VwGH 16.12.1969, 1302/69
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Der beschwerdeführende Sohn des mittlerweile verstorbenen grunderwerbsteuerpflichtigen Käufers, welcher nicht Erbe nach seinem Vater ist, aber die gegenständliche Liegenschaft im Übergabsweg bei Lebzeiten des Vaters von diesem außerbücherlich erworben hat, ist nicht Partei iSd § 303 Abs 1 BAO. Hat die Abgabenbehörde einen Wiederaufnahmeantrag des Sohnes, betreffend die Grunderwerbsteueranforderung auf Grund des seinerzeitigen Kaufvertrages, meritorisch abgewiesen statt wegen mangelnder Legitimation zurückgewiesen, so wurde der Beschwerdeführer in keinem subjektiven Recht verletzt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dkfm. DDr. Dorazil und die Hofräte Dr. Frühwald, Dr. Riedel, Dr. Schima und Dr. Reichel als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Smekal, über die Beschwerde des JM in L, vertreten durch Dr. Egon Schmidt, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, Bahnhofstraße 21, gegen die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. 225/1-III-1969, betreffend Wiederaufnahme eines Grunderwerbsteuerverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Salzburg) Aufwendungen in der Höhe von S 319,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
LM, der Vater des Beschwerdeführers und damalige Eigentümer des O.-Gutes, kaufte mit Vertrag vom von JS die im Grundbuch der Katastralgemeinde U., Gerichtsbezirk S., vorgetragene Liegenschaft EZ. 45 um den Betrag von S 135.000,--. Der Urkundenverfasser und nunmehrige Beschwerdevertreter Rechtsanwalt Dr. ES zeigte dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Salzburg am diesen Erwerbsvorgang an. Der Käufer beantrage, so hieß es in der Abgabenanzeige, die Befreiung von der Leistung der Grunderwerbsteuer, da er den Kauf zum Zwecke der besseren Bewirtschaftung seiner kleinen Landwirtschaft getätigt habe. Der Käufer werde eine Zweckdienlichkeitsbescheinigung des Amtes der Salzburger Landesregierung - Agrarbehörde - vorlegen.
Wenige Tage vor seinem Tode, und zwar im , schloß der Vater des Beschwerdeführers mit diesem einen Übergabsvertrag, worin der Vater des Beschwerdeführers diesem u. a. das außerbücherliche Eigentum an der in Rede stehenden Liegenschaft EZ. 45 des Grundbuches U. übertrug.
Wie aus dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Verlassenschaftsakt des Bezirksgerichtes S., GZl. A 102/66 hervorgeht, ist der Vater des Beschwerdeführers am gestorben. Neben dem Beschwerdeführer hinterließ LM fünf weitere eheliche Kinder. In der Todfallsaufnahme des Ver1assenschaftsgerichtes wurde auf die Besitzübergabe vom ausdrücklich Bezug genommen. Mit Beschluß des genannten Bezirksgerichtes vom wurde die gegenständliche Verlassenschaft im Grunde des § 72 Abs. 1 des Kaiserlichen Patentes vom 9. August 1854, RGBl. Nr. 208, armutshalber abgetan.
Dem Finanzamt blieb das Ableben des LM offenbar unbekannt. Am richtete es an den Beschwerdevertreter als Urkundenverfasser des Kaufvertrages vom die Aufforderung, die für den Kaufvertrag gemäß § 4 Abs. 1 Z. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 140, (GrEStG) geltend gemachte Abgabenbegünstigung durch Vorlage der sogenannten Zweckdienlichkeitsbescheinigung der zuständigen Behörde bis zum zu belegen, widrigenfalls die Steuer vorgeschrieben werden müßte.
Rund 1 3/4 Jahre später, nämlich am , forderte das Finanzamt, ohne daß ihm die Zweckdienlichkeitsbescheinigung zukam, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 138.500,-- von LM für den Erwerbsvorgang vom die achtprozentige Grunderwerbsteuer im Betrage von S 11.080,-- an. Der Bescheid wurde an den inzwischen verstorbenen Vater des Beschwerdeführers, zuhanden des Rechtsanwaltes Dr. S, gerichtet. Am richtete der Beschwerdeführer als „Rechtsnachfolger nach LM“ an das Finanzamt ein Stundungsgesuch bis zur Erledigung des Antrages auf Befreiung von der Entrichtung der Grunderwerbsteuer. Der Beschwerdeführer brachte vor, daß beim Amt der Salzburger Landesregierung ein „Antrag auf Befreiung zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer“ laufe. Da es sich im gegenständlichen Fall um eine Grundaufstockung handle, sei sicher mit einer positiven Erledigung zu rechnen.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Beschwerdeführer u. a. die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens. Er behauptete, seine Erhebungen beim Amt der Salzburger Landesregierung - Agrarbehörde - am hätten ergeben, daß bei seinem Grunderwerbe (gemeint der Kaufvertrag JS - LM) nunmehr der Tatbestand der Besitzaufstockung gegeben sei und daß ihm die Behörde auch die Siedlungsgenehmigung im Laufe der nächsten 14 Tage ausstellen werde. Der Beschwerdeführer stellte daher den Antrag, in gegenständlicher Grunderwerbsteuersache die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gemeint offenbar: Wiederaufnahme des Verfahrens) zu bewilligen und nach Vorlage der Siedlungsgenehmigung die Befreiung von der Leistung der Grunderwerbsteuer auszusprechen. Das Amt der Salzburger Landesregierung - Agrarbehörde - I. Instanz übermittelte dem Finanzamt am die Ausfertigung seines Bescheides vom , demzufolge u. a. gemäß §§ 1 (2 b) und 3 (5) des Salzburger landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes, LGBl. Nr. 64/1963, festgestellt wurde, daß der Kaufvertrag vom eine Siedlungsmaßnahme darstelle. In der Begründung dieses agrarbehördlichen Bescheides wurde dargelegt, daß der Ankauf der Liegenschaft EZ. 45 des Grundbuches U. durch LM eine zweckmäßige Besitzaufstockung im Sinne des landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes darstelle.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet ab. Das Finanzamt hielt dem Beschwerdeführer in der Begründung dieses Bescheides entgegen, der nachträgliche Bescheid der Agrarbehörde, daß es sich beim streitgegenständlichen Erwerb um eine Siedlungsmaßnahme handle, stelle, „wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt entschieden“ habe, keinen Wiederaufnahmegrund dar. Abgesehen davon sei das Salzburger landwirtschaftliche Siedlungsgesetz 1966 (gemeint offenbar 1963) auf den gegenständlichen Grunderwerbsteuervorgang noch nicht anwendbar.
Mit dieser Entscheidung nicht zufrieden, erhob der Beschwerdeführer Berufung, worin er u. a. vorbrachte, daß sich der Wiederaufnahmeantrag auf § 303 Abs. 1 lit. c der Bundesabgabenordnung vom , BGBl. Nr. 194, (BAO) stütze. Das. Salzburger landwirtschaftliche Siedlungsgesetz sei auf vorliegenden Vertrag anwendbar. Der Bescheid der Salzburger Landesregierung, in dem festgestellt werde, daß es sich bei vorliegendem Rechtsgeschäft um eine Siedlungsmaßnahme handle, stelle eine nachträgliche rechtskräftige Entscheidung einer kompetenten Behörde dar.
Mit der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsentscheidung vom hat die Finanzlandesdirektion für Salzburg die gegenständliche Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer entgegengehalten, daß das Salzburger landwirtschaftliche Siedlungsgesetz vom , LGBl. Nr. 64/1963, für die Frage des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Grunderwerbsteuerschuld nicht herangezogen werden könne, da ein Landesgesetz nicht über eine Bundesabgabe zu entscheiden habe. Der Bescheid vom sei unbestrittenermaßen bis zum in Rechtskraft erwachsen. Im vorliegenden Fall sei eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO nicht möglich, weil der Bescheid vom nicht von einer Vorfrage abhängig gewesen sei, über die dann mit Bescheid der Agrarbehörde des Amtes der Salzburger Landesregierung vom anders entschieden worden sei. Die Grunderwerbsteuerfreiheit für eine „Grundaufstockung“ sei erstmals mit Eingabe vom geltend gemacht worden. Demnach sei diese „Vorfrage“ im seinerzeitigen Ermittlungsverfahren gar nicht aufgetaucht. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde u. a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 867 - 870/68, verwiesen. Auch für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem § 303 Abs. 1 lit. b oder Abs. 4 BAO lägen die Voraussetzungen nicht vor, weil die Tatsache der Aufstockung im Steuerverfahren noch nicht vorhanden gewesen sei, sondern erst später entstanden sei. Auch die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nicht gegeben.
Gegen diese Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b und c BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und ..... b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Abgabenbehörden haben nun das Recht des Beschwerdeführers, den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag zu stellen, offensichtlich bejaht, da sie über den Antrag des Beschwerdeführers, wenn auch im abweislichen Sinne, so doch meritorisch, entschieden haben. Sie sind von der Annahme ausgegangen, der Beschwerdeführer wäre Rechtsnachfolger nach LM, der Partei des Kaufvertrages vom und damit Grunderwerbsteuerschuldner gewesen. Nun ist es richtig, daß den Erben mit Rücksicht auf ihre Stellung als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich die Wiederaufnahmsgründe des Rechtsvorgängers zu Gebote stehen (vgl. Reeger-Stoll: Kommentar zur Bundesabgabenordnung, S. 949), denn bei Gesamtrechtsnachfolge geht gemäß § 19 Abs. 1 BAO die Abgabenschuld des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Der Einzelrechtsnachfolger hingegen ist aber nur ausnahmsweise zur Geltendmachung der Wiederaufnahme des Verfahrens legitimiert(so z. B. im Falle der Erlassung von Feststellungsbescheiden oder Grundsteuermeßbescheiden, welche gemäß § 191 Abs. 3 bzw. gemäß § 194 Abs. 5 BAO auch gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger wirken).
Wie oben dargelegt, ist aber der Beschwerdeführer, weil das Verlassenschaftsverfahren nach dem Vater des Beschwerdeführers armutshalber abgetan wurde, nicht Erbe und damit auch nicht Gesamtrechtsnachfolger nach seinem Vater. Er ist aber auch nicht im gegenständlichen Wiederaufnahmeverfahren Partei dadurch geworden, daß er das O.-Gut und die Liegenschaft EZ. 45 des Grundbuches U. von seinem Vater noch zu Lebzeiten desselben im Übergabsweg erworben hat. Dieser Übergabsvertrag hat die bestehenden Verpflichtungen zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer im Grunde des zwischen JS und dem Vater des Beschwerdeführers geschlossenen Kaufvertrages vom in keiner Weise betroffen. Die Grunderwerbsteuerschuld des Vaters des Beschwerdeführers ist durch den Abschluß des Übergabsvertrages vom an sich nicht auf den Beschwerdeführer übergegangen. Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer nicht Partei im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO gewesen ist. Sein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend die Bemessung der Grunderwerbsteuer vom Kaufvertrag vom wäre schon aus diesem Grunde zurückzuweisen und nicht abzuweisen gewesen. Dadurch, daß die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers nicht zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat, wurde dieser in keinem subjektiven Recht verletzt. Seine Beschwerde war daher gemäß § 41 Abs. 1 VwGG 1965 schon deshalb als unbegründet abzuweisen, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzugehen war.
Die belangte Behörde hat für den Fall ihres Obsiegens Vorlageaufwand und Schriftsatzaufwand von S 319,-- geltend gemacht. Diesem Begehren war gemäß § 47 Abs. 1 und 2 lit. b, § 48 Abs. 2 lit. a und b, § 49 Abs. 2 und § 59 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzleramtes vom , BGBl. Nr. 4, zu entsprechen.
Die Festsetzung der zweiwöchigen Leistungsfrist gründet sich auf § 59 Abs. 4 VwGG 1965.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:1969:1969001302.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
IAAAF-54554