VwGH 24.10.1980, 1230/78
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Eine allgemeine Regel, wonach denjenigen, der in einem Antragsverfahren einen Anspruch auf Erlassung eines begünstigenden Bescheides geltend macht, die Beweislast träfe, ist dem AVG fremd. Auch im Antragsverfahren obliegt es der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Dr. Liska, Dr. Pichler, Dr. Knell und Dr. Puck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Novak, über die Beschwerde der BB in S, USA, vertreten durch Dr. Hugo Ebner, Dr. Rainer Kunodi, Dr. Rudolf Müller und Dr. Karl Zerner, Rechtsanwälte in Wien II, Leopoldsgasse 51, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 14 - P 4/77, betreffend Begünstigung nach den §§ 500 ff ASVG (mitbeteiligte Partei:
Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien V, Blechturmgasse 11), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin bei der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die neuerliche Bearbeitung eines Antrages aus dem Jahre 1968 betreffend die begünstigte Anrechnung von Versicherungszeiten gemäß §§ 500 ff ASVG und die Gewährung einer Alterspension. Als Begünstigungsvoraussetzung wurde die vom verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin AB in der Zeit vom bis zum zurückgelegte Ersatzzeit als Angestellter in der Firma C & B, einer OHG, an welcher neben dem Vater des Verstorbenen auch ein familienfremder Gesellschafter beteiligt war, geltend gemacht. Der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin sei in dieser Firma hauptsächlich als Vertreter, aber auch im Innendienst tätig gewesen.
1.2. Der Magistrat der Stadt Wien hat am gemäß § 506 Abs. 3 ASVG unter anderem bescheinigt, daß der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin vom bis arbeitslos in Österreich und vom bis April 1940 in Haft in N gewesen sei.
1.3. Im Antrag auf Hinterbliebenenpension, bei der mitbeteiligten Anstalt eingelangt am , hat die Beschwerdeführerin, rechtsfreundlich vertreten, angegeben, ihr verstorbener Ehegatte sei von November 1922 bis Angestellter bei C & B in W gewesen.
1.4. Am hat die Beschwerdeführerin den Fragebogen F 229 der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten über die Tätigkeit ihres verstorbenen Ehegatten bei der Firma C & B ausgefüllt und angegeben, daß er von November 1922 bis März 1938 dort als Angestellter tätig gewesen sei und eine fremde Arbeitskraft ersetzt habe. Er sei 6 Tage pro Woche, und zwar in ganzjähriger Vollbeschäftigung, tätig gewesen; das Ausmaß der täglichen Arbeitszeit habe 8 Stunden betragen; er habe keine andere Beschäftigung ausgeübt; die Höhe des monatlichen Barlohns sei nicht mehr erinnerlich, aber in damals üblicher Höhe gewesen; der Versicherte sei zur Übernahme des Betriebes nicht vorgesehen gewesen. Auf demselben Formular finden sich auch zwei Zeugenerklärungen, in denen die von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben bestätigt wurden.
1.5. Mit Bescheid vom hat die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die für den verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin beantragte Begünstigung für die Zeit vom bis abgelehnt, wobei als Todestag der in Ermangelung eines durchgeführten Todeserklärungsverfahrens zugrunde gelegt wurde. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, daß der zu begünstigende Tatbestand vom Versicherten nachzuweisen sei. Der Verstorbene habe in der Zeit vom bis zur Emigration weder Beitrags- noch Ersatzzeiten aufzuweisen.
2.1. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Einspruch mit der Begründung erhoben, daß ihr verstorbener Ehegatte in der Zeit von 1922 bis 1938 bei der Firma C & B, später Firma SB, angestellt gewesen sei. Im Verfahren wurde von der Beschwerdeführerin zugestanden, daß die Beschäftigungszeit im elterlichen Betrieb in der Zeit vom bis März 1938 infolge der Übergangsbestimmungen der 29. Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz-Novelle als Vorversicherungszeiten nicht heranzuziehen seien. Darüberhinaus wurden im Einspruchsverfahren zwischen den Verfahrensparteien die Frage des Zeitpunktes des fiktiven Todestages des Verschollenen (§ 87 Abs. 2 ASVG) sowie die Frage der Heranziehung der Ersatzzeiten nach § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG und dessen Anwendung auf den vorliegenden Fall mit einem Stichtag vor dem erörtert.
2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat der Landeshauptmann von Wien den Einspruch als unbegründet abgewiesen und festgestellt, daß die Ablehnung der begünstigten Anrechnung von Versicherungszeiten für den verstorbenen Ehegatten der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom bis in der Pensionsversicherung der Angestellten zu Recht erfolgt sei. Zwar räume das Gesetz die theoretische Möglichkeit eines Erwerbes von Ersatzzeiten für Personen, deren Stichtag vor dem liege, ein, jedoch sei es der Beschwerdeführerin nicht gelungen, solche Ersatzzeiten ihres verstorbenen Ehegatten zu objektivieren. Wie im übrigen Sozialversicherungsrecht genüge es auch im Begünstigungsrecht nicht, daß eine Tätigkeit an sich ausgeübt oder eine manuelle Arbeit verrichtet wurde, diese müsse vielmehr ihrer Art, Weise und innerbetrieblichen Ausübung nach so beschaffen gewesen sein, daß hiedurch die Versicherungspflicht nach den bis zum bestandenen Bestimmungen begründet wurde bzw. begründet worden wäre. Dies bringe der Gesetzgeber auch im § 502 Abs. 4 ASVG klar zum Ausdruck. Zum Nachweis einer untergeordneten Tätigkeit im relevanten sozialversicherungsrechtlichen Sinne müßten daher die Merkmale der Bindung des Betroffenen an eine bestimmte tägliche Arbeitszeit und an Weisungen des Dienstgebers sowie der disziplinären Verantwortlichkeit hervorgekommen sein bzw. der hohen inneren Wahrscheinlichkeit nach als damals vorliegend angenommen werden können. Zum Nachweis der ins Treffen geführten Angestelltentätigkeit sei im Einspruch auf den Inhalt des Versichertenaktes verwiesen worden. Dort finde sich in diesem Zusammenhang jedoch lediglich ein von der Beschwerdeführerin offensichtlich aus der Erinnerung zufolge des langen Zeitablaufes verfaßter Fragebogen, der allgemeine Angaben, wie nach Monaten abgegrenzte Anstellungstätigkeit, sechs Wochentage ganzjährig, acht Stunden täglich, gegen üblichen Lohn, enthalte. Zwei außenstehende Zeugen hätten diese Angaben allgemein, ohne nähere eigene Aussagen, bestätigt. Diese Fakten gäben keinerlei Aufschluß über das die Versicherungspflicht nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz objektiv kennzeichnende innerbetriebliche Erscheinungsbild, es komme darin nicht zum Ausdruck, inwieweit der verstorbene Ehegatte der Beschwerdeführerin tatsächlich an eine fixe Arbeitszeit in der Firma C & B gebunden gewesen sei, wer ihm Weisungen erteilt habe und wie die Verantwortung für das Betriebsgeschehen gelagert gewesen sei. Es könne daher nicht als erwiesen gelten, daß der Ehegatte der Beschwerdeführerin in einer Art und Weise für die Firma C & B tätig gewesen sei, die aus ihren Merkmalen das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung erkennen lasse.
3.1. Mit Beschluß vom , Zl. 1229/78, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 46 VwGG 1965 dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof gegen den nunmehr angefochtenen Bescheid Folge gegeben.
3.2. In ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die Beschwerdeführerin den Bescheid des Landeshauptmannes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeausführungen beziehen sich nur auf den letzteren Beschwerdevorwurf. Die belangte Behörde habe sich, nachdem das Einspruchsverfahren sich ausschließlich mit der Rechtsfrage der Anrechenbarkeit von Ersatzzeiten nach § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG in Fällen mit einem Stichtag vor dem befaßt habe, diesbezüglich der Beschwerdeführerin angeschlossen und die Ablehnung der Begünstigung in den Bereich der Beweiswürdigung verlagert. Sie habe dies vor Erlassung des Bescheides der Beschwerdeführerin nicht mitgeteilt, ihr auch das Beweisergebnis nicht vorgehalten, im Einspruchsverfahren keine weiteren Beweise aufgenommen und die Beschwerdeführerin auch nicht zur Vorlage weiterer Beweise aufgefordert. Damit habe die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften der §§ 37, 39 Abs. 2 und 60 AVG 1950 verletzt, insbesondere hinsichtlich des Parteiengehörs. Letzteres sei umso gravierender, als ein komplett ausgefüllter Fragebogen (der im Gegensatz zu den Feststellungen der belangten Behörde eine Reihe von Angaben über die wesentlichen Merkmale eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses enthalte), der von der Pensionsversicherungsanstalt zum Nachweis von Ersatzzeiten gemäß § 229 ASVG aufgelegt worden sei, von der Einspruchsbehörde als für einen solchen Nachweis ungeeignet bezeichnet werde, ohne die Parteien hievon vor Abschluß des Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Die Beschwerdeführerin wäre in der Lage gewesen, bei Kenntnisnahme vom Verfahrensergebnis weitere Beweismittel beizubringen. Überdies wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Anhörung der Beschwerdeführerin und der Zeugen in geeigneter Weise von Amts wegen zu veranlassen.
3.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt. Sie hat ebenso wie die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten eine Gegenschrift erstattet.
4.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
4.1.1. Die im § 502 Abs. 1 und 4 ASVG in der Fassung der
19. und 29. Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz-Novellen, BGBl. Nr. 67/1967 und 31/1973, vorgesehene begünstigte Erwerbung von Anwartschaften und Ansprüchen für Zeiten (u.a.) einer aus politischen Gründen - außer wegen nationalsozialistischer Betätigung - oder religiösen Gründen oder aus Gründen der Abstammung veranlaßten Arbeitslosigkeit (Abs. 1) oder Auswanderung (Abs. 4) gilt für Personen, die vorher in der Zeit seit dem Beitragszeiten gemäß § 226 oder Ersatzzeiten gemäß §§ 228 oder 229 zurückgelegt haben.
4.1.2. Gemäß § 502 Abs. 6 ASVG (Absatzbezeichnung auf Grund der 32. Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 704/1976) gelten die Vorschriften des § 502 Abs. 1 bis 5 auch, wenn der Versicherungsfall schon vor dem eingetreten ist.
4.1.3. Als Stichtag wird von der belangten Behörde im vorliegenden Fall gemäß § 223 Abs. 2 ASVG jedenfalls ein Tag vor dem - dies ist im Verwaltungsverfahren unbestritten geblieben - angenommen.
4.1.4. Zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei stand zunächst in Streit, ob im vorliegenden Fall trotz des vor dem liegenden Stichtages die im § 502 Abs. 1 und Abs. 4 ASVG verwiesene Bestimmung des § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG anzuwenden war. Im angefochtenen Bescheides des Landeshauptmannes von Wien wurde der Ansicht der Beschwerdeführerin Rechnung getragen und diese Frage im Ergebnis zu Recht bejaht (vgl. zur Begründung der Rechtsauffassung, daß die im § 502 Abs. 1 und 4 ASVG verwiesenen Anrechnungstatbestände in ihrer im Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden sind, das schon im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2324/76, weiters die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2054/78, vom , Zl. 1640/78, und vom , Zl. 2232/78).
4.2.1. Gemäß § 229 Abs. 1 Z. 2 ASVG gelten als Ersatzzeiten aus der Zeit vor dem in der Pensionsversicherung der Angestellten die vor dem und nach Vollendung des 15. Lebensjahres gelegenen Zeiten einer Beschäftigung als Angestellter, während derer nach dem Stande der Vorschriften am , ......... , die Pflichtversicherung in der Angestellten(Pensions)-versicherung begründet wurde, soweit sie nicht schon als Beitragszeiten zählen. Als solche Vorschrift nach dem Stande vom ist unter anderem § 223 Abs. 1 lit. d des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes 1938, BGBl. Nr. 1 (GSVG 1938), heranzuziehen. Darnach ist angestelltenversicherungspflichtig und für die Fälle der Krankheit, der Berufsunfähigkeit, des Alters und des Todes sowie für die Folgen eines Dienstunfalles angestelltenversichert, wer im Inlande bei einem oder mehreren Dienstgebern vorwiegend zu Einkaufs-, Verkaufs- und Lagerdiensten, die eine durch das Wesen des Warenumsatzes bedingte Schulung und Fertigkeit voraussetzen, angestellt ist. Gleiches gilt nach lit. c der genannten Gesetzesstelle für Korrespondenz, Buchhaltungs-, Rechnungs- und Kassendienst sowie nach lit. j im übrigen für alle Dienste, für die eine über das Lehrziel der Hauptschule wesentlich hinausgehende allgemeine Bildung erforderlich ist.
4.2.2. Nach der damaligen Rechtslage waren Merkmale, aus deren Vorhandensein auf das Vorliegen eines Angestelltenverhältnisses geschlossen wurde, unter anderem ein Verfügungsrecht des Dienstgebers über die zeitliche Inanspruchnahme des Dienstnehmers, ein Bestimmungsrecht des Dienstgebers hinsichtlich der Art, in der die Tätigkeit verrichtet wurde, eine Bindung des Dienstnehmers an disziplinäre Verantwortlichkeit und eine engere Eingliederung in den Betriebsorganismus; Erfolg und Risiko der Tätigkeit des Dienstgebers wirkten sich in erster Linie auf seiten des Dienstgebers aus und nur mittelbar auch auf den Dienstnehmer (vgl. Kerber, Die gewerbliche Sozialversicherung, 1936, S. 338).
4.2.3. Die belangte Behörde hat das Vorliegen dieser entscheidenden Merkmale für die Annahme der von der Beschwerdeführerin behaupteten Angestelltentätigkeit ihres verstorbenen Ehegatten bei der Firma C & B in der Zeit vom bis ausschließlich mit dem Hinweis auf den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Versicherungsträger am ausgefüllten Fragebogen verneint, da dieser nur allgemeine Angaben über den Zeitraum dieser Angestelltentätigkeit, die wöchentliche und die tägliche Arbeitszeit sowie darüber, daß das Entgelt ein Barlohn in üblicher Höhe gewesen sei, enthalte. Weitere (eigene) Sachverhaltsermittlungen hat die belangte Behörde nicht gepflogen; obwohl Gegenstand der Erörterung im Einspruchsverfahren ausschließlich die unter 4.1. dieser Entscheidungsgründe erwähnte Rechtsfrage war, hat sie dann im angefochtenen Bescheid die Ablehnung der beantragten Begünstigung in den Bereich der Beweiswürdigung verlagert, ohne weitere Beweise aufgenommen oder der Beschwerdeführerin deren Beibringung aufgetragen zu haben.
4.2.4. Damit hat die belangte Behörde den gesetzlichen Anforderungen an das verwaltungsbehördliche Ermittlungsverfahren nicht entsprochen.
4.3.1. Gemäß § 39 Abs. 2 AVG 1950 hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der im II. Teil des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes enthaltenen Vorschriften
den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen; ....... Der in
dieser Bestimmung normierte Verfahrensgrundsatz der amtswegigen Beischaffung des entscheidungsrelevanten Prozeßstoffes (Untersuchungsgrundsatz) ist für das Begünstigungsverfahren nach dem ASVG durch keine besondere gesetzliche Vorschrift eingeschränkt worden. Aber auch eine allgemeine Regel, wonach denjenigen, der in einem Antragsverfahren einen Anspruch auf Erlassung eines begünstigenden Aktes geltend macht, die Behauptungs- und Beweislast träfe, ist den Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd. Naturgemäß wird in diesen Fällen die Behauptungslast für die anspruchsbegründenden Tatsachen im wesentlichen den Antragsteller treffen, wenngleich hier, in den Begünstigungsverfahren nach den §§ 500 ff ASVG, die ja sogar eine amtswegige Verfahrensinitiative kennen, nicht von einer formalen Behauptungslastregel des Inhaltes ausgegangen werden dürfte, daß die Unterlassung der Behauptung einer z. B. amtsbekannten anspruchsbegründenden Tatsache schon den Anspruchsverlust zur Folge hätte. Was die Verpflichtung zum Nachweis der behaupteten Tatsachen anlangt, so obliegt es auch im Antragsverfahren der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen. Aber auch dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (in diesem Bereich wird von einer sogenannten Mitwirkungs-"pflicht" der Partei gesprochen), was insbesondere bei jenen in der Person des Antragstellers gelegenen Voraussetzungen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann, ist es Aufgabe der Behörde, der Partei zu sagen, welche personenbezogenen Daten zur Begründung des geltend gemachten Anspruches noch benötigt werden, und sie aufzufordern, für ihre Angaben Beweise anzubieten. Die nichtgehörige Mitwirkung unterliegt der freien Beweiswürdigung.
4.3.2. Angesichts dieser Verfahrensrechtslage im allgemeinen Verwaltungsverfahren kann keine Rede davon sein, daß die Beschwerdeführerin mit den Angaben im Fragebogen F 229 der mitbeteiligten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom nicht ihrer Behauptungspflicht konkret und den in diesem Formular gestellten Fragen entsprechend nachgekommen sei. Sie hat aber nicht nur das Vorliegen eines Angestelltenverhältnisses ihres verstorbenen Ehegatten als solches behauptet und eine Reihe wesentlicher Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme eines solchen konkret angeführt, sondern diese Angaben auch von zwei Zeugen bestätigen lassen. Eine Befragung dieser Zeugen wurde im Zuge des Verfahrens nicht einmal versucht. Es wäre auch Sache der belangten Behörde gewesen, die Beschwerdeführerin zur Angabe weiterer für eine Unterstellung unter die Angestelltenversicherungspflicht nach dem GSVG 1938 für notwendig erachteter Beschäftigungsmerkmale, deren Kenntnis der Beschwerdeführerin weder zugemutet noch aus dem Fragebogen entnehmbar war, aufzufordern. Dadurch, daß das Verfahren ergänzungsbedürftig geblieben ist und die belangte Behörde dieses Versäumnis der Beschwerdeführerin zur Last legte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
5.1. Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1965 aufzuheben.
5.2. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 lit. c VwGG 1965 abgesehen werden.
5.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I lit. A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 542/1977.
5.4. Soweit Entscheidungen zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.
Wien, am
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Schlagworte | freie Beweiswürdigung Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1980:1978001230.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-54326