VwGH 08.12.1950, 1276/47
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | Ein Gutsbetrieb, der nicht zur Erzielung eines Gewinnes, sondern zu anderen Zwecken, insb zur Erholung oder zum Vergnü+gen des Besitzers betrieben wird, ist steuerlich nicht als Land- und Forstwirtschaft, sondern als Liebhaberei zu werten. |
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RS 2 | Zur Feststellung der Voluptuareigenschaft eines LANDWIRTSCHAFTLICHEN Gutes ist wohl in erster Linie objektiven Merkmalen, wie der Art der Bewirtschaftung oder der Ertragsmöglichkeit, Gewicht beizumessen, doch sollen auch subjektive Momente, wie die Beweggründe zum Ankauf, der Aufenthalt auf dem Gute, das Vorhandensein anderer Einkommensquellen, die Lage des Gutes ua, in Erwägung gezogen werden. - Ein Gutsbetrieb, der nicht zur Erzielung eines Gewinnes, sondern zu anderen Zwecken, insbesondere zur Erholung oder zum Vergnügen des Besitzers betrieben wird, ist steuerlich nicht als Landwirtschaft und Forstwirtschaft, sondern als Liebhaberei zu werten. |
Entscheidungstext
Betreff
Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Höslinger, Dr. Donner und Dr. Porias als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Eichler als Schriftführer, über die Beschwerde des KK in W, gegen den Bescheid des Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom , GA III - 2264 - 1947, betreffend Verlustabzug bei Einkommensteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Direktor der T-A.G. K. Im Jahre 1931 erwarb er das Gut G in G. Dieses Gut umfasst ca. 604 ha, von denen 42 ha als Wiese und Weidegrund, 535 ha als Wald und 27 ha als Oedland zu werten sind. Nach einem Bericht des Finanzamtes Mürzzuschlag liegt dieser Besitz 7 km von M entfernt in einer landschaftlich schönen Gegend, in der sich noch mehrere Güter von Industriellen befinden. Das Betriebsergebnis wies mit Ausnahme der Jahre 1942 und 1943 ständig Abgänge auf. Nach den Einkommensteuererklärungen ergeben sich hiezu folgende Vergleichsziffern:
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1932 | Verlust | S 41.500,-- |
1933 | Verlust | S 11.585,-- |
1934 | Verlust | S 30.000,-- |
1935 | Verlust | S 25.000,-- |
1936 | Verlust | S 23.000,-- |
1937 | Verlust | S 20.037,-- |
1938 | Verlust | RM 6.302,-- |
1939 | Verlust | RM 3.329,-- |
1940 | Verlust | RM 849,-- |
1941 | Verlust | RM 1.722,-- |
1942 | Gewinn | RM 423,-- |
1943 | Gewinn | RM 319,-- |
1944 | Gewinn | RM- |
1945 | Verlust | S 17.303,-- |
Bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 1938 wurde der Verlust aus der Landwirtschaft nicht als Abzugspost anerkannt und zwar mit der Begründung, dass der Besitz dieses Gutes als „Liebhaberei“ anzusehen sei. Der Beschwerdeführer hat gegen diese Annahme Stellung genommen und darauf verwiesen, dass das Gut keinerlei Luxuseinrichtung besitze, in zweckentsprechender Weise bewirtschaftet werde und daher als Ertragsgut zu werten sei. Der Verlust sei daraus zu erklären, dass das Gut in völlig herabgewirtschaftetem Zustand übernommen worden sei und dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse von Gütern mit Milch- und Holzwirtschaften in den Jahren vor 1938 ganz allgemein katastrophal verschlechtert hätten. Das Verfahren ging bis zum Reichsfinanzhof, der in dem Erkenntnis vom , AZ. VI 78/42, unter Bezugnahme auf die Vorentscheidungen vom , VI A 1230/31, Reichssteuerblatt 1934 S. 501, vom , VI A 608/37, Reichssteuerblatt 1937 S. 1232, und vom , VI 70/39, Reichssteuerblatt 1939 S. 865, zunächst festhielt, dass die Frage, ob ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des Einkommensteuergesetzes oder ob eine Liebhaberei vorliege, regelmässig nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden ist. In den weiteren Ausführungen verwies der Reichsfinanzhof darauf, dass Voraussetzung für die Annahme eines steuerlich zu berücksichtigenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sei, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und Art der Bewirtschaftung, auf die Dauer gesehen, nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann. Nicht entscheidend sei, dass das in herabgewirtschaftetem Zustand übernommene Gut durch eine Reihe von Jahren keinen Gewinn abwerfe, es sei vielmehr durch Sachverständige zu erheben, ob der Besitzer den Betrieb nach landwirtschaftlichen Grundsätzen führe und ob für spätere Jahre - nach sachentsprechender Einrichtung des Gutes - eine nachhaltige Gewinnerzielung zu erwarten sei. Da derartige Feststellungen im bisheriges, Verfahren fehlten, wies der Reichsfinanzhof die Angelegenheit an den Oberfinanzpräsidenten zur Klarlegung des Sachverhaltes zurück.
Dieser holte nunmehr ein Gutachten eines Sachverständigen der Landesbauernschaft Steiermark ein. Der Sachverständige stellte fest, dass das Gut infolge ungünstiger Bodenverhältnisse schlechter zu bewirtschaften sei als die Nachbargüter, dass es aber nach modernsten landwirtschaftlichen Grundsätzen bewirtschaftet werde und dass derartige Landwirtschaften infolge schlechter Absatzmöglichkeiten vor dem Jahre 1938 hätten mit Verlust arbeiten müssen. Nach eingehender Abwägung der Verhältnisse gelangte der Sachverständige jedoch zum Schluss, dass das Gut bei entsprechender Bewirtschaftung mit Rücksicht auf den, wenn auch verhältnismässig schlechten Holzbestand zu einem Ertragsgut werden könne, wenn eine Reihe im einzelnen namhaft gemachter Massnahmen getroffen würden. Der Oberfinanzpräsident Wien erliess hierauf die Anfechtungsentscheidung vom , in der er abermals die Anfechtung als unbegründet abwies. Die Begründung dieser Entscheidung führt aus, die trotz der Erhöhung der Milch und Holzpreise seit dem Jahre 1938 eingetretenen Verluste bezw. der geringe Gewinn der Jahre 1938 bis 1943 bewiesen, dass dem Gut bei der derzeitige Bewirtschaftungsweise keine nachhaltige Ertragsfähigkeit zukommen könne. Diese Abweisung wurde durch das neuerliche Erkenntnis des Reichsfinanzhofes vom , Zl. VI 416/43, bestätigt.
Im Jahre 1942 wurde von der Steuerbehörde der aus der Bewirtschaftung des Gutes erzielte Gewinn dem Einkommen zugerechnet. Der Beschwerdeführer focht dies unter Berufung auf das Erkenntnis des Reichsfinanzhofes an und erwirkte die Absetzung dieses Betrages.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 1945 hat der Beschwerdeführer abermals unter Hinweis auf schwere Kriegsbeschädigungen einen Verlust aus der Bewirtschaftung des Gutes in der Höhe von 17.303,-- S von seinem übrigen Einkommen in Abzug gebracht. Das Finanzamt Mödling berücksichtigte diesen Abzug in seinem Einkommensteuerbescheid vom nicht und verwies auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofes. Der Beschwerdeführer brachte dagegen die Anfechtung ein, in der er hervorhob, dass unter den dermaligen Verhältnissen kein landwirtschaftlicher Besitz „zum Vergnügen“ betrieben werden könne, sondern nur mehr eine schwere Last darstelle, zumal die Verkaufspreise der Produkte weit unter dem Weltmarktpreis lägen und die Gestehungskosten nicht deckten. Er beantragte die Einvernehme von Sachverständigen „über die Verhältnisse von landwirtschaftlichen Gütern.“ Er verwies weiters auf die Schäden durch die Ueberschlägerungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit und abermals auf die schweren Schäden, die durch die Kriegsereignisse verursacht wurden, wobei er die Schädigungen im einzelnen anführt.
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies die Anfechtung mit Bescheid vom , Zl. GA III - 2264 - 1947, als unbegründet ab. In der Begründung wird hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer gar nicht behaupte, dass die im Sachverständigengutachten zur Erzielung eines Ausgleiches von Aufwand und Ertrag für nötig erachteten Massnahmen durchgeführt worden seien, und dass daher die Voraussetzungen für eine entsprechende Bewirtschaftung des Gutes nicht gegeben seien. Aber auch als Kriegsschaden könne diese Verluste nicht aufgerechnet werden, weil alle wirtschaftlichen Ergebnisse einer Liebhaberei aus dem Bereich des steuerrechtlichen Einkommens und der Einkommenbesteuerung auszuscheiden haben. Es verstosse auch gegen Treu und Glauben, wenn der Beschwerdeführer in den Jahren 1942 und 1943 unter Berufung auf die Qualifikation des Gutes als Liebhaberei die Absetzung der Gewinne erreicht habe und nunmehr unter Bestreitung dieser Qualifikation den Verlustabzug beanspruche.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die im wesentlichen die Ausführungen der Anfechtung wiederholt. Gesetzwidrigkeit des Inhaltes wird darin erblickt, dass die belangte Behörde den Gutsbesitz fälschlich als Voluptuarbesitz gewertet habe. Als Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wird gerügt, dass es die belangte Behörde unterliess, darauf Bedacht zu nehmen, dass die Durchführung der vom Sachverständigen angeregten Verbesserungen infolge der Kriegsverhältnisse unmöglich war, dass sie nicht beachtete, dass sich die Verhältnisse seit dem Kriegsende grundlegend geändert haben und das Gut schwere Kriegsschäden erlitt, und schliesslich verabsäumte, den angebotenen Sachverständigenbeweis durchzuführen.
Der Gerichtshof hat erwogen:
Gemäss § 2 des Einkommensteuergesetzes hängt das Recht des Beschwerdeführers, bei Ermittlung seines steuerpflichtigen Einkommens die Verluste in Rechnung zu stellen, die er aus dem Betrieb seines Landgutes erlitten hat, davon ab, ob dieser Betrieb als eine Land- oder Forstwirtschaft bezeichnet werden kann. Zu den Begriffsmerkmalen einer Wirtschaft gehört aber das Streben nach Gewinn und so kann ein Gutsbetrieb, der nicht zur Erzielung eines solchen Gewinnes, sondern zu anderen Zwecken, insbesondere zu Erholung oder Vergnügens des Besitzers geführt wird, nicht als Land- oder Forstwirtschaft, sondern lediglich als Liebhaberei bezeichnet werden.
Bei der Abgrenzung der Begriffe eines Liebhabereibetriebes von dem einer Land- oder Forstwirtschaft aber hat sich die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes, wie aus den im Sachverhalt näher angeführten Gründen der im vorliegenden Fall ergangenen Entscheidung hervorgeht, nach einigem Schwanken dahin festgelegt, dass die Frage, ob ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb oder eine Liebhaberei vorliegt, nur nach objektiven Gesichtspunkten zu entscheiden ist. Ebenso hatte es der Bundesgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 245 F für die Frage, ob ein „Voluptuarbesitz“ im Sinne des Artikels 14 der Durchführungsverordnung zum Personalsteuergesetz, BGBl. Nr. 311/1935, vorliege, für entscheidend erklärt, ob ein Gut nach der Art seiner Bewirtschaftung oder nach seiner gegebenen Eigenart geeignet ist, in seiner Gesamtheit einen die Betriebsauslagen übersteigenden Ertrag zu bringen, somit auf objektive Merkmale das Hauptgewicht gelegt. Die Art jedoch, wie sich dieses Erkenntnis mit den in subjektiver Richtung vorgebrachten Einwänden auseinandersetzt, lässt erkennen, dass der Bundesgerichtshof auch die Würdigung subjektiver Merkmale nicht von vornherein ablehnt.
Auch der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, dass bei Feststellung der Voluptuareigenschaft landwirtschaftlicher Güter wohl in erster Linie objektive Merkmale wie die Art der Bewirtschaftung oder die objektive Möglichkeit der Erzielung eines Ertrages Gewicht beizumessen ist, dass aber auch subjektive Momente, wie Beweggründe des Kaufes, Aufenthalt auf dem Gute, Vorhandensein anderer Einkommensquellen, Lage des Gutes u. a. in Erwägung gezogen werden sollen.
Wenn auch im gegenständlichen Fall den Tatsachen, dass es sich um den Ankauf eines Landgutes durch einen Direktor eines grossen industriellen Unternehmens in landschaftlich schöner Gegend, in der sich auch noch andere Güter von Industriellen befinden, handelt und dass das Gut trotz einer mehr als ein Jahrzehntandauernden Passivität nicht abgestossen wird, immerhin auch Bedeutung beigemessen werden könnte, so hat es doch hier auf die Erörterung solcher Fragen subjektiver Art nicht anzukommen, da die belangte Behörde schon auf Grund objektiver Merkmale festgestellt hat, dass die Voraussetzungen für die Qualifikation des Gutes als Ertragsgut nicht vorliegen. Sie stützte sich hiebei auf das im Akt vorliegende Gutachten des Sachverständigen über die Ertragfähigkeit des Gutes, aus dem bereits der Oberfinanzpräsident Wien in seiner vom Reichsfinanzhof bestätigten Anfechtungsentscheidung vom mit Recht abgeleitet hat, dass die dermalige Bewirtschaftungsform des Gutes einen nachhaltigen Ertrag nicht erwarten lasse. Die belangte Behörde konnte zu ihrer Feststellung umso eher gelangen, als dieses Gutachten im vorliegenden Anfechtungsverfahren nicht bekämpft wurde ( - das neue Vorbringen hiezu in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist gemäss § 41 Abs. 1 VwGG StGBl. Nr. 208/1945, nicht zu beachten -) und der Beschwerdeführer sich zur Begründung seiner Anfechtung im wesentlichen nur auf die geänderten Verhältnisse in der Landwirtschaft berief und er nur hiefür einen Sachverständigenbeweis anbot. Diese vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte allgemeine Verschlechterung der Wirtschaftslage von landwirtschaftlichen Gütern vermag aber die allein massgebende Feststellung nicht zu berühren, dass das gegenständliche Gut auch bei normalen Verhältnissen ohne grundlegender Aenderung der Bewirtschaftungsart einen nachhaltigen Ertrag nicht abwerfen kann. Der Beschwerdeführer hat weder vor dem Finanzamt noch im Anfechtungsverfahren behauptet, Massnahmen in der vom Sachverständigen aufgezeigten Richtung zur ertragswirtschaftlichen Gestaltung des Gutes ergriffen zu haben und hat auch keineswegs auf Hindernisse verwiesen, die einer derartigen Absicht entgegengestanden wären. Wenn er nunmehr in der Beschwerde auf die kriegsbedingte Unmöglichkeit, Verbesserungen durchzuführen, verweist, so stellt dies ebenfalls ein nicht zu beachtendes neues Vorbringen dar, dem überdies entgegengehalten werden könnte, dass ein Teil der vom Sachverständigen geforderten Massnahmen auch in Kriegszeiten durchführbar gewesen wäre.
Aus welchem Grund der Beschwerdeführer schliesslich die erlittenen Schäden, bezw. die in der Kriegs- und Nachkriegszeit angeblich erfolgten Ueberschlägerungen zur Stützung seiner Anfechtung hervorhebt, ist weder aus der Anfechtung noch aus der vorliegenden Beschwerde mit Klarheit zu entnehmen. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen dahin ausgelegt, dass der Beschwerdeführer beabsichtigte, den ausgewiesenen Verlust als Kriegsschaden zu werten und ihn als solchen in Abzug zu bringen. Wenn auch dieser Auslegung des Vorbringens nicht gefolgt werden kann, da der vom Beschwerdeführer zum Verlustausgleich nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes angemeldete Verlust, wie aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bilanz hervorgeht, lediglich aus der Bewirtschaftung des Gutes und nicht infolge Absetzung von Kriegs- und anderen Schäden eintrat, so war diese irrige Auslegung doch für die Entscheidung naht von Bedeutung.
Da somit der angefochtene Bescheid keine inhaltliche Gesetzwidrigkeit aufweist und auch die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel nicht vorliegen oder nicht geeignet sind, die Entscheidung massgebend zu beeinflussen, war die Beschwerde gemäss § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Sammlungsnummer | VwSlg 299 F/1950; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1950:1947001276.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-54468