausgeschlossen, weil die Erstbeschwerdeführerin, wie bereits dargelegt, außer der dem betrieblichen Bereich der KG zuzuzählenden Geschäftsführung dieser Gesellschaft keinerlei eigenwirtschaftliche Betriebstätigkeit entfaltet habe.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Berufung.
Die belangte Behörde hat sodann mit Bescheid vom der von der Erstbeschwerdeführerin und vom Zweitbeschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom - betreffend die Versicherungspflicht des Zweitbeschwerdeführers nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1958 - erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 keine Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid aus seinen zutreffenden Grund bestätigt. In diesem Bescheid wurde weiters dargelegt, daß aus dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft mbH bzw. der KG einerseits und und den Bestimmungen des Gesellschaft mbH-Gesetzes andererseits keineswegs der Bestand eines persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses abgeleitet werden könne, weil, wie die Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte in ihrer Äußerung vom zutreffend ausgeführt habe, in den erwähnten Verträgen zwar auf die Bestimmungen des Gesellschaft-mbH-Gesetzes verwiesen werde, das Weisungsrecht der Gesellschafter aber keineswegs einem Weisungsrecht eines Dienstgebers gegenüber seinem Dienstnehmer gleichgesetzt werden könne. Die ausschließlich aus dem Gesellschaft-mbH-Gesetz, nämlich aus der Organstellung des Geschäftsführers, resultierenden Verpflichtungen könnten mit der disziplinären Verantwortlichkeit eines in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigten Dienstnehmers keineswegs verglichen werden, da die letztere einer völlig anderen Rechtsquelle entspringen würde, als die erwähnten Bindungen und Verpflichtungen aus dem Gesellschaft-mbH-Gesetz (siehe Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom , Zl. 541/75). Im vorliegenden Falle stehe fest, daß alleiniger Gesellschaftszweck der Gesellschaft mbH die Beteiligung als Komplementär an der Kommanditgesellschaft sei. Die Gesellschaft mbH habe ansonsten keine eigene Geschäftsgebahrung und übe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung keine wie immer geartete Geschäftstätigkeit aus. Infolgedessen könne sie nicht als ein Betrieb mit eigener tatsächlicher wirtschaftlicher Tragfähigkeit angesehen werden. Wenn aber eine auf eigene Rechnung geführte Betriebstätigkeit - in deren Rahmen eine Arbeitsleistung überhaupt erst erbracht werden könnte - gar nicht entfaltet werde, so könne eine solche Gesellschaft, die rein formellen Charakter habe, auch keinen Dienstnehmer in einem Abhängigkeitsverhältnis beschäftigen. Die Frage, ob der Zweitbeschwerdeführer für die KG eine der Versicherungspflicht unterliegende Tätigkeiten entfalte, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich beide Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Aufnahme des Zweitbeschwerdeführers in die Voll- (Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 ASVG und § 1 Abs. 1a AlVG 1958 als verletzt erachtet. Zusammenfassend wird vorgebracht, daß der Zweitbeschwerdeführer auf Grund eines Dienstvertrages, sohin kraft privaten Rechtsverhältnisses, Dienstnehmer und die Erstbeschwerdeführerin seine Dienstgeberin sei. Die Tatsache, daß die Erstbeschwerdeführerin als Dienstgeberin des Zweitbeschwerdeführers die Geschäftsführung bei der Kommanditgesellschaft übernommen habe, sei ein Tatbestandselement, welches mit dem Dienstvertrag zwischen der Erstbeschwerdeführerin (Gesellschaft mbH) und dem Zweitbeschwerdeführer (Dienstnehmer) in keinem unmittelbaren Konnex stehe. Bedürfe ja auch eine Gesellschaft mbH für die Realisierung ihrer Aufgaben der Tätigkeit physischer Personen. Gerade die Geschäftsführung einer Personengesellschaft durch eine Gesellschaft mbH als Komplementär bestehe aus unzähligen Agenden technischer, kommerzieller, verwaltungsmäßiger, sowie privat-, steuer- und öffentlich-rechtlicher Art. Alle diese Agenden seien von der Gesellschaft mbH zu leisten; diese könnten für sie (die Gesellschaft mbH) nur durch deren Organe oder sonstige vertretungsbefugte natürliche Personen erledigt werden. Die Tätigkeit einer juristischen Person als Komplementär dürfe somit nicht mit einem normalen Angestellten verwechselt werden. In verfahrensrechtlicher Hinsicht habe die belangte Behörde keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Zweitbeschwerdeführer einen beherrschenden Einfluß im Bereich der Erstbeschwerdeführerin ausübe und ob er in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehe.
Die mitbeteiligte Partei - Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte - erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z. sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG 1958 sind für den Fall der Arbeitslosigkeit Dienstnehmer versichert, die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigt sind, soweit sie in der Krankenversicherung auf Grund gesetzlicher Vorschriften pflichtversichert oder selbstversichert und nicht nach Maßgabe der sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes versicherungsfrei sind.
Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Die Bestimmung des § 35 Abs. 1 ASVG sieht vor, daß als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes derjenige gilt, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs-(Lehr-)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter anstelle des Entgeltes verweist. Dies gilt entsprechend auch für die gemäß § 4 Abs. 1 Z. 3 pflichtversicherten, nicht als Dienstnehmer beschäftigten Personen.
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, daß der Zweitbeschwerdeführer zum Geschäftsführer der Erstbeschwerdeführerin bestellt und an deren Stammkapital mit 25 % beteiligt ist; ferner, daß die Erstbeschwerdeführerin Komplementär einer Gesellschaft mbH & Co KG ist und in dieser Kommanditgesellschaft die Funktion eines Geschäftsführers ausübt. Strittig ist die Frage, ob eine sogenannte "Komplementär-Ges.mbH.", deren Aufgabe es nur ist, die Geschäftsführung einer Kommanditgesellschaft zu besorgen und diese Kommanditgesellschaft zu vertreten, Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG hinsichtlich des bei ihr beschäftigten und am Stammkapital dieser Gesellschaft beteiligten Geschäftsführers sein kann. Zur Frage der die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit eines Dienstnehmers besonders kennzeichnenden Merkmale wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 415/75, und vom , Zl. 366/78,
Unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965,verwiesen.
Eine Gesellschaft mbH kann in ihrer Eigenschaft als "Komplementär-Ges. mbH" gegenüber dem zu ihr in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit - somit in einem die Versicherungspflicht begründenden Dienstverhältnis - stehenden Dienstnehmer Dienstgeber sein, da eine Wahrnehmung der Geschäftsführerfunktion durch die Gesellschaft mbH in einer KG ohne weiteres dem im § 35 Abs. 1 ASVG genannten Begriff "Tätigkeit" zugeordnet werden kann. Somit kommt es nur darauf an, daß die Gesellschaft mbH gegenüber ihrem Dienstnehmer - auch wenn dieser der Geschäftsführer dieser Gesellschaft mbH ist - die Funktion eines Dienstgebers entfaltet.
Da die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß eine "Komplementär-Ges. mbH" - deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH & Co KG zu sein - nie einen Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG haben und somit nie Dienstgeber ihres Geschäftsführers im Sinne dieser Gesetzesstelle sein kann, steht diese Rechtsansicht mit § 35 und § 4 Abs. 2 ASVG nicht im Einklang.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen. Im fortgesetzten Verfahren wird aber die belangte Behörde auch die Frage zu prüfen haben, ob dem Zweitbeschwerdeführer als Gesellschafter der Erstbeschwerdeführerin - dies im Hinblick auf dessen Dienstnehmereigenschaft im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - auf die Gestion der Erstbeschwerdeführerin ein beherrschender Einfluß zukommt oder nicht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1706/77, auf das unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 542. Da in einem, eine Sozialversicherungsangelegenheit betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die Gebührenbefreiungsbestimmung des § 110 Abs. 1 Z. 2 lit. a ASVG kein Anspruch auf Ersatz von entrichteten Stempelgebühren besteht, war das betreffende Mehrbegehren abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 6963/A).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 9925 A/1979 |
Schlagworte | Dienstnehmer Begriff Persönliche Abhängigkeit |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1979:1977001304.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-54561