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VwGH 16.02.1949, 1273/47

VwGH 16.02.1949, 1273/47

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Bei Neuveranlagung der Vermögenssteuer sind für deren Festsetzung die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am Neuveranlagungszeitpunkt maßgebend. Nachträgliche Veränderungen können nur aus Gründen der Billigkeit gemäß § 131 AO berücksichtigt werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsidenten Dr. Schlüsselberger und die Räte Dr. Wimmer, Dr. Simandl, Dr. Eichler und Dr. Ondraczek als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Kamptz-Borken als Schriftführer, über die Beschwerde des Dr. KS und der DS in A, letztere vertreten durch den Erstgenannten, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark in Graz vom , VermSt. 39-40-II-1947, betreffend Vermögensteuer, nach der am durchgeführten Verhandlung und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Vermögensteuerfestsetzung auf den durch die Bewertung der Forderung des Steuerpflichtigen gegen CH mit 72.000 S gemäss § 243 AO berichtigt wurde, wegen Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die unbeschränkt vermögensteuerpflichtigen Beschwerdeführer Dr. KS und seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebende Ehefrau DS wurden vom Finanzamt Liezen mit Bescheid vom gemeinsam auf den zur Vermögensteuer neu veranlagt.

Als Vermögen wurde festgestellt:

Grundvermögen im Werte von ................................... S 155.736,--

sonstiges Vermögen im Werte von .............................. S 110.242,--

zusammen ............................................................ S 265.978,--

Abzüge ................................................................ S 108.994,--

Reinvermögen ........................................................ S 156.984,--

Für dieses Vermögen wurde nach Abzug der Freibeträge eine Vermögensteuer von 680 S ab vorgeschrieben.

In diesem Vermögen waren Grundstücke auf dem Gebiete der Tschechoslowakischen Republik im Einheitswerte von ...... S 133.736,-- und Lebensversicherungen bei tschechoslowakischen Versicherungsanstalten im Werte von ....... S 32.994 enthalten. Diesen Versicherungsansprüchen standen gleichhohe Darlehensschulden an die Versicherungsanstalten gegenüber, die in den Abzügen enthalten sind. Im sonstigen Vermögen ist auch eine Forderung des Dr. S gegen seine Tochter C, verehelichte H, im Nennbetrage von S 72.000,-- enthalten, die vom Finanzamt auf Antrag der Beschwerdeführer nur mit der Hälfte ihres Nennwertes, nämlich mit S 36.000,-- bewertet wurde.

Gegen den Vermögensteuerbescheid erhoben die Beschwerdeführer Anfechtung und begehrten die Ausscheidung des in der tschechoslowakischen Republik gelegenen Grundvermögens, weil dieses tatsächlich schon am unverkäuflich, daher wertlos gewesen sei; denn damals hatte über den Ausgang des Krieges kein Zweifel mehr bestanden. Mit Ende April 1945 hätten die Beschwerdeführer vollends jede Verfügungsmöglichkeit über diese Grundstücke infolge ihrer Beschlagnahme durch den tschechoslowakischen Staat verloren. Dieses Vermögen könne also der inländischen Vermögensbesteuerung nicht unterzogen werden und es könne nur für den Fall, dass es nachträglich wieder in den Besitz der Beschwerdeführer zurückgelange, eine Nachbesteuerung vorbehalten werden.

Die Beschwerdeführer erklärten sich jedoch mit einer Richtigstellung der Abzüge einverstanden, weil eine darin enthaltene Schuld von S 35.000,-- die Beschwerdeführer nur zu einem Drittel belaste. Ferner beantragten die Beschwerdeführer in der Anfechtung die ziffernmässige Richtigstellung des Grundvermögens von S 155.736 auf S 127.503,--, wovon auf das Grundvermögen in der tschechoslowakischen Republik ein Betrag von S 105.503,-- entfalle, und berechneten das steuerpflichtige inländische Vermögen nach Abzug der Freibeträge mit S 57.582,-- und die darauf entfallende Vermögensteuer mit S 287,91.

Endlich haben die Beschwerdeführer in der Anfechtung den Antrag gestellt, die Vermögenswerte auf den gemäss § 13 Abs. 3 des Vermögensteuergesetzes festzusetzen, für alle Fälle im Sinne des § 131 der Abgabenordnung die Vermögensteuer für das in der tschechoslowakischen Republik befindliche Vermögen ab gänzlich zu erlassen und überdies die bisher für dieses Vermögen entrichtete Vermögensteuer auf andere Fälligkeiten anzurechnen.

Die Finanzlandesdirektion für Steiermark bat mit der Anfechtungsentscheidung vom , Verm.St. 39-40-II-1947 den Wert des gesamten Grundvermögens auf S 127.503,-- richtiggestellt, im übrigen aber die Anfechtung abgewiesen. Sie hat ferner die Steuerfestsetzung insofern gemäss § 243 der AO berichtigt, als die Forderung gegen CH mit dem vollen Nennbetrage von 72.000,-- S statt wie bisher bloss mit 36.000,-- S bewertet wurde.

Auf Grund dieser Anfechtungsentscheidung hat das Finanzamt Liezen am einen Berichtigungsbescheid erlassen, mit dem das sonstige Vermögen um den Betrag von 36.000,-- S erhöht und der Gesamtbetrag der Abzüge um zwei Drittel von 35.000,-- S, d. i. um 23.334,-- S auf 85.660,-- S herabgesetzt wurde. Die Vermögensteuer wurde daraufhin für ein steuerpflichtiges Vermögen (nach Abzug der Freibeträge) von 168.000,-- S mit jährlich 840,-- S ab vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde der auf die Vermögenswerte in der tschechoslowakischen Republik entfallende Teil der Vermögensteuer im Betrage von jährlich 375,-- S vorläufig bis zum , längstens jedoch bis zur endgültigen Entscheidung über das schliessliche Schicksal des Vermögens gestundet.

Das Finanzamt Liezen hat ausserdem mit besonderem Bescheid vom das in der Anfechtungsschrift mitenthaltene Ansuchen der Beschwerdeführer um Erlass jenes Teiles der Vermögensteuer, der auf das Vermögen in der tschechoslowakischen Republik entfällt, und auf Anrechnung der bisher geleisteten Zahlungen abgewiesen. Gegen diesen abweisenden Bescheid läuft eine abgesonderte Beschwerde, über die noch nicht entschieden ist.

Gegen die Anfechtungsentscheidung der Finanzlandedirektion für Steiermark vom richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet.

Über die Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Zunächst bekämpft die Beschwerde den Ausspruch des angefochtenen Bescheides über die Vermögensteuerpflicht hinsichtlich des in der tschechoslowakischen Republik gelegenen Vermögens. Sie ist in diesem Punkte unbegründet. Die beiden Beschwerdeführer haben schon seit 1939 ununterbrochen ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich und sind aus diesem Grunde hier unbeschränkt vermögensteuerpflichtig. Gemäss § 4 Abs. 1 des Verm.StG. unterliegt somit ihr gesamtes, wo immer befindliches Vermögen, also auch das ausländische, der Vermögensteuer.

Im vorliegenden Fall ist die Vermögensteuer auf den neu veranlagt. Es sind daher die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse am (dem „Neuveranlagungszeitpunkt“) für die Festsetzung der Vermögensteuer massgebend (§ 13 Abs. 2 VStG). Am aber gehörte zum Gesamtvermögen der Beschwerdeführer unstreitig auch ihr in der tschechoslowakischen Republik gelegenes Vermögen, da die Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt Eigenbesitzer (§ 11 Z. 4 StAnpG) dieses Vermögens waren. Dieses Vermögen wurde daher mit Recht in die Bemessungsgrundlage für die am veranlagte Vermögensteuer einbezogen.

Veränderungen, die nach dem eingetreten sind, konnten für die Veranlagung auf den nicht mehr geltend gemacht werden; sie konnten für einen späteren Zeitpunkt nur mehr im Wege einer Neuveranlagung gemäss § 13 VStG auf diesen späteren Zeitpunkt und für das Jahr 1945 nur mehr aus Gründen der Billigkeit gemäss § 131 AO berücksichtigt werden.

Die Beschwerdeführer berufen sich darauf, dass ihr in der tschechoslowakischen Republik gelegenes Grundvermögen am unverkäuflich, daher wertlos gewesen sei. Bei der Bewertung dieses Vermögens hätte ihrer Ansicht nach nicht der Einheitswert zugrundegelegt werden dürfen, sondern die Finanzbehörden hätten gemäss §§ 10 und 26 RBewG den gemeinen Wert, den dieses Vermögen am hatte, ermitteln müssen. Wenn man von der Ansicht der Beschwerdeführer ausgeht, dass es sich bei dem strittigen Vermögen, weil es nicht auf dem Gebiet der Republik Österreich gelegen ist, um ausländisches Vermögen handelt und daher bei der Bewertung der gemeine Wert massgebend ist, so ist damit für den Standpunkt der Beschwerdeführer nichts gewonnen. Die Beschwerdeführer betonen selbst, dass die österreichischen Behörden über den gemeinen Wert des strittigen Vermögens in der Tschechoslowakei keine Erhebungen vornehmen können, halten aber gleichzeitig daran fest, dass der Wert dieses Vermögens mit null Schilling einzusetzen sei. Angesichts dieser Sachlage bliebe der Finanzbehörde nichts übrig, als zur Schätzung nach § 217 AO zu schreiten. Würde die Finanzbehörde dabei mangels anderer Unterlagen auf die ihr bekannten Einheitswerte des strittigen Vermögens greifen könnte dagegen umsoweniger ein Einwand erhoben werden, als erfahrungsgemäss die Einheitswerte hinter den Verkehrswerten zurückbleiben. Der Gerichtshof kann daher im vorliegenden Falle in der Heranziehung der Einheitswerte bei der Bewertung des in der tschechoslowakischen Republik befindlichen Vermögens keinesfalls einen Verstoss gegen die Bewertungsvorschriften sehen, der es rechtfertigen könnte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Auch kam der Gerichtshof der Auffassung der Beschwerdeführer nicht zustimmen, dass ein Wirtschaftsgut deshalb weil es in einem bestimmten Zeitpunkt keinen Käufer findet oder nicht zu dem vom Veräusserer geforderten Preis anbringlich ist, wertlos wird. Gerade bei der Feststellung des gemeinen Wertes sind gemäss § 10 Abs. 2 RBewG ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen.

Die Beschwerdeführer bekämpfen ferner die von der belangten Behörde vorgenommene Berichtigung des Wertes der Forderung des Steuerpflichtigen gegen seine Tochter C von 36.000,-- S auf 72.000,-- S. Es liege Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, weil den Beschwerdeführern keine Gelegenheit gegeben worden sei, zur Bewertung der zweiten Instanz Stellung zu nehmen. In rechtlicher Hinsicht komme es nicht auf den tatsächlichen Verkaufswert der Liegenschaft an, sondern darauf, ob die Forderung Zinsen trage. Die Tatsache der Unverzinslichkeit der Forderung allein rechtfertige es, dass der Wert der Forderung von der ersten Instanz nur mit 50 % angenommen wurde. Die gleiche Auffassung hatte der Beschwerdeführer Dr. KS schon in seiner an das Finanzamt Liezen gerichteten Eingabe vom vertreten. Die belangte Behörde hat in der Anfechtungsentscheidung den Wert der Forderung des Steuerpflichtigen gegen seine Tochter mit dem Nennwert von 72.000,-- S festgesetzt. Obwohl diese Berichtigung der Steuerfestsetzung, die unter Berufung auf § 243 AO erfolgte, anstatt im Spruch in den Entscheidungsgründen ausgesprochen wird kann kein Zweifel bestehen, dass damit der Bescheid der erster Instanz, der die oben angeführte Forderung mit 36.000,-- S bewertete zum Nachteil der Beschwerdeführer geändert wird (§ 243 Abs. 3 AO). In der Begründung ihrer Entscheidung führt die belangte Behörde eine Reihe von Umständen an, die nach ihrer Ansicht die vom Steuerbescheid der ersten Instanz abweichende Bewertung der mehrerwähnten Forderung rechtfertigen. Allein die belangte Behörde hat es unterlassen, den Beschwerdeführern Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äussern. Darin aber liegt eine Verletzung des Rechtes der Beschwerdeführer auf Parteiengehör. Die angefochtene Entscheidung musste daher in diesem Punkte wegen Gesetzwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäss § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG aufgehoben werden, weil immerhin die Möglichkeit besteht, dass die belangte Behörde bei Gewährung des Parteiengehörs zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Schliesslich wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Ausführungen der Anfechtungsentscheidung, dass die Nichtausscheidung des in der tschechoslowakischen Republik gelegenen Vermögens keine unbillige Härte darstelle, weil die auf das ausländische Vermögen entfallende Vermögensteuer bis auf weiteres gestundet sei. Es wird damit die Frage aufgeworfen, ob im vorliegenden Fall aus Billigkeitsgründen gemäss § 131 AO ein Anspruch auf Erlass der Vermögensteuer erhoben werden kann. Darüber aber liegt vorerst nur ein abweislicher Bescheid des Finanzamtes Liezen vom vor. Gegen diesen Bescheid läuft eine gesonderte Beschwerde, über die im Instanzenzug noch nicht entschieden ist. Da somit der Instanzenzug in diesem Punkte noch nicht erschöpft ist, hat der Verwaltungsgerichtshof derzeit keine Möglichkeit, sich mit dieser nur in den Gründen der Anfechtungsentscheidung berührten Fragen zu befassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Sammlungsnummer
VwSlg 77 F/1949;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1949:1947001273.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-54455