VwGH 20.04.1956, 1278/55
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Kosten des Rückstellungsverfahrens sind voll abzugsfähig, wenn nach der Sachlage eine Rückstellung von Erträgnissen - auch von solchen, die im zurückgestellten Vermögen enthalten sind - nicht in Betracht kommt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Rat Dr. Ondraczek und die Räte Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer, Dr. Dorazil und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde des RF in W, gegen den Bescheid der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. VI - 2511/54, betreffend Einkommensteuer und Gewerbesteuer für 1950, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Josef Kladensky, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.
Begründung
Der Frau ES war seinerzeit - anscheinend von JG - ein Erwerbsunternehmen samt Geschäftslokal im Arisierungswege entzogen worden. Das Geschäftslokal stand im Jahre 1945 leer, es befand sich aber dort die Geschäftseinrichtung, die vom Finanzamt gepfändet worden war. Im Jahre 1945 wurde der Beschwerdeführer vom Wohnungsamt in das Geschäftslokal eingewiesen, eröffnete dort einen Gewerbebetrieb und übernahm im Wege eines Übernahmsantrages die gepfändete Geschäftseinrichtung um den Betrag von 5.328 S. In seinen Bilanzen berechnete er in der Folge von der Geschäftseinrichtung die laufenden Absetzungen für Abnutzung (AfA). Im Jahre 1948 brachte ES gegen JG und gegen den Beschwerdeführer einen Antrag auf Rückstellung des im genannten Geschäftslokal bis zum Ende des Jahres 1941 betriebenen Strick- und Wirkwarengeschäftes und auf Herausgabe der Erträgnisse ein. (Sie bewertete den Streitgegenstand mit 200.000 S) Am schlossen die Parteien des Rückstellungsverfahrens vor der Rückstellungskommission einen Vergleich, in dem die Antragstellerin und JG untereinander und ebenso JG und der Beschwerdeführer untereinander auf ihre Ansprüche und Gegenansprüche aus der Rückstellung verzichteten. Hingegen verpflichtete sich der Beschwerdeführer, der ES entweder binnen sieben Monaten die im Vergleich bezeichneten Gegenstände der Geschäftseinrichtung herauszugeben und die zur Erlangung des Mietrechtes am Geschäftslokal und zur Erlangung der Gewerbeberechtigung erforderlichen Erklärungen abzugeben oder den Betrag von 70.000 S zu bezahlen, von denen 60.000 S im Jahre 1950 fällig werden sollten. Mit der Erfüllung dieser Bedingungen sollten alle Ansprüche und Geldansprüche aus der Rückstellung entfertigt sein. Der Beschwerdeführer hatte auf Grund eines Erlasses des Bundesministeriums für Finanzen, der vor der Fällung des hg. Erkenntnisses vom , Slg. Nr. 352/F, ergangen war, in der für das Jahr 1950 überreichten Bilanz einen Firmenwert von 80.122 S ausgewiesen, diese Bilanz aber vor Erlassung des Steuerbescheides noch dahin berichtigt, daß er an Stelle eines Firmenwertes eine Ablöse von 70.000 S und Kosten des Rückstellungsverfahrens von 10.122 S auswies. Von dem Betrag von 70.000 S aktivierte er 25.000 S auf Geschäftseinrichtung (angeblich nach den damaligen Wiederbeschaffungskosten) und 45.000 S auf das Mietrecht (damals entsprechende Ablöse für ein Geschäftslokal in einer bevorzugten Geschäftsstraße). Für die Geschäftseinrichtung nahm er mit Rücksicht auf die seit dem Erwerb verstrichene Zeit von vier Jahren AfA von jährlich 16 %, für das Mietrecht solche von jährlich 20 % in Anspruch, bemerkte aber unter einem, daß für das Mietrecht eine Abschreibung von 33,33 % angemessen sei.
Das Finanzamt schied aus dem Entfertigungsbetrag von 70.000 S einen angenommenen Rückstellungsverlust von 2.131,20 S aus (dieser Betrag entsprach allerdings nicht dem um die zwischenzeitliche Absetzung für Abnutzung verminderten Wert der angeschafften Geschäftseinrichtung, sondern den AfA für die Zeit von vier Jahren unter Annahme eines Jahressatzes von 10 %) und erkannte ihn als Betriebsausgabe an, während es den Restbetrag von 67.868,80 S in dem vom Beschwerdeführer beantragten Verhältnis auf die Geschäftseinrichtung und auf das Mietrecht verteilte. In beiden Fällen erkannte es nur AfA von 10 % (für das Jahr 1950 nur auf 6 Monate, also im Ergebnis 5 %) an. Ferner berechnete es den Teil der geltend gemachten Kosten des Rückstellungsverfahrens, der verhältnismäßig auf den anerkannten Rückstellungsverlust entfiel und ließ nur diesen Betrag als abzugsfähige Betriebsauslage gelten.
Der Beschwerdeführer berief. Er stellte den Restwert der Geschäftseinrichtung auf 3.196 S richtig und wendete sich gegen die vom Finanzamt vorgenommene Änderung des Satzes der AfA für das Mietrecht und die Geschäftseinrichtung sowie gegen die verhältnismäßige Kürzung der Verfahrenskosten. Der Mietvertrag über die Geschäftsräume sei nur auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Das Gebäude, in dem sich die gemieteten Räume befinden, unterliege selbst der Rückstellung und der Rückstellungsberechtigte könne das Mietverhältnis jederzeit unter Angabe eines wichtigen Grundes kurzfristig kündigen. Ein so zweifelhaftes Mietrecht müsse mit 33,33 % abgeschrieben werden. Die dem Rückgeber in einem Rückstellungsverfahren erwachsenden Anwalts- und Gerichtskosten seien im vollen Umfang Betriebsausgabe. Dem Beschwerdeführer seien beim Erwerb des Geschäftslokales die Rechtsverhältnisse nicht bekannt gewesen und er sei, ohne an einer Entziehung beteiligt gewesen zu sein, in ein Rückstellungsverfahren hineingezogen worden. Bei den Aufwendungen in diesem Rückstellungsstreit handle es sich also um Abwehrkosten, die als Betriebsausgabe den steuerpflichtigen Gewinn mindern.
Das Finanzamt erließ einen Einspruchsbescheid, in dem es zwar den Rückstellungsverlust mit dem Betrage von 3.196,80 S anerkannte und nur den Restbetrag von 66.803,20 S der Ablöse im Verhältnis von 25:45 auf Aktivierungen für Geschäftseinrichtung und Geschäftslokal anrechnete, an dem seinerzeit anerkannten Satz der AfA für diese aktivierten Güter aber nichts änderte. Ebenso wurde der Betrag der Prozeßkosten nur mit dem verhältnismäßig auf den anerkannten Rückstellungsverlust entfallenden Teil als Betriebsausgabe anerkannt. Bezüglich des Satzes der AfA für die Geschäftseinrichtung enthielt der Einspruchsbescheid keine Begründung. Der Beschwerdeführer beantragte darauf die Entscheidung des Berufungssenates. In diesem Antrag erklärte er, in welchen Punkten er seine Berufung aufrecht erhalte. Dies waren die AfA für das Mietrecht und die Behandlung der vollen Verfahrenskosten als Abwehrkosten. Er fügte bei, die von ihm in der Berufung vorgeschlagene Tilgungsquote von jährlich einem Drittel für das Mietrecht und die Aufwertung der Geschäftseinrichtung sei ein Kompromißvorschlag gewesen. Er behalte sich vor, im Wege der weiteren Berufungsverhandlungen bzw. in einer vielleicht notwendig werdenden Eingabe an den Verwaltungsgerichtshof „die volle Absetzbarkeit der Mietrechte und die Bewertung der Büroeinrichtung zu beantragen“.
Die Berufungskommission hat zwar im selben Ausmaß wie der Einspruchsbescheid des Finanzamtes die Vorschreibung der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer herabgesetzt, hat aber das Begehren des Beschwerdeführers, jährlich ein Drittel des aktivierten Mietrechtes abzuschreiben und die im Rückstellungsverfahren entstandenen Prozeßkosten im vollen Umfang als Betriebsausgabe anzuerkennen, abgewiesen. Das Mietverhältnis habe seit dem , also mehr als 4 1/2 Jahre bestanden, sodaß schon deshalb eine Abschreibung des Mietrechtes mit jährlich 33,33 % nicht gerechtfertigt sei. Bei einem Bestandverhältnis auf unbestimmte Zeit müsse vielmehr eine Dauer von zehn Jahren angenommen werden. Sollte es zu einer früheren Auflösung kommen, dann könne der Restwert im Jahre der Räumung des Mietgegenstandes zu Lasten des Gewinnes abgeschrieben werden. Die im Rückstellungsverfahren erwachsenen Kosten seien nur so weit Betriebsausgaben, als sie auf die Rückstellung des entzogenen Vermögensstammes entfallen.
In der gegen diesen Bescheid der Berufungskommission beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Beschwerde wird eingewendet, der gesamte Abfertigungsbetrag sei zur Abwehr einer Gefahr aufgewendet worden, die die wirtschaftliche Existenz des Beschwerdeführers bedroht habe. Folglich sei dieser Betrag im vollen Umfang Betriebsausgabe des Jahres 1950. Die Aufteilung des Entfertigungsbetrages auf eine Ablöse für ein Mietrecht und auf eine solche für eine Geschäftseinrichtung beruhe auf einer unzutreffenden Auskunft des Steuerberaters. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung könne aber dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Im übrigen wiederholt der Beschwerdeführer die Ausführungen im Berufungsverfahren. Auch der Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig weil entgegen den Bestimmungen des Rückstellungsvergleiches angenommen worden sei, daß der Beschwerdeführer den Betrag von 70.000 S für einzelne Vermögenswerte bezahlt habe. Die im Rückstellungsverfahren entrichteten Anwaltskosten stünden mit dem Hauptgegenstand des Rückstellungsverfahrens im engen Zusammenhang und seien deshalb im vollen Umfang als Betriebsausgaben abzuziehen. Schließlich begehrte der Beschwerdeführer den Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Der Streit geht darum, ob der Betrag, zu dessen Bezahlung sich der Beschwerdeführer im Rückstellungsvergleich verpflichtet hat, und ob die Kosten des Rückstellungsstreites selbst den steuerpflichtigen Gewinn für das Jahr 1950 mindern. Die buchmäßigen Verluste, die sich aus der Verpflichtung zur Rückstellung entzogenen Vermögens nach dem Dritten Rückstellungsgesetz ergeben, sind - soweit sie den Vermögenstamm betreffen - bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewinnmindernd oder verlustbildend in Rechnung zu stellen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 352/F, dargelegt. In eben diesem Umfang ist eine Ablöse absetzbar, die aus Mitteln des Betriebes geleistet wird, um den mit der Rückstellung verbundenen Verlust abzuwehren (hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 386/F). Der Beschwerdeführer hat nun im Berufungsverfahren selbst nichts anderes begehrt, als den Betrag von 3.196,80 S (Restbuchwert der Geschäftseinrichtung) und die gesamten Kosten im Rückstellungsverfahren als Betriebsausgaben anzuerkennen, den Restbetrag von 66.803,20 S der Ablösesumme aber verhältnismäßig als Anschaffungskosten im Verhältnis von 25 : 45 auf Geschäftseinrichtung und auf Mietrechte zu aktivieren und für diese aktivierten Posten laufende AfA in bestimmter Höhe als Betriebsausgaben zuzulassen. Streitgegenstand waren also im Berufungsverfahren nur die AfA und die Kosten des Rückstellungsverfahrens. Wenn sich der Beschwerdeführer im Antrag auf Entscheidung des Berufungssenates vorbehalten hat, auch die Beträge, deren Aktivierung er beantragt hatte, „im Wege der weiterten Berufungsverhandlungen“ oder im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im vollen Umfang als Betriebsausgaben geltend zu machen, so ist dieser Vorbehalt unbeachtlich. Die Akten geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides sein Berufungsbegehren im diesem Sinne geändert habe. Ein Begehren, das nicht im Verwaltungsverfahren gestellt worden ist, kann aber, auch wenn im Verwaltungsverfahren ein entsprechender Vorbehalt gemacht wurde, nicht wirksam vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden. Somit kann im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gleichfalls nur über die Frage der Angemessenheit der AfA für die Mietrechte (nicht mehr für die Geschäftseinrichtung) und über den Abzug der Kosten des Rückstellungsverfahrens entschieden werden. Die belangte Behörde hat aber im angefochtenen Bescheid den von ihr zugestandenen Absetzungssatz von jährlich 10 % für die Mietrechte schlüssig begründet und der Beschwerde kann somit in diesem Belange kein Erfolg beschieden sein.
Dagegen waren die mit dem Betrag von 10.122 S ausgewiesenen Kosten des Rückstellungsverfahrens, weil nach dem Vergleich eine Rückstellung von Erträgnissen nicht in Betracht kam, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinnes im vollen Umfang abzuziehen.
Da der angefochtene Bescheid nur einen (geringfügigen) Teil der Kosten des Rückstellungsstreites anerkannt hat, war er wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof konnten dem Beschwerdeführer aus den Gründen, die der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom , Slg. Nr. 381/F, ausführlich dargelegt hat, nicht zugesprochen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 1410 F/1956 |
Schlagworte | Betriebsausgaben Rückstellungsverlust |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1956:1955001278.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-54471