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VwGH 26.11.1975, 1303/75

VwGH 26.11.1975, 1303/75

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Norm
EStG 1967 §16 Abs3;
RS 1
Die bloße Unternehmensverpachtung stellt keine Betriebsaufgabe dar. Für eine solche wird im allgemeinen die mit der Verpachtung gleichzeitig verbundene Übertragung zumindest der wichtigsten, die Grundlage des Betriebes bildenden Wirtschaftgüter erforderlich sein.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schimetschek und die Hofräte Hofstätter, Dr. Karlik, Dr. Simon und Dr. Kirschner als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzoberkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg, Berufungssenat, vom , Zl. 2697-2/1974, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1972 der mitbeteiligten Partei AH in L, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, soweit mit dem angefochtenen Bescheid über die Einkommensteuer 1972 entschieden worden ist, aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteligte betrieb in L eine Automatenstickerei die er mit Ende des Jahres 1972 verpachtete. In einem Vorhalteverfahren brachte der Mitbeteiligte vor, daß er den Gewerbebetrieb voraussichtlich nochmals "anmelden" werde, da er nach einer Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt ein Jahr zur Pensionsbemessung zu wenig einbezahlt habe. Eine neuerliche Anmeldung des Gewerbebetriebes hänge von der "Kürzung" seiner Pension ab. Das Finanzamt wich bei der Veranlagung für 1972 - neben anderen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht strittigen Punkten - von der Einkommensteuererklärung ab, indem es eine in der Verpachtung gelegene Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG 1967 annahm. Dementsprechend errechnete es einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von S 631.894,--.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung und führte zum Streitpunkt unter Bezugnahme auf die hg. Rechtsprechung (Erkenntnis vom , Zl. 285/58, und vom , Zl. 712/64), die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes und des Bundesfinanzhofes sowie auf Literaturmeinungen aus, in der Verpachtung des Betriebes an seine Söhne sei keine Betriebsaufgabe gelegen, da er keine "diesbezügliche Erklärung" abgegeben habe, wie dies Lehre und Rechtsprechung verlange.

Das Finanzamt erließ eine Berufungsvorentscheidung, in der es der Berufung des Mitbeteiligten in der Frage der Betriebsaufgabe keine Folge gab. Der Mitbeteiligte sei im Zeitpunkt der Verpachtung 65 Jahre gewesen, er habe den Gewerbeschein zurückgelegt und um eine Pension nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz angesucht. Dies seien Umstände, die für eine Betriebsaufgabe sprächen. § 16 Abs. 3 EStG 1967 hätte keinen Sinn, wenn seine Anwendung ausschließlich im Ermessen des Steuerpflichtigen liege. Die Behauptung des Mitbeteiligten, daß er mit der Verpachtung des Betriebes nicht beabsichtige, diesen endgültig aufzugeben, stelle eine "subjektive Äußerung" dar, die der freien Beweiswürdigung unterliege. Die erwähnten Umstände ließen nach den Erfahrungen des Lebens darauf schließen, daß eine endgültige Betriebsaufgabe vorliege. Dies umsomehr, als die Pächter des Betriebes die Söhne und damit die voraussichtlichen Erben seien.

Diese Berufungsvorentscheidung gehört nicht mehr dem Rechtsbestand an, da der Mitbeteiligte einen Antrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO einbrachte.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten im Streitpunkt stattgegeben und ausgeführt:

Verwaltungslehre und Rechtsprechung stimmten darin überein, daß von der Aufgabe des Gewerbebetriebes nur dann gesprochen werden könne, wenn der Betrieb als solcher zu bestehen aufgehört habe. Dabei müsse es sich um einen einheitlichen Vorgang handeln, bei dem die Werte des Geschäftsvermögens in einem Zug entweder veräußert oder in das private Vermögen des bisherigen Betriebsinhabers überführt werden (siehe Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1526/68). Der Mitbeteiligte habe nach der Aktenlage nach Zurücklegung der Gewerbeberechtigung seinen Stickereibetrieb mit an einen seiner Söhne verpachtet. Es bestehe für ihn theoretisch sohin die Möglichkeit, bei Auflösung dieses Bestandverhältnisses den derzeit verpachteten Betrieb wieder selbst fortzuführen. Solange also der Mitbeteiligte keine Maßnahmen setzte, die eine Wiederaufnahme seines Stickereibetriebes durch ihn ausschlössen, könne von der Aufgabe des Gewerbebetriebes nicht gesprochen werden. Diese Rechtsauslegung finde auch ihre Bestätigung in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Zl. 712/64).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen vorgebracht:

Im Beschwerdefall sprächen mehrere Momente dafür, daß der Betrieb des Mitbeteiligten als solcher tatsächlich am zu bestehen aufgehört habe. Der Mitbeteiligte habe das 65. Lebensjahr vollendet und mit die Pension nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz in Anspruch genommen. Welters habe er mit Ablauf des Jahres 1972 seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt und seiner Betrieb ab an seine Söhne verpachtet. Mit der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung und der Verpachtung seiner beiden Stickermaschinen und des Stickereilokales habe der Mitbeteiligte die werbende Tätigkeit aufgegeben und seine sämtlichen Geschäftsbeziehungen auslaufen lassen. Mit Inanspruchnahme der Alterspension nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz, die das Erlöschen der Gewerbeberichtigung und die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit zur Voraussetzung habe, habe der Mitbeteiligte unmißverständlich seiner Absicht Ausdruck gegeben, die Ausübung seines Gewerbes zu beenden. Diese Fakten sowie die Tatsache, daß der Mitbeteiligte seinen Betrieb bisher nicht wieder aufgenommen habe, sprächen eindeutig gegen ein bloßes Ruhen des Gewerbebetriebes, worunter eine nur vorübergehende Einstellung des Betriebes in der Absicht, ihn wieder aufzunehmen, zu verstehen sei. Wohl wäre es in Zukunft möglich, daß der Mitbeteiligte den derzeit verpachteten Betrieb wieder selbst fortführe, jedoch - so habe auch die belangte Behörde selbst ausgeführt - nur theoretisch. Für die Beurteilung des streitgegenständlichen Vorganges könne jedenfalls nicht der Umstand maßgebend sein, daß der Mitbeteiligte bisher keine Maßnahmen gesetzt habe, die eine Wiederaufnahme seines Stickerbetriebes durch ihn selbst ausschlössen, sondern es seien die tatsächlich gesetzten Akte ausschlaggebend. Diese führten jedoch insgesamt zu dem Schluß, daß der Lohnstickereibetrieb des Mitbeteiligten mit Ablauf des zu bestehen aufgehört habe und die Werte des Betriebsvermögens in das Privatvermögen des bisherigen Betriebsinhabers überführt worden seien (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1554/69). Somit sei eine Veräußerung in Form der Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG 1967 gegeben.

Der Verwaltungserichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

In Abs. 3 des von der Veräußerung des Gewerbebetriebes handelnden § 16 EStG 1967 ist bestimmt, daß auch die Aufgabe des Gewerbebetriebes als Veräußerung gilt, so daß auch bei der Überführung der Wirtschaftsgüter des Betriebes in das Privatvermögen im Zuge der Betriebsaufgabe(-veräußerung) ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn entstehen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit der mit Beschwerdefall strittigen Frage, ob in der Verpachtung eines Gewerbebetriebes eine Betriebsaufgabe im beschriebenen Sinn zu verstehen ist, schon öfter befaßt (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 285/58, vom , Zl. 1064/61, Slg. Nr. 2537/F, vom , Zl. 2233/61, Slg. Nr. 2779/F, vom , Zl. 712/64, und vom , Zl. 1526/68, Slg. Nr. 4072/F). Aus dieser Rechtsprechung läßt sich die Regel ableiten, daß die bloße Unternehmensverpachtung keine Betriebsaufgabe darstellt. Für eine solche wird im allgemeinen die mit der Verpachtung gleichzeitig verbundene Übertragung zumindestens der wichtigsten, die Grundlage des Betriebes bildenden Wirtschaftsgüter erforderlich sein. Anderseits hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 1554/69, Slg. Nr. 4224/F, im Falle des bisherigen Eigentümers eines Gasthauses, der dieses wegen Krankheit verpachtet, seine Gewerbeberechtigung zurückgelegt hatte, um eine Pension nach dem Gewerblichen Selbständigen-Pensionsversicherungsgesetz zu beziehen, ferner - mit Ausnahme des Gebäudes und eines Kühlraums - sein Anlage- und Umlaufvermögen verkauft hatte, das Vorliegen einer Betriebsaufgabe bejaht.

Vergleicht man diese Rechtsprechung mit den Verhältnissen des Beschwerdefalles, so ergibt sich zunächst, daß der Verwaltungsgerichtshof im Gegensatz zur bundesdeutschen Rechtsprechung die Beantwortung der Frage, ob eine Verpachtung eine Betriebsaufgabe ist, nie auf eine Willenserklärung des Verpächters abgestellt hat. Das hat auch für den Fall, des Mitbeteiligten zu gelten, denn der Verwaltungsgerichtshof vertritt die Rechtsansicht, daß Grund und Ausmaß der Steuerbelastung des Steuerpflichtigen - von besonderen gesetzlichen Regelungen bei Abgabenbegünstigungen abgesehen - nicht von der subjektiven Willensbildung des Steuerpflichtigen abhängig sind. Aus der Bezugnahme des Mitbeteiligten auf die deutsche Rechtsprechung - so zweckmäßig diese zur Vermeidung von Streitigkeiten auch sein mag - ist daher für den Standpunkt des Mitbeteiligten bei der geltenden Rechtslage nichts gewonnen. Aus der dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich vielmehr, daß die strittige Frage nur nach den besonderen Gegebenheiten des einzelnen Falles gelöst werden kann.

Dem Beschwerdeführer und mit ihm dem Finanzamt ist einzuräumen, daß vorliegendenfalls gewichtige Umstände für eine endgültige Einstellung des Gewerbebetriebes des Mitbeteiligten und - damit verbunden - eine Übertragung der nichtveräußerten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in das Privatvermögen sprechen. Es sind dies vor allem das Alter des Mitbeteiligten in Verbindung mit der Tatsache, daß er seine Gewerbeberechtigung zurücklegte und die Zuerkennung einer Pension für selbständige Gewerbetreibende beantragte. Auch die Betriebsverpachtung an die Söhne des Mitbeteiligten läßt auf Betriebsaufgabe schließen, ist es doch so, daß sowohl bei einer Übereignung als auch bei einer Verpachtung eines Gewerbebetriebes durch den Vater an seine Kinder vielfach bereits Motive im Hinblick auf eine künftige Rechtsnachfolge ausschlaggebendes Gewicht haben können.

Aus den angeführten Gründen allein ist aber die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit dennoch nicht mit Bestimmtheit erkennbar. Für eine solche Schlußfolgerung fehlen nämlich Feststellungen der belangten Behörde über den Inhalt des vom Mitbeteiligten mit seinen Söhnen (oder seinem Sohn) mündlich abgeschlossenen Pachtvertrages. Derartige Feststellungen wären aber deswegen notwendig gewesen, weil der Mitbeteiligte schon im Verwaltungsverfahren ausgeführt hatte, daß er eine neuerliche "Anmeldung" - d.h. wohl eine Wiederaufnahme seiner Betriebstätigkeit auf eigene Rechnung - in Erwägung ziehe. Diesem Argument käme gegebenenfalls Bedeutung zu, wenn die Vereinbarung zwischen dem Mitbeteiligten und seinen Söhnen derart gestaltet wäre, daß der Mitbeteiligte die Verpachtung nur kurzfristig oder gegen verhältnismäßig kurze Kündigungsfrist vorgenommen hätte. In Richtung auf diese nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes streitentscheidenden Sachverhaltselemente hat aber die belangte Behörde überhaupt keine Feststellungen getroffen. Daraus folgt, daß der angefochtene Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet ist, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 lit. c 2 Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben war. Daß der Beschwerdeführer diese Rechtswidrigkeit nicht gerügt hat, ist unerheblich, weil wesentliche Verfahrensmängel vom Verwaltungsgerichtshof auch im Rahmen einer wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobenen Beschwerde aufgegriffene werden können.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Norm
EStG 1967 §16 Abs3;
Sammlungsnummer
VwSlg 4919 F/1975
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1975:1975001303.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-54556