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VwGH 25.06.1980, 1303/78

VwGH 25.06.1980, 1303/78

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
RS 1
Dient ein im Miteigentum stehendes Gebäude der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, dann verliert der von einem Miteigentümer für eigene Wohnzwecke genutzte Gebäudeteil dann nicht seinen Charakter als Einkunftsquelle bzw als Bestandteil einer Einkunftsquelle, wenn dieser Gebäudeteil AUS DER SICHT DER ANDEREN MITEIGENTÜMER in gleicher Weise der Erzielung von Einkünften dient, wie jene Gebäudeteile, die an Nichteigentümer vermietet werden. Eine Kürzung der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte um die auf die selbstbenutzten Gebäudeteile entfallenden Einnahmen und Ausgaben ist daher nicht vorzunehmen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Iro, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Gaismayer, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VII) vom , Zl. 6-2382/77, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1974 und 1975 der mitbeteiligten Partei WS, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist Hälfteeigentümerin eines Mietwohnhauses und benützt Teile dieses Hauses für eigene betriebliche sowie eigene Wohnzwecke. Die restlichen Gebäudeteile sind vermietet. Ebenso wie die übrigen Mieter zahlt auch die Mitbeteiligte an die Hausgemeinschaft laut Zinsliste den auf die von ihr benützten Gebäudeteile entfallenden Hauptmietzins und die anteiligen Betriebskosten. Die letzteren entfielen im Jahr 1974 laut Betriebskostenschlüssel mit 17,1 % auf die betrieblich genutzten und mit 16,95 % auf die Wohnzwecken dienenden Gebäudeteile. Ab verringerte sich der Betriebskostenanteil für die eigenen Wohnzwecken dienenden Gebäudeteile auf 13,55 %.

Das Finanzamt schied bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften aus dem Mietwohnhaus für die Jahre 1974 und 1975 die auf die betriebliche und außerbetriebliche Eigennutzung entfallenden Anteile an Einnahmen und Werbungskosten mit der Begründung aus, daß dem Einkommensteuergesetz 1972 die Besteuerung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus fremd sei, sodaß auch bei Hausgemeinschaften ein Mietverhältnis zwischen Miteigentümer und Miteigentümergemeinschaft einkommensteuerlich nicht anerkannt werden könne und zwar ungeachtet der Tatsache, daß ein solches zivilrechtlich möglich sei. Dementsprechend wurden die von der Hausgemeinschaft mit S 60.119,-- (1974) bzw. S 187.251,-- (1975) erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung auf S 33.119,-- (1974) bzw. S 159.734,-- (1975) herabgesetzt und der Mitbeteiligten sowie dem zweiten Miteigentümer je zur Hälfte zugerechnet.

Die Mitbeteiligte bestritt im Berufungsweg die Rechtsansicht des Finanzamtes und wies darauf hin, daß in Fällen, in denen ein Miteigentümer Gebäudeteile von der Miteigentümergemeinschaft miete, deren Nutzfläche weit über seinen ideellen Eigentumsanteil an der Gesamtnutzfläche hinausgehe, zweifellos auch steuerlich ein Mietverhältnis anzuerkennen sei. Im übrigen sei die Kürzung der Einnahmen- und Werbungskosten auch insoweit unrichtig, als sie zu Lasten beider Miteigentümer vorgenommen worden sei, ohne Rücksicht darauf, daß nur die Mitbeteiligte, nicht aber auch der zweite Hälfteeigentümer Gebäudeteile selbst nutze. Die Kürzung hätte sohin in jedem Fall nur ihren Anteil an den gemeinschaftlichen Einkünften berühren können.

Nach dem die für die beiden Streitjahre ergangenen abweisenden Berufungsvorentscheidungen durch Vorlageantrag gemäß § 276 BAO wirkungslos geworden waren, gab die belangte Behörde den Berufungen der Mitbeteiligten vollinhaltlich statt und setzte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärungsgemäß fest. Ebenso wie auf dem Gebiet der Umsatzsteuer sei auch einkommensteuerlich ein Mietverhältnis zwischen Miteigentümer und Miteigentümergemeinschaft anzuerkennen. Daraus folge, daß das Ausscheiden eines Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus bei Hausgemeinschaften unzulässig sei.

Diese Entscheidung bekämpft der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Die Überlegungen, die auf umsatzsteuerlichem Gebiet zur Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen Miteigentümer und Miteigentümergemeinschaft führen, seien auf das Einkommensteuerrecht nicht übertragbar. Dies schon deshalb, weil es ansonsten bei Hausgemeinschaften zur Besteuerung des Nutzungswertes der Wohnung im eigenen Haus kommen würde, die jedoch durch das Einkommensteuergesetz 1972 allgemein aufgehoben worden sei. Auch Mißbrauchsmöglichkeiten wären nicht auszuschließen. Die erstinstanzlichen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1974 und 1975 seien daher nur insoweit rechtswidrig, als das Finanzamt auch jene Einnahmen und Werbungskosten ausgeschieden habe, die anteilsmäßig auf die für eigene betriebliche Zwecke genutzten Gebäudeteile entfallen seien. Der auf diese Räumlichkeiten entfallende Mietzins sei nämlich „als eine Art Kostenverrechnung“ für ein von der Mitbeteiligten betrieblich genutztes, nicht im Betriebsvermögen befindliches Wirtschaftsgut zu betrachten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In Streit steht ausschließlich, ob in Fällen, in denen der Miteigentümer eines Gebäudes Gebäudeteile im Rahmen eines Mietverhältnisses zwischen Miteigentümer und Miteigentümergemeinschaft (Hausgemeinschaft) für eigene Wohnzwecke nutzt, die anteilig auf die Eigennutzung entfallenden Einnahmen und Ausgaben bei Ermittlung der einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auszuscheiden sind. Der beschwerdeführende Präsident bejaht dies mit dem Hinweis, daß in das Einkommensteuergesetz 1972 die bis dahin vorgesehene Besteuerung des Nutzungswertes der selbstbenutzten Wohnung im eigenen Haus nicht übernommen worden sei, und daß diesem Umstand auch bei Miteigentümergemeinschaften durch Herauslösung allfälliger Nutzungswertkomponenten aus den gemeinschaftlichen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Rechnung getragen werden müsse.

Bei Prüfung der vorliegenden Frage ist zunächst die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1972 zu beachten, wonach unter anderem die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zu diesen Aufwendungen gehören zweifelsfrei auch die Kosten für die Befriedigung der eigenen Wohnbedürfnisse. Die Mitbeteiligte bestreitet auch nicht, daß der auf die selbstbenutzte Wohnung im eigenen Haus entfallende Aufwand bei einem im Alleineigentum stehenden Gebäude ebensowenig absetzbar ist wie der Mietaufwand eines Wohnungsmieters. Sie verneint jedoch die Zulässigkeit einer entsprechenden Aufwandskürzung bei einem im Miteigentum stehenden Gebäude, welches teilweise von einem oder mehreren Miteigentümern für eigene Wohnzwecke benutzt wird. In einem solchen Fall sei nämlich davon auszugehen, daß der Miteigentümer die selbstbenutzte Wohnung als Mieter der Miteigentümergemeinschaft (Hausgemeinschaft) nutze und daß ein derartiges Mietverhältnis bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte der Hausgemeinschaft einkommensteuerlich nicht anders behandelt werden könne als das Mietverhältnis mit einem fremden Mieter. Diese Rechtsauffassung, der sich die belangte Behörde angeschlossen hat, wird auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt. Dient nämlich ein im Miteigentum stehendes Gebäude der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so verliert der von einem Miteigentümer für eigene Wohnzwecke genutzte Gebäudeteile dann nicht seinen Charakter als Einkunftsquelle bzw. als Bestandteil einer Einkunftsquelle, wenn dieser Gebäudeteil aus der Sicht der anderen Miteigentümer in gleicher Weise der Erzielung von Einkünften dient, wie jene Gebäudeteile, die an Nichteigentümer vermietet werden. Eine solche Betrachtungsweise ist geboten, weil im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Umfang einer Einkunftsquelle, an der mehrere Personen beteiligt sind, grundsätzlich nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen ist, um eine für alle Miteigentümer einheitliche rechtliche Beurteilung zu ermöglichen. Soweit daher ein im Miteigentum stehendes Objekt von der Miteigentümergemeinschaft in einer Art und Weise genutzt wird, die von ihrem wirtschaftlichen Ergebnis her gesehen den Charakter einer Einkunftsquelle im Sinne des Einkommensteuergesetzes hat, bleibt dieser Charakter auch dann im vollen Umfang erhalten, wenn einzelne Miteigentümer Teile des Objektes gegen ein angemessenes Entgelt nutzen. Dem steht auch § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG nicht entgegen, weil ein selbstnutzender Miteigentümer das an die Miteigentümergemeinschaft bezahlte Nutzungsentgelt einkommensteuerlich ebensowenig als Abzugspost geltend machen kann, wie ein Mieter den Mietaufwand für seine Wohnung.

Dem Hinweis des Präsidenten auf den Wegfall der sogenannten „Nutzungswert-Besteuerung“ ist entgegenzuhalten, daß deren Wesen darin bestand, an die Stelle des dem System des Einkommensteuergesetzes entsprechenden Einnahmenbegriffes einen Nutzungswert zu setzen, der wirtschaftlich gesehen der steuerlichen Berücksichtigung ersparter Ausgaben, nämlich ersparter Aufwendungen für die Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse, gleichkam und dessen Wegfall keinen unmittelbaren Einfluß auf die Frage hat, ob eine mehreren Personen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemeinsam zuzurechnende Einkunftsquelle grundsätzlich einheitlich oder subjektbezogen zu beurteilen ist.

Schließlich kann auch das Argument bestehender Mißbrauchsmöglichkeiten nicht überzeugen, weil ein Mißbrauch nur dann angenommen werden könnte, wenn ein Miteigentümer für die Selbstnutzung von Gebäudeteilen an die Miteigentümergemeinschaft kein angemessenes Entgelt entrichten würde. Wie bereits ausgeführt, wären aber in einem solchen Fall ohnedies die objektiv dann nicht mehr als Einkunftsquelle anzusehenden Gebäudeteile bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auszuscheiden.

Da sohin der angefochtene Bescheid nicht mit der vom Präsidenten behaupteten Rechtswidrigkeit belastet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1980:1978001303.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-54558

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